Siebzehntes Kapitel.

Inhaltsverzeichnis

»Majestät,« sagte am andern Morgen die Oberhofmeisterin, als man nach dem Frühstück im Park lustwandelte, »Majestät, ich bin Ihnen eine Erklärung schuldig, daß ich den Brief an die Hofdame Ihrer Majestät der Königin nicht mit unterschrieben habe.«

»Sie haben nicht?« erwiderte der König. Das starre, feine Antlitz der alten Frau zeigte keine Veränderung bei diesen Worten, und doch hätte es sie verletzen können, daß ihre fehlende Unterschrift nicht bemerkt wurde. Sie befolgte aber vor allem das oberste Hofgesetz: jedes persönliche Empfinden zu verleugnen und dadurch auch jede Empfindlichkeit zu vermeiden; sie fuhr, nach Hofweise den Tadel in Lob verkleidend, ruhig fort:

»Diese Einladung ist eine geniale Laune und Gnade Eurer Majestät, aber das Genie ist immer ohne Gefolge. Majestät werden mir als Ihrer mütterlichen Freundin, mit welchem hohen Titel sie mich oft beehrten, wohl erlauben, zu bemerken, daß es weder den Kavalieren noch den Damen zusteht, ihre Namen unter einen außergewöhnlichen Scherz Eurer Majestät zu setzen. Es soll der Umgebung nicht Veranlassung gegeben sein, Eurer Majestät hohem Sinn die Vermutung anzudichten, daß diese Berufung, weil sie öffentlich und laut, eigentlich eine geheime und stille.«

Der König sah die Oberhofmeisterin betroffen an, aber er that, als ob er nicht merke, daß die Oberhofmeisterin die Maske durchschaue.

»Ich wiederhole Ihnen, gnädige Frau, Sie hätten auch ins Bad reisen sollen, Sie sehen alle Dinge so schwer, so gewichtig an; aber wenn man, wie ich, eben aus dem Bade kommt, ist alles so leicht und frei beschwingt.«

»Majestät, es ist nur meines Amtes, die festen Normen für das hohe Leben Eurer Majestät immer wieder neu zu betonen.«

»Thun Sie das nicht zu sehr?«

»Majestät, die Etikette ist der unsichtbare, aber nicht minder bedeutsame Kronschatz: man schmilzt die kunstreichen und hochgeschichtlichen Schätze nicht ein zu neuen Münzen, sie müssen sorgfältig bewahrt werden, von Jahrhundert zu Jahrhundert. Das Schloß ist der höchste Punkt im Lande, wo man immer von allen gesehen wird und so leben muß, daß man gesehen werden kann.«

Der König hörte dieser Auseinandersetzung nur wenig zu, denn er dachte sich hin zu Irma, die jetzt den Brief erhielt. Sie ist aufgewacht, sie steht allein oder sitzt neben dem menschenfeindlichen Alten auf dem Söller des Schlosses im Gebirge, der Brief kommt und sie ist umflattert wie von einer Schar zwitschernder und singender Vögel, die sich ihr auf Hände, Schultern und Kopf setzen. Schade, daß man nicht ihr wonniges Lächeln sehen kann ...

Der König hatte recht gesehen. Irma saß beim Vater und schaute träumend hinaus ins Weite. Was sollte aus ihr werden? Wenn nur der Vater befehlen möchte: Du mußt hier bleiben. Aber immer sich selbst entschließen! Wenn ein Gatte ihr befehlen möchte! Aber Baron Schöning würde ihr Unterthan sein, und sie hätte die doppelte Schwere des Lebens. Da meldete die Schaffnerin einen reitenden Boten, der soeben angekommen.

Der Kurier trat ein, übergab den Brief, und sagte, er werde auf Antwort warten. Irma las und lachte laut auf, sie legte den Brief auf den Schoß, nahm ihn wieder auf, las und lachte abermals. Der Vater sah sie betroffen an.

»Was ist? Was hast du?«

»Da lies!«

Der Vater las, seine Mienen veränderten sich nicht.

»Was willst du nun thun?« fragte er.

»Ich meine, ich muß solchen Bitten gehorchen, ja ich muß. Aber kann ich, ohne daß du mir Vorwürfe machst, heimkehren?«

»Wenn du keinen Vorwurf in dir mitbringst, immer.«

Irma klingelte und befahl der Schaffnerin, ihrem Kammermädchen mitzuteilen, daß sie alles zur Abreise herrichten solle; man möge den Kurier gut bewirten und ihm sagen, daß man noch am Abend ein Stück Weges zurücklege.

»Bist du mir böse, Vater?«

»Ich bin nie böse, ich bedaure nur, daß so wenig Menschen sich von ihrer Vernunft regieren lassen. Aber mein Kind, sei ruhig, wenn diese Entscheidung das Gebot deiner Vernunft ist, mußt du ihm folgen. Trage nur ruhig alle Konsequenzen, wie ich sie trage. Laß uns jetzt noch die wenigen Stunden in Friede und Ruhe beisammen sein. Die gegenwärtige Stunde ist Leben.«

Irma gab dem Kammermädchen und dem Kabinettskurier noch mancherlei Anweisungen, aber immer war's ihr, als ob sie noch etwas vergesse und zurückließe, was ihr erst einfallen würde, wenn sie fort sei.

Vater und Tochter saßen noch in trauter Gemeinschaft beim Mittagstisch. Der Wagen war gepackt, man schickte ihn eine Strecke voraus, er sollte im Thale warten. Der Vater gab Irma das Geleite den Berg hinab; er sprach heiter mit ihr, bei einem Apfelbaum am Wege sagte er:

»Kind, hier laß uns Abschied nehmen. Das ist der Baum, den ich am Tage deiner Geburt gepflanzt, er ist oft die Grenze meines Abendganges.«

Sie standen still. Ein Apfel fiel vom Baum ins Gras zu ihren Füßen. Der Vater hob ihn auf und gab ihn seiner Tochter.

»Nimm diese Frucht mit von der heimatlichen Erde. Sieh, der Apfel löst sich ab vom Baum, weil er reif geworden, weil der Baum ihm nichts mehr geben kann. So auch der Mensch von Heimat und Familie. Aber der Mensch ist mehr als eine Baumfrucht. Nun, mein Kind, nimm deinen Hut ab, laß mich noch einmal dein ganzes Haupt umfassen. Niemand weiß, wenn seine Stunde kommt, da er aufgeht ins All. So, mein Kind, ich halte dein liebes Haupt, weine nicht, oder weine. Ich wünsche, daß du dein Leben lang nur über andre, nie über dich selbst weinen mögest.« Er stockte, dann faßte er sich und fuhr fort:

»Und wie ich dein Haupt jetzt halte und meine Hand auf alle deine Gedanken legen möchte, so bleib auch du stets dir selbst getreu! Ich möchte dir all mein Denken geben; behalte jetzt nur das Eine: Laß nur solche Freude über dich kommen, deren Erinnerung dir eine Freude sein kann. Behalte das! Nimm diesen Kuß! – – Du küssest stürmisch. Mögest du nie einen Kuß geben, bei dem nicht deine Seele so rein und voll ist wie jetzt. Leb wohl!«

Der Vater wendete sich ab und ging den Berg hinan. Er schaute nicht mehr um.

Irma sah ihm nach, sie erbebte, es zog sie, sie wollte wieder umkehren, ihm nach und bei ihm bleiben, für immer. Aber sie schämte sich ihres Wankelmuts. Sie dachte an die nächste Stunde, an die nächsten Tage, wie das sein würde, wenn sie wieder die Koffer auspacken lasse, wenn sie so vor allen Dienern und vor dem Vater selber – nein, es mußte sein! Sie ging weiter. Sie saß im Wagen, der Wagen rollte fort, und nun war sie nicht mehr ihr eigen, eine fremde Kraft hatte sie aufgenommen ...

Es war am andern Mittag, als Irma auf dem Sommerschloß ankam. Das Schloß war still. Niemand kam ihr entgegen als der alte Kastellan, der schnell seine lange Pfeife wegstellte.

»Wo sind die Herrschaften?« fragte der Kurier.

»Es wird heute auf der Teufelskanzel gespeist,« lautete die Antwort.

Da ertönte vom Garten her ein Schrei. »Meine Gräfin, o meine Gräfin ist da!« schrie Walpurga, küßte ihr die Hände und weinte vor Freude. »O, jetzt geht erst die Sonne auf, jetzt wird's erst Tag.«

Irma beruhigte die Hochaufgeregte. Diese aber sagte: »Ich will gleich zur Königin, sie allein ist daheim und sitzt droben auf dem Berge und malt. Sie geht überhaupt nicht gern auf die Kirchweihfahrten, hier ist alle Tag Kirchweih.«

Irma befahl Walpurga, der Königin noch nichts mitzuteilen, sie werde selber zu ihr eilen. Sie ging auf ihr Zimmer und saß dort lange und einsam, still in sich gekehrt. Es war ihr zu Mute, als hätte sie eine Freundeshand ausgestreckt und niemand faßt sie.

Draußen rückte man die Koffer hin und her, und plötzlich stand eine Erinnerung vor ihr, wie sie damals, ein verlassenes Kind, schwarz gekleidet in ihrem Zimmer saß, und im Nebengemach rückte man den Sarg ihrer Mutter.

Warum traf sie das jetzt? Sie stand auf – sie konnte nicht mehr allein sein. Sie wechselte rasch ihre Toilette und eilte zur Königin.

Diese sah sie von fern und ging ihr entgegen. Irma beugte sich nieder und wollte ihr die Hand küssen. Die Königin aber hielt sie empor, umschlang sie und drückte ihr einen innigen Kuß auf die Lippen.

»Sie allein durften die Lippen berühren, die mein Vater geküßt,« sagte Irma, oder vielmehr sie sagte es nicht, sie bewegte nur leise die Lippen zu den Worten; tief in ihrer Seele aber stieg der Gedanke auf: »Sterben wirst du eher, tausendmal, ehe du dies heilige Herz betrübst!«

Der Gedanke machte ihr Antlitz durchleuchten; und die Königin rief entzückt ans:

»O wie schön sind Sie jetzt, Gräfin Irma, wie strahlen Sie!«

Irma schlug die Augen nieder und kniete an der Wiege des Kindes. Ihre Augen waren so voll Glanz, daß das Kind nach ihnen griff.

»Er hat recht,« sagte Walpurga, »er greift schon gern nach dem Licht, und ich meine, Ihre Augen sind größer geworden.«

Irma ging mit Walpurga und entschuldigte sich bei ihr, daß sie die Gstadelhütte nicht besucht habe. Sie erzählte dann von ihrer Freundin im Kloster.

»Und wie geht's Ihrem Vater?« fragte Walpurga.

Irma erschrak; selbst die Königin hat nach ihrem Vater nicht gefragt, nur Walpurga that es.

Sie erzählte von ihm, und daß er die Mutter der Walpurga kenne, und auch deren Bruder, der manchmal im Walde Pech siede.

»Ja, das ist ein Bruder von meiner Mutter. Also den kennen Sie auch?«

»Ich nicht, aber mein Vater,«

Walpurga erzählte vom Ohm Peter, genannt dem Pechmännlein und gelobte, ihm auch einmal etwas zu schicken; das arme Männchen hat's gar schlimm auf der Welt. Es ist doch schrecklich, die Zenza hat den Mut gehabt, daher zu kommen ins Schloß, aber das Pechmännlein leidet lieber Hunger und Not.

Während Walpurga noch sprach, trat die Königin wieder herzu, und wie sie an die Wiege kam, strampelte ihr der Prinz mit Händen und Füßen entgegen. Die Königin beugte sich nieder, richtete ihn auf, und Walpurga rief:

»Herr Gott! Am ersten Tag, wo unsre Gräfin wieder da ist, kann unser Prinz zum erstenmal sitzen. Ja, sie kann alles aufrichten!«

Innig und wohlgemut saßen die Königin und Irma beisammen.

Am Abend war fröhlicher Willkomm der von der Teufelskanzel Heimkehrenden. Irma hörte erst jetzt, daß ihr Bruder nicht am Hofe sei; er hatte im Bade die Baronin Steigeneck und deren Tochter kennen gelernt und war nun zum Besuche bei denselben.

Der König begrüßte Irma sehr formell, die Oberhofmeisterin hätte nichts dagegen bemerken können, und wie hätte er auch anders gekonnt, da die Königin sagte:

»Ich kann gar nicht sagen, wie glücklich mich die Ankunft unsrer Gräfin macht; wir hatten heute innerlichst heimatliche Stunden miteinander.«

Am Abend ließ der König ein Feuerwerk abbrennen, das er zur Ankunft der Gräfin hatte bereiten lassen. Weit in der Umgegend standen die Menschen und betrachteten mit Entzücken die vielfarbigen Feuergarben, die zum Himmel aufstiegen. Zuletzt glänzte der Namenszug der Gräfin Irma, von einer Schar Bergschützen in die Höhe gehalten. Die Feuer prasselten, aus verbergendem Gebüsche tönte Musik, die von ferne durch ein bereit gehaltenes Echo erwidert wurde. Mitten unter hellem Glanz und lautem Klang mußte Irma immer nur das Eine denken: »Wie lebt jetzt dein Vater?«

Graf Eberhard aber saß auf seinem Schlosse im Gebirge am Fenster, schaute in die Nacht und den Sternenhimmel und sagte für sich: Jeder Mensch, der in der Ewigkeit lebt, ist einsam, einsam für sich, wie die Sterne dort im Aether; jeder durchzieht seine eigene Bahn, und sie wird nur bestimmt durch Anziehung und Abstoßung der Weltkörper um ihn herum ...

In der Nacht träumte Irma: Ein Stern vom Himmel war niedergefallen, gerade auf ihre Brust; sie faßte nach dem Stern, aber er entschwebte und verwandelte sich in eine Menschengestalt, die abgewendet stand und rief: Du bist auch einsam!

Erstes Buch.

Inhaltsverzeichnis

Erstes Kapitel.

Inhaltsverzeichnis

In der Schloßkapelle der königlichen Sommerburg wurde Frühmesse gelesen.

Das Schloß, nicht weit von der Residenz, lag an einem mäßigen Berghang mitten im Park. Nach der Morgenseite war der Berg weit hinauf mit Reben bepflanzt und dann bis zur Spitze mit mächtigen Buchen bestanden. Im Parke gediehen Ahorn, Platane und Rüster und breiteten ihr Laub aus neben Tannen und Weimutskiefern; selbst die Arve war vom Hochlande hieher verpflanzt und zeigte in dichten Nadelbüscheln, daß sie heimisch geworden. Auf Wiesenplanen standen einzelne hohe Fichten, die von unten auf ihr volles Gezweige behalten. Gebüschgruppen von mannigfaltiger Blüten- und Blätterart boten erfrischende Blicke. Das Auge eines wohlordnenden Künstlers schaute aus der ganzen Anlage.

Die Wege waren sauber, die Blumen trieften im Morgentau, die Vögel sangen, das frischgemähte Gras duftete, auf dem großen Teiche schwammen Schwäne und fremdländische Enten und wateten bunte Flamingos; mitten im Teiche schnellte ein Springbrunnen seinen Wasserstrahl hoch empor und plätscherte in Wolkenflocken und Wasserstaub wiederum herab.

Ein klarer, von Erlen und Hängeweiden eingehegter, vielfach überbrücktet Waldbach rauschte vom Berge nieder, strömte in den Teich und floß aus ihm wieder ab ins Thal nach dem Strome, von welchem da und dort durch das Gebüsch eine blinkende Fläche aufblitzte.

An gelegenen Fernsichten und unter Bäumen standen zierliche eiserne Tische, Stühle und Bänke.

Nicht weit von der Kapelle saß ein sorgfältig gekleideter stattlicher Mann; die vollen Haare auf seinem Haupte waren so weiß wie die Binde, die er um den Hals trug. Mit jugendlich glänzenden blauen Augen schaute er hinein in die weite Landschaft, über die mit Obstbäumen wie mit einem Walde bestandene Thalsohle, über die Vorberge bis zur Spitzenkette des Hochgebirges, dessen Schrofen sich heute scharf von der blauen Luft abhoben. Er legte ein Buch, das er in der Hand hielt, neben sich und sog den Frieden dieser Stunde in vollen Zügen ein.

Das große Thor der Kapelle war offen, brausende Orgeltöne klangen, jetzt schwebte ein Weihrauchwölkchen heraus und verflüchtigte sich schnell in der Morgenluft.

Der stattliche Mann war Leibarzt des Königs. Er war Protestant und darum nicht mit zur Messe gegangen.

Da kam aus der rebenumzogenen Veranda eine schöne Frauengestalt in weitem weißem Gewande; sie hielt den Sonnenschirm aufgespannt und hatte eine einfache Morgenhaube mit blauem Bande auf dem Kopfe. Das leise gerötete helle Antlitz mit dem reichen blonden Haar strahlte von Jugend und Schönheit; sie erschien wie der leibhaftige helle Tag.

Der Leibarzt hörte das Rauschen des Gewandes, stand rasch auf und verbeugte sich.

»Guten Morgen, lieber Geheimrat!« rief die Dame, der noch zwei andre wenige Schritte hinter ihr folgten; ihre Stimme klang nicht hell, es war etwas darin von jenem zu Herzen sprechenden Violoncellton, der nicht für laute Freude, um so mehr aber zum Ausdruck des Innigsten gestimmt ist.

»Ein herrlicher Tag,« fuhr die Dame fort, »aber doppelt traurig, wenn man ihn im Krankenzimmer verbringen muß. – Wie geht es unsrer Gräfin Brinkenstein?«

»Majestät, die Frau Oberhofmeisterin darf heute eine Stunde im Freien zubringen.«

»Das freut mich herzlich. Ach, es ist so wundersam schön hier, und da sollte niemand traurig oder krank sein,«

»Die Frau Oberhofmeisterin ist besonders glücklich, jetzt, wo schöne Pflichten ihrer warten, solche nun vollkommen erfüllen zu können.«

»Sprechen wir leise,« sagte die Königin plötzlich, denn in der Kapelle war die Orgel verstummt und das Geheimnis der Wandlung ging vor sich. »Ach, lieber Geheimrat, ich möchte Ihnen etwas anvertrauen.«

Die beiden Damen zogen sich weiter zurück und die Königin ging mit dem Leibarzt auf dem freien Platz vor der Kapelle auf und ab.

»Vor dem Arzte darf es kein Geheimnis geben,« begann der Leibarzt, »Majestät haben ja noch vor kurzem gesagt, daß Sie mir auch ein Stethoskop zutrauen, um die Bewegungen der Seele zu erlauschen.«

»Ja,« sagte die Königin, und sie wurde rot bis zu den Stirnhaaren hinauf – »ich dachte auch schon daran, Sie um seelischen Beirat anzusprechen, aber es geht doch nicht; das muß ich mit mir allein erledigen. An den Arzt aber habe ich eine Bitte.«

»Majestät befehlen –«

»Nein, das kann ich hier nicht! Ich meine –«

Plötzlich tönte die Glocke von der Kapelle. Der König trat heraus, in einfach bürgerlicher Kleidung, ohne irgend eine Auszeichnung; ihm folgten die Herren und Damen vom Hofe. Die Herren waren alle in bürgerlicher Kleidung, großenteils in der kleidsamen und modisch verschönerten Gebirgstracht.

Der König, eine mannhaft frische Erscheinung von strammer Haltung, grüßte schon von ferne mit der Hand und ging seiner Gemahlin entgegen; das Gefolge hielt sich wieder im Hintergrund und wechselte leise Morgengrüße. Der König sprach einige Worte mit der Königin, sie lächelte und er neigte sich gleichfalls lächelnd mit jugendlicher Anmut; dann bot er der Königin den Arm, sie gingen nach dem Pavillon, die Herren und Damen folgten, jetzt fröhlich und ungezwungen miteinander plaudernd.

Eine junge Hofdame von hoher schöner Gestalt, mit braunen Locken und braunen Augen, gesellte sich zum Leibarzt und drückte ihm herzlich die Hand. Sie trug ein einfaches hellfarbiges Sommerkleid, eine offene lockere Jacke und darunter die bauschige Chemisette; ein mit Stahlknöpfen besetzter naturfarbener Ledergürtel umspannte die Taille; ihre Bewegungen waren geschmeidig, der Ausdruck ihres Gesichts halb schalkhaft, halb ernst. »Darf man wissen,« fragte sie den Leibarzt, »darf man wissen, welch ein Buch Sie für würdig hielten, an diesem schönen Morgen im Freien gelesen zu werden?«

»Es war würdig, gelesen zu werden, wurde aber nicht gelesen,« erwiderte der Arzt, und reichte ein kleines Buch hin. Es war Horaz.

»Ach – Lateinisch!« sagte die Hofdame, ihre Stimme hatte etwas Helles und Keckes, wie das Schmettern des Buchfinken. »Lateinisch – das ist also Ihre Messe!«

Der Leibarzt erklärte mit kurzen Worten, wie glücklich die Alten waren, in einem so wenig umfangreichen Buche einen gedrungenen und dauernden Inhalt zu geben. Man trat in den Saal und setzte sich nach Belieben, da es beim Frühstück keine Rangordnung gab. Ueberhaupt war man auf dem Lande, wo man die Uniform abgelegt hatte, auch mancher Beschwernis der Etikette erledigt.

Nichts Wohlgemuteres, als eine Gesellschaft heiterer und freier Menschen beim Frühstück; die ganze Wundermacht der Schlafesstärkung ist noch in den Menschen; sie waren allein, jetzt sind sie gemeinsam; auf der ganzen Empfindung ruht etwas wie Morgentau.

Beim Frühstück waren keine Diener zugegen, die Hofdamen bedienten, und es herrschte ein ungebundener, fast familienhafter Ton. Der Leibarzt trank stets Thee, den er sich auf einer vor ihm aufgestellten Maschine selbst bereitete; die braungelockte Hofdame lud sich heute bei ihm zu Gaste, setzte sich neben ihn und schenkte ihm ein. Zu ihrer Linken saß Oberst von Bronnen, der Generaladjutant des Königs, fast der einzige, dem man es nicht ansah, daß ihm die Uniform fehlte.

Die Gespräche waren laut, durcheinander – auch die Geister waren in Morgentoilette.

»Ach Gott, heut ist ja Sonntag!« sagte die braungelockte Hofdame.

Es wurde hell aufgelacht, und die Königin fragte, warum man lache. Der Leibarzt berichtete die Entdeckung der Gräfin Irma von Wildenort. Auch die Königin lächelte.

»Ich dächte, Gräfin Irma,« rief der König, während er sich eine Zigarre anbrannte – er allein rauchte im Salon – »ich dächte, bei Ihnen wäre alle Tage Sonntag.«

»Ja, gnädigster Herr, aber nur hier,« antwortete im lustigsten Tone die Gräfin und schüttelte ihre reichen braunen Locken. »Seitdem ich die Ehre habe, bei Eurer Majestät zu sein, wo alle Tage Kuchen auf der Tafel steht, ist bei mir alle Tage Sonntag; aber im Kloster, da war der Sonntag mit Kuchen angestrichen, und nun muß ich hier den Sonntag immer erst entdecken.«

Der Legationsrat von Schnabelsdorf, erst vor kurzem aus Spanien zurückgekehrt und auf seine neue Verwendung wartend, sagte zum Leibarzt, dem er gegenüber saß, daß binnen kurzem von einem seiner Freunde in Madrid ein interessantes Werk über die Geschichte des Sonntags oder vielmehr des Sabbaths erscheinen werde; er selbst habe auch einige Ideen dazu beigetragen.

Der König, der diese Unterredung gehört, fragte, welches diese Ideen seien, und Schnabelsdorf teilte nun mit, wie die Siebenzahl als Vierteilung des Mondmonates die natürliche und der Sabbath älter sei, als alle positiven Religionen. Er wußte alles mit Citaten zu belegen, und dabei seiner berühmten Freunde zu erwähnen.

Nach der beifällig aufgenommenen Mitteilung des gelehrten Legationsrates gab es noch viel des leichten Scherzes, bis sich die Königin erhob. Sie winkte dem Leibarzt, der König gab ihr wieder den Arm, und sie gingen miteinander durch die Veranda zu einem schönen Sitz, der unter einer Hänge-Esche am Wiesenhange angebracht war.

Es war eine Lust, dies schöne Königspaar zu sehen, so stattlich und groß, und die Königin war doppelt schön, denn in ihr blühte ein doppeltes Leben.

Die Königin setzte sich, neben ihr der König; der Leibarzt, ohne auf Befehl zu warten, rückte sich einen Stuhl zurecht und setzte sich ihnen gegenüber.

»Ja,« begann die Königin, »ich muß doch mit Ihnen darüber sprechen, ich muß Ihnen einen Scherz –«

»Willst du nicht lieber allein –?« fragte der König.

»Nein, du mußt dabei sein. Ich frage also noch einmal: soll mir's nicht erlaubt sein, mein Kind, das mir Gott in Gesundheit schenken möge, selbst zu nähren?«

Ein kaum merklicher Augenwink des Königs belehrte den Leibarzt, was er zu antworten habe.

»Majestät,« sagte er, »ich hatte bereits die Ehre, es Ihnen als Aberglauben zu bezeichnen, daß man durch einfache Erfüllung der Mutterpflicht seine Schönheit bewahre. Sie, Majestät, läßt die echt schöne Regung diesen Wunsch aussprechen. Aber die Gewährung ist unmöglich, um Ihretwillen und um des Kindes willen. Die Pflichten einer Fürstin, die Notwendigkeit der Haltung, der Sammlung, der Repräsentation, die vielerlei Gemütsbewegungen, gestatten es durchaus nicht. Die höhere Ausbildung erzeugt notwendig eine Nervosität, die sich dann dem Kinde mitteilt und ihm sein Leben lang anhaftet.«

»Ich bitte, liebe Mathilde,« half der König nach, »quäle dich nicht mehr mit diesem Wunsche. Denke an das Wohl des Prinzen.«

»Sprich doch nicht immer von einem Prinzen! Versprich mir, daß du ebenso glücklich sein wirst, wenn es eine Prinzessin –«

»Das kann ich nicht – ebenso glücklich? Das kann ich mir nicht befehlen; aber glücklich, von Herzen glücklich, wenn du und das Kind gesund, das verspreche ich dir!«

»Gut denn, so mag eine Amme kommen. – Ich bin ihr schon jetzt neidisch, daß sie mir so viele gute Blicke und Herzlichkeiten meines Kindes wegnimmt – aber es sei, ich füge mich!«

»Und welches Leid wolltest du klagen?«

»Es quält mein Gewissen, einem andern Kinde seine Mutter zu entziehen. Wenn das auch Tausende schon lange thun – wer ein Unrecht begeht, thut es allein für sich und thut es zum erstenmal auf der Welt. Doch ich füge mich. Davon aber gehe ich nicht ab: nur eine verheiratete brave Frau aus einer ehrbaren Familie darf Nährmutter meines Kindes sein. Ich hätte keinen Frieden im Gewissen, wenn ich einem ohnedies schon verlassenen Kinde sein Einziges noch nähme: die Mutter. Ich frage jetzt nichts nach Welteinrichtungen und festgesetzten Geltungen. Das arme verlassene Kind, das in eine feindliche Welt gesetzt ist, soll dem auch noch der einzige Liebesquell entrissen werden? Nehmen wir aber eine verheiratete rechtschaffene Frau, so entziehen wir auch da noch einem Kinde seine Mutter und schädigen ein fremdes Leben – es ist hart, daß jeder trotz besseren Wissens Unrecht thun muß. – Doch ich füge mich der Notwendigkeit. Das Kind aber der Mutter, die wir uns nehmen, steht unter dem Schutz der Familie, hat einen Vater, vielleicht eine brave Großmutter, und sorgliche Geschwister: ein Liebesdach schirmt das kleine Haupt –«

»Majestät!« rief der Arzt voll Begeisterung. »Majestät, in diesem Augenblicke wird in tausend und tausend Kirchen für Sie gebetet und Millionen Stimmen sagen Amen!« »O Gott, welche Pflichten legt das auf! Man sollte mehr als ein Mensch sein, um das zu tragen – mich drückt es nieder.«

»Das soll es nicht: es muß Sie erheben, Majestät! In diesem Augenblick wird der Hauch von Millionen Lippen zu einer Wolke, die Sie trägt. Das ist echte Humanität, wenn der Geschützte, Behütete und aufrecht Stehende sich des Ungeschützten, Unbehüteten und Gefallenen erbarmt und nicht den Stein der Verwerfung gegen ihn aufhebt. Es ist ein Naturgeheimnis, was von solcher Stimmung übergeht auf das Kind unter dem Herzen. Dieses Kind muß ein edler schöner Mensch sein, denn seine Mutter hat die Reinheit der Menschenliebe in das ungeborene Kind hineingedacht.«

Der König hatte die Hand seiner Frau gefaßt und fragte jetzt:

»Du wußtest also nichts von dem Gesetze? Es ist nicht nur Hausgesetz, daß die Prinzen und Prinzessinnen unseres Hauses in der Residenz geboren werden – weshalb wir morgen in die Stadt ziehen – es ist auch Hofgesetz, daß nur eine verheiratete Frau Amme eines Prinzen sein darf.«

»Mein Gott – und da quäle ich mich so sehr! Aber ich will künftig die Hofgesetze achten, weil auch so Schönes darunter.«

»Majestät haben es neu geschaffen aus Ihrer Seele heraus,« schaltete der Leibarzt ein. »Das erst ist das freie und heilige Gesetz, das wieder in uns lebendig geworden ist.«

»Sehr schön und wahr,« sagte der König – die Zigarre entfiel ihm, er griff an sich herum und sagte dann: »Entschuldigen Sie, liebster Geheimrat, wollten Sie nicht die Güte haben und Zigarren für uns bringen lassen?«

Der Arzt ging hinein und jetzt sagte der König:

»Mathilde, ich bitte, war das alles, was du auf dem Herzen hattest? Ich sehe dir seit geraumer Zeit an, daß du etwas in der Seele trägst –«

»Ja, ich trage etwas in der Seele, aber ich kann dir nicht eher davon Mitteilung machen, bis es volle Wahrheit geworden; es ist lauter Liebe zu dir. Frage mich nicht mehr, du wirst es bald von selbst erfahren.«

Als der Leibarzt zurückkam, saß der König allein unter der Esche, die Königin hatte sich zurückgezogen.

»War diese Huldigung eine ärztliche Rücksicht?« fragte der König den Leibarzt, sein Auge war finster.

»Nein, Majestät, meine freie Herzensmeinung.«

Der König schaute vor sich nieder und schwieg lange; endlich sagte er sich aufrichtend und mit der Hand eine Bewegung machend als werfe er etwas weit weg:

»Ja, also die Königin wünscht zur Amme eine junge Frau aus den Hochlanden, die eine ehrbare Familie hat. Wäre es nicht noch Zeit, daß Sie selbst hinreisten und eine solche auswählen? Stammen Sie nicht auch aus dem Gebirge? Das wäre – doch nein, Sie dürfen jetzt nicht fort. Schicken Sie also den Hofarzt Sixtus, er soll von Dorf zu Dorf reisen und geben Sie ihm die genauesten Instruktionen! er kann ja auch mehrere proponieren und Sie wählen dann das Beste aus und die andern lohnen wir ab und – doch das machen Sie ganz nach Ihrem Ermessen, aber schicken Sie noch heute den Hofarzt ab.«

»Wie Majestät befehlen.«

Zweites Kapitel.

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»Sie sehen ja so strahlend aus!« sagte die Hofdame Irma, die dem Leibarzt begegnete.

»Es mag wohl sein,« erwiderte der Leibarzt, »denn ich habe dem Göttlichen, ich habe einer reinen Menschenseele ins Antlitz gesehen – Entschuldigen Sie einen Augenblick!« unterbrach er sich, ging in das Nebengebäude und gab dem Telegraphisten den Auftrag, sogleich dem Hofarzt die Meldung zu machen, daß er sich zu einer achttägigen Reise vorbereiten und hieher kommen solle; dann trat er wieder hinaus zu der Hofdame, und erzählte ihr von dem, was vorgegangen.

»Soll ich Ihnen meine Meinung sagen?« fragte die Gräfin.

»Sie wissen, daß man darauf nie mit nein antwortet.«

»Nun denn, so muß ich Ihnen sagen: in alten Zeiten war's viel schöner! da wurden die Königskinder auf einer einsamen Pfalz geboren. Still wie ein Geheimnis –«

»Sie sind doch in allem,« unterbrach der Arzt, »das echte Kind Ihres Vaters. Mein guter Eberhard war in seinen jungen Jahren auch voll toller Laune, dabei hatte er aber eine Verschämtheit, die oft plötzlich überraschte.«

»Ach, erzählen Sie von meinem Vater! Ich weiß so wenig von ihm.«

»Ich ja auch seit vielen Jahren – Sie wissen doch, daß er völlig mit mir gebrochen, weil ich am Hofe lebe; aber damals, in der Zeit unsrer jugendlichen Schwärmerei –«

»Also auch Sie schwärmten einmal?«

»Aber nicht so sehr wie Ihr Vater. Wie ich Sie so sehe, da ist mir's, als ob sein Ideal von damals wirklich geworden. Wenn wir – ich war damals ein junger Militärarzt und er ein noch jüngerer Offizier – wenn wir damals von der Zukunft und ihren Erfüllungen uns Phantasiebilder ausmalten, dachte er sich nie das Ideal einer Geliebten, einer Frau aus; er übersprang die Mittelstufen und phantasierte immer nur von dem Ideal eines Kindes und besonders einer Tochter, wie frisch, wie zart das sei und unberechenbar zugleich! Wenn ich Sie nun so vor mir sehe, sein Ideal steht vor mir!«

»Also mein Vater hatte nur das Ideal eines Kindes?« sagte Irma nachdenklich und schaute dem Arzt voll in die Augen, »und doch ließ er seine Kinder unter fremden Leuten aufwachsen, und ich muß mir von ihm erzählen lassen, statt selbst von ihm zu wissen? Aber ich will jetzt nicht von mir reden. Lieber Herr Geheimrat, ich habe eine Ahnung von dem Geheimnis der Königin, ich glaube zu wissen, weshalb sie so still und in sich gekehrt –«

»Mein schönes Kind, wenn Sie eine Ahnung haben, und nun gar von einem Geheimnis der Fürstlichkeiten, so rate ich Ihnen: vertrauen Sie das nicht einmal dem Kissen, worauf Sie ruhen.«

»Wenn es der Königin aber nützen könnte, daß Sie davon wissen? Sie sollten ihr Führer sein!«

»Man ist nur Führer dem, der geführt sein will.«

»Ich möchte Sie nur bitten, auf gewisse Symptome ein Auge zu haben. Hat die Königin nichts gesagt, als sie hier draußen vor der Kirche die Messe hörte? Erschrak sie nicht bei einem Tone? Merkten Sie nicht eine gewisse Hinneigung –«

Der Arzt bedeutete mit der Hand, daß Irma nicht weiterreden solle, und setzte hinzu:

»Mein Kind, wollen Sie korrekt am Hofe leben, so rätseln Sie nicht an Dingen, die man Ihnen nicht auflösen will; vor allem aber lassen Sie sich nichts davon merken –«

»Korrekt und immer korrekt!« neckte Irma, und ihre schönen im Bogen geschnittenen Lippen bewegten sich zitternd.

»Sie sind eine produktive Natur und eine produktive Natur gehört nicht an den Hof,« setzte der Arzt hinzu. »Sie wollen an Stelle der gegebenen Formen Ihre Persönlichkeit setzen; das geht nicht. Sehen Sie,« fuhr er lebendiger fort »sehen Sie, dieser Legationsrat Schnabelsdorf verbraucht sich bälder als er glaubt; er bietet immer etwas, bereitet immer etwas zu, kocht und bratet und schmort alle Wissenswürdigkeiten für die Herrschaften, und sein Gedächtnis ist ein ewiges Tischleindeckdich. Geben Sie acht, ehe ein Jahr vergeht, ist man seiner überdrüssig. Will man gefällig sein und bleiben, so muß man sich erwarten lassen.«

Irma stimmte bei, sie merkte aber wohl die Ablenkung und leitete wieder auf das zurück, was sie sagen wollte. »Sagen Sie« – fragte sie schalkhaft – »nicht wahr, wenn man einen falschen Tritt thut und sich dabei verletzt, das nennt man ein Uebertreten?«

»Allerdings.«

»Nun denn, so wissen Sie, daß die Königin durch ein Uebertreten in Gefahr ist, sich Schaden zuzufügen, vielleicht unheilbaren –«

»Ich würde vorziehen –« fiel der Arzt ein.

»Ah, Sie würden vorziehen? Wenn Sie das sagen, haben Sie immer etwas zu tadeln.«

»Erraten. Ich würde vorziehen, wenn Sie der Königin überließen, selber ihre Geheimnisse mitzuteilen. Ich glaubte, Sie seien die Freundin der Königin –«

»Ja, das bin ich.«

»Gut, und da ich heute einmal Ihr Frühprediger bin, so will ich Sie noch vor etwas warnen. Sie sind in Gefahr, eine jener Damen zu werden, die nur Freunde, aber keine Freundin haben.«

»Ist das eine Gefahr?«

»Allerdings. Sie müssen eine Freundin haben, Sie müssen, sonst liegt ein Fehler in Ihrer Natur. Solche Isolierung gibt dem ganzen Wesen eine falsche Richtung, eine unbewußte Ueberhebung oder eine bewußte. Wenn Sie unter den vielen Damen hier nicht eine Freundin gewinnen können, so liegt der Fehler an Ihnen.«

»Aber einen Freund darf ich doch haben? einen Freund, wie Sie?«

»Ich wünsche Ihnen keinen besseren.«

Irma ging still neben dem Arzte her.

Sie kamen wieder auf den Wiesenhang vor dem Schlosse.

»Wissen Sie schon, daß diese Wiese jeden Samstag mit falschem Heu frisiert wird?« begann Irma.

»Bitte um weniger Esprit und mehr Klarheit.«

»Hu – wie offizinell!« scherzte Irma. »So erfahren Sie denn: die Königin sagte einmal, der Heugeruch sei ihr lieb – und nun läßt der Gartenintendant wenigstens jede Woche einmal hier den Wiesenhang mähen; da aber die eigensinnige Natur nicht so schnell Heu gibt, wird in der Nacht fremdes Heu von irgend einer entlegenen Wiese zum Dörren hieher gebracht – Und da sagt man noch, die Fürsten werden in unsern Tagen nicht mehr betrogen?«

»Ich sehe an der Sache nichts Unrechtes oder Lächerliches. Der Intendant gehört zu denjenigen, die sich als die Vergnügungsvorsehung der Herrschaften betrachten und –«

»Vergnügungsvorsehung – ein köstliches Wort! Das gebe ich nicht wieder her! Das behalte ich! Und Sie wollen noch behaupten, Sie hätten keinen Witz? Sie sind ja voll frischer Bosheit! O, Vergnügungsvorsehung!« Irma lachte von ganzer Seele, und sie war neu schön, wenn sie lachte.

Der Arzt hatte viel zu thun, sie wieder in das Geleise des Gespräches zurückzuführen. Sobald er ernst sein wollte, sah sie ihn immer so schelmisch an und lachte so herzlich, daß er auch lachen mußte. Nur als er ihr endlich sagte, er habe ihr bisher die Kraft zugetraut, einer Erörterung zu folgen, nicht bloß einen Witzfunken zu haschen, ließ sie sich wieder wie ein Schüler von der Hand des Meisters willig führen und der Arzt verstand es, sie in treuer Folge zum Nachdenken seiner Gedanken zu bringen.

»Gnädige Gräfin,« sagte ein herzutretender Lakai, ein großer, stattlicher Mann mit starker Habichtsnase und kohlschwarzen Haaren, »gnädige Gräfin, Ihre Majestät die Königin erwarten Sie im Musiksaale.«

Irma verabschiedete sich und der Arzt schaute ihr bedeutungsvoll nach. Bald hörte man vom Schlosse her den Berghang hinab und weit ins Thal hinaus die volle metallreiche Stimme der Gräfin Irmengard von Wildenort.

»Auch Eberhard sang einst bezaubernd schön,« sagte der Leibarzt und lenkte seine Schritte nach dem Schlosse. Er stutzte aber, da er den Domherrn, der heute die Messe gelesen, ebenfalls in den Musiksaal eintreten sah.

Der Morgen war so schön und lind, die weite Natur so selig in sich; alles grünt und wächst und gedeiht in seinem Grunde, darin es wurzelt, und die Menschen allein schaffen sich neue Plagen. Wäre es möglich, daß die mutwillige Gräfin recht gesehen? Warum sollte aber die Königin ihren angestammten Glauben verlassen wollen?

Der Leibarzt setzte sich in eine Laube und las seinen Horaz.

Bevor es zur Mittagstafel ging, war der Hofarzt bereits da, und als man sich zur Tafel setzte, fuhr er in einem Hofwagen ab, dem Gebirge zu.

Am Abend – er war mild und sternhell – fuhr der Hof nach der Residenz, denn andern Tages sollte mit großem militärischem Pomp der Grundstein zum neuen Zeughaus gelegt werden.

Drittes Kapitel.

Inhaltsverzeichnis

Die Glocken tönten hell und widerhallten von den schroffen Bergen, die Schallwellen flossen hin über den ruhigen Spiegel des weiten grünen Bergsees, drin sich die bewaldeten Berge und Felsspitzen und der Himmel drüber klar nachbildeten.

Aus der einsam stehenden Kirche am obern Ende des Sees strömten die Menschen heraus; die Männer setzten die grünen mit Spielhahnfedern gezierten Hüte auf, holten die Tabakspfeifen aus der Tasche und schlugen Feuer; die Frauen putzten an sich herum, rückten an den spitzen grünen Hüten, glätteten die Schürzen, knüpften die weitflatternden Enden der seidenen Tücher von neuem. Noch hinter den alten Frauen, die die letzten in der Kirche sind, kam ein schönes junges Paar, die Frau hoch gewachsen und umfangreich, der Mann schlank und knorrig wie eine Tanne. Man sah ihm die rauhe Arbeit der Woche an; er setzte sich den Spitzhut, an dem kein Jägerzeichen war, etwas schief auf den Kopf, zog die Joppe aus und legte sie über die Schulter und schmunzelnd – das Schmunzeln in diesem wetterharten Gesicht war gar sonderbar – sagte er:

»Siehst du, daß es so besser ist? So kommst du nicht ins Gedränge.« Die junge Frau nickte beistimmend.

Eine Gruppe von Frauen und Mädchen schien auf die letztere gewartet zu haben; eine ältere Frau sagte:

»Walpurga, das hättest nicht thun sollen: jetzt, wo du nicht weißt, wann deine Stunde kommt, den weiten Weg zur Kirche gehen; man kann sich auch im guten versündigen.«

»Das schadet mir nichts,« entgegnete die junge Frau.

»Und ich habe heute für dich gebetet,« sagte ein junges, trotzköpfiges Mädchen, das einen frischen Blumenstrauß an der Brust trug. »Wie der Pfarrer das Gebet für die Königin gesprochen hat, daß ihr Gott in der schweren Stunde beistehen möge, da hab' ich gedacht: was geht mich die Königin an? und für die beten auch schon Leut' genug im ganzen Königreich. Ich hab' an dich gedacht dabei, und hab' Amen Walpurga! gesagt.«

»Stasi, du hast's gewiß gut gemeint,« wehrte Walpurga mit treuherziger Stimme ab, »aber ich will kein Teil haben an dem. Das darf man nicht; man darf kein Gebet verdrehen.«

»Recht hat sie,« bestätigte die Alte, »das wär' ja, wie wenn man einen falschen Eid schwört.«

»So soll's meinetwegen nichts gelten!« rief das trotzköpfige Mädchen.

»Es muß doch was Schönes sein,« fuhr die Alte fort und faltete die Hände, »eine Königin zu sein. In dieser Stunde wird in allen Kirchen von Millionen und Millionen Menschen für sie gebetet. So ein König und eine Königin, die müssen ganz schlechte Menschen sein, wenn sie nicht brav sind.«

Die Alte war die Wehmutter, sie durfte immer sprechen, und alles hörte ihr geduldig zu. Sie geleitete den Mann und die Frau noch ein Stück Wegs und gab genau an, wo sie in den nächsten Tagen zu jeder Stunde zu treffen sei. Dann ging sie abseits bergan nach ihrem Hause. Auch die andern Kirchgänger zerstreuten sich nach den einzelnen Gehöften, die Kinder gingen überall voran, die Eltern hinterdrein; dort wanderte noch eine Gruppe Mädchen, sie führten einander am kleinen Finger und hatten sich gar viel zu erzählen; aber nun stoben sie auch auseinander, jedes zu den Seinigen.

Das junge Paar war allein auf der Straße, die Mittagssonne blinkte hell wieder im See.

Es war fast noch eine Stunde Wegs bis zum Hause des jungen Paares, und kaum waren sie einige hundert Schritte miteinander gegangen, als die Frau sagte:

»Hansei, ich mein', ich hätt' die Annamirl nicht fortlassen sollen.«

»Ich will ihr schnell nachrennen, ich kann sie noch einholen!« rief der Mann.

»Um Gottes willen nicht,« hielt ihn die Frau an, »dann bin ich ja ganz allein hier auf der Landstraß'. Bleib da, es wird schon vorübergehen.«

»Wart einen Augenblick, halte dich an dem Baum! So!«

Wie im Fluge rannte der Mann in die Wiese hinein, holte einen Arm voll Heu, legte es auf den Steinhaufen am Wege und setzte seine Frau darauf.

»Es wird mir schon besser,« sagte die Frau.

»Sprich jetzt nicht, ruh dich aus. O lieber Gott, wenn nur jetzt ein Wagen käme, aber weitum sieht man keinen Menschen und kein Vieh. Ruh dich nur aus, dann trag' ich dich heim, du bist mir nicht zu schwer, ich hab' schon schwerer getragen.«

»Am hellen Tag willst mich tragen?« lachte die Frau, und sie lachte so mit ganzer Seele und ganzem Körper, daß sie sich mit der Hand auf den Steinhaufen stützen mußte. »Du guter Kerl, ich dank' dir. Ist aber nicht nötig, ich kann schon wieder gehen.« Sie stand rasch auf. Das Antlitz des Mannes strahlte von Glück.

»Gottlob! Da kommt wie gewunschen der Doktor!« rief er.

Der Arzt aus dem benachbarten Städtchen kam eben um die Ecke gefahren; Hansei zog den Hut ab und bat, seine Frau aufzunehmen. Der Arzt willigte gern ein, aber Walpulga wollte nicht einsteigen. »Ich bin mein Leben lang noch in keiner Kutsche gefahren,« wiederholte sie.

»Man muß alles zum erstenmal probieren,« lachte der Doktor, und half ihr in die offene Kalesche; er gestattete auch dem Mann, daß er aufsteige und sich auf den Bock setze, aber der Mann verneinte entschieden.

»Ich will nur im Schritt fahren,« sagte der Doktor.

Hansei ging neben dem Wagen her, immer glücklich auf seine Frau schauend.

»Jetzt noch zweitausend Schritt – jetzt noch tausend – noch so viel und so viel,« sagte er im Gehen fast laut vor sich hin, und sah mit Dankesblicken auf den Doktor und auf die Kutsche, die so gut ist, daß sie seine Frau einsitzen läßt, und auf das Pferd, das sie so geduldig zieht; er wehrte dem braven Tiere die Bremsen, die es noch plagen wollen.

»Dein Hansei thut dem Pferde Gutes,« sagte drin in der Kutsche der Doktor zur jungen Frau. Sie antwortete keine Silbe, und der Doktor betrachtete mit Wohlgefallen den Mann, den er längst kannte, er war ja Holzknecht im königlichen Forste. Hansei hielt noch immer den Hut in der Hand und wischte sich manchmal mit dem Aermel den Schweiß ab. Er hatte ein gebräuntes, ausdrucksloses Gesicht, und trug keinen Schnurrbart, denn er war nicht Soldat gewesen; von den Schläfen herab rahmte ein zottiger Bart das längliche Gesicht ein, dessen Stirne noch größtenteils von dichten blonden Haaren bedeckt war; die kurzen Lederhosen zeigten die mächtigen Kniee, die mit Zwickeln gestrickten Wadenstrümpfe waren gewiß ein Geschenk der Frau, die schweren, nägelbeschlagenen Schuhe hatten schon manchen Berggang mitgemacht. Hansei schritt rüstig neben dem Fuhrwerk her, und endlich rief er: »Gottlob, wir sind da!«

Das Häuschen lag am See, von einem Gärtchen umgeben; am Zaun stand eine Alte und rief entgegen: »So? gefahren kommst auch noch?«

»Ja, Mutter!« antwortete die Frau, und mit tausend Dank verabschiedete sie sich beim Doktor; Hansei streichelte das Pferd zum Dank, daß es die Frau so gut dahergebracht.

»Jetzt geh' ich aber gleich zur Annamirl,« sagte er vor der Thür; »haltet mir was zu essen warm.«

»Nein, wir wollen miteinander essen, ich hab' auch Hunger,« rief die Frau, und legte Gesangbuch, Jacke und Hut ab. Sie war schön, ein volles, rundes, hellblühendes Antlitz, das mächtige blonde Zöpfe um die Stirne einrahmten. Sie zwang sich, zu Tische zu sitzen und aß gemeinsam mit Mann und Mutter. Aber mit dem letzten Bissen im Munde machte sich der Mann auf den Weg.

Es war höchste Zeit, daß die Annamirl kam. Bevor die Hühner sich aufsetzten, war es da, das Sonntagskind, ein schreiendes, blondköpfiges Mädchen.

Hansei wußte gar nicht, was er anfangen solle vor lauter Freude – er hatte doch eigentlich nicht ordentlich zu Mittag gegessen, er hatte die rechte Ruhe nicht gehabt, wie er sie brauchte, und wie lang ist's her, daß er gegessen hat! Das war ja damals, als er noch nicht Vater eines schreienden Kindes war, da liegen ja Stunden dazwischen, die sind jahrelang! Er schnitt sich ein groß Stück Brot ab, aber draußen, wo die Vögel so lustig zwitscherten, und besonders die Stare gar so zutraulich waren, rief er: »Da, ihr sollet auch was haben! ihr sollet auch wissen, daß ich Vater bin, und Vater von einem Sonntagskind!« – Er bröckelte ihnen alles Weiche vom Brote hin, und die Rinde warf er in den See und rief: »Da, ihr Fische, ihr ernährt uns, heute will ich euch nähren!« – Er hätte gern der ganzen Welt etwas zu gute gethan, aber es war nichts mehr da, das etwas von ihm wollte, und er weiß gar nicht, wohin er sich thun soll. Halt! da steht die Leiter am Kirschbaum; er steigt hinauf, bricht Kirschen und ißt sie, und ißt immer fort und vergißt sich ganz, und es ist ihm, wie wenn er sie gar nicht selber esse, sondern jemand anderm zu essen gäbe, und er weiß gar nicht mehr, wo er ist, und wer er ist, und er meint, er könne zuletzt gar nicht mehr vom Baum herunter, er ist wie auf den Baum verhext. Am Hause vorbei ging die Telegraphenleitung, die Drähte streiften fast den Kirschbaum. Hansei sah den Telegraphen an, als wollte er ihn beauftragen: du, sag's der ganzen Welt, ich bin Vater geworden. Er freute sich, daß die Schwalben und Stare so gern auf den Drahten sitzen und nickte ihnen zu: laßt euch nicht stören, ich thu' niemand was!

Und so brach er Kirschen, und so schaute er hinaus, wer weiß wie lang.

Da ruft die Großmutter aus dem Fenster: »Hansei, sollst zu deiner Frau kommen!«

Er ist schnell herunter, und wie er zu ihr eintritt, lacht sie laut auf, denn er hat einen schwarzblauen Mund und ist blau und rot im Gesicht vom Kirschsaft.

»So? du hast genascht?« rief die junge Mutter. »Laß mir auch noch ein paar Kirschen auf dem Baum.«

»Ich thue dir die Leiter in die Stube, daß ich nicht mehr hinauf kann,« und es gab viel Lachen in dem kleinen Häuschen am See, bis Mond und Sterne darauf niederblickten. Heute brannte die ganze Nacht Licht im Stübchen; die junge Mutter schlief bald ruhig und glückselig, nur das Sonntagskind gluckste manchmal, ließ sich aber bald wieder beruhigen.

Die Großmutter allein wachte: sie hatte sich nur zum Schein niedergelegt, stand aber bald wieder auf und saß auf einem Schemel an der Wiege des Neugeborenen.

Ein glänzender Stern steht über der Hütte. Er flimmert und glitzert, und drin in der Hütte liegt ein Glanz auf dem Antlitz einer Mutter, eine Wonne, so unfaßbar, wie der Glanz am Stern da droben – ein Menschenkind ist Mutter eines Menschenkindes, und ein Auge wacht und sieht es, es ist das Auge der, aus der dies Leben und das andre daneben hervorgesproßt. In der stillen Luft ist es wie Singen und Klingen aus ewigen Harfen, und in der Stube bis an die Decke ist es, als ob Engelsköpfe überall schwebten und lächelten.

Die alte Großmutter sitzt, das Kinn in die Hand gestützt, und schaut drein; in ihr Antlitz leuchtet der Glanz vom Sterne am Himmel, und zum Stern hinauf leuchtet ihr Auge. Sie ist wie hinausgehoben über die Welt und hält den Atem an; die Glorie des Höchsten hat sich niedergesenkt in die Hütte und umstrahlt das Haupt von Großmutter, Mutter und Kind.

»Mutter, wie glitzerig scheinen die Steine!« sagte die junge Mutter einmal erwachend.

»Und sie scheinen auch, wenn du die Augen zumachst und schläfst. Schlaf nur wieder!« erwiderte die Großmutter.

Wieder war alles still, bis der helle Tag erwachte.

Viertes Kapitel.

Inhaltsverzeichnis

Im offenen Wagen fuhr der junge Hofarzt Sixtus dem Gebirge zu.

Er war ein Mann von gefälligen Weltformen; den jetzigen König, als derselbe noch Kronprinz war, hatte er auf Reisen begleitet und in Gesellschaft der Kavaliere jenen leichten Ton, den er sich bei einem dreijährigen Aufenthalt in Paris angeeignet, noch bequemer gemacht. Wie die Fürstlichkeiten über untergebene Personen verfügen und den Dienst in eine Verbindlichkeit verwandeln, so geschieht es auch leicht, daß Hofbeamte wieder mit den ihnen Untergebenen schalten. Der Hofarzt hatte sich einen Lakaien ausgesucht, den er als einen der dienstfertigsten kannte.

»Feuer, Baum!« sagte er, der Lakai reichte ihm sofort eine brennende Lunte vom Bock, wo er neben dem Kutscher saß. Mit leutseliger Herablassung bot Sixtus sein Etui hin, der Lakai nahm dankend eine Zigarre; die Zigarren des Hofarztes sind zwar zu schwer und treiben ihm den Angstschweiß aus, wenn er sie raucht, aber es ist eine weise Regel, man soll eine angebotene Gunst nicht abweisen.

Es fuhr sich bequemlich auf der guten Straße dahin. Auf der nächsten Poststation schickte man die Marstallpferde zurück und fuhr nun mit Extrapostpferden. Der Hofarzt hatte von dergleichen nichts anzuordnen; Baum wußte und besorgte alles.

»Baum, von wo sind Sie gebürtig?« fragte der Hofarzt, als man weiterfuhr.

Baum erschrak, aber er wendete sich nicht um, er that, als ob er die Frage nicht gehört, er schien sich erst ruhig fassen zu müssen, ehe er antworten konnte; sein Antlitz zuckte, aber schnell wußte er wieder eine bescheidene und arglose Miene anzunehmen.

Der Arzt fragte noch einmal: »Baum, wo sind Sie geboren?«

Ein dienstwilliges Gesicht wendete sich ihm zu.

»Ich bin auch aus dem Gebirg, weit dahinten an der Grenze; aber ich bin nie dort daheim gewesen,« erwiderte der Lakai.

Der Arzt hatte nicht Lust, weiter nach den Schicksalen Baums zu fragen; er hatte überhaupt die Worte nur so leichthin gesprochen.