Theodor Lipps

Komik & Humor

Psychologische-Ästhetische Untersuchung

Books

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musaicumbooks@okpublishing.info
2017 OK Publishing
ISBN 978-80-272-2567-5

INHALTSVERZEICHNIS

Abschnitt 1. Theorien der Komik

Kapitel 1. Theorie des Gefühlswettstreites

Kapitel 2. Die Komik und das Gefühl der Überlegenheit

Kapitel 3. Komik und Vorstellungskontrast

Abschnitt 2. Die Gattungen des Komischen

Kapitel 4. Die objektive Komik

Kapitel 5. Objektive Komik

Kapitel 6. Die subjektive Komik oder der Witz

Kapitel 7. Das Naiv-Komische

Abschnitt 3. Psychologie der Komik

Kapitel 8. Das Gefühl der Komik und seine Voraussetzung

Kapitel 9. Das Gefühl der Komik

Kapitel 10. Das Ganze des komischen Affektes

Kapitel 11. Lust- und Unlustfärbung der Komik

Abschnitt 4. Die Unterarten des Komischen

Kapitel 12. Die Unterarten der objektiven und naiven Komik

Kapitel 13. Die Unterarten der subjektiven Komik

Abschnitt 5. Der Humor

Kapitel 14. Komik und ästhetischer Wert

Kapitel 15. Die Tragik als Gegenstück des Humors

Kapitel 16. Das Wesen des Humors

Kapitel 17. Arten des Humors

Kapitel 18. Der objektive Humor

VORWORT

Inhaltsverzeichnis

Vor jetzt zehn Jahren habe ich in den "Philosophischen Monatsheften" eine Reihe von Aufsätzen über die "Psychologie der Komik" zu veröffentlichen begonnen. Teils eigenes Bedürfnis, teils der Wunsch anderer, hat mich zu einer Umarbeitung und Erweiterung dieser Aufsätze veranlasst. Daraus ist schliesslich dies Buch geworden.

Ich bezeichne den Inhalt desselben als "psychologisch-ästhetische Untersuchung". Dabei könnte das "psychologisch" überflüssig erscheinen. Eine ästhetische Untersuchung ist immer psychologisch. Aber ich wollte mit diesem Ausdruck andeuten, dass es mir vor allem ankam auf die psychologische Analyse meines Gegenstandes, auf die breite psychologische Fundamentierung des Problems, auf die Einfügung desselben in den Zusammenhang mit angrenzenden, verwandten und allgemeineren psychologischen und ästhetischen Problemen.

Darüber trat ein anderes Interesse zurück. Ich habe darauf verzichtet, den Humor oder die künstlerische Verwendung des Komischen weiter, als es die Natur der Sache erforderte, in die verschiedenen Kunstgattungen und Kunstrichtungen hinein zu verfolgen, oder gar bestimmte humoristische Kunstwerke im einzelnen zu analysieren. Es genügte mir, die verschiedenen Möglichkeiten, die Arten, Daseinsweisen und Stufen der Komik und des Humors allgemein aufgezeigt und in ihrer Wirkung verständlich gemacht zu haben. Jene mehr kunst- und litterarhistorische Aufgabe möchte ich gerne anderen, womöglich solchen, die dazu geschickter sind, überlassen. Ich hoffe aber freilich, dass für solche Arbeit das in diesem Buche Gebotene als die geeignete Grundlage erscheinen wird.

Ich gedenke noch mit besonderem Danke der Anregung, die ich bei Abfassung dieses Buches aus einem die Komik betreffenden Aufsatze Heymans' in der Zeitschrift für Psychologie habe schöpfen können.

Starnberg, Mai 1898.

Th. L.

ABSCHNITT 1

THEORIEN DER KOMIK

Inhaltsverzeichnis

Die Psychologie der Komik kann ihre Aufgabe auf doppeltem Wege zu lösen versuchen. Komisch heissen Gegenstände, Vorgänge, Aussagen, Handlungen, weil sie ein eigenartiges Gefühl, nämlich eben das Gefühl der Komik in uns erwecken. Das Wort "komisch" will, allgemein gesagt, zunächst nicht wie das Wort "blau" eine Eigenschaft bezeichnen, die an einem Gegenstände angetroffen wird, sondern die Wirkung angeben, die der Gegenstand auf unser Gemüt ausübt. Freilich muss dieser Wirkung irgendwelche Beschaffenheit des Gegenstandes zu Grunde liegen. Insofern dies der Fall ist, heisst dann auch die Beschaffenheit selbst oder der Träger derselben komisch.

Darnach scheint der naturgemässeste Weg zur Bestimmung des Wesens der Komik, dass man erst jene Wirkung feststellt, also das Gefühl der Komik in seiner Eigentümlichkeit zu begreifen sucht, um dann zuzusehen, welche Besonderheiten der Gegenstände diese Wirkung nach psychologischen Gesetzen ergehen können, bezw. wie sie dieselbe ergeben können.

Daran müsste sich natürlich die Probe auf das Exempel anschliessen, d. h. es müsste festgestellt werden, inwiefern die thatsächlich gegebenen Arten des Komischen diese Besonderheiten an sich tragen.

Andererseits hindert doch nichts, auch in anderer Weise die Untersuchung zu beginnen. Das Gefühl der Komik ist ein so eigenartiges, dass wir im gegebenen Falle kaum zweifeln können, ob wir einen Gegenstand, ein Verhalten, ein Ereignis, eine Gebärde, Rede, Handlung unter die komischen zu rechnen haben. Darauf beruht die Möglichkeit, zunächst von diesen Gegenständen auszugehen. Wir fassen dieselben ins Auge, analysieren sie, vergleichen die verschiedenartigen Fälle, variieren die Bedingungen, und gelangen so zu den Momenten, auf denen die Wirkung beruhen muss. Auch hier ist dann eine Probe erforderlich. Wir müssen uns überzeugen, ob diese Momente auch nach allgemeinen psychologischen Gesetzen die komische Wirkung hervorbringen können, bezw. wiefern sie dazu fähig sind. Darin ist dann die Analyse des Gefühls der Komik schon eingeschlossen.

Diese beiden Wege unterscheiden sich nicht hinsichtlich dessen, was zu leisten ist, sondern lediglich hinsichtlich des Ausgangspunktes. Offenbar hat aber der zweite Weg insofern einen Vorzug, als man dabei von vornherein in den Gegenständen der Komik einen sicheren Halt hat. Im Übrigen wird individuelle Neigung und Befähigung die Wahl des Wegs bestimmen, oder zum Mindesten darüber entscheiden, ob die eine oder die andere Weise der Untersuchung vorherrscht.

KAPITEL 1

THEORIE DES GEFÜHLSWETTSTREITES

Inhaltsverzeichnis

HECKERS THEORIE. KOMIK, LUST UND UNLUST

Achten wir auf die Geschichte der Psychologie und Ästhetik des Komischen in unseren Tagen, so sehen wir den ersten jener beiden Wege am entschiedensten eingeschlagen von Hecker in seiner "Physiologie und Psychologie des Lachens und des Komischen", Berlin 1873. Dagegen tritt die andere Weise deutlicher hervor bei Kräpelin, dem Verfasser des Aufsatzes "Zur Psychologie der Komik" im zweiten Bande von Wundts "Philosophischen Studien". Hiermit habe ich zugleich diejenigen Arbeiten bezeichnet, die bisher—abgesehen von den Aufsätzen, als deren Umarbeitung und Erweiterung diese Schrift sich darstellt—, mit der Psychologie der Komik am eingehendsten sich befasst haben.

Wie leicht der Versuch, das Gefühl der Komik in seiner Eigenart zu begreifen, ohne dass man von vornherein an den Gegenständen der Komik einen festen Halt sucht, in die Irre führen kann, zeigt Hecker deutlich. Er meint das Gefühl der Komik zu analysieren. Statt dessen dekretiert er es.

Für Hecker ist das Gefühl der Komik ein "beschleunigter Wettstreit der Gefühle" d. h. ein "schnelles Hin- und Herschwanken zwischen Lust und Unlust". "Von einem Punkte aus sehen wir plötzlich und gleichzeitig zwei verschiedene unvereinbare Gefühlsqualitäten (Lust und Unlust) in uns erzeugt werden." Dass sie von einem Punkte aus und darum gleichzeitig erzeugt werden und doch unvereinbar sind, dies bedingt nach Hecker den Wettstreit. In diesem Wettstreit würde die schwächere der beiden Qualitäten unterdrückt werden, wenn eine erhebliche Verschiedenheit der Gefühle hinsichtlich ihrer Stärke bestände. Eine solche besteht aber nach Hecker nicht. Die konträren Gefühle sind von "annähernd gleicher Stärke". Daraus ergiebt sich die Notwendigkeit des Hin- und Hergehens. Dasselbe wird zum schnellen Hin- und Hergehen, zum beschleunigten Wettstreit in diesem Sinne, wegen der Plötzlichkeit der Wirkung. Das Gefühl der Lust, das ursprünglich dem der Unlust nur die Wage hielt, erscheint in diesem plötzlich erzeugten Wettstreit durch Kontrast gehoben, so dass in der schliesslichen Gesamtwirkung die Lust überwiegt.

Den Inhalt dieser Erklärung sucht Hecker zu stützen, indem er auf das Phänomen des Glanzes verweist. Wenn dem einen Auge eine schwarze, dem andern an derselben Stelle des gemeinsamen Sehfeldes eine weisse Fläche dargeboten wird, so ergiebt sich unter Umständen das Gesamtbild einer glänzenden schwärzlichen Fläche. Die beiden monokularen Bilder können, so wie sie sind, nicht an derselben Raumstelle gleichzeitig gesehen werden. Sie können wegen der Selbständigkeit, welche sie besitzen, auch nicht einfach zu einem Mittleren, also zum Bilde einer grauen Fläche verschmelzen. Sind keine Bedingungen vorhanden, welche das eine der Bilder vor dem andern bevorzugt sein lassen, so fehlt endlich auch die Möglichkeit, dass das eine durch das andere auf längere Zeit verdrängt werde. So bleibt nach Hecker nur übrig, dass die Wahrnehmung zwischen beiden mit grosser Schnelligkeit hin- und herzittert; und dies Hin- und Herzittern, meint Hecker, sei der Glanz.

In gleicher Weise nun sollen auch annähernd gleich starke Gefühle der Lust und Unlust, die gleichzeitig gegeben sind, nicht nebeneinander bestehen, noch zu einem mittleren Gefühle verschmelzen können, sondern zu schnellem Wechsel genötigt sein. Und in diesem Wechsel soll das Gefühl der Komik bestehen.

Scharfsinnig ausgedacht mag diese Theorie erscheinen. Schade nur, dass sie gar keinen Boden unter den Füssen hat. Dem Physiologen Hecker erscheint die Analogie zwischen Gefühl der Komik und Wahrnehmung des Glanzes als eine vollständige. Ich sehe in Heckers Meinung nur ein Beispiel dafür, wie leicht es demjenigen, der mit der Eigenart eines Gebietes wenig vertraut ist, begegnet, dass er Erscheinungen, die diesem Gebiete angehören, mit Erscheinungen von völlig heterogener Natur in Analogie setzt und aus dieser Analogie zu erklären meint. Dass auch Heckers Erklärung des Glanzes keineswegs einwandfrei ist, soll dabei nicht besonders betont werden.

Thatsächlich ist freilich auch nach Heckers Darstellung die Analogie zwischen Glanz und Komik keine vollständige. Der beschleunigte Wettstreit wird beim Glänze einfach daraus abgeleitet, dass die entgegengesetzten Qualitäten sich die Wage halten, während beim Gefühl der Komik das plötzliche Auftreten des Kontrastes als wesentlich erscheint.

Aber davon wollen wir absehen. Wichtiger ist, dass die Grundvoraussetzung der ganzen Theorie irrig ist. Das Gefühl der Komik gehört der Linie zwischen reiner Lust und reiner Unlust an. Aber es erfüllt in seinen möglichen Abstufungen die ganze Linie, so dass es stetig einerseits in reine Lust, andererseits in reine Unlust übergeht. Wenn jemand eine anerkannte Wahrheit in witziger Form ausspricht, so spielend und doch so unmittelbar einleuchtend, wie es der gute Witz zu thun pflegt; wenn durch einen solchen Witz niemand verletzt oder abgefertigt wird; dann ist das Gefühl der Komik, das sich daran heftet, zwar durchaus eigenartig, hinsichtlich seines Verhältnisses zu Lust und Unlust aber mit den reinsten Lustgefühlen, die uns beschieden sind, vergleichbar. Wenn andererseits ein Mann sich wie ein Kind beträgt, jemand, der wichtige Verpflichtungen mit viel Selbstbewußtsein übernommen hat, im letzten Momente sich feige zurückzieht, so kann ein Gefühl der Komik entstehen, das von reiner Unlust sich beliebig wenig unterscheidet.

Auch hier darf freilich das Moment der Erheiterung nicht fehlen, wenn wir das Gebahren noch komisch oder "lächerlich" nennen sollen. Aber eine bestimmte Stärke desselben ist dazu nicht erforderlich. Denken wir uns dies Moment schwächer und schwächer, so geht das Lächerliche nicht sprungweise, sondern allmählich in das Verächtliche oder Erbärmliche über.

Das Gleiche gilt von dem "Hohnlachen", mit dem der Verbrecher, der am Ende seiner nichtswürdigen Laufbahn angekommen ist und alle seine Pläne hat scheitern sehen, sich gegen sich selbst und seine Vergangenheit wendet. Auch hierin steckt noch jenes Moment der Erheiterung. Zunächst aber spricht aus diesem verzweiflungsvollen Lachen eben das Gefühl der Verzweiflung, also des höchsten seelischen Schmerzes. Und dieser Schmerz kann sich steigern und die Fähigkeit sich darüber zu erheben und der Sache eine heitere Seite abzugewinnen, sich mindern. So lange dies letztere Moment nicht völlig verschwindet, ist der Verbrecher sich selbst lächerlich, also Gegenstand einer, wenn auch noch so schmerzlichen Komik.

GEFÜHL UND "GEFÜHLSSWETTSTREIT"

Das Gefühl der Komik, das steht uns fest, ist nicht durch ein bestimmtes quantitatives Verhältnis von Lust und Unlust gekennzeichnet. Darüber hätte Hecker schon der einfache Sprachgebrauch belehren können, der ein Lachen bald als lustig, fröhlich, herzlich, bald als ärgerlich, schmerzlich, bitter bezeichnet.

Es können aber auch umgekehrt Lust und Unlust, die "aus einem Punkte erzeugt" sind, recht wohl sich annähernd die Wage halten, ohne dass doch, sei es das Gefühl der Komik, sei es der Wettstreit entsteht, der nach Hecker die Komik machen soll.

Lust und Unlust sollen nicht nebeneinander bestehen und sich zu einem Gesamtgefühl vereinigen können. Und warum nicht? Wegen der Analogie des Glanzes? Aber diese Analogie wird Lust und Unlust schwerlich verhindern, ihren eigenen Gesetzen zu gehorchen.

Sagen wir es kurz: Der ganze Hecker'sche Wettstreit der Gefühle ist ein psychologisches Unding. Es giebt in uns gar keine "Gefühle", die mit einander in Wettstreit geraten könnten, sondern von vornherein immer nur ein Gefühl, genauer: eine so oder so beschaffene Weise, wie uns zu Mute ist, oder wie wir "uns" fühlen. Fühlen heisst sich fühlen. Alles Gefühl ist Selbstgefühl. Dies ist eben das Besondere des Gefühls im Gegensatz zur Empfindung, die jederzeit Empfindung von Etwas, d. h. Empfindung eines von mir unterschiedenen Objektes ist. Ich fühle mich lust- oder unlustgestimmt, ernst oder heiter, strebend oder widerstrebend.

So gewiss nun ich in meinem Selbstgefühl mir nicht als eine Mehrheit erscheine, so gewiss giebt es für mich nicht in einem und demselben Momente nebeneinander mehrere Gefühle. Dies hindert nicht, dass ich an dem Gefühl oder Selbstgefühl eines Momentes mehrere Seiten unterscheide, so etwa, wie ich auch an einem Klange, diesem einfachen Inhalte meines Bewusstseins, verschiedene Seiten, nämlich die Höhe, die Lautheit und die Klangfarbe unterscheide. Aber diese verschiedenen Seiten sind eben doch nur verschiedene Seiten eines und desselben an sich Einfachen.

Ich fühle mich etwa in einem Momente lustgestimmt. In der Lust aber liegt zugleich ein gewisser Ernst. Andererseits ist damit ein Streben oder Sehnen "verbunden". Dann habe ich doch nicht drei Gefühle, so wenig ich drei Töne höre, wenn mein Ohr eine Tonhöhe und mit ihr "verbunden" eine bestimmte Lautheit und eine bestimmte Klangfarbe vernimmt. Sondern ich fühle Lust, aber die Lust ist nicht Lust überhaupt, sondern Lust von eigentümlich ernster Art. Und wiederum ist diese ernste Lust nicht ernste Lust überhaupt, sondern zugleich Lust mit einem Charakter des Sehnens. Oder umgekehrt gesagt, das Sehnen oder Streben ist ein lustgestimmtes und ernstes.

Dem entspricht auch der eigentliche psychologische Sinn der Lust. In dem einen Gefühl giebt sich mir jedesmal der Gesamtzustand meines psychischen Lebens, der immer nur einer sein kann, in gewisser Art unmittelbar kund. Oder genauer gesagt: Es giebt sich mir darin eben die—freie oder gehemmte—Weise kund, wie sich die mannigfachen Vorgänge und Regungen in mir zu einem psychischen Gesamtzustande vereinigen. Nichts ist unrichtiger als die Vorstellung, dass jemals ein Gefühl, so wie Gefühle in uns thatsächlich vorzukommen pflegen, an einer einzelnen Empfindung oder Vorstellung oder auch an einem einzelnen Komplex von solchen, hafte. Nichts ist unzutreffender als die Lehre vom "Gefühlston" einer Empfindung oder Vorstellung, wenn damit eine solche Meinung sich verbindet.

Dies schliesst nicht aus, dass dennoch ein Gefühl an bestimmten einzelnen Empfindungsinhalten oder Komplexen von solchen in gewissem Sinne "haften" könne und als an ihnen haftend sich uns darstelle. Wir müssen nur wissen, was wir damit meinen und einzig meinen können. In dem gesamten psychischen Leben eines Momentes sind nicht alle Elemente psychisch gleichwertig. Sondern die einen treten beherrschend hervor, die anderen treten zurück. Und es treten in aufeinanderfolgenden Momenten bald diese bald jene Elemente hervor oder zurück. Damit ändert sich auch das Gefühl. Es gewinnt jetzt diesen, jetzt jenen Charakter. Es wandelt sich etwa, indem ein bestimmter psychischer Inhalt, eine bestimmte Empfindung oder Vorstellung, hervortritt, ein Gefühl, das Lustcharakter besass, in ein unlustgefärbtes, und diese Färbung wird immer deutlicher, jemehr jener bestimmte Inhalt hervortritt. Dann kann ich sagen, es hafte diese Unlustfärbung meines Gefühles, oder auch: es hafte ein Gefühl der Unlust an diesem Inhalte. Das einheitliche oder einfache Gesamtgefühl bleibt dann doch durch den psychischen Gesamtzustand bedingt. Nur ist zugleich eben dieser psychische Gesamtzustand vorzugsweise durch jenen bestimmten, in ihm hervorstrebenden Inhalt bedingt.

Darnach giebt es auch keinen Wettstreit der Gefühle. Man muss in Wahrheit etwas anderes meinen, wenn man diesen Ausdruck gebraucht. Und was man einzig meinen kann, das ist der Wettstreit der Vorstellungen, an denen verschiedene Gefühle im oben bezeichneten Sinne des Wortes "haften". Ein solcher Vorstellungswettstreit besteht ja thatsächlich. Es geschieht nicht nur, wie oben gesagt, dass Vorstellungen hervortreten, andere zurücktreten, sondern das Hervortreten einer Vorstellung bedingt das Zurücktreten anderer. Und damit vollzieht sich zugleich, wie gleichfalls bereits bemerkt, ein Wechsel der Gefühle, genauer ein Wechsel in der "Färbung" des Gefühls.

Nehmen wir aber jetzt versuchsweise an, auch Hecker wolle eigentlich von einem Wettstreit der Vorstellungen reden. Dann erscheint doch der Irrtum, in dem Hecker sich befindet, nicht geringer. Nach Hecker müssten Vorstellungen, die "von einem Punkte aus", also gleichzeitig erzeugt werden, in Wettstreit geraten, also sich wechselseitig verdrängen, wenn oder weil sie eine entgegengesetzte Färbung des Gefühles bedingen. Aber dies trifft nicht zu. Der Vorstellungswettstreit hat an sich mit dem Gegensatz der Gefühle gar nichts zu thun.

Vorstellungen geraten in Wettstreit einmal, weil sie einander fremd sind, d. h. in keinem Zusammenhang miteinander stehen; zum anderen, zugleich in anderer Weise, weil sie miteinander unverträglich sind, also sich wechselseitig ausschliessen. Vorstellungen nun, die von einem Punkte aus erzeugt sind, können, eben weil sie von einem Punkte aus erzeugt sind, einander niemals völlig fremd sein. Sie sind es um so weniger, je mehr sie von einem Punkte aus erzeugt sind. Und ob Vorstellungen sich ausschliessen oder nicht, dies hängt keineswegs von den an ihnen haftenden Gefühlen ab. Die Vorstellungen, dass ein Objekt jetzt hier, und dass dasselbe Objekt jetzt dort sich befinde, schliessen sich aus. Dies heisst doch nicht, dass die eine Vorstellung von Lust, die andere von Unlust begleitet sei. Und umgekehrt: Die Vorstellung, dass ein Objekt eine schöne Form und zugleich eine hässliche Farbe habe, vertragen sich vortrefflich miteinander, obgleich die schöne Form Gegenstand der Lust, die hässliche Farbe Gegenstand der Unlust ist.

Geraten aber Vorstellungen, die von einem Punkte aus erzeugt und einerseits von Lust, andererseits von Unlust begleitet sind, nicht miteinander in Wettstreit, so ist auch kein Grund zum Wechsel des Gefühles. Sondern es entsteht ein einziges in sich gleichartiges Gefühl, in dem beide zu ihrem Rechte kommen.

GEFÜHL DER TRAGIK UND DER KOMIK

Hierfür giebt es allerlei Beispiele, auf die Hecker hätte aufmerksam werden müssen. Psychologie ist doch nicht ein Feld für blinde Spekulationen, sondern für die Feststellung von Erfahrungsthatsachen, und für sichere Schlüsse aus solchen.

Nicht auf die ganze Mannigfaltigkeit der hier in Betracht kommenden Thatsachen, sondern zunächst nur auf eine einzige will ich hier hinweisen. Ich meine die Tragik und das Gefühl der Tragik. Eine Persönlichkeit leide, sei dem Untergange geweiht, gehe schliesslich thatsächlich unter. Aber in allem dem bewähre sich eine grosse Natur, irgend welche Stärke und Tiefe des Gemütes. Hier werden, wenn irgendwo, von einem Punkte aus gleichzeitig Lust und Unlust erzeugt. Der fragliche Punkt ist das Leiden der Persönlichkeit. Dass sie—nicht nur überhaupt—sondern in solcher Weise, leidet, ist Grund der Unlust; dass sie—nicht nur überhaupt, sondern in solcher Weise, d. h. als diese grosse Persönlichkeit, leidet, oder dass sie im Leiden als diese grosse Persönlichkeit sich zeigt, das ist Grund der Lust. Hier wären also in besonderem Masse, ja wir dürfen sagen in unvergleichlicher Weise, die Bedingungen des Hecker'schen Wettstreites der Gefühle gegeben.

Aber derselbe will sich nicht einstellen. Gerade dies, dass in so hohem Grade von einem Punkte aus die entgegengesetzten Gefühle erzeugt werden, verhindert ihn. In dem einen psychischen Gesamtthatbestande sind die beiden Vorstellungen, des Leidens und der Persönlichkeit, die leidet, untrennbar verbunden. Ebendarum findet kein Vorstellungswettstreit statt; und damit unterbleibt auch der Wechsel der Gefühle. Die Eigenart jenes Gesamtthatbestandes giebt sich vielmehr, hier wie überall, dem Bewusstsein kund in einem einzigen eigenartigen Gefühl. Wir kennen es als Gefühl der Tragik. Dies Gefühl ist so wenig ein wechselndes oder schwankendes dass vielmehr die feierliche Ruhe für dasselbe kennzeichnend ist.

Lassen wie uns aber den "Wettstreit" für einen Augenblick gefallen. Er finde bei der Tragik statt, obgleich ich wenigstens von solchem Stattfinden desselben nichts weiss. Dann besinnen wir uns, dass doch Hecker aus demselben nicht das Gefühl der Tragik, sondern das Gefühl der Komik ableiten will. Der Wechsel der Gefühle soll das Gefühl der Komik sein. Das Gefühl der Tragik ist aber, wie man weiss, nicht das Gefühl der Komik.

GEFÜHLSKONTRAST

Allerdings bezeichnet Hecker die Bedingungen dieses Gefühles noch genauer. Lust und Unlust sollen sich beim Wettstreit zunächst die Wage halten. Dann aber soll das Gefühl der Last durch Kontrast gehoben werden.

Indessen auch diese Bedingungen können in unserem Falle erfüllt sein. Es hindert zunächst nichts, dass das Unlustvolle des Leidens und das Befriedigende, das die Weise des Leidens oder die Eigenart der leidenden Persönlichkeit in sich schliesst, in beliebigem Grade sich die Wage halten.

Und auch eine Kontrastwirkung kann nicht nur, sondern wird jederzeit bei der Tragik stattfinden.—Doch ist hierzu eine besondere Bemerkung erforderlich.

Hecker redet von _Gefühls_kontrast. Das Gefühl der Unlust soll unmittelbar das mit ihm wechselnde Gefühl der Lust "heben". Hier ist ein, auch sonst behauptetes allgemeines psychologisches Kontrastgesetz vorausgesetzt. Nehmen wir einmal an, dies Gesetz bestände, so müsste ihm zufolge offenbar, wie die Lust durch die Unlust, so auch die Unlust durch die Lust gehoben werden. Damit wäre das schliessliche Überwiegen der Lust, das Hecker bei der Komik annimmt, wiederum illusorisch geworden.

Aber jenes Kontrastgesetz existiert nicht. Wohl giebt es mancherlei Thatsachen, die man als Wirkungen eines Kontrastes bezeichnen kann. Aber wenn man dies thut, so hat man nur einen zusammenfassenden Namen, und zwar einen Namen für sehr Verschiedenartiges. Die fraglichen Thatsachen sind der mannigfachsten Art und beruhen auf völlig heterogenen Gründen. Rot scheint nicht bloss, sondern ist, für das Auge nämlich, röter neben Grünblau als neben Rot. Dies hat seine bestimmten, nämlich physiologischen Gründe. Der Mann von mittlerer Grösse ist nicht, für unsere Wahrnehmung nämlich, grösser, wenn er neben einem Zwerge, als wenn er neben einem Riesen steht, aber er wird grösser geschätzt oder taxiert. Dies hat wiederum seine bestimmten, aber diesmal psychologischen Gründe.

Wie es aber auch mit dem Empfindungs- oder Vorstellungskontrast bestellt sein mag; eine Kontrastwirkung, die Gefühle unmittelbar auf Gefühle ausübten, giebt es nicht. Wenn ich hier ganz allgemein reden darf: Gefühle wirken überhaupt nicht. Sie haben als solche keine psychomotorische Bedeutung. Sie sind überall nichts als begleitende Phänomene, Bewusstseinsreflexe, im Bewusstsein gegebene Symptome der Weise, wie Empfindungen und Vorstellungen, oder Zusammenhänge von solchen, in uns wirken. Die Psychologie hat sich noch nicht überall zur klaren Anerkennung dieses Sachverhaltes durchgearbeitet. Aber sie wird sich wohl oder übel dazu entschliessen müssen.

Was man so Wirkung von Gefühlen nennt, ist Wirkung der Bedingungen, aus denen die Gefühle erwachsen, also Wirkung der Empfindungs- und Vorstellungsvorgänge und der Beziehungen, in welche dieselben verflochten sind. So ist auch der "Gefühlskontrast" in Wahrheit Empfindungs- oder Vorstellungskontrast. Vorstellungen können anderen, zu denen sie in Gegensatz treten, eine höhere psychische "Energie" verleihen, und dadurch auch das an diesen haftende Gefühl steigern. Sie thun dies nicht ohne weiteres, wohl aber unter bestimmten Voraussetzungen. Welches diese Voraussetzungen sind, und nach welcher psychologischen Gesetzmäßigkeit dieselben die "Kontrastwirkung" vermitteln, dies muss natürlich im einzelnen festgestellt werden. Das Kontrastgesetz ist mehr als ein blosser Sammelname, soweit dieser Forderung genügt ist.

Ich sagte nun schon, dass auch bei der Tragik eine Kontrastwirkung stattfinde. Auch diese hat ihre eigenen Gründe. Je grösser das Leid, je härter der Untergang, und je grösser unser Eindruck von beidem, desto schöner und grösser erscheint die Persönlichkeit, die in allem dem sich oder das Grosse, Gute, Schöne, das in ihr liegt, behauptet. Damit ist wenigstens eine mögliche Art der tragischen Kontrastwirkung bezeichnet.

Fassen wir alles zusammen, dann sind—falls wir fortfahren, die _Hecker_sche Theorie des "Wettstreites" uns gefallen zu lassen, in der Tragik alle Hecker'schen Bedingungen der Komik in ausgezeichneter Weise gegeben. Die Tragik müsste also nach Hecker die komischste Sache von der Welt sein. Wir müssten über die Tragik des Leidens und Untergangs aufs herzlichste lachen. Dies thun wir nicht, Tragik und Komik sind äusserste Gegensätze.

DER WECHSEL DER GEFÜHLE

Ich nahm oben versuchsweise an, dass der Hecker'sche "Wettstreit" unter den Hecker'schen Bedingungen wirklich stattfinde. Träfe diese Annahme zu, dann wäre noch die Frage, ob aus solchem Wettstreit, oder dem damit gegebenen schnellen Wechsel von entgegengesetzten Gefühlen ein einheitliches Gefühl, wie das Gefühl der Komik es ist, sich ergeben würde. Auch diese Frage muss verneint werden. Ein Wettstreit der Vorstellungen kann thatsächlich stattfinden und mit einem Wechsel der Gefühle, speciell der Gefühle der Lust und Unlust, verbunden sein, ohne dass doch das Gefühl der Komik entsteht.

Ich stehe etwa vor dem Momente, wo es sich entscheiden muss, ob eine lange gehegte Hoffnung in Erfüllung gehen wird oder nicht. Alles scheint für die Erfüllung zu sprechen. Nur ein Umstand liegt vor, der am Ende die ganze Hoffnung zunichte machen könnte. Diese gegensätzlichen Gedanken werden sich weder dauernd das Gleichgewicht halten, noch wird einer den andern für längere Zeit völlig unterdrücken können. Das letztere um so weniger, in je engerem Zusammenhang die der Hoffnung günstigen, und der ihr ungünstige Faktor miteinander stehen. Ich achte jetzt auf die günstigen Faktoren und glaube an die Erfüllung der Hoffnung. Aber je lebendiger dieser Gedanke in mir wird, um so sicherer weckt er die Vorstellung jenes anderen, ungünstigen Faktors. Diese Vorstellung tritt hervor und verwandelt für einen Augenblick mein Vertrauen in sein Gegenteil. Doch nur für einen Augenblick. Denn in Wirklichkeit ist zu ernster Besorgnis kein Grund. Ich brauche nur den ungünstigen Faktor genau ins Auge zu fassen, um zu sehen, wie wenig er doch gegen die anderen Faktoren in Betracht kommen kann, wie unwahrscheinlich es also ist, dass er die Erfüllung der Hoffnung verhindern wird. Damit hat wieder der erste Gedanke das Übergewicht gewonnen u. s. w. So ergiebt sich ein beständiges Hin- und Hergehen, zunächst zwischen entgegenstehenden Gedanken, dann auch zwischen entsprechenden Gefühlen. Und die Unruhe dieses Hin- und Hergehens, in dem im Ganzen ebensowohl die Lust wie die Unlust überwiegen kann, wird sich steigern, je mehr der Moment der Entscheidung naht. Heisst dies: mir wird immer komischer und komischer zu Mute? Ich denke nicht. Andere mögen über die Situation lachen. Ich selbst werde vom Lachen soweit als möglich entfernt sein. Ist dem aber so, dann liegt in dem Beispiel der Beweis, dass auch, wo das gleichzeitige Entstehen von Lust und Unlust aus einem Punkte wirklich in den Hecker'schen beschleunigten Wettstreit mündet, noch etwas hinzukommen muss, wenn das Gefühl der Komik entstehen soll. Dies Etwas ist die Komik.

SCHADENFREUDE UND GESTEIGERTES SELBSTGEFÜHL

Nachdem Hecker das Gefühl der Komik in der bezeichneten Weise bestimmt hat, geht er dazu über, die Möglichkeiten der gleichzeitigen Entstehung von Lust und Unlust festzustellen und daraus die möglichen Arten der Komik abzuleiten. Das ist gut und konsequent gedacht. Die Ausführung des Gedankens aber geschieht in denkbar unvollständigster Weise. Freilich, wäre sie weniger unvollständig, so würde Hecker selbst die Unmöglichkeit seiner Theorie des komischen Gefühles sich aufgedrängt haben. Die Fälle der Komik, die er anführt, sind wirklich komisch, wenn auch nicht aus den angegebenen Gründen. Dagegen würden andere Fälle und Klassen von Fällen, die er hätte anführen müssen, sich jeder Bemühung, sie komisch zu finden, widersetzt haben.

Einige Bemerkungen genügen, um dies zu zeigen. Eine Hauptgattung der Komik bezeichnen für Hecker die Fälle, bei denen zwei Vorstellungen in ihrer Vereinigung oder ihrem Zusammenhang unseren logischen, praktischen, ideellen "Normen" oder den "Normen der Ideenassociation" entsprechen, während zugleich die eine der Vorstellungen einer der Normen widerstreitet. Nachher schrumpft die ganze Gattung zusammen zur Komik der "gerechten Schadenfreude". Die rote Nase zum Beispiel missfällt, weil sie unseren "ideellen Normen" widerspricht. Betrachten wir sie aber als verdiente Strafe der Unmässigkeit, so befriedigt diese Ideenverbindung unser Gerechtigkeitsgefühl. Und aus Beidem zusammen ergiebt sich das Gefühl der Komik.

Diese Erklärung ist ohne Zweifel falsch. Die Schadenfreude hat, so oft sie auch zur Erklärung der Komik verwandt worden ist, mit Komik nichts zu thun. Die gerechteste und intensivste Schadenfreude ergiebt sich, wenn wir über einen nichtswürdigen und gefährlichen Verbrecher die wohlverdiente Strafe verhängt sehen. Je nichtswürdiger und gefährlicher er ist, je gerechter und wirkungsvoller andrerseits die Strafe erscheint, um so stärker ist das Gefühl der Unlust, das er selbst, und das Gefühl der Befriedigung, das seine Bestrafung erweckt. Nun mag ein solcher Verbrecher zwar, wie wir schon oben meinten, sich selbst in gewisser Weise Gegenstand der Komik werden, uns wird er nie so erscheinen. Dementsprechend kann die Schadenfreude auch die Komik der roten Nase nicht begründen.

Andrerseits hätte Hecker neben den Fällen der Schadenfreude mannigfache andere Fälle berücksichtigen müssen, die ganz den gleichen Bedingungen genügen. Ich höre etwa, jemand habe eine entehrende Handlung begangen aus Freundschaft, um einen andern, vielleicht mich selbst, aus tödlicher Verlegenheit zu retten. Oder ich lese in der Geschichte, L. Junius Brutus habe seine eigenen Söhne hinrichten lassen, um seiner Pflicht zu genügen. In beiden Fällen missfällt die That an sich; sie gefällt zugleich, wenn wir sie im Zusammenhang mit dem zu Grunde liegenden Motiv betrachten. Sie befriedigt insofern nicht unser Gerechtigkeitsgefühl, aber andere sittliche "Normen". Darum ist doch von Komik keine Rede.

Neben der Schadenfreude spielt bei Heckers Erklärung der (objektiven) Komik das gesteigerte "Selbstgefühl" die Hauptrolle. Freilich, Schadenfreude ist am Ende eine Weise des gesteigerten Selbstgefühles, oder kann es zum mindesten sein. Dann wäre mit dem gesteigerten Selbstgefühl kein neues Moment eingeführt. Aber Hecker sagt nicht, ob und wie er die Schadenfreude auf das gesteigerte Selbstgefühl zurückzuführen gedenkt.

Dies gesteigerte Selbstgefühl spielt in der Psychologie der Komik auch sonst eine Rolle. Schon Hobbes hat es zur Erklärung der Komik herangezogen. Es ist aber fast der schlechteste Erklärungsgrund, den man finden kann. Jede Unwissenheit, die ich nicht teile, jeder Irrtum, den ich durchschaue, jede mangelhafte Leistung, der gegenüber ich das Bewusstsein des Besserkönnens habe, müsste mich zum Lachen reizen, wenn das Gefühl der Überlegenheit dem unangenehmen Gefühl, das Unwissenheit, Irrtum, mangelhafte Leistung an sich erwecken, ungefähr die Wage hält. Der Pharisäer müsste lachen über den Zöllner, dessen Verschuldungen seiner Vortrefflichkeit zur Folie dienen, der Reiche über den Armen, der vergeblich sich ein gleich behagliches Dasein zu verschaffen sucht, die schöne Frau über die hässliche, deren Hässlichkeit sie an ihre Schönheit erinnert, auch wenn der Charakter des Zöllners, die Not des Armen, die Hässlichkeit der hässlichen Frau an sich nicht im mindesten komisch erschiene. Aber eben das ist es, was Hecker und was jeder, der den Eindruck der Komik aus der Erhöhung des Selbstgefühles abzuleiten versucht, im Grunde jedesmal voraussetzt. Man meint nicht den Irrtum, sondern den lächerlichen Irrtum, nicht die Hässlichkeit, sondern die lächerliche Hässlichkeit u. s. w. und diese allerdings sind komisch, nicht wegen des hinzutretenden Selbstgefühles, wohl aber gelegentlich trotz demselben.

Denn es ist offenbar, dass das Selbstgefühl geradezu die Komik zerstören kann. Ich sehe jemanden vergebens bemüht, eine Last zu heben, zu der, wie ich mich sofort überzeuge, seine Kräfte nicht ausreichen. Der Anblick ist mir peinlich, zugleich aber habe ich das befriedigende Bewusstsein, dass ich die Last heben und dem Armen helfen kann. Hier ist von Komik keine Rede, auch wenn das Bedauern und das Befriedigende des Bewusstseins, zu können, was der Arme nicht kann, sich die Wage halten. Ich lache nicht, eben weil ich die Kraft des Menschen mit der eigenen vergleiche und die letztere als so viel grösser erkenne. Unterlasse ich dagegen den Vergleich und fasse nur einfach die Situation ins Auge, so kann mir diese recht wohl komisch erscheinen. Und ich habe allen Grund, mir selbst so zu erscheinen, wenn ich den Versuch mache, die Last selbst zu heben, und dabei es erlebe, dass mein Selbstgefühl nicht gesteigert, sondern schmählich zu Schanden wird.

Der Begriff der Überlegenheit ist nach dem oben Gesagten, ebenso wie der engere Begriff der Schadenfreude, nicht ein entscheidender Begriff der Hecker'schen Theorie. Er soll nur besondere Fälle der Komik charakterisieren. Sehen wir darum von diesem Begriffe hier ab, und beachten den oben dargelegten allgemeinen Grundgedanken Heckers. Dann scheint doch ein doppeltes Moment der Kritik standzuhalten. Einmal wird es dabei bleiben, dass lust- und unlusterzeugende Elemente in die Komik eingehen. Das Gefühl der Komik wird in gewissem Sinne beide Gefühle in sich enthalten. Das andere Moment ist der Gegensatz oder Kontrast zwischen Vorstellungen oder Gedankenelementen. Mag Hecker diesen Kontrast noch so unzutreffend bezeichnen, der Gedanke, dass ein solcher Kontrast beim Komischen stattfinden müsse, wird seinen Wert behaupten.

KAPITEL 2

DIE KOMIK UND DAS GEFÜHL DER ÜBERLEGENHEIT

Inhaltsverzeichnis

HOBBES' UND GROOS' THEORIE

Dagegen ist das gesteigerte Selbstgefühl von anderen in den Mittelpunkt der Theorie der Komik gestellt worden. Wie schon gesagt, hat bereits Hobbes dasselbe zur Erklärung der Komik verwendet. Hobbes meint, der Affekt des Lachens sei nichts, als das plötzlich auftauchende Selbstgefühl, das sich ergebe aus der Vorstellung einer Überlegenheit unserer selbst im Vergleich mit der Inferiorität anderer, oder der Inferiorität, die wir selbst vorher bekundeten. Hierin liegt zugleich, so viel ich weiss, der zeitlich erste Versuch einer Begründung des Gefühls der Komik. Aristoteles bezeichnet als komisch das unschädliche Hässliche. Hier fehlt die Antwort auf die Frage, wiefern denn das Hässliche, das an sich Gegenstand der Unlust ist, vermöge des rein negativen Momentes seiner Unschädlichkeit die komische Lust oder Lustigkeit hervorrufen könne. Dagegen scheint die lusterzeugende Wirkung des Gefühles der Überlegenheit ohne weiteres einleuchtend.

Ich will aber hier nicht an Hobbes, sondern an einen Erneuerer der Hobbes'schen Theorie meine weiteren kritischen Bemerkungen anknüpfen. Ich denke an Groos' Einleitung in die Ästhetik. Groos scheint sich freilich seines Verhältnisses zu Hobbes nicht bewusst zu sein. Seine Theorie giebt sich wie eine neue. Indessen dies thut hier nichts zur Sache.

In welcher Weise Groos zu seiner Theorie gelangt ist, ob auf dem einen oder dem anderen der eingangs dieser Schrift unterschiedenen Wege, vermag ich nicht zu entscheiden. Groos beginnt sofort mit der Definition der Komik, um sie dann zu erörtern und zu begründen. Das Gefühl der Komik ist für Groos das Gefühl der Überlegenheit über eine Verkehrtheit.

In diesem Groos'schen Gefühl der Überlegenheit liegt eine genauere Bestimmung des Hecker'schen gesteigerten Selbstgefühles. Zugleich ist bei Groos die Forderung eines Gleichgewichtes von Lust und Unlust und des Wettstreits zwischen beiden Gefühlen weggefallen. An die Stelle tritt die Forderung, dass nicht Mitleid oder Furcht in den Vordergrund trete, weil sonst die erheiternde Wirkung notwendig ausbleiben müsste. Dabei sollen unter dem Mitleid auch die "sanfteren Regungen der Ehrfurcht und Einschüchterung" begriffen werden.

Gehen wir darauf etwas näher ein. Ich darf von vornherein sagen: Ist es unzutreffend, dass jedes Gefühl der Überlegenheit, bei dem Lust und Unlust—nach Heckers Forderung—sich die Wage halten, ein Gefühl der Komik ist, dann ist es noch unzutreffender, dass jedes Gefühl der Überlegenheit ein Gefühl der Komik ist, falls das Angenehme dieses Gefühles nicht durch Furcht oder Mitleid aufgehoben wird. Und ebenso unzutreffend ist die Umkehrung dieser Annahme, dass bei allem Komischen ein Gefühl der Überlegenheit über eine Verkehrtheit stattfinde.

Wenn ich das Bewusstsein habe, klüger oder geschickter zu sein, als ein anderer, so mag es wohl geschehen, dass ich mit dem im Vergleich mit mir Unklugen oder Ungeschickten Mitleid habe. Dann ist nach Groos die Bedingung für die Komik nicht gegeben. Aber vielleicht habe ich kein Mitleid. Der Unkluge oder Ungeschickte beansprucht gar kein Mitleid. Er müht sich in einer Sache vergeblich und lässt dann die Sache laufen. Oder es wäre wohl Grund zum Mitleid, aber ich gebe mir nicht die Mühe mich darauf zu besinnen. Ich bin nun einmal der Selbstbewusste, für den die "Verkehrtheit" anderer lediglich ein Mittel ist, sich in seiner Überlegenheit zu sonnen. Ich thue dies also auch in diesem Falle. Wo ist dann die Komik? Es ist kein Zweifel, dass dieselbe um so sicherer unterbleibt, je mehr ich meinem Gefühl der Überlegenheit mich hingebe.

GEFÜHL UND GRUND DES GEFÜHLS

Dass es so sich verhalten muss, zeigt eine einfache Überlegung. Für Groos soll die Verkehrtheit komisch erscheinen, weil ich mich überlegen fühle. Das Gefühl meiner Überlegenheit ist für Groos identisch mit dem Gefühl der Komik des Gegenstandes, oder allgemeiner gesagt, ein auf mich bezogenes Gefühl soll identisch sein mit einem nicht auf mich, sondern auf ein Objekt bezogenen Gefühl. Dies ist ein Widerspruch in sich selbst.

Was heisst dies: Ein Gefühl ist für mich auf ein Objekt bezogen? Worin besteht das Bewusstsein dieses Bezogenseins? Gewiss nicht einfach darin, dass ich ein Objekt und neben ihm oder gleichzeitig mit ihm ein bestimmtes Gefühl in meinem Bewusstsein vorfinde. Gefühle können mit Objekten gleichzeitig vorhanden sein und doch nicht auf sie bezogen erscheinen. Ich stehe etwa vor einem Kunstwerk, und es stört mich etwas an ihm. Aber ich weiss zunächst nicht, was das Störende ist. Hier ist das Gefühl des Störenden, d. h. das Gefühl der Unlust für mein Bewusstsein nicht auf sein Objekt bezogen.

Und wie nun kommt das Bewusstsein der Beziehung des Gefühls auf ein bestimmtes Objekt zu stande? Jedermann weiss die Antwort. Ich analysiere den Wahrnehmungskomplex, in dem das Kunstwerk für mich besteht; d. h. ich richte nach einander auf die verschiedenen Teile, Züge, Momente des Kunstwerkes meine Aufmerksamkeit, und sehe zu, wann das Unlustgefühl heraustritt oder sich steigert. Endlich weiss ich, was mich störte. Ich achtete auf einen bestimmten Zug des Kunstwerkes mit Ausschluss anderer. Indem ich dies that, und mir zugleich dieses Thuns, d. h. der auf diesen bestimmten Zug gerichteten Aufmerksamkeit bewusst war, trat das Unlustgefühl rein oder beherrschend zu Tage. So besteht die bewusste Beziehung oder das Bewusstsein der Bezogenheit eines Gefühles der Lust oder Unlust auf ein Objekt immer darin, dass das Gefühl hervortritt, indem ich das Bewusstsein habe, es sei die Aufmerksamkeit auf eben dieses Objekt gerichtet.

Neben die eben gestellte Frage stelle ich jetzt die andere, davon verschiedene: Wie wird ein psychischer Vorgang von uns als Grund eines Gefühles erkannt? Diese Frage haben wir schon ehemals gestreift. Offenbar muss die Antwort lauten: Ein psychischer Vorgang ist Grund eines Gefühles, wenn und sofern die Steigerung dieses Vorganges, oder die erhöhte Kraft seines Auftretens in uns dies Gefühl steigert oder erst heraustreten lässt. Es leuchtet ja ein: Ist ein psychischer Vorgang, ein Vorgang des Empfindens oder Vorstellens etwa, dasjenige, was ein Gefühl bedingt, oder woran ein Gefühl "haftet", so muss das fragliche Gefühl sich steigern—oder, was dasselbe sagt, es muss unser Gesamtgefühl die Färbung dieses Gefühles annehmen—in dem Masse als der bedingende Vorgang psychisch zur Geltung kommt, Kraft gewinnt, im Zusammenhang des psychischen Geschehens dominierend hervortritt.

Nun findet dies "Hervortreten" oder Kraftgewinnen eines psychischen Vorganges statt, wenn wir auf ihn unsere Aufmerksamkeit richten. Und der Bewusstseinsthatbestand, den wir als Bewusstsein des Aufmerkens auf ein empfundenes oder vorgestelltes Objekt bezeichnen, ist nichts anderes als die Begleiterscheinung dieses Hervortretens, Kraftgewinnens, Dominierens des Empfindungs- oder Vorstellungsvorganges. Also können wir auch sagen: Erscheint in unserem Bewusstsein, oder nach Aussage desselben, ein Gefühl der Lust oder Unlust auf einen Empfindungs- oder Vorstellungsinhalt bezogen, so ist in dem entsprechenden Empfindungs- oder Vorstellungs_vorgang_ zugleich der Grund dieses Gefühles zu suchen.

ALLERLEI ÄSTHETISCHE THEORIEN

Diese Einsicht scheint nun eine sehr triviale. Aber dies hindert nicht, dass damit eine ganze Reihe psychologisch-ästhetischer Theorien endgültig abgewiesen sind. Ich erwähne etwa die Theorie, die das Wohlgefallen an Linien auf das Wohlgefallen an bequemen oder leicht zu vollziehenden Augenbewegungen zurückführt; oder derzufolge Linienschönheit nichts anderes ist als Annehmlichkeit von Augenbewegungen. Es ergiebt sich aus Obigem, was dagegen einzuwenden ist: Die Linien, nicht die Augenbewegungen meine ich, wenn ich die Linien schön finde. Auf jene nicht auf diese erscheint mein Gefühl der Lust bezogen.

Dies zeigt sich besonders deutlich, wenn ich besondere Fälle annehme. Es könnte geschehen, dass die Augenbewegungen, vermöge deren ich eine schöne Linie—wirklich oder angeblich—"verfolge", einmal sehr unbequeme wären. Die Linie findet sich etwa an einer Wand, so weit oben, dass ich den Kopf und die Augen stark nach oben wenden muss, um die Linie zu betrachten. Jetzt sind die Augenbewegungen vielleicht sogar schmerzhaft. Dann ist doch nicht die Linie für mich hässlich, sondern eben die Augenbewegung schmerzhaft. Ich verspüre Wohlgefallen "an" der Linie, d. h. ich verspüre Lust, wenn und in dem Masse, als ich auf die Linie achte, und damit zugleich meine Aufmerksamkeit von der Stellung und Bewegung meiner Augen abwende. Ich verspüre andererseits Unlust "an" den Augenbewegungen, d. h. ich verspüre Unlust, wenn und in dem Masse, als ich auf die Augenbewegungen achte, und die Linie für eine Zeitlang Linie sein lasse.

Also habe ich auch den Grund jener Lust in der Linie zu suchen. Wenn nicht in der sichtbaren Form der Linie, dann in etwas, das für mich in der Linie oder ihrer Form unmittelbar liegt. Dies wird allerdings gleichfalls eine Bewegung sein. Aber nicht eine Bewegung meiner Augen, überhaupt nicht eine Bewegung in oder an mir, sondern eine Bewegung der Linie oder in der Linie selbst, eine Bewegung, die die Linie selbst zu vollführen, oder vermöge welcher die Linie, dies von mir unterschiedene und mir frei gegenübertretende Objekt, in jedem Augenblick von neuem sich selbst zu erzeugen scheint.—Nicht minder liegt der Grund meiner Unlust in den Augenbewegungen, also nicht in der Linie und dem, was sie leistet, sondern in mir und dem was ich, diese von der Linie unterschiedene und sich ihr gegenüberstellende Person, leiste oder zu leisten jetzt genötigt bin.

Eben dahin gehört die Theorie, welche die Erhabenheit von Objekten identifiziert mit dem Gefühl meiner Erhabenheit, etwa der Überlegenheit meines Verstandes. In dieser Theorie liegt gewiss Richtiges. Aber es fehlt noch die Hauptsache. Das Gefühl meiner Erhabenheit ist an sich schlechterdings nichts, als das Gefühl meiner Erhabenheit, niemals ein Gefühl der Erhabenheit eines Objektes. Wie überall, so setze ich auch hier deutlich einander gegenüber: mich und das Objekt. Dieser Gegensatz ist ja für uns der allerfundamentalste. Es ist der Gegensatz der Gegensätze. Es ist damit hier wie überall absolut ausgeschlossen, dass ich mich mit dem Objekt, das ich anschaue, verwechsele oder dem Objekte zurechne, was mir zugehört, dass ich also auch ein Gefühl auf das Objekt bezogen glaube, das nach Aussage meines unmittelbaren Bewusstseins auf mich bezogen ist.

Erst wenn ich, durch das "erhabene" Objekt selbst genötigt,—nicht meine gegenwärtige Erhabenheit, aber eine Erhabenheit, wie ich sie in mir finden kann, also eine mögliche Erhabenheit menschlichen Wesens—und eine andere Erhabenheit giebt es für uns nicht—in das Objekt hinein verlege, und in ihm, als etwas ihm Zugehörigen, wiederfinde, oder besser gesagt, wenn ich im Objekte, als ihm zuhörig, die persönlichen Regungen, inneren Verhaltungsweisen, Wollungen wiederfinde, die das Gefühl der Erhabenheit begründen, wenn mir also diese Regungen in dem Objekte als etwas von mir Verschiedenes, "Objektives", gegenübertreten, kann das Objekt für mich zu einem erhabenen werden, oder kann mein Gefühl der Erhabenheit mir auf dies Objekt bezogen erscheinen. Und umgekehrt, erscheint das Gefühl auf das Objekt bezogen, erscheint also das Objekt mir erhaben, so liegt darin der Beweis, dass das Objekt diesen Grund des Erhabenheitsgefühles in sich selbst trägt, dass nicht mein Erhabensein, sondern der erhebende Sinn und Inhalt des Objektes das Gefühl bedingt.—Dass, nebenbei bemerkt, diese Erhabenheit des Objektes keine Erhabenheit des Verstandes sein kann, leuchtet ein. Unser Anthropomorphisieren ist kein Objektivieren unseres Verstandes, sondern unseres Willens.

Nicht minder gehört hierhin der ganze Grundgedanke der Groos'schen Ästhetik. Freude an der Schönheit von Objekten, oder, wie Groos zu sagen vorzieht, Freude am "ästhetischen Wert" von Objekten soll Groos zufolge Freude am Spiel meiner Phantasie sein. Ich entgegne: Es ist nun einmal thatsächlich nicht so. Freude am Spiel meiner Phantasie ist—Freude am Spiel meiner Phantasie. Solche Freude mag vorkommen. Vielleicht gelingt es auch diesem oder jenem, solche Freude zu haben, während er angeblich mit einem Kunstwerke innerlich beschäftigt ist. Ich mag vielleicht gelegentlich das Kunstwerk, dies mir objektiv gegenübertretende und für mein Bewusstsein von mir total unterschiedene Ding, eine Zeitlang aus dem Auge lassen und auf meine Phantasiethätigkeit hinblicken; ich meine: auf die Phantasiethätigkeit, die ich jetzt eben, wo ich noch mit dem Kunstwerk beschäftigt war, geübt habe; und ich mag dann an dem Spiel dieser Thätigkeit, an diesem von mir erkannten psychologischen Faktum, meine Freude haben. Dann freue ich mich eben an diesem Spiel.

Und dies Spiel ist dann notwendig auch der Grund meiner Freude. Ebenso gewiss aber ist dieses Spiel nicht der Grund meiner Freude, sondern der Gegenstand dieses Spieles begründet mein Gefühl, wenn ich das Gefühl innerlich auf diesen Gegenstand beziehe, wenn also das Kunstwerk