Ein Killer in Ostfriesland: Kriminalroman

Alfred Bekker Thriller Edition, Volume 11

Alfred Bekker

Published by Alfred Bekker, 2017.

Inhaltsverzeichnis

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​  Ein Killer in Ostfriesland

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​  Ein Killer in Ostfriesland

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von Alfred Bekker

Der Umfang dieses Buchs entspricht 110 Taschenbuchseiten.

Eine Serie von Attentatsversuchen und Morden erschüttert Norddeutschland. Aber die Opfer scheinen nichts gemeinsam zu haben. Privatdetektiv Björn Kilian aus Emden übernimmt den Fall, aber plötzlich will sein Auftraggeberin nicht mehr, dass er ihn auch tatsächlich aufklärt ...

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​  Copyright

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Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker

© by Author

© dieser Ausgabe 2017 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen

www.AlfredBekker.de

postmaster@alfredbekker.de

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​  Personen

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​  Björn Kilian - Privatdetektiv

​  Eltje Dirksen - seine Assistentin

​  Tammo Remmers - der Chef der Kripo Emden

​  Herr Cornelius - ein Ermittler

​  Undine Lübbert - will, dass der Mord an ihrem Vater aufgeklärt wird

   

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Als Ihno Lübbert sich an diesem Morgen von seinem Chauffeur ins Büro fahren ließ, war seine Laune nicht gerade besonders gut.

Es gab Ärger in seiner Firma und wie es schien, würde er mit dem eisernen Besen fegen müssen, um da wieder aufzuräumen. Aber im Augenblick schienen seine Gedanken ganz woanders zu sein. Er blickte nachdenklich aus dem Fenster, während der Chauffeur die schwarze Limousine durch den Emder Morgenverkehr lenkte.

Es gab einen Punkt, an dem man sich fragte: Wozu das alles?

Und vielleicht war Ihno Lübbert an diesem Punkt. Zwischendurch schaute er kurz auf die Uhr.

Er war spät dran. Wenn man hinaus in den Regen sah und auf die baustellenbedingte Blechlawine schaute, die sich durch die Straßen quälte, konnte man auf die Idee kommen, dass es damit zu tun hatte, dass Ihno Lübbert heute zum ersten Mal seit Jahren nicht pünktlich war.

Aber daran lag es nicht.

Lübbert hatte seinem Notar noch einen kurzen Besuch abgestattet. Auch eine Sache, die ihm nicht angenehm gewesen war und die er lange vor sich hergeschoben hatte. Was soll's!, dachte er. Jetzt habe ich wenigstens das hinter mir!

Und die Firma lief ihm schließlich nicht davon.

Wenn es sich einer leisten konnte, spät dran zu sein, dann er, denn er war der Boss.

Es dauerte nicht mehr lange und der Wagen hielt vor dem mächtigen Gebäude, in dessen Mauern die Lübbert Holding ihre Büros hatte.

Der Wagen hielt; der Chauffeur stieg als Erster aus, um seinem Boss die Tür zu öffnen.

Die Tür ging Sekunden später auf.

"Vielleicht brauche ich Sie in einer halben Stunde wieder!", meinte Lübbert zum Chauffeur. "Halten Sie sich also bereit."

"Jawohl, Herr Lübbert!"

Lübbert stieg mit umständlichen, etwas ungeschickt wirkenden Bewegungen aus.

Er hatte mindestens ein Dutzend Kilo Übergewicht und das machte ihn langsam. Er keuchte erbärmlich und sein Gesicht war puterrot angelaufen, als er schließlich neben seinem Chauffeur stand.

Dann geschah es.

Lübbert hörte quietschende Reifen und das Heranbrausen eines anderen Wagens.

Er drehte sich unwillkürlich dorthin um. Es war ein zweisitziger Sportwagen mit verdunkelten Scheiben, so viel sah er noch.

Alles Weitere dauerte nur Sekunden!

Eine der Scheiben ging ein Stück hinunter, etwas Längliches schob sich einige Zentimeter hindurch und dann blitzte es auf einmal.

Es war ein Mündungsfeuer ohne Schussgeräusch. Nur ein Klacken des Abzugs, das durch die Geräusche der Umgebung fast völlig verschluckt wurde.

Und trotzdem war es ein Geräusch, das Ihno Lübbert das Blut in den Adern gefrieren ließ, denn er kannte es nur zu gut ... Es war ein verdammt hässliches Geräusch, auch wenn es kaum zu hören war.

Ihno Lübbert sah eine Kugel am Lack der Limousine kratzen, direkt vor seinen Augen, oben auf dem Dach.

Und noch ehe er wirklich begriffen hatte, was vor sich ging, und dass der Fahrer des fremden Wagens es ganz offensichtlich auf sein Leben abgesehen hatte, wurde ein zweiter Schuss abgefeuert. Und ein Dritter und dann noch ein Vierter. Lübbert sah den Chauffeur mit einem kleinen, runden Loch im Kopf auf dem Pflaster liegen.

Die Augen starrten weit aufgerissen in den bewölkten Himmel. Er war tot.

Lübbert war wie gelähmt.

Dann fühlte er einen höllischen Schmerz in der linken Schulter. Die Wucht des ersten Treffers riss ihn herum. Die zweite Kugel fuhr ihm seitlich in den Brustkorb.

Das Letzte, was er fühlte, war Schwindel.

Alles begann sich drehen.

Und dann kam die Schwäche.

Seine Beine knickten ihm unter dem Körper weg, und er sackte zu Boden. Er hörte noch wie Leute zusammenliefen und aufgeregt durcheinanderredeten.

Irgendjemand schrie hysterisch.

Und dann hörte Lübbert die quietschenden Reifen des Sportwagens mit den verdunkelten Scheiben, der offensichtlich davonraste.

Soon Schiet!

Das war sein letzter Gedanke.

Dann wurde es auf einmal stumm in seiner Umgebung und dunkel vor seinen Augen.

Sehr, sehr dunkel ...

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Die Tür flog auf und Björn Kilian kam schwungvoll herein. Er hatte den Mantel bereits ausgezogen, knöpfte sich nun den obersten Hemdknopf auf und lockerte dann seine Krawatte etwas.

"Guten Morgen, Eltje!", grüßte er gut gelaunt Eltje Dirksen, seine Assistentin.

"Moin, Björn!"

"Moin, Moin. Ich weiß, ich bin etwas spät dran. Aber dieser verdammte Verkehr!"

"Emden wird umgebaut."

"So kann man es auch ausdrücken."

Eltje erhob sich von ihrem Platz und trat zu Kilian heran, der unterdessen seinen Mantel irgendwo abgelegt hatte.

"Du hast Glück, Björn!"

"Inwiefern?"

"Die Klientin, die seit fast einer Stunde in deinem Büro wartet und der ich bereits die dritte Tasse Kaffee aufgebrüht habe, sieht dermaßen verzweifelt aus, dass sie wahrscheinlich auch noch ein paar weitere Stunden auf sich genommen hätte!" Björn zuckte mit den Schultern.

"Leute, die ein sorgloses Leben führen und keinerlei Probleme haben sind ja auch nicht gerade die typische Kundschaft eines Privatdetektivs, oder?"

Als Björn Kilian einen Moment später sein Büro betrat, wusste er, was Eltje gemeint hatte.

Da saß eine junge Frau vor ihm im Sessel, die wirklich alles andere, als ein glückliches Gesicht machte. Sie hatte ausdrucksstarke, grüngraue Augen, ein fein geschnittenes Gesicht und das lange blonde Haar fiel ihr auf die Schultern herab.

Sie gefiel Björn.

Aber es war ihrem Gesicht anzusehen, dass sie große Sorgen haben musste.

Björn grüßte höflich.

"Moin, Frau ..."

"Undine Lübbert", sagte sie.

Björn gab ihr die Hand und versuchte zu lächeln.

"Angenehm."

"Sie sind Björn Kilian, der Privatdetektiv?"

"Richtig."

"Eigentlich eine dumme Frage. Ich habe Ihr Bild nämlich vor ein paar Tagen in der Zeitung gesehen ... Sie sollen der Beste sein, Herr Kilian."

"Man tut was man kann", erwiderte Björn bescheiden und setzte sich hinter seinen Schreibtisch. "Aber nennen Sie mich Björn! Und dann sagen Sie mir bitte, was Sie auf dem Herzen haben."

"Waren Sie ein Hippie?"

"Wieso?"

"Weil Sie sich Björn nennen lassen. Eigentlich sind Sie nicht ganz der richtige Jahrgang, um diese Zeiten noch erlebt zu haben. Oder biedern Sie sich an diesen amerikanischen Business-Umgang an, der auch die inflationäre Benutzung des Vornamens vorsieht."

Björn atmete tief durch.

"Wie gesagt, nennen Sie mich Björn, wenn Sie wollen", sagte er dann. Eine komplizierte Frau, dachte er. Vielleicht auch ein komplizierter Fall. Mal sehen.

Sie sagte: "Vielleicht haben Sie schon einmal den Namen meines Vaters gehört - Ihno Lübbert."

Björn überlegte kurz, aber dann schüttelte er den Kopf.

"Nein, tut mir leid. Jedenfalls fällt es mir im Moment nicht ein."

"Ihno Lübbert von der Ihno Lübbert Holding."

"Ich lese zwar nicht regelmäßig den Wirtschaftsteil in der Zeitung, aber den Namen der Firma habe ich schon gehört. Was ist mit Ihrem Vater?"

"Auf ihn wurde gestern ein Mordanschlag verübt. Es steht heute in den Zeitungen."

Björn sah das zusammengefaltete Exemplar der Emder Nachrichten auf seinem Tisch liegen.

"Ich bin heute noch nicht dazu gekommen, die Zeitung zu lesen oder ins Internet zu sehen!", gab er zu. "Und abgesehen davon war ich eine Woche in Holland. Zum Segeln. Darum bin ich vielleicht nicht so ganz im Bilde, was sich hier in Emden so ereignet hat."

"Das hiesige ‘Große Meer’ ist zu klein für einen Mann von Welt - wie Sie?"

Björn Kilian hob die Augenbrauen.

"Manchmal ja."

"Wechseln Sie nur die Segelreviere oder sind Sie auch sonst ein wechselhafter Charakter?"

"Jedenfalls kann sich jeder, der mir einen Ermittlungsauftrag gibt, darauf verlassen, dass ich ihn auch so weit wie irgend möglich zu Ende führe."

"Das freut mich zu hören."

"Das dachte ich mir."

"Nun ..."

"Erzählen Sie mir, was passiert ist und ich werde Ihnen dann sagen, ob ich etwas für Sie tun kann."

Sie nickte.

"In Ordnung."

Björn Kilian lehnte sich etwas zurück und schlug die Beine übereinander.

"Ich höre."

"Ein Wagen kam vorbei. Mit verdunkelten Scheiben. Und dann wurde geschossen. Der Chauffeur ist dabei ums Leben gekommen, aber es sieht wohl ganz so aus, als hätte man es eigentlich auf Pa abgesehen gehabt ... Mein Vater liegt jetzt noch immer auf der Intensivstation. Er ist noch nicht über den Berg."

"Hat die Polizei schon ...?"

"Die können nicht viel machen."

"Aber ..."

"Es ist nicht der erste Versuch, Papa umzubringen, Herr Kilian - ich meine: Björn!"

"Ach, nein?"

"Nein. Einmal hat jemand seinen Wagen in die Luft gesprengt. Das ist drei Wochen her. Er hatte Glück, denn er ist noch mal ausgestiegen, weil er etwas vergessen hatte. Da ist der Wagen in die Luft gegangen."

"Stimmt - davon habe ich gelesen."

"Selbst das Fernsehen hat darüber berichtet. War leider nicht zu verhindern."

"Das sieht nach der Arbeit von Profis aus", meinte Kilian. Undine Lübbert nickte.

"Ja, das haben die Leute von der Polizei auch gesagt."

"Haben Sie eine Ahnung, wer dahinterstecken könnte?"

"Ja. Die Sache ist ziemlich eindeutig." Björn runzelte die Stirn.

So etwas hatte man selten. Eindeutig, dachte der Privatdetektiv, ist ein großes Wort und sie spricht es sehr gelassen aus.

Björn fragte: "Und wer?"

"Darko Markovic. Ich denke, dass er hinter den Killern steckt."

Björn pfiff durch die Zähne.

"Markovic?" Er atmete tief durch. "Wenn das der Markovic ist, den ich im Auge habe, dann hat Ihr Pa aber keinen besonders guten Umgang!"

"Ich weiß, Björn."

"Haben Sie Polizeischutz für Ihren Vater gefordert?"

"Nein."

"Warum nicht?"

"Er hat seine eigenen Bewacher und Sicherheitsleute!"

"Die kann Markovic mit seiner Portokasse kaufen!"

"Das könnte er auch bei einem Polizisten, oder etwa nicht?" Da musste Björn ihr Recht geben.

"Stimmt. Aber er ist in Gefahr. Und Sie auch."

"Ich bin nicht ängstlich!"

"Das sollten Sie in diesem Fall aber. Markovic war mutmaßlich schon eine große Nummer im organisierten Verbrechen Norddeutschlands, als ich noch bei der Polizei war. Man konnte ihm allerdings nie etwas nachweisen, obwohl jedem klar war, dass seine Geschäfte faul waren. Waffen, Drogen, Geldwäsche, Schutzgelderpressung - der hat seine Finger überall, wo es viel zu verdienen gibt." Björn beugte sich etwas vor. "Was hatte Ihr Vater mit Darko Markovic zu tun? Wie kommt es, dass Markovic ihn tot sehen will? Vorausgesetzt es stimmt, was Sie mir da erzählt haben."

Undine schwieg.

Björn lehnte sich zurück und legte etwas die Stirn in Falten. Etwas war faul an der Sache. Etwas stimmte hier nicht, vielleicht betraf das nicht die junge Frau, die vor ihm saß, aber bestimmt ihren Vater.

"Dazu möchte ich nichts sagen", meinte sie. "Und ich denke, Sie müssen das auch nicht wissen! Ich möchte einfach nur, dass Sie dafür sorgen, dass mein Vater am Leben bleibt. Mehr nicht!"

"Warum können das nicht die Sicherheitsleute Ihrer Firma?"

"Sie können das schon, aber ich traue ihnen nicht."

"Aber mir trauen Sie?"

Sie zuckte mit den Schultern.

"Vielleicht. Irgendetwas muss man ja unternehmen!" Björn sah sie einen Moment lang nachdenklich an. Dann sagte er: "Sie sollten mir sagen, was zwischen Ihrem Vater und Markovic war und wodurch er ihm auf die Füße getreten hat!"

Einen Moment lang schien sie unschlüssig zu sein. Dann schüttelte sie mit Entschiedenheit den Kopf.

"Nein", sagte sie. "Das kommt nicht infrage!"

"Dann kann ich leider nichts für Sie tun!"

"Aber ..."

"Ich muss wissen, worum es geht, wenn ich Ihren Vater schützen soll! Jedenfalls ungefähr! Ansonsten sollten Sie sich jemand anderen suchen!"

Björn hatte sich erhoben.

"So war das nicht gemeint", beeilte sich Undine. "Kann ich mich auf Ihre Diskretion verlassen?"

"So, als wenn Sie zur Beichte gehen würden."

Sie schluckte.

"In Ordnung."

"Gut."

"Dann hören Sie mir jetzt zu ..."

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Als Undine gegangen war und nachdem sie bei Eltje Dirksen ihre Adresse sowie die Adresse des Krankenhauses, in dem sich ihr Vater befand, hinterlassen hatte, wusste Björn Kilian, dass sie ihm nicht alles gesagt hatte, was sie wusste.

Fest stand wohl, dass Ihno Lübbert nicht immer jener seriöse Geschäftsmann gewesen war, als der er heute auftrat. Die Tatsache allein, dass Lübbert mit einem Mann wie Darko Markovic in Beziehung stand, belegte das noch nicht, denn Markovics Unternehmen teilten sich in einen legalen und einen kriminellen Zweig - sowie alles was dazwischen denkbar war. Undine hatte gesagt, es sei vor vielen Jahren um ein illegales Geldwäschegeschäft gegangen, bei dem Lübbert dann ausgestiegen sei.

Und das hätte Markovic ihm nicht verzeihen können. Aus seinem Syndikat stieg man nicht so einfach aus. Lübbert - er hatte damals diesen Namen noch nicht getragen - war untergetaucht und hatte unter neuer Identität von vorne angefangen. Aber jetzt - nach all den Jahren - schien Markovic auf ihn aufmerksam geworden zu sein ...

Der Instinkt sagte Kilian, dass da noch mehr war ... Er konnte das nicht begründen, jedenfalls nicht logisch. Es war einfach so ein Gedanke, der ihn angeflogen hatte und sich nun hartnäckig in seinem Gehirn festsetzte.

Wie beiläufig griff Björn zum Telefon und wählte eine Nummer - eine Nummer, die er im Schlaf kannte.

"Moin", kam es zwischen seinen Lippen hindurch, als auf der anderen Seite jemand den Hörer abnahm.

"Wer spricht dort?"

Es war eine unfreundliche, gestresste Männerstimme, die er da auf der anderen Seite hörte. Aber sie gehörte nicht dem Mann, den er jetzt sprechen wollte.

"Hier ist Björn Kilian. Ist Hauptkommissar Remmers zu sprechen?"

"Nein. Ist nicht da. Vielleicht kann ich Ihnen helfen!"

"Wann kommt Remmers zurück?"

"Keine Ahnung. Könnte länger dauern. Vielleicht am Nachmittag."

Kilian verzog ärgerlich das Gesicht.

"Tschüss", brummte er und legte auf. Dann erhob er sich ging hinaus zu Eltje.

"Du kannst etwas für mich tun", meinte er. Eltje lächelte von einem Ohr zum anderen.

"Aber immer, Björn!"

"Bring alles in Erfahrung, was sich über Ihno Lübbert herausbekommen lässt! Das dürfte nicht allzu schwierig sein, schließlich ist er relativ bekannt!"

"Okay, Björn. Und wohin gehst du?"

"Kleiner Ausflug", meinte er nur und grinste. Und dabei hatte er schon den Mantel gegriffen. Draußen regnete es Bindfäden.

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Es war eine ziemlich heruntergekommene Bar. Dicke Rauchschwaden hingen über den einfachen Tischen. An der Theke saßen ein paar Damen des horizontalen Gewerbes herum und tranken mit verkaterten Gesichtern Kaffee. Es war noch zu früh am Tag. Zu früh, um zu arbeiten, zu früh für Kundschaft. Ein Stockwerk höher war das, was sich offiziell ein Hotel nannte. Dort hatten die Frauen ihre Zimmer.

Der dicke Barkeeper hinter dem Schanktisch, der höchstwahrscheinlich auch sein eigener Rausschmeißer war, hatte sein Lokal durchgehend geöffnet. Er konnte es sich nicht leisten, auch nur einen Cent zu verschenken, den irgendein Zecher hier vertrinken wollte.

Als Björn Kilian den Laden betrat, glitt sein Blick schnell durch den Raum. Dann, als er zum Billardtisch sah, hatte er gefunden, wen er suchte.

Ein kleiner, fast kahlköpfiger Mann versuchte sich dort in verschiedenen Kunststößen.

Er spielte allein.

Das war der Mann, den Kilian gesucht hatte!

"Tag, Bradenbach!", meinte der Privatdetektiv knapp, als er zu ihm an den Billardtisch trat.

Bradenbach blickte auf und runzelte zunächst die Stirn. Dann entspannte sich sein Gesichtsausdruck ein wenig. Schließlich grinste er von einem Ohr bis zum anderen.

"Tag, Kilian. Wie geht's?"

"Ich kann nicht klagen. Und Ihnen?"

"Die Zeiten sind hart für Leute wie mich!"

"Für Leute wie Sie gibt's doch immer ein paar Schleichwege oder irre ich mich da etwa?"

Kilian hatte damit gerechnet, Bradenbach um diese Zeit hier anzutreffen. Er war ein Hehler, der Geschäfte mit allem machte, was sich zu Geld machen ließ.

Roy Bradenbach war fünf Nummern kleiner als Leute vom Schlage eines Darko Markovic, aber mit diesen hatte er gemein, dass die eine Hälfte seiner Geschäfte diesseits, die andere Hälfte jenseits der Grenze lag, die das Gesetz zog.

Bradenbach handelte mit allem.

Auch mit Informationen und genau das war der Grund, weshalb Björn Kilian ihn ab und zu aufsuchte.

Björn blickte sich nach den Mädchen an der Theke um, aber die kümmerten sich nicht um ihn oder Bradenbach.

Und auch der Barkeeper machte sich - nach ein paar anfänglichen misstrauischen Blicken - an seinen Gläsern zu schaffen. Er spülte ab und schepperte dabei so laut herum, dass das allein schon einen guten Schutz gegen unliebsame Zuhörer bedeutete.

"Ich schätze, Sie sind nicht gekommen, um mir beim Billard zuzusehen!", meinte Bradenbach.

"Nein, das ist richtig."

"Kommen Sie! Es ist langweilig, allein zu spielen!"

"Nein, danke. Ich habe es ziemlich eilig." Bradenbach ließ die Kugeln über den Tisch sausen, dann richtete er sich auf und stützte den Queue auf den Boden.

"Also ... Zur Sache, Kilian! Was wollen Sie wissen?" Anrede mit Nachnamen und ohne ein höfliches ‘Herr’ davor - das war ostfriesisch.

Sich dabei zu siezen, allerdings nicht. Das war hochdeutsch - und wirkte in dieser speziellen Mischung dann auch immer etwas angestrengt.

Der Privatdetektiv sah Roy Bradenbach gerade an.

"Darko Markovic ...", murmelte Björn.

Bradenbach pfiff durch die Zähne.

"Wie kommen Sie denn an den?"

"Meine Sache."

"Gut, aber Auskünfte über Markovic sind nicht billig, Kilian!"

"Ich verstehe ..."

Björn Kilian griff in seine Manteltasche und holte ein paar Scheine heraus, von denen er Bradenbach einige auf den Billardtisch legte.

Bradenbach zählte nach und steckte das Geld weg. Aber sein hungriger Blick blieb bei den Scheinen, die Björn noch in den Händen hielt.

"Was wollen Sie über Markovic wissen?"

"Alles. Was macht er im Moment so?"

"Sie sind doch mal bei der Polizei gewesen, oder?"

"Ja ..."

"Hm ..."

"Ist schon länger her ..."

"Trotzdem ..."

"Was trotzdem?"

"Dann dürfte Ihnen der Name Markovic doch geläufig sein, Herr Kilian!"

"Ist er mir auch."

"Ach, nee!?"

"Ich möchte aber wissen, was er jetzt so treibt."

"Dasselbe wie eh und je."

"Hätte ich mir denken können."

"Aber er bemüht sich nun sehr darum, saubere Finger zu behalten. An seinen Händen klebt kein Blut, nicht einmal Dreck. Da achtet er sehr drauf. Wollen Sie genau wissen, in welchen Geschäften er im Moment drinhängt?"

"Ja, das kann nicht schaden. Hören Sie sich in der Szene um!"

"Gut, ich rufe Sie dann an, Kilian. War's das?"

"Nein. Da ist noch etwas Spezielles ..." Bradenbach zog die Augenbrauen hoch.

"Raus damit, Kilian!"

"Irgendjemand hat es auf Ihno Lübbert von der Ihno Lübbert Holding abgesehen. Gestern ist auf ihn geschossen worden, jetzt liegt er in der Intensivstation ..."

"Und Sie denken, dass Markovic dahintersteckt."

"Ja."

"Das ist 'ne heikle Sache!"

"Ich weiß."

"Wenn Markovic tatsächlich dahintersteckt, macht er das so, dass niemand die Sache mit ihm in Verbindung bringen kann. Profis, Sie verstehen?"

"Natürlich. Versuchen Sie trotzdem, etwas aufzuschnappen."

"Dafür reicht das aber nicht, was Sie mir gerade gegeben haben!"

Björn Kilian lachte und legte Bradenbach die restlichen Scheine hin, die er noch in der Hand hielt. Dann drehte Björn sich um und ging.

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Draußen war das Wetter immer noch hundsmiserabel. Aber immerhin war der Platzregen von einem beständigen Nieseln abgelöst worden.

Es roch nach Salz.

Salz und Meer.

Der Wind blies vom Dollart her.

Björn Kilian schlug sich den Mantelkragen hoch und beeilte sich damit, hinter das Steuer seines Wagens zu kommen. Eine halbe Stunde später war Björn Kilian auf der Intensivstation jener Klinik, die Undine ihm angegeben hatte. Als er das rot geweinte Gesicht der jungen Frau sah, wusste er, dass etwas geschehen war. Es war nicht schwer zu erraten, was. Björn legte ihr den Arm um die Schulter und gab ihr sein Taschentuch.

"Er ist tot", murmelte sie. "Pa ist tot! Er ist seinen Verletzungen erlegen, hat der Arzt gesagt. Sie konnten nichts mehr machen ..."

"Es tut mir leid für Sie, Undine!"

Sie blickte auf und Björn Kilian geradewegs in die Augen.

"Jetzt ist ein Mordfall daraus geworden, nicht wahr?"

Björn nickte. "Ja."

"Ich möchte, dass Sie den finden, der meinen Vater umgebracht hat. Geld spielt dabei keine Rolle!"

"Ich werde tun, was ich kann!"

"Tun Sie das!"

"Sind Sie mit dem Taxi gekommen, das da draußen wartet?"

"Ja."

"Soll ich Sie nach Hause bringen?"

Zwei Sekunden lang schien sie unschlüssig zu sein und zu überlegen.

Aber dann nickte sie schließlich.

"Ja."

Es machte den Eindruck, als wären ihre Gedanken weit weg. Sehr weit ...

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Sie fuhren durch den dichten Stadtverkehr und den Regen. Beide schienen innerhalb der letzten halben Stunde wieder zugenommen zu haben.

Sie sprachen kaum mehr als das Nötigste.

Undine wohnte in der Villa ihres Vaters, draußen in Suurhusen.

Und genau dorthin ging es jetzt.

Vielleicht würde es etwas bringen, sich dort etwas umzusehen, irgendetwas - und wenn es nur eine Kleinigkeit war ... Wenn es wirklich Markovic war, der hinter diesem Mord steckte, dann würde die Schwierigkeit darin bestehen, es ihm zu beweisen. Zumindest, dass er den Auftrag gegeben hatte. Den Mann, der den Abzug der Schalldämpfer-Pistole betätigt hatte, würde man wahrscheinlich in hundert Jahren nicht in die Hände bekommen.

Der hatte sich wahrscheinlich längst abgesetzt und war über alle Berge. Und irgendwann würde er dann wieder aus dem Nichts heraus auftauchen, um einen anderen Menschen umzubringen, für einen anderen Auftraggeber ...

Aber vielleicht hatten sie Glück und es handelte sich um einen Killer, der öfter für Markovic arbeitete, einen aus seinem eigenen Stall.

In dem Fall gab es vielleicht eine Fährte, die nicht schon völlig kalt war.

Und vielleicht war in Ihno Lübberts Haus, in seinen Unterlagen, privaten Aufzeichnungen, irgendwo etwas zu finden, das auf Markovic hindeutete.

Während der Wagen über die Straße glitt, blickte Björn kurz zu Undine hinüber, die mit in sich gekehrtem Gesicht neben ihm auf dem Beifahrersitz saß und hinaus aus dem Fenster blickte.

Direkt in den trostlosen Regen hinein.

Und genauso sah es auch wohl in ihrem Inneren aus. Björn hatte Verständnis dafür. Aber vielleicht war es an der Zeit, sie ein wenig abzulenken.

"Hat die Polizei Sie eigentlich schon vernommen?", fragte er plötzlich und unterbrach damit das Schweigen.

"Ja, kurz. Gerade eben im Krankenhaus. Der Mann ist gegangen, bevor Sie kamen ..."

"Und?"

"Der Ermittler hat mir, ehrlich gesagt, wenig Hoffnung auf eine schnelle Aufklärung gemacht. Er hat mir alles Mögliche erzählt ..."

"Wie hieß der Mann?"

"Ich glaube Cornelius. Kennen Sie ihn, Björn?"

"Nein."

"Einen sehr aufgeweckten Eindruck machte der jedenfalls nicht."

"So?"