cover.jpg

img1.jpg

 

Nr. 2949

 

Die Biophore

 

Unterwegs auf der Extremwelt – ein Terraner im Netz des Adauresten

 

Michael Marcus Thurner

 

 

 

Pabel-Moewig Verlag KG, Rastatt

 

Cover

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

1. Xavier Freud

2. Youko Ortokur

3. Perry Rhodan

4. Loa Heptinkhal

5. Youko Ortokur

6. Perry Rhodan

7. Loa Septinkhal

8. Perry Rhodan

9. Chao Dorodena

10. Loa Heptinkhal

11. Youko Ortokur

12. Loa Heptinkhal

13. Perry Rhodan

14. Loa Heptinkhal

15. Perry Rhodan

16. Youko Ortokur

17. Perry Rhodan

18. Youko Ortokur

19. Perry Rhodan

20. Youko Ortokur

21. Perry Rhodan

22. Xavier Freud

Leserkontaktseite

Glossar

Clubnachrichten

Impressum

PERRY RHODAN – die Serie

 

img2.jpg

 

Gut dreitausend Jahre in der Zukunft: Perry Rhodans Vision, die Milchstraße in eine Sterneninsel ohne Kriege zu verwandeln, lebt nach wie vor. Der Mann von der Erde, der einst die Menschen zu den Sternen führte, möchte endlich Frieden in der Galaxis haben.

Unterschwellig herrschen immer noch Konflikte zwischen den großen Sternenreichen, aber man arbeitet zusammen. Das gilt nicht nur für die von Menschen bewohnten Planeten und Monde. Tausende von Welten haben sich zur Liga Freier Galaktiker zusammengeschlossen, in der auch Wesen mitwirken, die man in früheren Jahren als »nichtmenschlich« bezeichnet hätte.

Besucher aus anderen Galaxien suchen Kontakt zu den Menschen und ihren Verbündeten. Derzeit machen vor allem die Thoogondu aus der Galaxis Sevcooris von sich reden, einst ein von ES erwähltes und dann vertriebenes Volk. Dazu gesellen sich die Gemeni, die angeblich den Frieden in der Lokalen Gruppe im Auftrag einer Superintelligenz namens GESHOD wahren wollen.

Hinzu kommt Adam von Aures, dessen Ziele, Methoden und Absichten nach wie vor unklar sind. Derzeit sucht er scheinbar nach einem Mittel, die Existenz eines Perry Rhodan zu sichern, der aus den Enklaven Wanderers stammt. Das einzige infrage kommende ist angeblich DIE BIOPHORE ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Adam von Aures – Der Adaurest befasst sich mit der Biophore.

Perry Rhodan – Der Terraner droht zu sterben.

Youko Ortokur – Die Sicherheitschefin von Sunset City misstraut dem früheren Unsterblichen.

Loa Heptinkhal – Die Raumschiffskommandantin verteidigt eine fremde Welt.

1.

Xavier Freud

 

»Du bist ein hässlicher, langweiliger Klumpen. Sagen die Leute. Aber die Leute sind mir herzlich egal. Für mich bist du der schönste Felsbrocken des Solsystems.«

Xavier Freud tätschelte eine der vielen Gesteinsproben des Lagers, bevor er nach der fast leeren Dose mit den arkturischen Gorengkeksen griff. Er schob sich ein Stück in den Mund, und genoss, wie die zarte Karamell-Ingwer-Füllung mit diesem besonderen Hauch Vurguzz-Konzentrat auf der Zunge schmolz. Anschließend sah er sich ein letztes Mal um, desaktivierte alle Arbeitsgeräte, schloss den SERUN und machte sich auf den Weg. Durch die Schleuse der Station zum einzigen Ausgang.

Der SERUN zwickte da und dort. War er etwa während der Wochen auf Despina geschrumpft, während Freud seinen Forschungsarbeiten nachgegangen war?

Wie eigenartig.

Das äußere Schleusentor öffnete sich, die Luft entwich. Der Blick war atemberaubend. Dank Neptuns Methanschicht leuchtete der Planet kräftig blau, Triton verbarg sich derzeit hinter der riesigen Welt.

Der Galle-Ring zeichnete sich als dünnes Staubband mit Neptun-Hintergrund ab, während sich die äußeren Lassel- und LeVerrier-Ring mit dem Hintergrund des Alls bloß als Schemen zeigten. Es war ein Anblick, den Freud gut genug kannte – und an dem er sich niemals würde sattsehen können.

Er trat ins Freie. Er überließ die Steuerung seinem SERUN, der Multifunktions-Anzug brachte ihn zur bereitstehenden Space-Jet. Freud sah sich wehmütig um.

»Auf Wiedersehen, LEYLA«, sagte er.

»Auf Wiedersehen, Xavier«, entgegnete LEYLA, die Biopositronik des autonomen Labors, der einzigen Station auf dem Neptunmond Despina. »Kommst du bald wieder?«

»Du weißt, dass ich einmal im Monat nach Tritona muss, um meinen Bericht abzuliefern. Diese weltfremden Spinner bestehen darauf. – Außerdem gehen die Vorräte zu Ende.«

LEYLA sagte nichts mehr. Sie bedauerte seine Abreise. Wie auch er viel lieber dageblieben wäre.

Nun ja. Die Vorräte an Gorengkeksen gehörten nun mal aufgestockt, und er würde seine Arbeit verlieren, wenn er noch länger die Berichterstattung an die Leute von der Académie Triton hinauszögerte.

Freud betrat die Space-Jet und öffnete den Helm, sobald er ein Signal erhielt. Der Flug nach Tritona würde wegen der schwierigen Verhältnisse innerhalb der Staubgürtel mehr als eineinhalb Stunden dauern.

Er initiierte den Startvorgang, das Raumflugzeug hob sanft von Despina ab und stieg in die Höhe. Die Space-Jet nahm eine Position ein, die es ihm erlaubte, während des Startmanövers Despina im Blickfeld zu behalten.

Der Mond war unregelmäßig geformt. Er ähnelte einem breiten Faustkeil, der Neptun umraste. Irgendwann würde er unter dem gravitationalen Einfluss des Planetenriesen zerbrechen – in einigen Tausend Jahren.

Immer größere Teile Despinas gerieten in sein Blickfeld. Bald konnte Freud mehr als die Hälfte des 180 Kilometer langen Felsbrockens überblicken. Er entdeckte jene Kluft, in der er am Vortag Tiefenbohrungen absolviert und anschließend markiert hatte. Unmittelbar daneben waren die Umrisse eines Kraters zu erkennen. Die Gravitation des Monds lag bei nicht einmal drei Promille des Terra-Werts; Sand und Staub, die durch einen Meteoriteneinschlag aufgewirbelt wurden, entwichen zu über 99 Prozent und verteilten sich im All.

Freud musste gähnen. Er war müde, er benötigte Nahrungszufuhr. Wenn er nicht bald ...

Da war etwas! Ein Eindruck. Ein Leuchten. Etwas, das Despina umfing.

Er kniff die Augen zusammen und versuchte, das Phänomen zu verstehen – als es bereits wieder endete.

»Schiff, hast du das gesehen?«, fragte Freud.

»Ich brauche eine genauere Definition von das«, antwortete die Positronik.

»Hast du den Helligkeitsblitz nicht registriert, der Despina vor wenigen Sekunden umfasste?«

»Negativ.«

»Der Mond war beinahe transparent. Für etwa eine Sekunde.«

»Negativ. Es waren keinerlei Veränderungen wahrzunehmen. Weder mit den optisch-mechanischen Ortungsgeräten noch mit jenen, die das Hyperspektrum abtasten.«

»LEYLA?«

»Ja, Xavier? Hast du es dir anders überlegt? Kommst du zurück zu mir?«

»Du weißt, dass das nicht geht. – Hast du gerade eben Veränderungen erlebt? Haben deine Sensoren ungewöhnliche Strahlenbilder festgestellt, wie sieht es mit der Seismik aus, mit Lichtverschiebungen?«

»Nein, da war nichts.«

»Ich hatte eine ungewöhnliche Wahrnehmung, LEYLA. Ich bin mir sicher, dass Despina hell aufleuchtete und verschwamm.«

»Du bist unterzuckert, du Armer ... Komm zurück zu mir, ich sorge für dich ...«

Freud schaltete die Verbindung weg. Die Bemutterungsversuche der Biopositronik nervten manchmal. Wahrscheinlich war schlicht und ergreifend ihr Bioplasmaanteil zu hoch oder sie war vom Pflegetrieb der Matten-Willys angesteckt worden.

Er ließ sich die Aufzeichnungen der letzten Minuten in einen Holoschirm legen. Ohne zu blinzeln starrte er darauf. Er kontrollierte die Bilder, immer und immer wieder.

Nichts. Er hatte sich geirrt. Er musste eingenickt sein und geträumt haben.

»Also doch Unterzuckerung«, sagte er leise. »Kein Wunder, wenn einem die Gorengkekse ausgehen.«

Xavier Freud schaltete den Holoschirm weg und lehnte sich zurück. Die Space-Jet hatte Despina mittlerweile den Rücken gekehrt und beschleunigte. Bald würde sie den Ringbereich Neptuns hinter sich lassen und Richtung Triton rasen.

»Unterzuckerung«, wiederholte Freud, schloss die Augen und schlief ein.

2.

Youko Ortokur

 

»Wie weit bin ich bereit zu gehen? Was meinst du?«

»Ich verstehe deine Frage nicht, Youko.«

Teo Tauren, ihr Stellvertreter, saß ihr unmittelbar gegenüber. Ein metallener Schreibtisch stand zwischen ihnen, wuchtig und frei von jeglichen Gegenständen. Die Beine waren mit dem Boden verschweißt.

»Du kennst mich«, fuhr Ortokur fort. »Wie lange arbeiten wir nun zusammen?«

Tauren dachte nach, überraschend lange. »Sechs Jahre«, antwortete er dann.

»Sunset City ist ein ruhiges Pflaster. Wir hatten kaum Schwierigkeiten mit den Bewohnern, die Stadtleitung arbeitet gut und konsequent, allerorten herrscht Ruhe. Ab und zu bereiten uns Dämmerwindsegler wie Mar Tulek Verdruss – aber das sind Kinkerlitzchen.«

»Richtig. Wir hätten es schlimmer erwischen können.«

»Du bist seit mehr als dreißig Jahren hier. Du kennst die Stadt und deren Bewohner gut. Du spürst sie, du lebst sie, nicht wahr? So wie ich, die ich hier geboren wurde.«

»Verrätst du mir bald, worauf du hinaus möchtest, Youko?« Tauren strich sich über sein prägnantes Kinn, so, wie er es oft tat. Diesmal allerdings wirkte die Geste einstudiert.

»Wir hatten es noch nie mit einer ernsthaften Bedrohung zu tun. Du kennst mich als korrekte Vorgesetzte. Ich habe stets ein offenes Ohr für die Probleme meiner Mitarbeiter. Richtig?«

»Richtig.«

Ortokur stützte sich mit den Händen auf dem Schreibtisch ab, der zwischen ihnen stand, und beugte sich zu ihrem Stellvertreter vor. »Ich bin all dies in Friedenszeiten und so lange mir niemand auf die Füße steigt, Teo. Wenn ich allerdings eine Bedrohung erkenne, ziehe ich die Zügel straff. Sehr straff. Und nun stelle ich dir nochmals meine Frage: Was glaubst du, wie weit bin ich zu gehen bereit, wenn ich mich von meinem Stellvertreter betrogen fühle?«

Sie schob den Daumen unter die Tischkante, zupfte kurz daran und hob das mehrere Hundert Kilogramm schwere Möbel aus der Bodenverankerung. Das widerstrebende Metall knirschte und schrillte, während es nachgab.

»Ich würde sagen: sehr weit«, gab sie selbst die Antwort, als der Tisch wieder zu Boden krachte. Sie lächelte.

 

*

 

»Spinnen«, sagte sie. »Ich hasse Spinnen.«

»Wie bitte?« Delarosa blickte sie irritiert an.

»Verzeih. Ich war dabei, Bildmaterial zu sichten. Von Orten, die Teo Tauren während seiner Überprüfungsarbeiten in den letzten Tagen besucht hat. In drei Labors habe ich auf den Bildern Spinnennetze entdeckt. Wie ist das bloß möglich, Lalaine? Ich dachte, die Anlagen würden keimfrei gehalten. Wie können diese Viecher bloß hineingelangen?«

Delarosa zuckte mit den Achseln. »Sie tauchen überall auf, sie sind Überlebenskünstler. Ich musste mal eine aus dem Inneren einer verkapselten Positronik entfernen.«

»Du solltest dafür sorgen, dass Kammerjäger-Roboter die Laboranlagen untersuchen.«

»Das mache ich. Aber wir haben, denke ich, Wichtigeres zu besprechen.«

»Verzeih, Lalaine. Ich bin unkonzentriert. Zu viele Probleme, zu viele Sorgen ...«

»Willkommen in meiner Welt.« Delarosa lächelte, wurde aber gleich wieder ernst. »Ist Tauren bereit zu reden? Ist er der Verräter, nach dem wir gesucht haben? Und was weiß er über diesen vermeintlichen Perry Rhodan?«

»Ich bin mir nicht sicher«, sagte Ortokur leise. Sie blickte durch die abgedunkelte Glassitscheibe Richtung Sonne. Eines der beiden Kurierschiffe von Sunset City, eine Space-Jet der TRITON-Klasse, kehrte eben von einem Wartungsflug zurück. Es steuerte den Ringwulst von Sunset Delta an und schleuste ein. Mit bewundernswerter, maschinell gesteuerter Präzision.

»Teo gibt sich sehr selbstbewusst«, fuhr sie fort. »Mehr, als ich es von ihm gewohnt bin.«

»Das bedeutet?«

»Ich verstehe längst nicht alles, was zwischen ihm und dem anderen ... Mann für eine Verbindung besteht.«

Sie konnte ihren Blick nicht von Bolo lösen. Die Riesensonne war für die Bewohner von Sunset City nie mehr als ein dünner Streifen am Horizont, dessen Licht das karge Land flutete. Die Stadt lief der mächtigen Energiequelle hinterher, um einen Sonnenuntergang nach dem anderen zu erleben und dabei niemals jene schmale Dämmerzone zu verlassen, die als einzig halbwegs habitabler Bereich auf diesem Höllenplaneten galt.

Ortokur schloss die Augen. Erst vor einer Woche war sie in die sonnengeflutete Ebene hineingelaufen, nur spärlich bekleidet. Sie hatte sich den vielfältigen Strahlungen und der enormen Hitze ausgesetzt. Um ihren Körper endlich wieder einmal zu fühlen und ihre Grenzen auszuloten.

Ihre oxtornische Kompaktheit ließ sie Dinge tun, die für die anderen Bewohner Sunset Citys unvorstellbar waren. Sie hatte sich am Uferrand eines Zinnsees niedergehockt und minutenlang dabei zugesehen, wie Giftgasblasen an die Oberfläche der Flüssigkeit gedrückt worden waren. In Zeitlupentempo waren sie zerplatzt, in den trichterförmigen Mulden darunter trieben ... Dinge. Ein Teppich von Mikroorganismen, der hitzeresistent war und der es verstand, sich von Trialkyl-Zinnverbindungen zu ernähren.

Diese Welt, ihre Heimat, war wundersam – und wunderbar. Sie musste in ihrer Einzigartigkeit geschützt werden. Eindringlinge, die der Stadt und damit dem Planeten schadeten, zogen sich Ortokurs Zorn zu.

»Woran denkst du, Youko?«

Sie öffnete die Augen und konzentrierte sich auf die meist souveräne Standortkommandantin Sunset Citys. Für Ortokurs Geschmack war Lalaine Delarosa allerdings manchmal zu wenig konsequent in ihrem Handeln.

»Ich denke an die Arbeit. Daran, wie wir Teo beikommen können.«

»Unternimm, was notwendig ist! Bring Tauren zum Reden! Mit allen Mitteln. Verstehst du mich?«

»Selbstverständlich.« Ortokur deutete ein Nicken an.

Die Direktorin und Chefwissenschaftlerin der Stadt erteilte ihr einen Freibrief – und schob zugleich alle Verantwortung von sich. Sie erwartete Ergebnisse, so rasch wie möglich.

 

*

 

»Noch mal von vorne, Teo.« Sie ließ sich auf einem Stuhl gegenüber von Tauren nieder. »Du hast dich während der letzten Tage verdächtig gemacht. Ich werde dir sagen, warum. Erstens: Du hast den Auftrag für Sicherheitskontrollen in den Laboratorien recht ... frei ausgelegt. Zweitens: Du bist während des Dienstes aus Sunset City verschwunden, ohne dich abzumelden und ein Ziel anzugeben ...«

»Ich hatte Gründe. Das habe ich bereits mehrmals erzählt. Meine Nichte war in Schwierigkeiten, ich musste ihr helfen.«

»Drittens: Wir finden ein Wesen in deinem Haus, das dem unsterblichen Perry Rhodan verdammt ähnlich sieht.« Sie beugte sich vor. »Wie passt das alles zusammen, Teo? Verrat es mir!«

Tauren verschränkte die Arme vor der Brust und blickte sie unvermittelt an. Ernst und beherrscht. »Dieser Mann ist Perry Rhodan.«

»Rhodan ist seit Monaten unterwegs. In einer anderen Galaxis. Dieser Mann ist ein Doppelgänger. Ein gut getarnter zwar, aber dennoch ein Doppelgänger.«

»Ich vermute, dass er soeben diverse Untersuchungen durchläuft?«

»Richtig. Du kennst das Standardvorgehen.«

»Dann wirst du in etwa einer Stunde wissen, dass ich die Wahrheit sage.«

Ortokur schnaubte verärgert. »Was sollte Rhodan auf einer Forschungswelt zu suchen haben, während er doch auf weiter Reise ist? Warum hat er weiße Haarsträhnen? Warum verhält er sich bei den Befragungen linkisch und antwortet kaum auf unsere Fragen?«

»Ich kann dir keine Antworten geben, die dir gefallen würden.« Ihr Gegenüber lächelte, souverän und fast ein wenig überheblich. »Es geht hier um Dinge, die zu groß für dich sind.«

»Aber nicht für dich, Teo?«

»Ich bin ein Mitarbeiter Rhodans. Ich wurde ... engagiert. Ich bin in gewisse Angelegenheiten eingeweiht und achte darauf, dass ihm in Sunset City nichts geschieht.«

»Wenn dem so wäre, dürfte Rhodan ziemlich sauer auf dich sein. Denn er sitzt in einer Sicherheitszelle.«

»Lalaine und du werdet bald einsehen, dass es besser wäre, Rhodan und mich wieder auf freien Fuß zu setzen. Sobald ihr wisst, dass er und ich die Wahrheit sagen, können wir gerne weiter verhandeln. Und ihr euch für euer Verhalten entschuldigen. Bis dahin aber wäre es mir recht, wenn du mich alleine ließest. Ich bin müde, Youko.«

Tauren wandte sich mit einem Lächeln zur Seite, legte die Beine auf den Tisch und schloss die Augen. Er beachtete sie nicht länger.

3.

Perry Rhodan

 

Leute umschwirrten ihn. Wesen, die er vor wenigen Wochen als Fabelfiguren abgetan hätte. Sie hatten spitze Köpfe, überbreite Körper oder trugen gar Hörner auf der Stirn. Auch die, die auf den ersten Blick wie Menschen wirkten, waren oftmals fremd. Sie rochen anders, ihre Gesten und Verhaltensweisen hatten etwas Merkwürdiges an sich.

Er war aus seiner Zeit und seinem Universum gefallen, und das merkte er.

Na und?, dachte er. Fang jetzt bloß nicht mit Selbstmitleid an! Du musst dich so rasch wie möglich an die geänderten Verhältnisse anpassen. Deine Aufgabe ist es, deine Heimat zu retten. Jene Erde, die du kennst.

Ein Spitzkopf, ein Ara, stach ihm in die Armbeuge und lächelte dabei. »Bald wissen wir, wer du wirklich bist«, sagte er und wandte sich ab, begleitet von jenem mechanischen Insekt, das eben auf seinem Unterarm gesessen und ihn mehrfach gestochen hatte. Der transparente Unterleib der kleinen Maschine war mit dunkler Flüssigkeit gefüllt.

Es war nicht die erste Blutprobe, die die Mediker von Sunset City untersuchten. Sie hatten Haut- und Speichelproben genommen, die Narbe an seiner Nase begutachtet, Gebissabdrücke gemacht und das Gehirnwellenmuster überprüft. Besondere Aufmerksamkeit hatte seiner linken Schulter gegolten. Jenem Platz, in dem der Perry Rhodan dieses Universums einen Zellaktivator trug, wie er wusste.

Er wurde von schweigenden und grimmig dreinblickenden Menschenähnlichen mit grüner Haut in die karg ausgestattete Untersuchungszelle zurückgebracht. Eine kleine Mahlzeit stand für ihn bereit, die zwar widerlich aussah, aber überraschend gut schmeckte. Gataser Allerlei besagte ein beigelegter Zettel.

Rhodan warf sich auf das schmale Bett neben dem kleinen Tisch und verschränkte die Hände hinter dem Kopf. Er blickte gegen die kahle Decke, die wie plastifiziert wirkte.

Er suchte nach Abhörgeräten, fand aber keine. Adam hatte ihn instruiert. Die Technik dieses Parallel-Universums war so weit fortgeschritten, dass er Wanzen selbst mit der Lupe nicht würde erkennen können.

Adam von Aures ... Was wohl mit ihm geschehen war? Hatten ihn die Sicherheitskräfte von Sunset City ebenfalls festgesetzt?

Die Tür öffnete sich, eine muskulöse Frau trat ein. Youko Ortokur, die Chefin des hiesigen Sicherheitsapparats. Eine Oxtornerin, die über unglaubliche Kräfte verfügte, wie er erfahren hatte.

Rhodan kam langsam auf die Beine und wartete.

»Die Untersuchungen sind so gut wie abgeschlossen«, sagte sie.

»Mit welchem Ergebnis?« Er bemühte sich, ruhig zu bleiben. Gewiss befanden sich irgendwo im Raum Messgeräte, die seinen Körperhaushalt kontrollierten und bewerteten.

»Es stimmt«, sage Ortokur mit mürrisch klingender Stimme. »Du bist Perry Rhodan.«

»Na also! Dann wäre diese Angelegenheit ja geklärt und ...«

»Zumindest gibt es Übereinstimmungen in allen messbaren Bereichen. Allerdings ist nicht geklärt, warum du keinen Zellaktivator in dir trägst und immer noch lebst.«

»Wie du siehst, habe ich einige graue Haare bekommen als Konsequenz der ... der Entnahme.«

»Würdest du das näher erklären?«

»Nein. Weder dir noch der Standortleiterin. Es gibt Grenzen, Youko. Du als Sicherheitschefin von Sunset City müsstest das wissen.«

»Es gibt keinerlei Vernarbung im Bereich deines linken Schlüsselbeins. Es ist, als hättest du niemals einen Zellaktivator-Chip getragen.«

»Der Chip wurde nicht operativ entfernt, Youko. Sowenig, wie er mir von ES durch eine herkömmliche Behandlung eingepflanzt wurde. Und bevor du mich fragst, wieso ich nicht nach 62 Stunden elend krepiert bin: Ich wurde ... aufgeladen.« Rhodan hieb mit der Faust auf den Tisch. »Zum Donnerwetter! Was braucht es noch, damit du mir glaubst? Ich bin Perry Rhodan!«

Ortokur zeigte sich unbeeindruckt von seinem Gemütsausbruch. »Wer sitzt statt deiner an Bord der RAS TSCHUBAI?«

»Ich werde dazu nichts sagen. Die Lage ist zu delikat. Dränge nur ein Wort nach außen, dass ich mich in der Milchstraße befinde, hätte dies weitreichende Konsequenzen. Nicht nur für mich, sondern für alle Bürger der Liga Freier Galaktiker.«

»Bis jetzt habe ich bloß Schlagworte von dir gehört. Andeutungen. Nichtssagende Argumente. Nichts, das mein Vertrauen in dich wiederherstellen könnte. Ganz im Gegenteil. Diese Geheimnistuerei von dir und deinem Helfer verstärkt bloß meinen Verdacht, dass etwas nicht stimmt.«

»Du hast Teo ebenfalls festgenommen?«

»Selbstverständlich.«

Rhodan überlegte. Was hatte das für Auswirkungen? Was für ein Märchen würde Adam von Aures den Sicherheitskräften Sunset Citys auftischen?

»In welchem Verhältnis steht ihr zueinander?«, hakte Ortokur nach.

Rhodan blieb bei jener Geschichte, die Adam und er vor ihrer Trennung besprochen hatten. »Er ist einer meiner Mitarbeiter. Mein Verbindungsmann auf Last Hope. Er hilft mir, meine Ziele in Sunset City zu erreichen.«

»Die da wären?«

Er schwieg. So lange, bis es der Sicherheitschefin zu dumm wurde.

»Ich werde eine weitere Testserie veranlassen«, sagte sie. »Und ich werde eine informelle Anfrage an Terrania richten, was man dort über deinen Verbleib weiß.«

»Wenn bekannt wird, dass ich mich in Sunset City befinde, zerstörst du meine Mission«, sagte Rhodan und legte so viel Schärfe wie möglich in seine Stimme. »Ich kann und werde nicht zulassen, dass du das Leben von Billionen Wesen riskierst. Hast du mich verstanden?«

Ortokur zögerte, als wollte sie etwas erwidern. Doch sie blieb stumm, drehte sich abrupt um und verließ ohne Gruß den Raum.

4.

Loa Heptinkhal

 

Ein Gesteinsbrocken mit der Masse des Kilimandscharo stürzte auf Siskul hinab, den vierzigsten Planeten des Wegasystems. Der Rechner der ERIK THEONTA zeigte beeindruckende Bilder. Rote und gelbe Farben umgaben die Felsmassen, während sie in die Atmosphäre des Gasriesen eintauchten. Sonden dokumentierten den jähen Zerfall, die beinahe explosionsartige Zerstörung des Brockens.