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Hinweise

Aus Gründen der besseren Lesbarkeit haben wir uns entschlossen, durchgängig die männliche (neutrale) Anredeform zu nutzen, die selbstverständlich die weibliche mit einschließt.

Das vorliegende Buch wurde sorgfältig erarbeitet. Dennoch erfolgen alle Angaben ohne Gewähr. Weder die Autoren noch der Verlag können für eventuelle Nachteile oder Schäden, die aus den im Buch vorgestellten Informationen resultieren, Haftung übernehmen.

Sylvain Laborde | Philip Furley | Lisa Musculus | Stefan Ackermann

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Emotionale
Intelligenz
im Sport

image Empathie entwickeln

image Gefühle steuern

image Erfolge erzielen

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Emotionale Intelligenz im Sport

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Details sind im Internet über <http://dnb.d-nb.de> abrufbar.

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© 2017 by Meyer & Meyer Verlag, Aachen

Auckland, Beirut, Dubai, Hägendorf, Hongkong, Indianapolis, Kairo, Kapstadt, Manila, Maidenhead, Neu-Delhi, Singapur, Sydney, Teheran, Wien

image Member of the World Sport Publishers’ Association (WSPA)

ISBN 978-3-8403-3672-0

E-Mail: verlag@m-m-sports.com

www.dersportverlag.de

INHALT

1 Einstieg

2 Was ist emotionale Intelligenz und wofür brauche ich sie?

2.1 Die fünf Kompetenzen der emotionalen Intelligenz

2.1.1 Identifikation – erkennen, wie man sich fühlt und wie andere sich fühlen

2.1.2 Ausdruck – Gefühle vermitteln können und Empathie zeigen und empfinden

2.1.3 Verständnis – wieso ich mich fühle, wie ich mich fühle

2.1.4 Regulation – Gefühle steuern und passend in der Situation reagieren

2.1.5 Nutzen – wie ich mit Emotionen meine und unsere Ziele besser erreiche

2.2 Wissen, Fähigkeit, Eigenschaft – die drei Stufen zur Ausbildung der emotionalen Intelligenz

2.2.1 Wissen

2.2.2 Fähigkeit

2.2.3 Eigenschaft

2.2.4 Die drei Level der EI-Meisterung eines Sportlers

3 Die Rolle der emotionalen Intelligenz im Sport und bei körperlicher Aktivität

3.1 Athleten – Leistung und emotionale Intelligenz

3.2 Trainer

3.3 Schiedsrichter und Kampfrichter

3.4 Körperliche Aktivität

4 Wie gut ist meine emotionale Intelligenz und wo liegen meine Schwächen? – Messung emotionaler Intelligenz mit dem Profil des Emotionalen-Kompetenzen-Fragebogens

4.1 Profil der emotionalen Kompetenzen im Vergleich zu anderen Fragebögen

4.2 Profil der emotionalen Kompetenzen

4.3 Auswertung Profil der emotionalen Kompetenzen

5 Erläuterung der emotionalen Kompetenzen

5.1 Identifikation der eigenen Emotionen

5.2 Identifikation der Emotionen anderer

5.3 Verständnis der eigenen Emotionen

5.4 Verständnis der Emotionen anderer

5.5 Ausdruck der eigenen Emotionen

5.6 Emotionsausdruck anderer – Empathieempfinden

5.7 Regulation der eigenen Emotionen

5.8 Regulation der Emotionen anderer

5.9 Nutzen der eigenen Emotionen

5.10 Nutzen der Emotionen anderer

6 Aktivitäten zum Training emotionaler Intelligenz

6.1 Aktivität „Emotionsbälle“

6.1.1 Variation: „Emotionsstaffel“

6.1.2 Variation: „Positive und negative Emotionsbälle“

6.2 Aktivität „Feuer, Wasser, Blitz“

6.2.1 Variation: „Verknüpfung mit Powerposen“

6.2.2 Variation: „Vormachen der Emotionen“

6.3 Aktivität „Emotionale Gesichter in Bewegung“

6.4 Aktivität „Emotionale Odyssee“

6.4.1 Variation: „Gesichtsausdruck und Körpersprache“

6.4.2 Variation: „Emotionales Interview“

6.5 Aktivität „Kommunikationsübung“

6.5.1 Variation: „Klartext“

6.5.2 Variation: „Speedinterview“

6.6 Aktivität „Debriefingbogen“

6.7 Aktivität „Achtsamkeit“

6.7.1 Variation: „Körperscan“

6.8 Aktivität „Verkörperte Emotionen“

6.9 Aktivität „Emotionszeitreise“

6.9.1 Variation: „Emotionale Imagination“

6.10 Aktivität „Powerposen“

6.10.1 Variation: „Selbstvertrauen zeigen“

6.11 Aktivität „Vertrauen aufbauen“

6.11.1 Variation: „Sich fallen lassen“

6.12 Aktivität „Teambuilding“

6.12.1 Variation: „Zeige mir, dass ich auf dich zählen kann“

6.12.2 Variation: „Wir-Gefühl fördern“

6.13 Aktivität „Seiltanz“

6.14 Aktivität „Die verstärkende Zitatestaffel“

6.14.1 Variation: „30-Tage-Zitate-Challenge“

6.15 Aktivität „Peptalk“

6.15.1 Variation: „Negativer Peptalk“

6.16 Aktivität „Emotionsvirus“

6.17 Aktivität „Emotions-Memory®“

6.17.1 Variation: „Emotions-Memory® mit Mimik“

6.17.2 Variation „Emotions-Memory® 1:1“

6.17.3 Variation: „Personalisiertes Emotions-Memory®“

6.17.4 Variation: „Komplexes Emotions-Memory®“

6.18 Aktivität „Emotionsquartett“

6.19 Aktivität „Profisportler-Raten“

6.20 Aktivität „Emotionsschauspiel“

6.21 Aktivität „Emotions-Halligalli“

6.22 Aktivität „Emotionale Pantomime“

6.23 Aktivität „Emotionsampel“

6.24 Aktivität „Emotionsregulation unter Druck“

6.24.1 Variation: „Umgang mit Konsequenzen“

6.25 Aktivität „Emotionen trainieren mit Musik“

6.25.1 Variation: „Musik auf und ab“

6.25.2 Variation: „Emotions-Playlist“

7 Nachwort

7.1 Danksagung

Anhang

1 Tabellen

2 Literatur/Verweise

3 Bildnachweis

4 Autoren

Alle im Buch enthaltenen Tabellen können zur besseren Darstellung oder als Druckvorlage heruntergeladen werden.

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Emotionen spielen eine wichtige Rolle im Sport. Das Erleben von Emotionen ist vermutlich ein entscheidender Faktor, warum Personen Sport treiben und Millionen von Zuschauern bei sportlichen Großereignissen gebannt vor dem Fernseher sitzen.

Im alltäglichen Leben wird uns ständig die Frage gestellt, wie wir uns gerade fühlen oder wie es uns geht. In der Regel antworten wir auf diese Frage, ohne groß nachzudenken, mit relativ informationsleeren Aussagen wie „gut“, „geht so“ oder „es könnte schlechter sein“, ohne dabei im Detail auf unsere komplexe „innere Welt des Erlebens und Fühlens“ einzugehen bzw. eingehen zu können.

Obwohl Emotionen im Alltag meist lediglich für ein Gefühl gehalten werden (z. B. ich bin glücklich oder ich bin wütend auf meinen Kollegen), beschreiben aktuelle Emotionstheorien Emotion als komplexes Muster körperlicher und mentaler Veränderungen in Reaktion auf eine auslösende Situation, die als persönlich bedeutsam wahrgenommen wird. Diese Veränderungen beinhalten physiologische Erregung, Gefühle, kognitive Prozesse, Ausdruck und Verhalten. Emotionen sollten auch von länger andauernden Stimmungen abgegrenzt werden, da Stimmungen sich von Emotionen vor allem dadurch unterscheiden, dass Emotionen als Reaktionen auf spezifische Ereignisse gelten, welche kurzlebig und intensiv sind.

Der wahrscheinlich prominenteste Wissenschaftler aller Zeiten, Charles Darwin, schrieb Ende des 19. Jahrhunderts, dass sich Emotionen Hand in Hand mit anderen wichtigen Strukturen und Funktionen von Lebewesen entwickelt haben. Darwin sah Emotionen als adaptive Mechanismen an, welche hochspezifische, koordinierte Operationen des Gehirns darstellten. Diese Operationen hatten den Zweck, Lebewesen auf bestimmte Klassen von wiederkehrenden Situationen in der Welt vorzubereiten und ihnen zu helfen, mit den jeweiligen Situationen umgehen zu können.

Aktuelle Emotionstheorien stützen Darwins theoretische Annahmen, dass physiologische Prozesse und Muskelbewegungen, die mit Emotionen einhergehen, den Organismus sowohl auf adaptive Handlungen in wiederkehrenden Situationen vorbereiten als auch wichtige soziale Informationen kommunizieren.

Diese beiden grundlegenden Funktionen von Emotionen können anhand des folgenden Beispiels verdeutlicht werden: Die Emotion Furcht kann als eine Reaktion auf die wiederkehrende Situation Gefahr angesehen werden, die zu einer Kaskade physiologischer Reaktionen führt. Diese Reaktion beinhaltet unter anderem geweitete Pupillen, was den adaptiven Vorteil mit sich bringt, die Quelle einer möglichen Bedrohung ausfindig machen zu können. Geweitete Pupillen erfüllen allerdings auch eine kommunikative Funktion innerhalb einer sozialen Gruppe: Sie sind ein sichtbares Anzeichen dafür, dass Gefahr droht.

Aus diesen Überlegungen ergibt sich, dass gewisse Emotionen als Reaktionen auf wiederkehrende Situationen zu einem gewissen Grad bei allen Menschen auftreten und ausgedrückt werden. Jeder kennt das Gefühl, wenn man eine Emotion erlebt: Man bemerkt beispielsweise, dass das Herz schneller schlägt und im Hals zu pochen scheint, die Atmung schneller wird, die Muskulatur sich verspannt und der Mund trocken erscheint.

Das Entscheidende, worum es in diesem Buch gehen wird, ist allerdings, dass Menschen auch anders mit diesen auftretenden emotionalen Reaktionen umgehen können, wie beispielsweise in dem Zitat von Franklin D. Roosevelt einprägsam zusammengefasst wird: „Mut ist nicht die Abwesenheit von Angst, sondern viel mehr die Bewertung, dass etwas wichtiger als die Angst selbst ist.“

Ein weiterer zentraler Punkt dieses Buches ist, dass Emotionen nicht per se gut oder schlecht sind, sondern je nach Person und Situation förderlich oder hinderlich sein können. Demzufolge können Personen oder Gruppen von Personen im Sport ihren Umgang mit Emotionen mit dem Ziel beeinflussen, dass sie zur Zielerreichung förderlich und nicht hinderlich sind. Genau darum geht es, wenn von emotionaler Intelligenz im Sport gesprochen wird.

Das Ziel dieses Buches ist es, das emotionale Bewusstsein von Personen, die Sport treiben oder im Sport tätig sind, zu sensibilisieren und zu verbessern. Außerdem soll das Buch helfen, zu erkennen, welchen Einfluss Emotionen im Sport haben sowie gezielt den förderlichen Umgang mit Emotionen schulen, um letztendlich auch die sportliche Leistung zu verbessern und sportliche Erfolge zu erzielen.

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„Emotionen sind wie Wellen; wir können sie nicht aufhalten, aber wir können entscheiden, welche wir surfen wollen.“ – Jonatan Mårtensson

Novak Djokovic und Roger Federer, zwei Spieler, die zweifellos die körperlichen und technischen Anforderungen des Tennissports gemeistert haben, trafen im Halbfinale der US Open 2011 aufeinander. Wie schon im ähnlich abgelaufenen Halbfinale der US Open im Jahr davor, erspielte sich Roger Federer nach ungefähr dreieinhalb Stunden zwei Matchbälle und war auf dem Weg ins Finale und zu seinem sechsten US-Open-Titel.

In einem solchen Moment, in dem beide Spieler unter enormen Druck stehen und sich entscheidet, wer als Sieger vom Platz geht und wer ein ganzes Jahr lang hart gearbeitet hat, letztendlich aber doch mit leeren Händen dasteht, haben unscheinbare Details oftmals fatale Folgen. So auch in diesem Fall. Es gelang Djokovic, in dieser Situation offenbar besser mit dem Druck umzugehen und unter anderem auch seine Emotionen zu kontrollieren, weshalb er beide Matchbälle verteidigen, Federer besiegen und letztendlich die US Open gewinnen konnte.

Dass emotionale Intelligenz eine positive Auswirkung auf sportliche Leistung haben kann, belegt eine zusammenfassende Analyse von nahezu 40 wissenschaftlichen Studien zu dieser Thematik [1]. Emotionale Intelligenz kann in Drucksituationen, wie am Beispiel der US Open beschrieben, für Erfolg oder Misserfolg mitentscheidend sein. Oder in Augenblicken, in denen sich zwei ebenbürtige Gegner gegenüberstehen, der Ausgang eines stundenlangen Wettkampfs auf Messers Schneide steht und alle Mühen und Strapazen des vergangenen Jahres, oder sogar der vergangenen vier Jahre, auf diesen einen Moment hinauslaufen.

Aber emotionale Intelligenz spielt nicht nur im Profisport eine Rolle, sondern kann auch im Freizeit- und Gesundheitssport durchaus relevant sein: z. B. bei einem Fußballspiel in der zweiten Klasse, wenn sich der Leistungsträger des Teams entscheiden muss, ob er nach dem Gegentor weinend und mit geballten Fäusten in die Kabine rennen oder sich noch mehr anstrengen soll, um seine Mannschaft doch noch zurück ins Spiel zu bringen; oder bei dem ambitionierten Gesundheitssportler, der bei seinem wöchentlichen Waldlauf versuchen muss, seinen inneren Schweinehund zu überwinden, der vor dem Lauf mit Gedanken kämpft, wie: „Bleibe zu Hause. Sieh dir an, wie kalt es draußen ist, bleibe hier im kuscheligen Bett. Du musst heute nicht laufen gehen nach der überragenden Krafteinheit gestern. Ruhe dich aus. Denke an deine Knie. Gönne dir heute eine Pause, du kannst dafür nächste Woche wieder mehr Gas geben“; oder ein Hobbymarathonläufer, der sich während eines Laufs mit Gedanken quält, die mit steigender Erschöpfung einhergehen, wie: „Das ist so anstrengend, laufe langsamer. Ich kann nicht mehr. Mache eine Pause, gehe nur ein paar Meter, dann kann es weitergehen. Vergiss die persönliche Bestleistung, das wird heute sowieso nichts mehr. Laufe heute mal die kurze Strecke.“ Dies sind nur wenige Beispiele für Situationen, in denen emotionale Intelligenz von Bedeutung sein kann.

Was ist eigentlich emotionale Intelligenz? Emotionale Intelligenz bezieht sich darauf, wie ich mit meinen eigenen Emotionen und denen meiner Mitmenschen umgehe [2, 3]. Beim Training der emotionalen Intelligenz geht es darum, Menschen beizubringen, dass Emotionen keine unerklärlichen Phänomene darstellen, denen wir hilflos ausgeliefert sind. Dementsprechend ist es eines der Hauptziele dieses Buches, zu verdeutlichen, inwiefern wir unseren persönlichen Umgang mit unseren Emotionen und zu einem gewissen Maß auch den Umgang mit Emotionen anderer Menschen beeinflussen können. Konkret geht es darum, was wir tun können, um uns selbst und unsere Emotionen sowie andere und deren Emotionen besser einschätzen, nachvollziehen und zur Steigerung unserer sportlichen Leistung sowie unserer Lebensqualität im Allgemeinen nutzen zu können.

Emotionen können auch einen belohnenden Charakter haben und deswegen streben Menschen häufig nach Emotionen. Wissenschaftler sprechen hierbei davon, dass Emotionen eine stark motivierende Funktion haben. Wir alle wollen Freude verspüren, stolz sein, oder Angst vermeiden. Ein erlebter emotionaler Zustand ist oft ein viel größerer Anreiz als z. B. pragmatische, materielle Anreize. Kaum jemand kauft sich einen Sportwagen, weil man damit schneller durch den Stau kommt, weil er so umweltfreundlich, energiesparsam, familienfreundlich oder kostengünstig ist. Wir kaufen Sportwagen eher, weil es Spaß macht, sie auf freier Autobahn zu fahren, wegen des Gefühls, beim Beschleunigen kraftvoll in den Sitz gedrückt zu werden, wegen der kindlichen Aufregung beim Klang des Motors und vielleicht nicht zuletzt wegen der teils bewundernden, teils neidischen Blicke der restlichen Welt.

Vergleichbares gilt für einen Trainer oder Athleten, der nach sportlichem Erfolg strebt. Kaum jemand will einen großen Pokal oder eine goldene Medaille aufgrund des materiellen Wertes. Wollten wir diese Gegenstände, könnten wir uns diese relativ problemlos kaufen, also weshalb weit über 10 Jahre dafür trainieren? Wonach Tausende von Sporttreibenden stattdessen auf nationaler und internationaler Ebene streben und Millionen von Hobbysportlern auf lokaler Ebene, sind die damit verbundenen prestigeträchtigen und häufig vor allem emotionalen Anreize.

Flow-Erlebnisse während des Wettkampfs, die Freude, für seine harte Arbeit belohnt zu werden, die Bestätigung, der Beste zu sein und womöglich sogar in die Geschichtsbücher einzugehen, sich selbst, seine Familie und Freunde, seine Trainer etc. stolz zu machen, auf dem Siegertreppchen zu stehen und von tausenden Fans bejubelt zu werden. Anders ausgedrückt, wir streben positive Emotionen an und werden von diesen zu bestimmten Verhaltensweisen bewegt und beflügelt.

Emotionale Intelligenz hilft uns also nicht nur, mit unseren und den Emotionen anderer umzugehen, sondern auch zu erkennen, auf welche Art und Weise unser Verhalten und das Verhalten anderer durch Emotionen erklärt, beeinflusst und ausgelöst wird.

Was werden Sie in diesem Buch finden? Das Buch setzt sich aus verschiedenen Abschnitten zusammen. Zunächst stellen wir die fünf Kompetenzen der emotionalen Intelligenz vor und stellen deren Bedeutung im Sportkontext dar. Anschließend wird ein Modell, das als Grundlage für das Training der emotionalen Intelligenz dient, erklärt. Das dritte Kapitel verdeutlicht die Bedeutung der emotionalen Intelligenz im Sport anhand aktueller wissenschaftlicher Befunde. Im darauf folgenden Kapitel haben Sie die Möglichkeit, Ihre eigene emotionale Intelligenz zu messen, Ihre Ergebnisse auszuwerten und anhand von verschiedenen beschriebenen Stufen zu vergleichen. Und letztendlich stellen wir im umfangreichsten sechsten Kapitel des Buches Übungen vor, mit denen Sie Ihre eigene bzw. die emotionale Intelligenz Ihrer Athleten oder Mannschaft trainieren können.

2.1DIE FÜNF KOMPETENZEN DER EMOTIONALEN INTELLIGENZ

Emotionale Intelligenz lässt sich in fünf Kompetenzen unterteilen: Identifikation, Verständnis, Ausdruck, Regulation und Nutzen von Emotionen. Diese fünf Kompetenzen, die im Folgenden genauer vorgestellt werden, stehen miteinander in Verbindung, sind aber dennoch auf unterschiedliche Art und Weise relevant; sowohl für den Umgang mit sich selbst, den Teamkollegen, dem Trainerteam, den Gegnern, dem Schiedsrichtergespann und im Profisport, mit Medien und Fans sowie darüber hinaus auch für die eigene Leistung.

Jede der fünf Kompetenzen für sich genommen ist von Bedeutung und kann unabhängig von den anderen (oder in Kombination) trainiert werden, wie dem Praxisteil des Buches zu entnehmen ist. Allerdings bauen die einzelnen Kompetenzen auch aufeinander auf: Zunächst muss ich selbst wissen, wie ich mich fühle, bevor ich meine empfundenen Emotionen einem Dritten vermitteln kann.

Gelingt es mir, meine Emotionen effektiv zu vermitteln, lernt mich die andere Person besser kennen, wodurch sie eher in der Lage ist, zu verstehen, weshalb ich in einer bestimmten Situation auf eine bestimmte Art reagiere. Durch ein erhöhtes Verständnis dafür, weshalb eine Person – oder auch ich selbst – in einer gegebenen Situation gewisse Emotionen empfindet, gewisse Gedankengänge hat und dementsprechend handelt, gelingt es mir leichter, das emotionale Erleben dieser Person oder mein eigenes emotionales Erleben zu beeinflussen. Dabei kann ich, je nachdem, wie ich mich verhalte, verschiedene Emotionen hervorrufen, verstärken oder abschwächen. Letztendlich kann ich meine eigenen und zu einem bestimmten Ausmaß Emotionen anderer Menschen nutzen, um spezifische Ziele zu erreichen.

All dem liegt die wissenschaftlich unterstützte Annahme zugrunde, dass jeder Mensch Verantwortung für den Umgang mit seinen Emotionen trägt.

Wir alle haben zu einem gewissen Grad die Möglichkeit, zu entscheiden, wie wir eine Situation interpretieren, wie wir mit Emotionen umgehen, die vielleicht unbewusst aufgekommen sind, inwiefern wir uns von anderen Menschen beeinflussen lassen oder wie wir unsere Emotionen ausdrücken, regulieren und nutzen. Und letztendlich haben wir alle die Möglichkeit, Verantwortung für die weitere Entwicklung unserer Stärken und Schwächen zu übernehmen, an uns zu arbeiten und eventuelle Defizite in einer oder mehreren der fünf emotionalen Kompetenzen auszugleichen.

2.1.1IDENTIFIKATION — ERKENNEN, WIE MAN SICH FÜHLT UND WIE ANDERE SICH FÜHLEN

„Du siehst wohl, aber du beobachtest nicht.” – Sherlock Holmes

Die Karriere des Fußballtrainers Ralf Rangnick glich in den letzten sechs Jahren einer Achterbahnfahrt. Als er im März 2011 die Stelle des Cheftrainers beim FC Schalke 04 übernahm, führte er die Mannschaft zu den größten Erfolgen, die der Verein im Laufe der vergangenen 15 Jahre feiern konnte. Am 13. April 2011 zog der FC Schalke 04 in das Halbfinale der Champions League ein, nachdem Inter Mailand zweimal geschlagen wurde, und am 21. Mai desselben Jahres fegten die Königsblauen den MSV Duisburg mit 5:0 im Finale des DFB-Pokals vom Platz. Doch die Freude währte nicht lange.

Nur vier Monate später entschied sich Ralf Rangnick überraschend, von seiner Position zurückzutreten, weil er, nach den kräftezehrenden Ereignissen der Monate und Jahre zuvor, nicht die nötige Energie hatte, eine Mannschaft auf diesem Niveau zu weiteren Erfolgen zu führen und in ihrer sportlichen Entwicklung zu fördern. Im darauf folgenden Jahr erholte sich der ausgebrannte Trainer und übernahm am 1. Juli 2012 die Stelle des Sportdirektors der Vereine Red Bull Leipzig und Red Bull Salzburg. Folglich war er entscheidend am Durchmarsch des RB Leipzig aus der Regionalliga in die Fußball-Bundesliga beteiligt, nicht zuletzt, da er in der Saison 2015/16 auch als Trainer von RB Leipzig tätig war und den Verein zum Aufstieg in die Bundesliga führte.

Obwohl wir uns nicht anmaßen, als Unbeteiligte die beschriebene Situation in allen Details richtig interpretieren zu können, verdeutlicht das Beispiel, dass es wichtig ist, das eigene Innenleben und die damit verbundenen Emotionen zu identifizieren und das eigene Verhalten darauf abzustimmen. Emotionen können uns hierbei unterstützen. Sie können uns beispielsweise helfen, gute Entscheidungen zu treffen, indem sie uns den rechten Weg signalisieren. Dafür müssen wir unsere Emotionen jedoch zunächst bewusst wahrnehmen und korrekt identifizieren können [4].

ZUSATZINFO

Das Identifizieren von Emotionen bedeutet laut Brasseur et al. (2013), fähig zu sein, eine Emotion bei sich oder anderen wahrzunehmen, wenn sie aufkommt und sie zu identifizieren.