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Endnoten

1

Die Trilogie Trionfi (aus Carmina Burana, Catulli Carmina und Trionfo di Afrodite) wird in Reclams Chormusik- und Oratorienführer besprochen.

Vorwort

Erstes Läuten. Noch zehn Minuten bis zum Beginn der Aufführung. Wir eilen die Treppen hinauf, plötzlich fällt es meiner Begleitung ein: »Ich habe es zu Hause nicht mehr geschafft, den Inhalt zu lesen. Du kennst doch die Elektra, erzähl mir mal ganz schnell, worum es geht.« Nichts ist nervtötender als solche Fragen, die sich zumeist auch nicht zwischen zwei Klingelzeichen beantworten lassen. Zudem ist es fast unmöglich, über die Verästelungen des Atridenstammes, die Vor-Nozze-Beziehungen im Schloss Almaviva, die verwandtschaftlichen Verflechtungen der Gibichungen oder gar aller Ring-Beteiligten nur kurz Auskunft zu geben. Seit mit Erfindung des elektrischen Lichts die Opernhäuser gegen Ende des 19. Jahrhunderts dazu übergingen, den Zuschauerraum während der Vorstellung völlig zu verdunkeln – eine für die Zuschauer übrigens ebenso verblüffende Neuerung wie der erste Einsatz elektrischen Lichts auf der Bühne –, die Besucher also keine Texthefte mehr mitlesen konnten, war deshalb Abhilfe gefragt. Zur Vorbereitung auf einen Opernbesuch haben sich deshalb seit dieser Zeit Opernführer bewährt.

Das Problem wird auch nicht durch die zunehmenden Übertitelungen gelöst, die sich mittlerweile nicht nur auf fremdsprachige Opern beschränken, sondern auch bei Wagner und Strauss praktiziert werden. Als ich im Jahr 2000 bei einem Paris-Besuch an der Opéra Bastille zum ersten Mal die französischsprachige Übertitelung der Carmen erlebte, war ich noch ziemlich befremdet, dass ausgerechnet bei dieser Oper, von der man annehmen durfte, dass sie französischen Besuchern einigermaßen vertraut ist, der wörtliche Text mitgeliefert wurde. Doch inzwischen empfinde ich es, wie andere auch, als große Erleichterung, den Streit der fünf Mägde in der Elektra oder die Dispute der Juden in der Salome verstehen zu können. Und selbst in der viele Dutzend Male gesehenen Le nozze di Figaro tun sich immer wieder neue Details auf. Viele gesungene Passagen kann man einfach nie verstehen, und das liegt nicht nur an der zunehmend nachlässigen Textbehandlung vieler Sänger.

Die vorliegende 40. Auflage von Reclams Opernführer, die auf der neu verfassten 34. Auflage inklusive der folgenden Erweiterungen basiert, wird nicht innerhalb weniger Minuten erschöpfende Auskunft geben können. Auskunft auch nicht über alle Opern, sondern über mehr als 220 Werke, die nach wie vor das Kernrepertoire der Opernbühnen ausmachen und sich häufiger auf den Spielplänen in Deutschland, Österreich und der Schweiz finden. Der Umfang eines solchen Bandes legt verständliche Beschränkungen auf.

Anders als in den Jahren um 1950, als Wilhelm Zentner die erste Ausgabe des Opernführers konzipierte, präsentiert sich das Bühnenrepertoire heute in einer Breite wie nie zuvor in der Geschichte der Gattung. Händel und Rameau sind – nach allen Ausgrabungswellen und Renaissancen – dem Operninteressierten ebenso gegenwärtig wie die Werke eines Mercadante, Meyerbeer, Spontini oder Cherubini, die Opern von Zemlinsky, Schreker oder Korngold. Den diversen Trends, Einzelstücke aus dem Fundus der Operngeschichte hervorzuholen oder für die Gegenwart zu interpretieren, kann dieses Buch nur bedingt Rechnung tragen, doch habe ich versucht, den Komplex der Barockoper etwas breiter anzulegen als bisher, die sogenannte Belcanto-Oper wie auch die Oper des 20. und des beginnenden 21. Jahrhunderts deutlicher zu präsentieren.

Den Veränderungen des Repertoires fielen natürlich manche Werke zum Opfer. Darunter befinden sich Stücke, die ein Opernführer nach dem anderen glaubte, treulich weitertransportieren zu müssen, die sich aber selbst eifrigste Opernbesucher nicht erinnern, jemals auf der Bühne gesehen zu haben, wie Dittersdorfs Doktor und Apotheker. In diesem Band wird man deshalb vergebens Gerster, Goetz, Haas, K. A. Hartmann, Kreutzer, Lothar, Reutter oder Sutermeister suchen, die alle noch in früheren Ausgaben des Reclam-Opernführers vertreten waren. Sicherlich wäre mittlerweile Boieldieus Weiße Dame entbehrlich, an der ich aus sentimentalen Gründen hänge und auf deren Wiederentdeckung ich hoffe. Manche Werke feiern ein Comeback wie Lortzings Waffenschmied, ebenso kehrte Kienzls Evangelimann in den Opernführer zurück. Vermehrt wurde dagegen die Zahl der Werke von Cherubini, Donizetti, Berlioz, Schönberg; neu hinzugekommen sind die Komponisten Purcell, Pepusch, Rameau, Telemann, Spontini, Halévy, Adam, Glinka, Schumann, Schubert, Boito, Rimskij-Korsakow, Busoni, Cilèa, Zemlinsky, Schreker, Kodály, Korngold, Schostakowitsch, Szymanowski, Poulenc, Messiaen, Ligeti, Nono, Penderecki, Lachenmann, Udo Zimmermann, Eötvös, Rihm, Frid und Dove. Auf manche Komponisten, die ich hier nicht nur aus opernhistorischen Gründen gerne gesehen hätte, musste mit Rücksicht auf den Umfang schweren Herzens verzichtet werden, darunter Chabrier, Dargomyschskij, Dukas, Enescu, Erkel, Fauré, Lalo, Martinù, Moniuszko.

Die vornehmste Aufgabe eines Opernführers besteht darin, so ausführlich wie nötig und so knapp wie möglich den Handlungsverlauf einer Oper nachzuzeichnen; der Klarheit wegen bedarf es dazu manchmal etwas mehr Seiten, als zwischen zwei Klingelzeichen gelesen werden können. Hinter diesem Anliegen muss der Ehrgeiz, ausführlich über die Musik eines Stückes, die Werkgeschichte, seinen Text und dessen Verfasser zu informieren, etwas zurücktreten. Dieser Teil ist deshalb kurz gefasst und setzt bei den verschiedenen Werken auch unterschiedliche Gewichtungen.

Bei den Werkartikeln sind die Opern in der Überschrift in der Regel unter ihrem gebräuchlichen deutschen Titel aufgeführt. Nachgestellt sind die Alternativtitel, die Originaltitel fremdsprachlicher Werke sowie gegebenenfalls auch Untertitel. Die angeführten Werkbenennungen – z. B. »Dramma per musica«, »Grand opéra«, »Melodrama«, »musikalische Legende«, »lyrisches Märchen« usw. – sind in der Regel originale Gattungsbezeichnungen der Komponisten und Librettisten.

Unsere Angaben zu der Spieldauer einiger Opern jeweils am Schluss eines Werkartikels sind ungefähre Angaben. Im Vergleich mit Aufführung und Tonaufnahmen werden sich nicht selten Abweichungen ergeben. Sie liegen in der Natur der Sache: ob ein Werk in mehreren Originalfassungen vorliegt, inwieweit es für die aktuelle Aufführung bearbeitet wurde, ob der Dirigent zwischen gesungenen Rezitativen oder gesprochenen Texten wählen konnte und anderes mehr.

Rolf Fath

Claudio Monteverdi

Getauft 15. Mai 1567 in Cremona

† 29. November 1643 in Venedig

Trotz seiner bescheidenen Herkunft erhielt Claudio Monteverdi Musikunterricht von Marc’ Antonio Ingegneri, dem Maestro di cappella am Dom in Cremona. Bereits 1582 und 1583 erschienen erste Kompositionen im Druck. Um 1590 trat Monteverdi als Violaspieler und Sänger in die Dienste des Herzogs Vincenzo I. Gonzaga von Mantua. 1595 begleitete er ihn auf Reisen nach Österreich, Prag und Ungarn, 1599, im Jahr der Heirat mit der Sängerin Claudia de Cattaneis, nach Flandern. 1601 wurde Monteverdi, der inzwischen zu den bedeutendsten zeitgenössischen Musikern zählte, Kapellmeister am Hof in Mantua. 1603 und 1605 veröffentlichte er sein viertes und fünftes Madrigalbuch (das erste war 1587 erschienen; das achte und letzte kam 1638 heraus). 1607 wurde seine erste Oper, Orfeo, in Mantua aufgeführt, 1608 die zweite, L’Arianna. Der Tod seiner Frau 1607 stürzte ihn in eine tiefe Depression, die sich verstärkte, als seinem Wunsch, aus dem Dienst der Gonzaga zu scheiden, nicht stattgegeben wurde, bis zur – vorübergehenden – Auflösung der Hofmusik 1612 unter Francesco IV. 1613 erhielt Monteverdi eine der ehrenvollsten Positionen des damaligen Musiklebens, die Kapellmeisterstelle an Venedigs San Marco. Zwischen 1630 und 1632 wurde er zum Priester geweiht. 1616 schrieb er für den Hof in Mantua das Ballett Tirsi e Clori. 1624 wurde seine dramatische Kantate Il combattimento di Tancredi e Clorinda in Venedig aufgeführt. 1638 und 1641 veröffentlichte er umfassende Sammlungen seiner weltlichen und geistlichen Kompositionen, und mit der Gründung der ersten öffentlichen Opernhäuser in Venedig nach 1637 wurde er wieder ein gesuchter Opernkomponist. Es kam zur Wiederaufnahme seiner Arianna sowie zu den Uraufführungen von Il ritorno d’Ulisse in patria (1640), Le nozze d’Enea con Lavinia (1641, Musik verloren) und L’incoronazione di Poppea (1642). 1643 besuchte er nochmals Mantua und seine Geburtsstadt. Der kurz nach seiner Rückkehr nach Venedig Gestorbene wurde in der Frari-Kirche beigesetzt.

Als Künstler und Repräsentant der Hochrenaissance fühlte sich Monteverdi Platons Vorstellung von einer Kunst, die Leidenschaften erregen solle und in der das Wort der Musik überlegen sei, verpflichtet. Der Primat des Wortes vor der Musik – während der ganzen Operngeschichte, bis u. a. hin zu Capriccio von Richard Strauss, ein Konflikt, der nicht nur die Opernreformatoren beschäftigte – wurde von Giulio Cesare Monteverdi, ebenfalls Musiker in Mantua, im Vorwort zu den Scherzi musicali seines Bruders Claudio 1607 ausdrücklich festgeschrieben. Im Gegensatz zu anderen Künstlern, beispielsweise den Mitgliedern der Florentiner »Camerata«, die als eine Art Musikakademie fungierte, war Monteverdi überzeugt, dass die Hoheit des Wortes auch innerhalb der herrschenden Polyphonie garantiert werden könne. Folglich griff er auch schon in die Textgestaltung seiner Opern ein, wie sein »Librettist« Giacomo Badoaro für Le nozze d’Enea bezeugt: »Ich vermied alle zu weit hergeholten Gedanken und Konzepte und achtete mehr auf die Affekte, wie Monteverdi es wünschte. Zu seiner Zufriedenheit änderte und strich ich vieles von dem, was ich ursprünglich vorgesehen hatte.« Für die Geschichte der Oper bedeutet Monteverdis Schaffen den ersten, die Form prägenden Höhepunkt.

Orpheus
L’Orfeo

Favola in musica in einem Prolog und 5 Akten. Text von Alessandro Striggio. Uraufführung am 24. Februar 1607 im herzoglichen Palast von Mantua.

Alessandro Striggio d. J. (1573? Mantua – 1561630 Venedig), der Sohn des Madrigalkomponisten Alessandro Striggio, war Musiker, Jurist und Diplomat. 1611 trat er in die Dienste der Gonzaga, wurde Botschafter in Mailand, 1628 Kanzler. Für Monteverdi verfasste er den Text zu L’Orfeo, vermutlich auch zu Tirsi e Clori (1615) und der verlorengegangenen Kantate Lamento d’Apollo. Außerdem schrieb er für Marco da Gagliano die Libretti zu Il trionfo d’onore und Il sacrificio d’Ifigenia (beide 1608).

 

PERSONEN: La Musica / Die Musik (Sopran) – Orfeo / Orpheus (Tenor oder Bariton) – Euridice / Eurydike, eine Nymphe (Sopran) – Vier Hirten (Tenor, Bariton, Bass) – Botin (Mezzosopran) – La Speranza / Die Hoffnung (Sopran) – Charon (Bass) – Proserpina (Mezzosopran) – Pluto (Bass) – Apollo (Tenor oder Bariton) – Nymphe (Sopran) – Weitere Hirten und Nymphen, Geister.

 

ORT UND ZEIT: Thrakien und die Unterwelt in mythischer Vorzeit.

Prolog. Die Allegorie der Musik kündigt als ein Beispiel für die Macht ihrer Kunst die Geschichte von Orpheus an, der allein durch Gesang und Lyraspiel wilde Tiere zähmte und die Götter der Unterwelt bezwang.

1. Akt. Hirten und Nymphen freuen sich über die bevorstehende Hochzeit zwischen Orpheus und Eurydike. Tanzend erflehen sie die Gnade des Hymenäus, des Gottes der Ehe. Von einem Hirten zu einem Lied aufgefordert, beginnt Orpheus die Sonne und die Schöpfung zu preisen und endet mit einer Liebeshymne auf Eurydike (Rosa del ciel / Rose des Himmels). Die Nymphen und Hirten freuen sich, dass mit dem anbrechenden Frühling das Liebesleid des Orpheus ein Ende haben wird.

2. Akt. Gemeinsam mit den Hirten und Nymphen sucht Orpheus die Wälder und Hügel auf, die einst Zeugen seiner Trauer waren. Aus dem Glücksgefühl über die Wende seines Schicksals reißt ihn plötzlich eine Botin mit der Nachricht, dass Eurydike beim Blumenpflücken durch den Biss einer giftigen Schlange getötet worden ist (Ahi, caso acerbo / Weh, grausames Verhängnis!). Aus tiefem Schmerz (Tu se’ morta / Du bist tot) fasst Orpheus den Entschluss, in das Reich der Schatten hinabzusteigen und den Herrscher der Unterwelt, Pluto, zur Rückkehr Eurydikes zu bewegen – oder mit ihr dort für immer vereint zu bleiben.

3. Akt. Geleitet von der Hoffnung, gelangt Orpheus an das Tor der Unterwelt, wo sie ihn verlassen muss, denn hier herrscht das abweisende Motto »Lasst alle Hoffnung zurück, die ihr hier eintretet!«. Durch die Macht seines Gesangs vermag er den Fährmann Charon, der sich weigert, einen Lebenden über den Totenfluss zu setzen, in Schlaf zu senken und mit dem Kahn selbst das andere Ufer zu erreichen (Possente spirito / Mächtiger Geist). Der Chor der Geister besingt warnend die Hybris der Menschen.

4. Akt. Proserpina, die Göttin der Unterwelt, ist vom Schmerz und von den Klagen des Orpheus so bewegt, dass sie Pluto bittet, Eurydike auf die Erde zurückkehren zu lassen. Pluto willigt ein, stellt aber eine Bedingung: Orpheus darf Eurydike erst ansehen, wenn beide das Totenreich verlassen haben. Voll Freude, aber auch voll Zweifel, ob Eurydike ihm wirklich folgen darf, geht Orpheus voran. Als er glaubt, die Furien hinter sich zu hören, kann er nicht an sich halten, er wendet sich um – und verliert Eurydike für immer. Die Geister der Unterwelt aber singen das Lob der Selbstüberwindung als hoher Tugend.

5. Akt. Dem ganz seinem hoffnungslosen Schmerz hingegebenen Orpheus schallt als leerer Reflex seiner Liebesklagen nur das Echo zurück. Da erscheint ihm voll Mitleid sein Vater Apoll und erhebt ihn zu Ruhm und Unsterblichkeit zu sich in den Olymp, wo alles irdische Leiden ein Ende hat und Orpheus Eurydikes Abbild in der Sonne und in den Sternen erblicken wird.

 

Die Bedeutung von Monteverdis erster Oper liegt bei aller Schlichtheit in der gelungenen Symbiose von Text, Handlung, Gesang und Musik, einem Ideal, dem alle Opernreformer in der Folgezeit nacheiferten.

Die Oper war gerade erst wenige Jahre alt, als Monteverdi, der sich bereits seit 1600 mit dem Problem des musikalischen Dramas beschäftigte, 1606 die Vertonung des Orpheus-Stoffes in Angriff nahm. Als erste Beispiele der Gattung Oper gelten Jacopos Peris La Dafne (1597) und L’Euridice (1600) sowie Giulio Caccinis L’Euridice (1602), die beiden letzten auf einen Text des Florentiner Dichters Ottavio Rinuccini. Alle drei Opern sind unmittelbare Ergebnisse der Bemühungen, die antike Tragödie wiederzubeleben, wie sie die Florentiner »Camerata« um den Grafen Bardi propagierte. Musikalisch wandten sich diese Bestrebungen gegen die Auswüchse der Polyphonie und stellten das singende Sprechen, das »parlar cantando«, in den Vordergrund.

Striggio orientierte sich bei seinem Libretto weniger an Rinuccini, der die Orpheus-Handlung für seine Euridice bearbeitet hatte, sondern ging auf Angiolo Polizianos Schauspiel La festa di Orfeo zurück, das 1480 in Mantua erstmals gespielt wurde. Wie Poliziano wählte Striggio für sein Libretto, entsprechend einer anderen Überlieferung des Mythos, einen tragischen Schluss, die Flucht des Orpheus vor den Bacchantinnen, während Poliziano allerdings mit einem Bacchanal, in dessen Verlauf Orpheus von den Bacchantinnen zerrissen wurde, geendet hatte. In seiner Partitur von 1609 entschied sich Monteverdi für ein Finale mit der Apotheose des Orpheus.

Musikalisch und theatergeschichtlich kommen im Orfeo mehrere Einflüsse aus den Vorläuferformen der Oper zusammen. Elemente der Pastorale und der Intermedien, d. h. der Zwischenaktmusiken bei Schauspielen, finden sich in den ausführlichen Hirtenszenen, für die Monteverdi, entsprechend seiner Übung im Umgang mit Ballettmusik, eine tänzerische Musik konzipierte, die sich von den Absichten der rezitativisch strengen Musik der Florentiner Schule entfernte. Das Instrumentarium entspricht weitgehend dem der Intermedien (aus dieser Tradition stammt auch die eröffnende Bläsertoccata) und zeigt große Vielfalt in der Auswahl der Harmonieinstrumente. Posaunen in den Unterweltszenen, Flöten und Streicher zur Illustration des pastoralen Geschehens entsprachen der Konvention, neu war dagegen die von Monteverdi geforderte virtuose Beherrschung der Instrumente. Seine Auffassung des Gesangs hat er später, 1616, in einem Brief an Striggio niedergelegt; darin forderte er, dass den Menschen in seinen Opern möglichst unverzierte Gesangslinien zukommen müssten, während sich die Götter in einer verzierten, quasi allegorischen Gesangsweise zu äußern hätten. Die 5 Akte sind fast identisch aufgebaut und jeweils um eine große Solonummer des Orpheus konzipiert, deren wichtigste die Arie Possente spirito im 3. Akt ist. Orpheus wird hier nicht nur als Allegorie des Künstlers oder sinnbildlich für die Kraft der Musik schlechthin aufgefasst, sondern auch als ein verzweifelter Mensch. Die Verwendung eines rhythmisch ostinaten Basses im 4. Akt, wenn Orpheus und Eurydike sich langsam schreitend, Schritt für Schritt, der Erde zubewegen, ist von Monteverdi ganz aus den szenischen Erfordernissen heraus gestaltet und begründete einen musikalischen Archetypus. Gleichermaßen erschütternd und in seiner Eindringlichkeit revolutionierend wirkt der Dialog zwischen Orpheus und der Botin.

1609 erschien der Orfeo in Venedig im Druck, erneut 1615. Nachdem Monteverdis Wirken in Schriften Ernst Ludwig Gerbers (1790) und Carl von Winterfelds (1834) erwähnt wurde, veröffentlichte Robert Eitner 1881 eine moderne Ausgabe der Oper. Die erste moderne Aufführung fand, in konzertanter Form und französisch gesungen, unter Vincent d’Indy 1904 durch die Pariser Schola Cantorum statt; 1911 folgte, wieder in Paris, eine szenische Aufführung. In Breslau kam es 1913 zu der ersten deutschsprachigen Version (eingerichtet von Hans Erdmann-Gunckel). 1925, 1929 und 1940 (Dresden, unter Karl Böhm) legte Carl Orff seine Fassungen des Orfeo vor. 1930 gab Gian Francesco Malipiero seine Bearbeitung des Orfeo heraus, 1933 folgte in Mantua eine konzertante Aufführung in der Fassung von Giacomo Orefice. Weitere Einrichtungen und Fassungen stammen von Giacomo Benvenuti (1934 Rom, unter Tullio Serafin), von Ottorino Respighi (1935 Mailand, unter Marinuzzi), von Hans Ferdinand Redlich (1936 Zürich), von Paul Hindemith (1954 Wien), von August Wenzinger (1955 Hitzacker). Modellcharakter kommt der Inszenierung Jean-Pierre Ponnelles am Zürcher Opernhaus (20121975) zu; diese Aufführung, unter Nikolaus Harnoncourt, bildete den Beginn des Zürcher Monteverdi-Zyklus, der Theatergeschichte machte. Maßstäbe setzten auch Aufführungen unter René Jacobs, darunter 1998 anlässlich der Wiedereröffnung des Teatro Goldoni in Florenz (Inszenierung: Luca Ronconi) und 2004 an der Berliner Staatsoper (Inszenierung: Barrie Kosky), sowie Thomas Hengelbrock 1998 in Wien (Inszenierung: Achim Freyer) und 2002 in Baden-Baden (Inszenierung: Philipp Himmelmann).

Spieldauer: ca. 1 ¾ Stunden (Prolog: ca. 7 min.; 1. Akt: ca. 15 min.; 2. Akt: ca. 25 min.; 3. Akt: ca. 25 min.; 4. Akt: ca. 15 min.; 5. Akt: ca. 15 min.).

Die Heimkehr des Odysseus
Il ritorno d’Ulisse in patria

Dramma in musica in einem Prolog und 3 Akten. Text von Giacomo Badoaro nach Homers Odyssee (13.–23. Gesang). Uraufführung wahrscheinlich im Frühjahr 1640 in Venedig, Teatro San Cassiano.

Giacomo Badoaros (1602 Venedig – 1654 Venedig) Ruhm als Librettist gründet sich vor allem auf diesen Text. In seinem Libretto zu Francesco Paolo Sacratis L’Ulisse errante (1644) griff er ebenfalls auf Homer zurück, gab dabei die Prinzipien des Aristoteles von der Einheit der Zeit, des Ortes und der Handlung auf und behandelte in jedem Akt eine andere Episode aus der Odyssee.

 

PERSONEN: L’umana fragilità / Die menschliche Gebrechlichkeit (Sopran oder Tenor) – Tempo / Die Vergänglichkeit (Bass) – Fortuna / Das Schicksal (Sopran) – Amore / Die Liebe oder Amor (Sopran) – Giove / Zeus (Bass) – Nettuno / Poseidon (Bass) – Minerva / Athene (Sopran) – Giunone / Hera (Sopran) – Ulisse / Odysseus (Tenor oder Bariton) – Penelope, Frau des Odysseus (Mezzosopran oder Sopran) – Telemaco / Telemach, ihr Sohn (Tenor oder Mezzosopran) – Die königlichen Freier Antinoo / Antinoos (Bass), Pisandro / Pisandros (Tenor), Anfinomo / Amphinomos (Tenor oder Bariton) – Eurimaco / Eurymachos (Tenor oder Bariton) – Melanto / Melantho, Penelopes Dienerin (Sopran) – Eumete / Eumaios, ein Hirte (Bass) – Iro / Iros (Tenor) – Ericlea / Eurykleia, Amme des Odysseus (Mezzosopran) – Phäaken, Seeleute, Sirenen.

 

ORT UND ZEIT: Ithaka, nach dem Trojanischen Krieg.

Prolog. Das Thema der Oper wird gleich in den ersten Sätzen der Umana fragilità angeschlagen; die Allegorie der menschlichen Gebrechlichkeit beklagt ihre Abhängigkeit von Tempo, Fortuna und Amore: der verrinnenden Zeit, dem launischen Schicksal und der blinden Liebe.

1. Akt. Penelope beklagt in gleicher Weise die 20 Jahre ihrer Einsamkeit (Di misera regina / Ich unglückliche Königin) und ersehnt die Rückkehr ihres Mannes Odysseus. Die alte Dienerin Eurykleia teilt ihren Schmerz. Eurymachos, einer der von Penelope zurückgewiesenen Freier, wendet sich deren Dienerin Melantho zu. Poseidon beschwert sich bei Zeus, dass die Phäaken einen Befehl der Götter missachtet und Odysseus in seine Heimat Ithaka zurückgeführt haben. Zeus gesteht Poseidon das Recht zu, die Phäaken dafür zu bestrafen; ihr Schiff wird in einen Felsen verwandelt.

Einsam am Strand, erkennt Odysseus seine Heimat nicht wieder und glaubt sich von den Phäaken betrogen (Dormo ancora o son desto? / Schlafe ich noch oder wach ich?). Da erscheint Athene und bestätigt ihm, dass er in Ithaka sei. Sie rät ihm, bei der Heimkehr erst das Treiben der Freier am Hof der Penelope zu beobachten, und damit er nicht erkannt würde, verwandelt sie ihn in einen Greis.

Vergeblich drängt Melantho ihre Herrin Penelope, der Liebe zu Odysseus zu entsagen und dem Werben der Freier endlich nachzugeben. Als Odysseus in Gestalt eines alten Mannes bei Eumaios erscheint, der das Glück eines einfachen Hirtenlebens preist und deshalb von dem Großmaul Iros verspottet wird, bleibt er unerkannt, erhält aber großzügig Obdach.

2. Akt. Von Athene geführt, kommt Telemach zu Eumaios und schickt diesen voraus zu Penelope, um seine Heimkehr anzukündigen. Darauf gibt sich Odysseus seinem Sohn zu erkennen (O padre sospirato! / O langersehnter Vater!). Telemach solle nun auch in den Palast zurückkehren, während Odysseus in der Maske des alten Mannes später folgen werde.

Im Palast gesteht Melantho ihrem Eurymachos, dass es nicht gelungen ist, die Königin in der Treue zu Odysseus schwanken zu machen. Als Eumaios die Ankunft des Telemach und die Rückkehr des Odysseus ankündigt, wird den Freiern, die Penelope mit Worten, Tänzen und Gesängen umzustimmen versuchten, ihre Lage bewusst. Das stachelt sie zu noch drängenderer Werbung um Penelope an. An ihrer Absicht, Telemach umzubringen, hindert sie nur ein böses Omen, der am Himmel erscheinende Adler des Zeus. Penelope soll nun mit Gold zur Liebe verführt werden.

Die Handlung schreitet in weiteren Einzelszenen fort: Athene versichert Odysseus ihrer Unterstützung im Kampf gegen die Freier; Eumaios schildert Odysseus den Schrecken der Freier bei der Nachricht von seiner Rückkehr, und Telemach beschreibt seiner Mutter Helenas Schönheit, die Rechtfertigung genug für den Untergang Trojas sei. Helena habe ihm die Heimkehr des Odysseus und den Tod der Freier vorausgesagt. Penelope erscheint eine Schönheit und Liebe, »die in Blut badet«, ungeheuerlich. Antinoos ist der bettelnde Greis, den Eumaios in den Palast geführt hat und der den pöbelhaften, fetten Fresser Iros im Zweikampf besiegt, zuwider. Die Freier erreichen schließlich, dass Penelope nachgibt: Wer den Bogen des Odysseus spannen kann, dem will sie gehören. Keinem gelingt es – außer dem Alten: Mit der Hilfe der Götter erschießt Odysseus die Freier.

3. Akt. Iros, der dem Gemetzel entkommen konnte, bejammert sein Schicksal (O dolor, o martir che l’alma attrista / Qual und Trauer bedrücken die Seele). Da ihm seine Gönner nicht mehr den Bauch füllen können und ehe ihn der Hunger umbringt, will er sich selbst töten. Penelope kann keinen Schmerz über den Tod der Freier aufbringen. Als ihr Eumaios erzählt, dass es Odysseus war, der die drei tötete, glaubt sie ihm nicht. Selbst Telemach kann sie nicht davon überzeugen; sie glaubt nicht an die Hilfe der Götter.

Auf Bitten Athenes bedrängt Hera, die Göttin der Ehe, den Göttervater Zeus, Poseidon umzustimmen. Athene solle nur Sorge tragen, dass es aus Rache für die Ermordung der Freier zu keinem neuen Kampf komme. Während Eurykleia noch zögert, Penelope das ihr plötzlich offenbar gewordene Geheimnis des Odysseus mitzuteilen, versuchen es Eumaios und Telemach noch einmal – umsonst. Penelope kann selbst in den Beteuerungen des Greises nicht ihren Mann wiedererkennen. Nun erzählt Eurykleia doch, dass sie an einer Narbe in dem Fremden Odysseus erkannt habe, und macht damit Penelope unsicher. Aber erst als er die Decke ihres Ehebettes beschreibt, lösen sich ihre Zweifel und kann sie sich der Freude über die Wiederkehr des Odysseus hingeben (Sospirato mio sole! / Du meine mit Seufzern ersehnte Sonne!).

War der Orfeo noch für einen kleinen kunstinteressierten Kreis an einem Fürstenhof bestimmt, so vollzog Monteverdi mit seinen letzten drei Opern (von denen nur Le nozze d’ Enea con Lavinia nicht erhalten ist) den Schritt in die Öffentlichkeit. Er schloss sich damit einer Entwicklung an, die vor allem in Venedig auffällig war, seit 1637 der vielseitige Künstler und Unternehmer Benedetto Ferrari das erste öffentliche Opernhaus, das Teatro San Cassiano, dort gegründet hatte und rasch weitere Theatergründungen gefolgt waren. Die Oper wurde zu einer beliebten und volkstümlichen Unterhaltungsform. Gleichzeitig veränderten sich ihre Inhalte. Sie war nicht mehr Gegenstand ästhetisierender Diskussionen des kunstinteressierten Adels, sondern hatte die weniger anspruchsvollen Bedürfnisse eines viel breiteren Publikums nach Unterhaltung zu befriedigen. Das bedeutete Zurückdrängung der idealisierten mythischen Vorwürfe zugunsten realistisch aufgesplitterter, auch drastischer Handlungen voll elementarer Beweggründe, spannender Intrigen, praller Komik und einer Vielzahl verschiedener Figuren. Die historischen Stoffe wurden kurzerhand wie Probleme der Gegenwart behandelt.

Musikalisch weist Ulisse, 33 Jahre nach dem exemplarischen Renaissance-Werk des Orfeo, bereits Merkmale der Barockoper auf. Monteverdi benutzt hier das Rezitativ als soziologisches Instrument, indem er auch Penelope und andere Hauptgestalten sich rezitativisch äußern lässt und die ariosen, liedhaften, verzierten und kunstvolleren Passagen für die Freier, die Diener, die Amme oder das Paar Melantho und Eurymachos vorsieht. Ein frühes Beispiel für musikalische Parodie ist die Arie des Iros im 3. Akt, die den schwankenden Charakter des Fressers durch ein buntes Stilgemisch darstellt. Darüber hinaus bedeutet dieses sich verselbständigende komische Lamento die parodistische Entsprechung zu Penelopes Klage am Beginn der Oper.

Das Libretto (in 5 Akten) blieb in Venedig erhalten; die Partitur wurde 1881 in der Wiener Nationalbibliothek entdeckt und 1922 von Robert Haas herausgegeben. Überliefert ist allerdings nur die Gesangsstimme und eine Zeile für den Begleitbass. Obwohl die Oper stets etwas im Schatten des Orfeo und der Poppea stand, reizte sie – vor allem Komponisten – zu zahlreichen Bearbeitungen. So kam es zu Fassungen von Vincent d’Indy (1925 Paris), Luigi Dallapiccola (1942 Florenz), Erich Kraack (1959 Wuppertal), Siegfried Matthus (1967 Berlin, Komische Oper), Nikolaus Harnoncourt (1969 Darmstadt; 1971 Wien; 1977 Zürich), Raymond Leppard (1972 Glyndebourne), Hans Werner Henze (1985 Salzburg und Köln). Nach Ponnelles Zürcher Produktion (1977) unter Harnoncourt erlebte Il ritorno d’Ulisse in patria bemerkenswerte Inszenierungen u. a. durch Pierre Audi 1998 in Amsterdam, Christof Loy 2003 in Düsseldorf und David Alden 2006 in München (mit Thomas Allen in der Titelrolle).

Spieldauer: ca. 3 ¼ Stunden (Prolog: ca. 10 min.; 1. Akt: ca. 70 min.; 2. Akt: ca. 70 min.; 3. Akt: ca. 45 min.).

Die Krönung der Poppäa
L’incoronazione di Poppea

Favola regia per musica in einem Prolog und 3 Akten. Text von Giovanni Francesco Busenello. Uraufführung 1642 in Venedig, Teatro Santi Giovanni e Paolo.

Giovanni Francesco Busenello (2491598 Venedig – 27101659 Legnaro), der Sohn einer wohlhabenden und bedeutenden venezianischen Familie, studierte in Padua Jura, praktizierte ab 1623 als Anwalt in Venedig und gehörte mehreren Akademien (Delfici, Umoristi, Imperfetti, Incogniti) an, die großen Einfluss auf die Entwicklung der öffentlichen Oper nahmen. Er selbst hat starken Anteil an der Umformung der Oper von der höfischen Unterhaltung zum bürgerlichen Spektakel. Neben seinem Text für Monteverdi verfasste er u. a. Libretti für Cavalli (Gli amori d’Apollo e di Dafne, 1640; La Didone, 1641).

 

PERSONEN: Fortuna / Schicksal (Sopran) – Virtù / Tugend (Sopran) – Amore / Liebe (Sopran) – Ottone / Otho, römischer Feldherr (Sopran oder Bariton) – Poppea / Poppäa, seine Geliebte (Sopran) – Nerone / Nero, Kaiser (Sopran oder Tenor) – Ottavia / Octavia, Kaiserin (Mezzosopran) – Arnalta, Poppeas Amme (Tenor oder Alt) – Ottavias Amme (Tenor oder Mezzosopran) – Seneca, Philosoph, Erzieher Neros (Bass) – Valletto, Page (Sopran oder Tenor) – Damigella, Hofmädchen (Sopran) – Drusilla (Sopran) – Pallade / Pallas Athene (Sopran) – Mercurio / Merkur (Bariton) – Lucano / Lucanus, Dichter und Freund Neros (Tenor) – Liberto, Hauptmann der Wache (Tenor) – Littore (Bariton) – Venere / Venus (Sopran) – Soldaten, Schüler Senecas, Konsuln, Tribune, Senatoren u. a.

 

ORT UND ZEIT: Rom, um 62 n. Chr. unter Kaiser Nero.

Prolog. Den Streit zwischen Fortuna und Virtù um den Vorrang in der Weltordnung beendet Amor, indem er zu beweisen verspricht, dass es allein die Liebe ist, die über allem anderen den Lauf der Dinge bestimmt.

1. Akt. Ottone, aus dem Feld nach Rom zurückgekehrt, muss von zwei kaiserlichen Wachsoldaten vor Poppeas Haus erfahren, dass Nero bei ihr ist und sie seine Geliebte wurde. Beim Abschied von Poppea verspricht ihr Nero, seine Frau Ottavia zu verstoßen. So sieht sich Poppea bereits als Kaiserin, doch Arnalta äußert sich skeptisch. Sie fürchtet um Poppeas Ruf und hat Angst vor Ottavias Rache. Obwohl unter Neros Treulosigkeit leidend (Disprezzata regina / Geschmähte Königin), denkt Ottavia nicht daran, sich einen Liebhaber zu nehmen, wie ihre Amme rät. Aber auch Senecas Versuch, sie mit den Einsichten des Stoizismus zu trösten, bringt ihr keinen Trost; ihr Page Valletto erklärt unumwunden aller Philosophen Weisheit für Schwindel. Pallas Athene erscheint vor Seneca und verkündet seinen nahen Tod. Als ihm Nero seine Absicht eröffnet, Poppea zu heiraten, spricht sich Seneca so eindringlich wie vergeblich dagegen aus. Wieder in Neros Armen, hat Poppea leichtes Spiel mit einer Intrige gegen den lästigen Seneca: Nero schickt ihm den Befehl, sich selbst zu töten. Ottone, dem die einstige Geliebte unverblümt ihre Absichten mitteilt, wendet sich, »Poppea noch im Herzen«, nun der Drusilla zu, deren Liebe er bisher zurückgewiesen hatte.

2. Akt. Seneca wird zum zweiten Mal, jetzt von Merkur, der nahe Schritt in die Ewigkeit angekündigt; kurz darauf überbringt ihm Liberto des Kaisers Todesbefehl. In voller Übereinstimmung mit den stoischen Tugenden begrüßt der Philosoph den Tod als glückliches Schicksal und nimmt Abschied von den Freunden. In einer Zwischenszene bekennen sich Valletto und Damigella als Opfer Amors. Nero und sein Freund Lucanus feiern ein ausschweifendes Gelage, dann eilt der Kaiser wieder zu Poppea. Die in vielen Einzelbildern voranschreitende Handlung wird fortgeführt mit Ottavias erpresserischer Anstiftung zum Mord an Poppea, den Ottone, mit Drusillas Hilfe als Frau verkleidet, ausführen soll. Poppea triumphiert: Durch Senecas Tod ist der Weg zum Thron frei. Von Arnalta zur Ruhe gebettet, wird sie von Amor selbst vor Ottones Anschlag bewahrt. Ottone flieht in seiner Verkleidung.

3. Drusilla wird als die vermeintliche Attentäterin vor Nero geführt. Sie nimmt alle Schuld auf sich, um Ottone zu schützen, doch der bekennt die Wahrheit. Neros Urteil lautet auf Verstoßung und Verbannung Ottavias. Auch Ottone wird verbannt; Drusilla folgt ihm freiwillig. Poppea schwelgt nun mit Nero im Vorgefühl kommender Würden, und Arnalta genießt ihren Aufstieg in das Gefolge einer Kaiserin. Ottavia nimmt Abschied (Addio Roma). Vor Konsuln und Tribunen lässt Nero der neuen Kaiserin huldigen. In den Chor stimmen die Liebesgötter und der triumphierende Amor ein, der Neros und Poppeas Ausdruck ihres Liebesglücks das letzte Wort lässt (Pur ti miro / Dich nur sehen).

 

Als Grundlage für Busenellos Libretto diente das 14. Buch der Annalen des Tacitus, wo von der Leidenschaft des Kaisers Nero für Poppea, die Frau seines Prätorianerführers Otho, berichtet wird. Darüber hinaus soll auch die Geschichte einer reichen Venezianerin, Bianca Cappello, die ihre Ehe brach und erst durch die Heirat mit einem Medici-Herzog wieder Ansehen errang, mit eingeflossen sein. Trotz des heiter-kapriziösen Tons ist Busenellos Text, den Monteverdi wahrscheinlich bearbeitete, alles andere als nur eine Komödie. In Monteverdis ungeschönter, fast zynischer Abrechnung mit seiner Zeit triumphieren Intrigen, Machtgier und Leidenschaften, wird der Staatsapparat unterhöhlt, ist keine der Hauptfiguren ohne Tadel, vermischen sich die Sphären von Oben und Unten, werden – auch musikalisch – Diener und Herrscher einander gleichgestellt. Doch Monteverdi ergreift keine Partei, er stellt lediglich den triumphierenden Eros dar. Obwohl im Prolog der übliche allegorische Rahmen beibehalten ist, beginnt mit Poppea eine Tendenz, die historischen Vorgänge im Gewand der Gegenwart und mit lebensvollen Menschen (statt Kunstfiguren) vorzuführen.

Monteverdis Vokalsprache ist in Poppea unabhängig von früher geäußerten Prinzipien, ohne diese (z. B. den »stile concitato«, einen dramatischen Vortragsstil, wie er durch musikalisch-gestische Akzente erreicht wird) ganz aufzugeben, und passt sich vollkommen den Forderungen der Bühne an. Innerhalb der durchkomponiert wirkenden Oper weisen arios ausgeschmückte Rezitative und geschlossene arienhafte Gesänge bereits auf einzelne »Nummern« hin. Zahlreiche Arien werden exemplarisch für spätere Arien-Typen: Ottones Apri un balcone / Öffne ein Fenster als Morgenständchen, Neros Flagelli, fochi, funi / Peitschen, Feuer oder Eisen als Vergeltungsarie, Poppeas und Neros Gesänge als Liebesduette; Ottone gehört die erste Serenade in der Operngeschichte (Sogni, portate a volo / Träume, tragt im Augenblicke), Arnalta die erste Schlummerarie (Oblivion soave / Gib deine zärtlichen Gefühle), Ottavia die erste Entrüstungsarie (Destin, se stai la sù / Vorsehung, wenn du da oben herrschst). Bestechend ist Monteverdis Kunst, den Melismen und Koloraturen Leben einzuhauchen, den Eindruck von Sinnlichkeit, Ausgelassenheit, Sehnen, aber auch von Trauer und Entrücktheit zu vermitteln. Hingegen wirkt der Orchesterpart mit Ouvertüre, Krönungsmusik und wenigen kurzen Ritornellen schlicht.

Poppea wurde im 17. Jahrhundert mehrfach gespielt. Die Urfassung der Oper muss beim Brand des Uraufführungstheaters 1748 vernichtet worden sein. Eine venezianische Druckausgabe wurde 1888, eine neapolitanische (vollständigere) 1930 entdeckt. Wie beim Ulisse schufen mehrere Komponisten Bearbeitungen und Fassungen: Die erste moderne Aufführung fand, in konzertanter Form, wieder unter Vincent d’Indy (vgl. Orfeo) in Paris statt (1905). Weitere Fassungen stammen u. a. von Gian Francesco Malipiero (1937 Paris), Ernst Krenek (1937 Wien), Nikolaus Harnoncourt (1970 Darmstadt; 1977 Zürich), René Jacobs (1989 Montpellier). Die neue wissenschaftliche Poppea-Ausgabe stammt von Alan Curtis (1989).

Spieldauer: 3 Stunden (Prolog: ca. 9 min.; 1. Akt: ca. 70 min.; 2. Akt: ca. 60 min.; 3. Akt: ca. 40 min.).

Francesco Cavalli

14. Februar 1602 in Cremona

† 14. Januar 1676 in Venedig

Der Sohn des Komponisten und Domkapellmeisters Giovanni Battista Caletti aus Crema in der Nähe von Cremona, der eigentlich Pier Francesco Caletti-Bruni hieß, erhielt seinen ersten Musikunterricht von seinem Vater. Seine weitere Ausbildung ermöglichte ihm der venezianische Patrizier Federico Cavalli, der den 14jährigen nach Venedig brachte. Hier sang er bis Mitte der 1630er Jahre unter Claudio Monteverdi an San Marco, war daneben u. a. Organist an Santi Giovanni e Paolo und wurde 1639 zweiter, 1665 erster Organist an San Marco. Um 1630 nahm er den Namen seines Förderers an und wandte sich, nachdem ihm eine reiche Heirat eine gewisse Unabhängigkeit erlaubte, allmählich der Oper zu. Francesco Cavalli beteiligte sich an der Organisation von Venedigs erstem Opernhaus, dem Teatro San Cassiano, an dem er 1639 mit Le nozze di Teti e di Peleo als Opernkomponist debütierte und anschließend acht weitere eigene Opern aufführte, darunter 1641 La Didone, 1642 La virtù de’strali d’amore, 1644 L’Ormindo und 1645 La Doriclea. Seine wichtigsten Erfolge waren L’Egisto (1643), der durch reisende Operntruppen populär wurde und sogar in Paris aufgeführt wurde, Il Giasone (1649) und L’Oristeo (1651), die zu den dauerhaftesten Opernerfolgen des 17. Jahrhunderts zählten. In den Jahrzehnten nach Monteverdis Tod etablierte sich Cavalli als der führende und meistgespielte Opernkomponist, dessen Werke in ganz Italien das Repertoire bestimmten und damit wesentlich zur Entwicklung der Oper beitrugen und die Bedeutung Venedigs als Opernzentrum festigten. Nach dem Tod seiner Frau 1652 nahm er auch Verpflichtungen in anderen Städten wahr, darunter in Neapel (1652 Veramonda l’amazzone di Aragona) und Mailand (1653 L’Orione; Wiederaufführung 1998 Venedig); 1660 folgte er der ehrenvollen Einladung von Kardinal Mazarin, anlässlich der Heirat von Ludwig XIV. in Paris eine neue Oper vorzubereiten. Die Aufführung von L’Ercole amante (1662) fand in einem eigens dafür in den Tuilerien errichteten Theater statt. 1668 wurde Cavalli zum Kapellmeister an San Marco ernannt.

In den rund 30 Opern, die er allein in Venedig schrieb, zeigt sich Cavalli vornehmlich als Bewahrer eines einmal perfektionierten Stils. Die Wiederentdeckung seiner Opern setzte 1952 in Florenz mit La Didone ein (unter Carlo Maria Giulini; Wiederaufführung 1997 an der Berliner Staatsoper unter Thomas Hengelbrock) und ist ab den späten 1960er Jahren vor allem den Bearbeitungen und Aufführungen von Raymond Leppard zu verdanken.

Calisto
La Calisto

Dramma per musica in einem Prolog und 3 Akten. Text von Giovanni Faustini. Uraufführung am 28. November 1651 in Venedig, Teatro di San Apollinare.

Giovanni Faustini (1615 Venedig – 19121651 ebd.) spielte durch seine Tätigkeit als Impresario und Librettist eine zentrale Rolle im Opernleben der Stadt sowie für die Entwicklung der typisch venezianischen Oper. In seinen hauptsächlich von Cavalli vertonten Libretti setzte er sowohl durch mythologische Themen wie jedoch vorwiegend ritterlich-romantische und aristokratische Stoffe und die abwechslungsreichen Verkleidungsintrigen und Abenteuer, die von meist mehreren Liebespaaren unterschiedlichen Standes durchlebt werden, die Standards für die venezianische Oper.

 

PERSONEN: La Natura / Die Natur (Alt) – L’Eternità / Die Ewigkeit (Sopran) – Il Destino / Das Schicksal (Sopran) – Giove / Jupiter (Bass) – Mercurio / Merkur (Tenor) – Calisto / Kallisto, Tochter des Lykaon, des Königs von Pelasgien, Nymphe im Gefolge Dianas (Sopran) – Endimione / Endymion, ein in Diana verliebter Schäfer (Alt) – Diana, Göttin der Jagd (Sopran) – Linfea, Nymphe im Gefolge Dianas (Sopran oder Tenor) – Satirino / Kleiner Satyr (Sopran) – Pane / Pan (Alt) – Silvano / Silvanus, Waldgottheit (Bass) – Giunone / Juno, Jupiters Gemahlin (Sopran) – Furien, Satyrn, Gestirne, Nymphen.

 

ORT UND ZEIT: Arkadien in mythischer Vorzeit.

Prolog: Das Schicksal fordert die Natur und die Ewigkeit auf, Kallistos Namen unter die Sterne des Firmaments aufzunehmen, und berichtet, wodurch Kallisto das Recht auf Unsterblichkeit erwarb.

1. Akt. Jupiter und Merkur besuchen die durch Phaetons Sturz mit dem Sonnenwagen verwüstete Erde und versprechen Rettung, falls Kallisto sich Jupiter hingebe. Die an das Keuschheitsgebot Dianas gebundene Kallisto weist den Gott entrüstet ab (Verginella io morir vò). In Gestalt Dianas gelingt es Jupiter aber, sich das Vertrauen Kallistos zu erschleichen. Im Gegensatz dazu schildern die folgenden Szenen die Zurückweisung von Liebesbegehren: Der Hirt Endymion, der Diana anbetet, wird von der alten Linfea weggejagt; Kallisto, die sich in gutem Glauben der wahren Diana nähert, wird von der Göttin die Verstoßung angedroht; Linfea weist die Zuneigung des Satyrs zurück, und Diana erteilt Pan eine Absage.

2. Akt. Diana gesteht Endymion ihre Liebe. Auf ihrer Suche nach Jupiter begegnet die eifersüchtige Juno (Dalle gelose mie cure) Kallisto, die ihr von dem Abenteuer mit ›Diana‹ berichtet. Juno verdächtigt sofort ihren Gatten und stellt ihn zur Rede, als er sich erneut in Gestalt Dianas Kallisto nähert. Endymion wirft sich der vermeintlichen Diana in die Arme, worauf Pan ihn gefangennimmt und Diana als Heuchlerin verhöhnt.

3. Akt. Kallisto erwartet die vermeintliche Diana und wird von Juno in eine Bärin verwandelt. Diana errettet Endymion aus Pans Gefangenschaft (Dolcissimi baci). Im obersten Himmelsgewölbe erhält Kallisto von Jupiter ihre menschliche Gestalt zurück. Endlich gibt sich die Nymphe dem Gott hin, wofür er ihr Unsterblichkeit verleiht, indem er sie als »Große Bärin« unter die Sterne einreiht.

 

Faustini, der seine Stoffe verschiedenen Vorlagen verdankt, bezog sich bei seiner zehnten Zusammenarbeit mit Cavalli ausnahmsweise auf die antike Mythologie, die auch von der durch Jupiter (Zeus) verführten Tochter des Pelasgerkönigs Lykaon berichtet. Beider Verbindung entstammt Arkas, Ahnherr der Arkadier. Den Stoff behandelte auch Ovid in seinen Metamorphosen. Obwohl sein Text auf mehreren Ebenen angesiedelt ist, entwirft Faustini den Stoff als typisch venezianische Verwandlungs- und Verkleidungsjagd, in die mit leichter Hand die amourösen, gar homosexuellen Elemente der Handlung eingeflochten sind.

Cavalli stand auf dem Höhepunkt seines Schaffens – er hatte im gleichen Jahr für das Teatro S. Apollinare bereits Oristeo und Rosinda geliefert, Eritrea sollte sechs Wochen später folgen – und setzte in der 15. seiner rund 40 Opern sowohl die prall-hedonistischen und komischen als auch die sublimen erotischen Episoden auf überlegene Weise in Musik. In La Calisto ist das Verhältnis zwischen Rezitativ und Arie ausgewogen, letztere kommt ohne das Rezitativ nur schwach zur Wirkung, wie z. B. in Kallistos Arie in der ersten Szene. Der rasche Wechsel vom Sprechgesang zu geschlossenen Arienformen sowie die damit verbundene Beweglichkeit des Singens entspricht Faustinis rascher Situationsfolge. Das Instrumentarium ist reich besetzt, u. a. mit Cembalo, Cello, Laute, Theorbe, Gitarre, Chitarrone, Harfe und Organetto, die wechselnden Kombinationen stehen vollkommen im Dienst des Ausdrucks.

Erstmals in moderner Zeit wurde La Calisto 1970 bei den Festspielen in Glyndebourne in der Bearbeitung von Raymond Leppard gespielt (im folgenden Jahr entstand die Einspielung unter Leppard mit Ileana Cotrubas als Calisto und Ugo Trama als Giove), 1975 als deutsche Erstaufführung in Schwetzingen (unter Jesús López Cobos) und 1976 zum ersten Mal in deutscher Sprache (Übersetzung von Karl Robert Marz) in Hannover-Herrenhausen. Bruno Morettis 1988 im Teatro Olimpico in Vincenza erstmals aufgeführte Bearbeitung hält sich streng an Cavallis Manuskript. Eine maßstabsetzende Aufführung brachten 1993 René Jacobs und Herbert Wernicke in Brüssel heraus (mit Maria Bayo, Marcello Lippi, Simon Keenlyside, Graham Pushee); diese kurzweilige barocke Offenbachiade wurde u. a. 1996 an der Berliner Staatsoper und 2003 im Theater an der Wien wiederholt. 2001 inszenierte Andreas Baesler die Oper in Gelsenkirchen, 2005 kam La Calisto unter Ivor Bolton und in der Inszenierung von David Alden (und Sally Matthews in der Titelrolle) an der Bayerischen Staatsoper heraus.

Spieldauer: ca. 2 ½ Stunden (Prolog: ca. 8 min.; 1. Akt: ca. 70 min.; 2. Akt: ca. 30 min.; 3. Akt: ca. 40 min.).

Henry Purcell

1659 in London

† 21. November 1695 in London

Henry Purcell bewies bereits als Chorknabe an der Königlichen Kapelle seine musikalischen Fähigkeiten und begann frühzeitig zu komponieren. Ab 1673 assistierte er dem Aufseher der Königlichen Instrumentensammlung, ein Amt, das er später unter drei Königen bis zu seinem Tod selbst innehaben sollte. 1679 wurde er als Nachfolger seines Lehrers John Blow Organist an der Westminster Abbey. Um 1680 heiratete er, und zur gleichen Zeit entstanden erste Kompositionen für Theateraufführungen. In seinem Schaffen verband Purcell die englischen Traditionen eines Matthew Locke mit den kontinentalen Errungenschaften, so in seinen Sonaten, die sich auf die polyphonen Traditionen Englands, die deutschen Ausdrucksmittel eines Rosenmüller und Biber sowie die italienische Raffinesse eines Corelli oder Carissimi stützen. Purcell, der »Orpheus Britannicus«, gilt als Begründer der englischen Fest- und Huldigungskomposition, wie sie auch Händel als Vorbild diente, und er steht in England als Opern- bzw. Theaterkomponist quasi über Jahrhunderte einzig da. Neben seiner Oper Dido and Aeneas schuf er die Semi-operas oder Masques (das sind Maskenspiele mit gesprochenen Texten, Liedern und Tänzen) The Prophetess, or The History of Dioclesian (1690), King Arthur, The Fairy Queen, The Indian Queen (1695) und The Tempest (1695), außerdem Bühnenmusiken und Lieder für rund 50 Schauspiele.

Dido und Aeneas
Dido and Aeneas

Oper in einem Prolog und 3 Akten. Text von Nahum Tate. Uraufführung 1689 in London-Chelsea, Josias Priests Mädchenpensionat.

Nahum Tate (1652 – 3071715 London) kam aus Dublin nach London, wo er sich 1678 niederließ, als sein erstes Bühnenstück Brutus in Alba aufgeführt wurde. Später arbeitete er das Stück als Libretto zu Purcells Dido and Aeneas um. Ursprünglich ist der Oper ein Prolog vorangestellt, dessen Musik allerdings verlorenging. 1692 wurde Tate zum Poeta Laureatus gekrönt und schuf in seiner Funktion als Hofdichter zahlreiche Oden zu Feiertagen oder ähnlichen Anlässen.

 

PERSONEN: Dido, Königin von Karthago (Sopran oder Mezzosopran) – Belinda, ihre Vertraute (Sopran) – 2. Frau (Sopran) – Aeneas, trojanischer Fürst (Bariton) – Zauberin (Mezzosopran oder Bariton) – 1. Seemann (Tenor) – 1. Hexe (Sopran) – 2. Hexe (Mezzosopran) – Geist (Sopran oder Bariton) – Gefolge, Krieger, Seeleute, Furien u. a.

 

ORT UND ZEIT: Karthago, nach der Zerstörung Trojas.

1. Akt. Um Rom als neues Troja anstelle des zerstörten alten zu gründen, war Aeneas nach Italien aufgebrochen. Ein Sturm ließ ihn vor Karthago stranden. Dort verliebt sich die verwitwete Königin Dido, sanft dazu ermuntert von Belinda, in ihn – und er sich in sie. Diese vom Hof begrüßte glückliche Verbindung lässt Aeneas seine Weiterfahrt immer wieder hinauszögern.

2. Akt. Didos Feindin, die Zauberin, heckt einen Plan aus, die Königin ins Unglück zu stürzen, indem Aeneas zur Weiterreise genötigt wird. Dido und Aeneas, ganz ihrer Liebe hingegeben, werden von einem aufziehenden Sturm zum Abbruch einer Partie im Walde und einer Jagd gezwungen. Die Königin und ihr Gefolge kehren in die Stadt zurück, während ein von der Zauberin gesandter, als Götterbote auftretender Geist Aeneas so eindringlich an seine Aufgabe erinnert, dass er sich unverzüglich zum Aufbruch entschließt.

3. Akt. Die Seeleute nehmen Abschied. Die Zauberin prophezeit den nahen Tod Didos, die tief getroffen ist, weil Aeneas ihr seinen Entschluss nicht selbst mitgeteilt hat. So hält sie ihn trotz seiner Beteuerungen, nun doch bleiben zu wollen, für treulos und weist ihn zurück. Belindas Tröstungen sind vergeblich; Dido stirbt an gebrochenem Herzen, da sie ohne Aeneas nicht leben kann.

 

Purcells einzige Oper wurde in dem Mädchenpensionat des Josias Priest uraufgeführt, wo auch schon die Oper Venus and Adonis von Purcells großem Vorbild und Lehrer John Blow in einem speziellen Arrangement für junge Damen gespielt worden war. Man nimmt an, dass der unmittelbare Anlass für Purcells Dido and Aeneas11168931Aeneis1672123Ah! Belinda1When I am laid in earthWenn ich in der Erde liege3