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Heute Abend:

Petra Constanza

Ein Leben im Scheinwerferlicht

Copyright: © 2017: Petra Constanza

Lektorat: Erik Kinting – www.buchlektorat.net

Umschlag & Satz: Erik Kinting

Verlag: tredition GmbH, Hamburg

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Prolog

Theaterkind

Aufnahmeprüfung

Studienzeit

Platz an der Sonne

Qualität und der Wunsch nach schönen Beinen

Gartmann, hol’ den Sekt

Vagabundenleben

Auf die Bretter, fertig los

Junger Rebell im Anfängerstadium

Garderobenimpressionen

Ein unerwartetes Angebot

Aus dem Wohlfühlnest in die Schlangengrube

Die große Chance

Auf zu neuen Ufern

Life is a Cabaret

Nicht schon wieder Spagat

Sommerfestspielfreuden in der Provinz

Ein Himmelbett in Hamburg

Ein lang gehegter Wunsch wird Wirklichkeit

Heute Abend: Petra Constanza

Die Bekanntschaft mit meiner Geburtsstadt

Zu dritt unschlagbar

Ein Mythos

Leinen los, Schiff ahoi

Amore

Finale

Epilog

Nachwort

Vorwort

Biografien von Künstlern sind beliebter Lesestoff, weil Lebenswege von Künstlern in besonderem Maße schicksalsbedingt sind – irgendwie unberechenbar, abhängig von vielen unwägbaren Umständen, wechsel- und sprunghaft, voller Überraschungen und Enttäuschungen. Sie bergen in sich den Reiz des Besonderen.

Zum Beruf des Bühnenkünstlers gehört immer ein treibendes Grundgefühl der Berufung; ein inneres Muss, ein Antrieb, der sich über ein Leben in empfindbarer Sicherheit und Beständigkeit hinwegsetzt. Verzicht, Disziplin, Aushalten vieler Kritik und Kritiker sind mentale Voraussetzungen. Solche grundlegenden Lebensbedingungen gehören zur Berufung der meisten Bühnenkünstler, für die es unermüdlich zu kämpfen gilt.

Aber es gibt immer wieder auch Ausnahmen, Persönlichkeiten, Stars, die es, allen Unwägbarkeiten zum Trotz, geschafft haben. Die auf eine kontinuierliche, sich entwickelnde, fortschreitende, erfüllte Künstlerlaufbahn zurückblicken können, ein Privileg, das zu Beginn ihrer Karriere alle erhoffen, aber nicht vorhersehen können. Jeder lebt einen individuellen künstlerischen Weg – mit allen Fähigkeiten, Wünschen, Erfolgen und Misserfolgen. Bühnenkunst wird jeden Abend neu erschaffen und genau darin liegen Stärke, Bedeutung und Kraft der Darstellungskünste.

Wir – als Publikum oder Mitwirkende – müssen dankbar sein, dass es immer wieder Menschen gibt, die ihr Leben dieser Kunst in jedweder Gattung widmen.

Ich habe Petra Constanza, anlässlich der Produktion Ich, Marlene an der Komödie im Bayerischen Hof in München kennenlernen dürfen. Petra als Marlene Dietrich verdanken wir Margit Bönisch, der damaligen Prinzipalin des Theaters. Es war die beste Entscheidung für diese hochkomplexe Rolle, die von einer Künstlerin alles fordert.

Da war die junge Marlene zu entdecken, die als Lola im Blauen Engel mit anziehender Erotik und schnoddrig direktem Ton unschlagbar faszinierte, vom Ruhmeswunsch nach Amerika getrieben. A Star was born! Die Entwicklung zu einer wirklichen Ikone in den vielen Hollywood-Filmen mit ihren unvergessenen Marlene-Hits. Das war die Spannweite der jungen und mittleren Marlene.

Das Musical erzählt auch eindrucksvoll von der alten Marlene, von ihren Jahren der Einsamkeit und vielleicht auch der Verbitterung über das zeitweilige Vergessensein im Alter. Ihre größten Erfolge feierte sie bei ihren legendären Konzertauftritten in London und Las Vegas. Hier hält das Altern in Körper und Stimme Einzug in die Figur. Eine ganz spezielle Abgeklärtheit in Ausstrahlung und stimmlicher Darbietung, weit weg von den Anfängen.

Das alles galt es zu erkennen, zu erarbeiten, bis hinein in Marlenes unaufwändig erscheinenden kleinen Gesten, ja, bis hin zu ihrem unverkennbaren Augenaufschlag. All das erwies sich als Petra Constanzas Meisterstück in Perfektion. Eine wirklich große und großartige Rolle – eine Rolle für Petra Constanza!

Heute Abend: Petra Constanza

Gehen Sie nun mit ihr auf dem Weg ihrer Karriere und betrachten Sie das Leben einer Ausnahmekünstlerin. Erleben Sie das Schicksal einer erfolgreichen Frau mit, die ihr Leben kontinuierlich über alle Genres hinweg den darstellenden Künsten gewidmet hat.

Rainer Lewandowski

Autor und Regisseur

Prolog

Die Welt des Theaters fasziniert. Ist man von dieser Faszination einmal gepackt, bleibt man in ihrem Bann und die Leidenschaft lässt einen nie wieder los. Kaum ein Komödiant, der nicht schon im Kindesalter den Wunsch zur Selbstdarstellung und den Drang, im Mittelpunkt zu stehen, verspürt. Über die Macht, Faszination auf die Zuschauer auszuüben, wird man sich schnell bewusst. Erfolg verlangt nach Wiederholung und die Sehnsucht danach lebt beständig fort.

»Den Beruf ergreift man nicht, man wird von ihm ergriffen.« Treffender als in dieser Aussage von Theatermann Heinz Hilpert kann man es nicht beschreiben.

Als Künstler muss man diszipliniert arbeiten; für mich war das immer ein Vergnügen. Disziplin habe ich nie als Bürde empfunden, sondern eher als lohnenswerten Weg zum Ziel. Auch wenn man oftmals das Gefühl hat, man kämpfe wie Don Quichotte gegen Windmühlen, so sollte man nach Rückschlägen keineswegs aufgeben, sondern seinen Weg konsequent weitergehen.

Bei alle dem darf aber eines nicht fehlen: Glück! Zum Beispiel, zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort zu sein.

Selbst wenn man alle Voraussetzungen mitbringt, so müssen die immer neuen und größer werdenden Herausforderungen frühzeitig erkannt und auch umgesetzt werden. Wie ist meine Ausstrahlung? Wie wirke ich? Steht die Realität vielleicht im Widerspruch zu, wie ich mich selbst sehe oder sehen will?

Der Schauspielunterricht soll bewusst machen. Im komödiantischen Spiel werden besondere Fähigkeiten erkannt. Ein guter Dozent wird niemals zerstören, sondern Talente freisetzen. Schauspielschulen sehe ich als das Verbindungsglied zum Theater, als die Basis des Handwerks für die Ausübung des künstlerischen Berufes. Je profunder die Basis, desto stabiler der Weg in der Theaterlaufbahn. Die Stimme muss so gut sitzen, dass sie weder durch lange Proben noch durch anstrengende stundenlange Vorstellungen ermüdet. Man muss wissen, wie man mit einer möglichen Indisposition oder auch mit einer körperlichen Schwäche umgeht. Der Profi kann seine Leistung jederzeit abrufen, selbst bei einer Vorstellungsserie über Monate oder sogar über Jahre hinweg.

Am Theater muss man sich seine Sporen verdienen – immer und immer wieder. Erfolg ist kein Ruhekissen, denn Gewissheit für eine erfolgreiche Zukunft gibt es nicht. Das Durchsetzen und Behaupten in großen Rollen verlangt eiserne Disziplin.

Allerdings: Das Ausprobieren auf vielen künstlerischen Gebieten und die Möglichkeit, immer wieder in neue Rollen zu schlüpfen, bedeutet pure Lust und macht für mich diesen Beruf zum schönsten auf dieser Welt.

Das Leben eines Künstlers kann aber auch sehr einsam machen. Das Vagabundenleben hat seinen Preis, wenn ausschließlich der berufliche Erfolg im Fokus steht. Auch der starke Wille an der Spitze zu bleiben und einen Absturz zu vermeiden, verbraucht viel Energie. Mit fortschreitendem Alter erhält man oftmals weniger Rollenangebote und das nachlassende Interesse nagt natürlich am Stolz des Künstlers. Nicht jedem ist es vergönnt, bis ins hohe Alter gefragt und permanent von der Muse geküsst zu sein.

Die Seele des Künstlers ist sensibel und man muss schlau genug sein, den Zeitpunkt zu erkennen, wann man aufhören sollte.

Mein Beruf ist meine Berufung. Inspiriert von der lachenden und weinenden Maske hat mich mein Künstlerleben geprägt. Ob ich auf der Bühne stehe oder nicht: mein Komödiantenherz bleibt heiter und trägt mich auf den Lorbeeren der Erinnerungen. In diesem Buch möchte ich aus meinem Künstlerleben erzählen und Sie einladen, mich dabei zu begleiten.

Ihre Petra Constanza

Theaterkind

Ich komme aus einer Theaterfamilie und bin als glückliches Theaterkind aufgewachsen. Meine Eltern waren beide erfolgreiche Bühnenkünstler – mein Vater Operettentenor, meine Mutter Schauspielerin. An einem 29. Dezember erblickte ich das Licht der Welt und es war nicht verwunderlich, dass mein Vater selbst am Abend der Geburt als Zigeunerbaron auf der Bühne stand. Kurz vor Vorstellungsbeginn hieß es: »Eine Zigeunerbaronin ist geboren!« Der Titel dieser Operette sollte für meinen zukünftigen Lebensweg bezeichnend sein.

Zahlreiche Umzüge, Schulwechsel und Aufenthalte in immer neuer Umgebung gehörten zu meinem Leben, doch das Zigeunerleben war nie ein Problem für mich. Immer neue Eindrücke und die Herausforderungen bei Abschied und Ankunft prägten mich und ich empfand diese immer positiv. Schon in der Schule stand man als Neue immer im Mittelpunkt und neue Freunde buhlten um die Gunst der Zugezogenen. Ich integrierte mich spielerisch. Ob Hotelzimmer oder Strandkorb in der Urlaubszeit, überall wohnte ich sofort und fühlte mich zuhause.

Niemals hätte ich mich schon als Kind standhaft behaupten können, wenn das Elternhaus nicht ein starkes Fundament gewesen wäre. Je älter man wird, desto mehr wird einem klar, dass eine Kindheit in Liebe und Harmonie sehr stark macht und dieses Fundament ein Leben lang trägt. Ich spürte eine führende Hand, aber eine Erziehung mit harter Hand habe ich nicht erlebt. Alles basierte auf Liebe und Verständnis und daraus zu schöpfen macht einfach Spaß. Die Worte meiner Mutter sind immer in meinem Gedächtnis geblieben. Sie sagte oft: »Alles in unserem Zuhause hat Klang und Musik, denn alles ist von der Kunst ersungen.« Das ist ein schöner Gedanke. Meine Gagen verwandelten meine späteren Wohnungseinrichtungen sehr klangvoll zu einem großen Orchester.

Ich war ein temperamentvolles Kind. Schon als Kleinkind machte ich die Nacht zum Tage und das Schlafkissen wurde zur Bühne. Meine Eltern mussten das fidele Singen und Hopsen ertragen, sodass schon mal nach einer nächtlichen Vorstellung das Bett wieder zusammengebaut werden musste. Doch mit der Einschulung war der Spuk vorbei.

Schon sehr früh besuchte ich Theateraufführungen. Einmal durfte ich sogar meinen Vater hinter der Bühne besuchen. Auf der Bühne wurde gerade eine große Showtreppe aufgebaut. Ich bettelte so lange, bis man mir erlaubte, diese Treppe einmal hinunterzugehen. Was heißt hier zu gehen – mit meinen sechs Jahren stolzierte ich bereits elegant hinunter und ahmte dabei die von mir sehr verehrte Operettensängerin nach. Ein intensives Erlebnis! Diese Bühnenluft faszinierte mich sofort und der Sog war spürbar.

Erst viel später lernte ich auch den Kampf und das Ringen mit Regisseuren und Intendanten hinter den Kulissen kennen. Immer wieder habe ich erfahren, dass man die Auseinandersetzung nicht scheuen darf. Wenn es um die eigene Persönlichkeit in der Darstellung geht, sollte man sich niemals selbst verleugnen. Doch dazu später mehr.

Mit sechs Jahren kam ich ins Kinderballett am Opernhaus Nürnberg. Die Ballettmeisterin lehrte mich früh, dass das Training in einer Arbeitskleidung stattzufinden hatte und keineswegs im Tutu. Ihr Training war streng und erforderte ein hohes Maß an Disziplin. Gott sei Dank, denn von nichts kommt nichts!

Schönheit war für mich immer wichtig. Jedes kleine Mädchen liebt es, sich schön zu machen. Das Verkleiden und das Spiel als Prinzessin sehe ich als etwas ganz Natürliches. Ich arbeitete als Fotomodell für zahlreiche Modezeitschriften. Schon immer habe ich mich gern fotografieren lassen und bewegte mich ganz natürlich vor der Kamera. Oftmals wartete vor der Schule schon ein Fahrer, der mich zum Fotostudio brachte. In der Maske erhielt ich ein kleines Make-up und meine Haare wurden auf Lockenwickler gedreht. So saß ich dann mit vielen gleich gestylten Kindern im Aufenthaltsraum. Wir hatten viel Spaß zusammen und auch Schularbeiten wurden mit Vergnügen so ganz nebenbei erledigt. Meine Eltern sagten immer: »Wenn es dir Spaß macht, dann mach es.« Und ich machte es – mit Freude. So auch den Klavierunterricht, den ich einige Jahre besuchte. Oftmals war ich mit meinen Leistungen unzufrieden und daher galt die Devise: üben, üben, üben.

Nach und nach erkannte ich meine Stärken. Geprägt von spielerischem Talent und einer gehörigen Portion Fantasie fand ich meinen Weg zur Bühne. Ob auf der Straße, in der Schule oder vor Freunden: Überall inszenierte ich meine Auftritte. Mein Kinderzimmer wurde zu meiner Bühne. Ich wusste von einem älteren Ehepaar im Haus gegenüber, welches oft am offenen Fenster das Treiben draußen verfolgten. Dies brachte mich auf die Idee, dieses Paar als Publikum einzubeziehen und zu erfreuen. Ich öffnete ganz weit das Fenster meines Kinderzimmers und schaltete die Ballettmusik laut. Dann tanzte ich, was ich fühlte, und vergaß darüber die Welt. Meine Freude wuchs mit der Freude meiner Zuschauer. Ich tanzte bis zur Erschöpfung. Ein kleines Eckchen meines Zimmers blieb den Augen der beiden verborgen. In dieses verschwand ich immer kurz um zu verschnaufen, um dann wieder mit neuem Elan meine Vorstellung fortzusetzen. Die beiden waren begeistert; ich war glücklich und sah mich darin bestärkt, meine Vorstellungen, die auf andere offenbar eine Faszination ausübten, zu erweitern und zu vervollkommnen.

Besuche von Tante und Onkel sowie von Freunden meiner Eltern erwartete ich immer mit Aufregung und Freude, denn ich hatte immer etwas vorbereitet und hoffte auf die Möglichkeit, vor den Eingeladenen auftreten zu können. Kleidung und Schuhe lagen stets bereit und der Programmablauf klappte immer wie am Schnürchen. Unter Beifall wechselte ich schnell in den Darbietungen von Klassik bis Modern.

Die Tanzdarbietungen wirkten so rasant, dass sich einige Gäste einmal Gedanken machten ob dies das Kind auch nicht zu sehr beanspruche und die Kräfte vielleicht versagen könnten. Doch diese Sorgen waren völlig unbegründet, denn ich machte das immer mit Vergnügen. Je anstrengender, desto größer der Spaß, je umfangreicher das Programm, desto größer der Beifall. Die Aufmerksamkeit meiner Zuschauer habe ich geliebt und immer wieder gesucht.

Die Programme der Darbietungen wurden professioneller und die Entwicklung bis hin zu dem Erspüren meiner Berufung kam schnell. Meine Entscheidung für einen künstlerischen Beruf war für alle nachvollziehbar und nicht verwunderlich.

Meine Begeisterung erhielt mit der Aussage meiner Mutter, die mir klar zu verstehen gab, dass die Arbeit jetzt erst richtig beginne, einen ersten Dämpfer. Ich war in der Realität angekommen. Meine Eltern erkannten meine ungebändigte Spiellust, aber sie machten mir unmissverständlich klar, dass zur Begabung ein stabiler Boden gehöre und das bedeutete: Eine gute Ausbildung.

Das Arbeiten an den Schauspielrollen zusammen mit meiner Mutter – die übrigens auch eine hervorragende Lehrerin war – dürften für sie nicht leicht gewesen sein. Ich danke ihr noch heute für ihre stoische Ruhe, mit der sie mein ungezähmtes Temperament ertrug und zu bändigen verstand.

Ich war nun 16 Jahre alt und stand kurz vor meinem Schulabschluss. Danach wollte ich sofort auf die Schauspielschule. Zu jener Zeit gab es allerdings nur zwei Schulen, die Schüler und Schülerinnen unter 18 Jahren aufnahmen: die Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Frankfurt am Main und die Hochschule in Zürich. Ganz klar entschied ich mich für eine Anmeldung zur Aufnahmeprüfung in Frankfurt, da diese Stadt nur eine Stunde von meinem Elternhaus entfernt lag. Ich erhielt die Prüfungsunterlagen und der Startschuss war gegeben.

Bis heute ist mir folgende Begebenheit unerklärlich: Vor dieser Aufnahmeprüfung fuhren meine Eltern mit mir nach Frankfurt und suchten für mich eine Wohnung. Ein hübsches Zimmerchen mit Kochnische und Badbenutzung war schnell gefunden, fünf Minuten von der Hochschule entfernt und sehr zentral. Der Mietertrag wurde unterzeichnet. Ich hatte also eine Wohnung, obwohl ich noch keine Zusage seitens der Hochschule hatte. Meine Eltern hatten offenbar nicht den geringsten Zweifel, dass ich die Prüfung bestehen würde. So viel Beistand gab mir unendliches Selbstvertrauen. So viel Zustimmung war einfach sensationell.

Der Prüfungstag kam und ich war vorbereitet. Ich hatte mir dafür ein Kleid ausgesucht, das allerdings völlig ungeeignet für ein Vorsprechen war. Ein kurzes Lederkleid, dazu hohe Schuhe. Meine Mutter redete unermüdlich auf mich ein, ich solle doch etwas anderes, etwas Passenderes anziehen, aber alles Reden war vergeblich. Ich fühlte mich wohl in meiner Kleidung und somit siegessicher.

Auch wenn ich im Nachhinein vollkommen auf der Seite meiner Mutter stehe und dieses Outfit heute als völlig unpassend empfinde, so hat es doch eines gezeigt: Wenn man von sich überzeugt ist, dann strahlt man das auch aus. Ein selbstsicheres Auftreten führt zum Erfolg, vorausgesetzt, die Mitglieder der Jury erkennen das Talent – trotz unangemessener Kleidung.

Im Gleichschritt mit Mami

Auf Papis Schultern immer sicher

Das Spiel kann beginnen

Schon immer gerne vor der Kamera

Ohne Fleiß kein Preis

Aufnahmeprüfung

Mein Nachname Zimmermann befand sich am Ende der Prüfungsliste. Die insgesamt nur 40 Prüflinge warteten in großer Aufregung vor einem Vorsprechen oder schon angespannt auf die Entscheidung der Jury nach dem bereits überstandenen Vorsprechen. Mit meinen 16 Jahren war ich die jüngste und dennoch diejenige mit der geringsten Prüfungsangst. Im Gegensatz zu den anderen freute ich mich unendlich darauf, mich mit meinen Darbietungen einem geschulten Kreis präsentieren zu können. Da auch ein Tanz- und Gesangsstück zur Auswahl stehen sollte, hoffte ich insgeheim, meine volle Bandbreite zeigen zu können. Eines sei noch erwähnt: Die Tochter des Direktors der Hochschule war als Schauspielerin am Theater Würzburg engagiert. Sie war viele Jahre im Ensemble eine gute Kollegin meiner Mutter. Aus diesem Grund wollte ich dem Direktor einen Gruß von meiner Mutter, mit ihrem Bühnennamen Antje Pilz, ausrichten.

Endlich wurde ich aufgerufen. Später sagte man mir, ich trat nicht ein, sondern auf. Ich spielte die gewünschten Rollen und konnte auch noch einen musikalischen Vortrag bringen. Ich hatte schon damals viele Stars in meinem Repertoire. Das Playback oder gar die Playback-Show gab es noch nicht und niemand konnte sich darunter etwas vorstellen. Ich setzte mich an den Flügel und playbackte den John-Lennon-Song Mother. Die Jury zeigte sich interessiert und verfolgte halb fasziniert halb amüsiert meine Gesangsdarbietung. Es hieß danach: »Danke, wir werden beraten und rufen Sie danach wieder in den Saal.«

Es dauerte nicht allzu lange und ich hörte abermals meinen Namen. Die Jury, bestehend aus acht Damen und Herren, saß mir gegenüber; in der Mitte ein sehr markanter charismatischer Mann, der das Wort führte. Ich war mir sicher: das musste der Hochschuldirektor sein.

Er fragte mich: »Wenn wir Sie jetzt aufnehmen würden, kommen Sie dann täglich von Würzburg nach Frankfurt gefahren?«

»Nein«, entgegnete ich selbstsicher. »Ich habe es nicht weit, ich habe ja schon eine Wohnung in der Nähe der Schule gemietet.« Erstauntes Schweigen.

Nach einer kurzen Pause meinte er: »Also, wir haben einstimmig beschlossen, Sie an unserer Schule aufzunehmen.«

»Danke schön, das freut mich sehr«, antwortete ich und ergänzte: »Übrigens, ich soll Sie von meiner Mutter grüßen.«

Interessiert fragte er mich: »Ja wer ist denn Ihre Mutter?«

Darauf antwortete ich sehr selbstbewusst: »Na Antje Pilz!«

Der Herr in der Mitte war übrigens nicht der Hochschuldirektor, sondern der allseits bekannte Schauspieler und auch durchaus gefürchtete Schauspiellehrer Franz Kutschera vom Schauspielhaus Frankfurt. Wie sich viel später herausstellte, war er von meiner Antwort so sehr beeindruckt, dass er es nicht wagte, den Namen zu hinterfragen, um damit zugeben zu müssen, dass er eine Schauspielerin mit diesem Namen gar nicht kenne. Ich muss also eine hohe Überzeugungskraft ausgestrahlt haben.

In diesem Zusammenhang möchte ich unbedingt von dem wunderbaren Vorsprechen meiner Mutter erzählen. Sie war gerade mal 15 Jahre alt und meldete sich zum Vorsprechen bei Professor Birck an der Hochschule für Musik und Darstellenden Kunst in Prag. Ein Vorsprechen vor der offiziellen Aufnahmeprüfung war üblich.

Meine Mutter, ebenfalls temperamentvoll und überzeugungsstark, aber eher im komischen Fach zu Hause, wollte unbedingt das Gretchen-Gebet vorsprechen: Ach neige du Schmerzensreiche … Dieser Monolog aus Faust gehörte früher zu jedem Vorsprechprogramm der sogenannten jugendlich Naiven / jugendlich Sentimentalen. – Ja, wer das heute liest, wird sich darüber wundern. Früher gab es noch die jeweiligen Fachbezeichnungen in den Rollen. Ich finde die Rolleneinteilung eigentlich ganz richtig, denn jeder Schauspieler hat eine Ausstrahlung für ein bestimmtes Fach. Häufig fragt sich das Publikum, woran es liegt, dass ein Schauspieler trotz toller Darstellung nicht überzeugt. Sie fühlen, dass etwas nicht stimmt, können es aber nicht benennen. Meistens aber liegt es einfach an der Besetzung einer Rolle, die nach einer anderen Ausstrahlung verlangt. Heute wird oft bewusst gegen das Fach, das heißt gegen den Typ besetzt und in den seltensten Fällen geht das auf.

Nun ja, meine Mutter sprach also mit voller Hingabe und Inbrunst das bekannte Gretchengebet. Am Ende ihres Vortrags sah sie den berühmten Professor sich die Brille abnehmend und die Tränen abwischend im Zuschauerraum. Meine Mutter glaubte selbstverständlich, dass sie mit ihrem emotional vorgetragenen Monolog den Professor derart gerührt und berührt habe. Nach einer Weile meinte er: »Also, so komisch habe ich das Gretchengebet noch nie gehört. Studieren sie ganz schnell das Lieschen im Faust und sprechen Sie das zur Aufnahmeprüfung vor. Ich gehe davon aus, dass Sie aufgenommen werden.« Darauf erwiderte meine Mutter »Was, so eine kleine Rolle?«

Auch hier war eindeutig ein großes Selbstbewusstsein in so jungen Jahren erkennbar. Ein gesundes Selbstbewusstsein liegt meist in einer starken Persönlichkeit.

Studienzeit

Das erste Mal allein! Mit 16 Jahren lebte ich nun in der Großstadt Frankfurt. Die Großstadt empfand ich nicht als Gefahr, sondern eher als eine Herausforderung. Außerdem sah ich mich geborgen in meinem Kiez, das hieß: Wohnung – Hochschule – Theater.

Schon in jungen Jahren auf eigenen Beinen zu stehen ist schon eine Herausforderung, aber nur so kann man sich voll auf sich selbst konzentrieren, Dinge ausprobieren und lernen, allein damit umzugehen.

Die Arbeit an der Hochschule war ausgefüllt mit vielen Fächern, die ich alle interessant fand. Die ersten Semester waren geprägt von Lehrern, mit denen ich auf einer Wellenlänge war. Die Rollenarbeit machte unendlich viel Spaß, jedoch vermisste ich schon damals etwas im Schauspiel: die Musik. Man wird im hohen Maß von der Musik getragen. Mit Musik wirkt alles leichter und spielerischer. Von Anfang an war mir klar, dass ich unbedingt neben meinem Schauspielstudium an der Musikhochschule zusätzlich das Fach Gesang belegen wollte. Das war eigentlich nicht möglich, denn die Sparten Musik und Schauspiel waren an der Hochschule getrennt. Inspiriert von den amerikanischen Musicals, die in Deutschland mehr und mehr aufgeführt wurden, ging ich eines Tages zum Direktor und erzählte ihm von meinem Gedanken. Er erklärte mir, dass er meinem Wunsch nachkommen würde, wenn sich ein Professor fände, der eine Schauspielerin im Fach Gesang