Gunter Pirntke

 

 

Spionin des Glaubens



Elisabeth von Rochlitz

- eine Frau der Reformation

 

Impressum

Covergestaltung: Gunter Pirntke

Lektorat: Stephanie Pinkowsky

Digitalisierung: Gunter Pirntke


© 2017


ISBN

9783961186303


Mail: brokatbook@aol.com

Gunter Pirntke, Altenberger Str. 47

01277 Dresden, Ruf: +49 (0)15901959485



 

Hinweis

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Inhalt

Impressum

Einleitung

Handelnde Personen und politische Ereignisse

Elisabeth von Hessen

Schloss Rochlitz

Schmalkaldische Bund

Wurzener Fehde

Moritz von Sachsen

Johann Friedrich I.

Kaiser Karl V.

Die Spionin

Schlussbemerkungen

Quellen

 

Einleitung

 

 

Unerschrocken kämpfte sie für den lutherischen Glauben, hatte nur vor Gott Angst und baute schließlich als erste Frau in Sachsen einen eigenen Nachrichtendienst samt Agentenring auf: Elisabeth von Rochlitz - eine der herausragendsten Frauen der Reformationszeit. Täglich schrieb sie an die mächtigen Männer ihrer Zeit und mischte sich in die Reichspolitik ein. Dennoch scheint sie beinahe vergessen, wie viele andere Frauen, die die Reformation vor 500 Jahren vorantrieben. Dieses Buch stellt Elisabeth von Rochlitz und ihre geheimdienstlichen Aktivitäten gegen Moritz von Sachsen in den Mittelpunkt.

 

An die 10.000 Briefe soll Elisabeth von Rochlitz verfasst haben, gut 2.000 sind erhalten geblieben. Mit Hilfe dieser Briefe lässt sich ihre Geschichte um Liebe, Verrat und den Kampf um den Glauben rekonstruieren: Im Februar 1546 stirbt Martin Luther. Nur wenige Monate nach seinem Tode entwickelt sich die Lage der Protestanten im Deutschen Reich so brisant wie nie zuvor. Der katholische Kaiser war bestrebt, die Glaubenseinheit im Reich wiederherzustellen und so kommt es bereits Mitte des Jahres 1546 zum Krieg. Gegen den Kaiser hatten sich einige protestantische Landesherren und Reichsstädte seit 1531 im sogenannten Schmalkaldischen Bund zusammengeschlossen - einzige Frau dabei war Elisabeth von Rochlitz.

 

Als überzeugte Protestantin kämpfte sie nicht nur gegen den Kaiser, sondern auch gegen ihren eigenen Landesherren, ihren Neffen Moritz von Sachsen. Denn der ist zwar Protestant, aber stand auf Seiten des Kaisers. Elisabeth entschließt sich zu einem riskanten Schritt. Sie wurde geheime Agentin des neuen Glaubens, auch wenn sie damit ihren Neffen hintergehen musste. Sie baute ihren Witwensitz, das Schloss Rochlitz, zur Zentrale eines Agentenringes aus und entwickelte sogar eine Geheimschrift, um verbündeten Fürsten die Truppenbewegungen der Feinde mitzuteilen. Aber kann sich die Fürstin ausreichend vor einer Entdeckung schützen? Immerhin betrieb sie Hochverrat. Ein solches Vergehen konnte in der damaligen Zeit nicht nur den Verlust ihrer Besitztümer zur Folge haben, sondern sie auch das Leben kosten.

 

Wer war wohl diese adlige Dame, dargestellt mit Weinkelch, in einem der Kirchenfenster der Rochlitzer Kunigundenkirche?

 

Handelnde Personen und politische Ereignisse

 

Elisabeth von Hessen

 

Am 4.März 1502 wurde Elisabeth als erstes Kind des Landgrafen Wilhelm II. von Hessen und seiner Ehefrau Anna, Herzogin von Mecklenburg, im Marburger Schloss geboren.

 

Drei Jahre später erfolgte die Geburt des Bruders Philipp, der zur entscheidenden Bezugsperson in ihrem Leben werden sollte. Auf dem Sterbebett verpflichtete Landgraf Wilhelm seine beiden Kinder, füreinander zu leben. Und Elisabeth wird seine Worte als eine wichtige Lebensaufgabe ansehen.

 

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Elisabeth von Sachsen („Herzogin von Rochlitz“), Gemälde von Lucas Cranach d. Ä., 1534

 

Elisabeth, eine der einflussreichsten evangelischen Fürstinnen der Reformationszeit (zum damaligen Zeitpunkt war sie noch Anhänger des katholischen Glaubens), verlebte eine bewegte Kindheit.

 

Diese war geprägt von den Auseinandersetzungen ihrer Mutter Anna von Mecklenburg mit den hessischen Landständen, die nach dem Tode ihres Vaters Wilhelm II. im Jahr 1509, unter Missachtung seiner testamentarischen Anweisungen, einen fünfköpfigen Rat unter Vorsitz des Landhofmeisters Ludwig von Boyneburg zu Lengsfeld bildeten. Dieser Rat übernahm die Regierung für den noch minderjährigen Landgrafen, Elisabeths Bruder Philipp I., und stellte Anna und ihre Kinder unter Vormundschaft.

 

 

 

 

Elisabeth lebte seit dieser Zeit bei ihrer Mutter, die auf ihr Wittum in Gießen verwiesen wurde, während ihr Bruder in Kassel unter Aufsicht von Ludwig von Boyneburg verblieb.

 

So war Elisabeths Kindheit geprägt von den Kämpfen der Mutter um ihr Recht, dem Schmerz über die Trennung vom geliebten Bruder und finanzieller Not. Die Stände kamen z. B. ihren Verpflichtungen nicht nach, für Unterhalt und Kleidung Elisabeths zu sorgen. Dies wird unter anderem an einem Vorfall im Jahr 1512 deutlich. In diesem Jahr heiratete Annas Schwester Katharina den Herzog Heinrich von Sachsen. Zu diesem Anlass wollte Anna wohl ihre Tochter Elisabeth am sächsischen Hof einführen, da sie schon sehr früh dem ältesten Sohn Georgs des Bärtigen, Erbprinz Johann, versprochen worden war. Der dafür beim Rat angeforderte Damast kam aber nicht. Elisabeths Mutter nahm daher ihre Tochter wegen „ärmlicher Kleidung“ nicht mit nach Dresden. Elisabeth wuchs daher wohl sehr bodenständig und in Kontakt zu gewöhnlichen Bürgerlichen auf.

 

Hatte sich Elisabeth die Beharrlichkeit und den starken Eigenwillen ihrer Mutter zu eigen gemacht, so bewunderte sie aber auch Mut und Draufgängertum ihres Bruders, sparte aber auch nicht mit Ermahnungen, denen sich der jüngere Philipp fügte.

 

Der Marburger Kirche fühlte sich Elisabeth besonders verbunden, da sich in ihr die Grabstätte der "Heiligen Elisabeth", ihrer Namensschwester, befindet. So nahm sie sich bereits im jugendlichen Alter vor, wie ihre Vorgängerin einmal Wohltäterin der Armen zu werden. Und zeitlebens wird sie ihrem Vorsatz treu bleiben, Spitale (z. B. das Rochlitzer Spital) durch Spenden zu unterstützen.

 

Erst 1514 gelang es ihrer Mutter, die Ratsvormundschaft über sich und ihre Kinder zu lösen. Elisabeth, ihr Bruder und ihre Mutter lebten seit dieser Zeit wieder zusammen in Kassel. Anna erhielt die Vormundschaft für ihre Kinder zurück, blieb aber bei der Regierung des Landes von einem Beirat abhängig.

 

Gemäß der Ehevereinbarung der Väter aus dem Jahr 1505, als Elisabeth 3 Jahre und Johann von Sachsen 7 Jahre alt gewesen war, wurden die Kinder im Jahre 1515 in Marburg "verheiratet". Der künftige Wohnsitz des jungen Paares sollte natürlich der Hof in Dresden sein, aber Elisabeth wollte sich nicht von Mutter und Bruder trennen. Als sie später, nun Gemahlin des albertinischen Thronfolgers, an den sächsischen Hof kam, spürte sie einen deutlichen Gegensatz zwischen dem freien Leben am hessischen Hof ihrer Mutter und der Sittenstrenge in der Hofhaltung des Schwiegervaters.

 

Am 8. März 1515 fand die Verlobung zwischen Elisabeth und Johann statt, nachdem der Papst seinen Dispens erteilte1. Elisabeth lebte aber weiterhin bei ihrer Mutter in Kassel. Am 27. August 1515 wurde in Marburg die Ehe geschlossen – ein kirchlicher Akt, dem ein Urkundenaustausch, die „freuntlich eynug“ folgte. Das Beilager, der Vollzug der Ehe, fand am 20. Mai 1516 in Marburg statt. Erst ab Januar 1519 hielt sich Elisabeth dauerhaft am Hof in Dresden auf.

 

 

 

 

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Johann und Elisabeth im Sächsischen Stammbuch von 1546

 

Im Jahre 1515, also kaum 13 Jahre alt, wurde Elisabeth, Tochter des Landgrafen von Hessen, an den nur vier Jahre älteren Johann von Sachsen, verheiratet. Mit ihrer Heirat wurde sie zur Erbin eines der reichsten Fürstentümer im Heiligen Römischen Reich. Ihr Schwiegervater Georg kontrollierte den sächsischen Silberbergbau. Die Leipziger Messe, Dreh- und Angelpunkt des Handels zwischen Ost und West, gehörte zu seinem Herrschaftsgebiet. Der Onkel ihres Mannes, Kurfürst Friedrich der Weise, spielte eine zentrale Rolle in der Verwaltung des Heiligen Römischen Reichs und galt als vielversprechender Anwärter auf die Nachfolge des alternden Kaisers Maximilian I.

 

Die Heimfahrt nach Sachsen erfolgte im Herbst 1517, wo Elisabeth am 11.11. in Leipzig feierlich empfangen wurde. Am wettinisch-albertinischen Hof in Dresden kam ihr als Gemahlin des zur Herrschaftsnachfolge bestimmten Herzogs Johann eine von vielfältigen Erwartungen und Ansprüchen geprägte, zentrale Rolle im höfisch-dynastischen Rahmen zu. Im weiblichen Hofstaat nahm bis zu ihrem Tod 1534 Herzogin Barbara, die Gemahlin Herzog Georgs (der Bärtige), die erste Stelle ein.

Hieraus und aus dem Gegensatz zwischen dem strengen, autoritären und alten „Hausvater“ Georg und der Spielräume auslotenden, lebendigen und jugendlichen Elisabeth entwickelten sich schon zeitig Konflikte.

 

Fröhlicher und unbeschwerter Umgang mit der Dienerschaft, ihre Weigerung, täglich die Frühmesse zu besuchen (Elisabeths Meinung: Einen frommen Christen erkennt man daran, dass er im Herzen gut ist und Gottes Gebote einhält) waren Gründe für die Einsetzung einer Hofmeisterin, die Elisabeths Erziehung lenken sollte. Durch ihre Eigenwilligkeit verschaffte sie sich in der Hofmeisterin eine gefährliche Feindin, die die Eintracht zwischen Elisabeth und ihrem Schwiegervater zu stören versuchte. Böse Zungen sorgten sogar dafür, ihr eheliche Untreue nachzuweisen. Religiöser Zwiespalt und der persönliche Wunsch nach einem Kind und einem eigenen Heim bedrückten Elisabeth sehr. 1532/33 geriet Elisabeth durch Ehebruchsvorwürfe Hans von Schönbergs und Heinrich von Schleinitz’, zweier einflussreicher albertinischer Räte, weiter unter Druck. Der „Fall Elisabeth“ entwickelte sich über Sachsen hinaus zur diplomatisch-politischen Kontroverse zwischen lutherischen und altgläubigen Fürsten. Elisabeth bestritt die gefährlichen Anschuldigungen heftig. Durch Intrigen einer gehässigen Hofmeisterin wurde Elisabeth sogar ein Liebesverhältnis mit einem Adligen des Dresdner Hofes angelastet. Jedoch Johann vertraute seiner Frau, durfte ihr aber nur bedingt beistehen, da der Vater mit Enterbung drohte.

 

Als die Intrigen am Hof gegen Elisabeth immer weiter zunahmen (März 1533), weigerte sie sich, zum Abendmahl zu gehen mit dem Argument, dass sie zu zornig auf ihre Widersacher und daher nicht reinen Herzens sei; aus diesem Grunde könne sie nicht verantworten, das Abendmahl zu empfangen. Herzog Georg befahl seinem Sohn, Elisabeth zum Abendmahl zu zwingen, denn schließlich solle laut Bibel eine Frau ihrem Mann untertan sein. Aber Elisabeth hatte auch die Bibel gelesen und hielt dagegen, dass ein Mann Vater und Mutter verlassen solle, um seinem Weibe anzuhängen. Und da ihr Gemahl vollkommen unter dem Pantoffel seiner Eltern stehe, hielt sie es nicht für ihre Pflicht, ihm gehorsam zu sein. Außerdem, so argumentierte sie, habe Herzog Georg diesen Befehl erteilt und mit diesem sei sie nicht verheiratet. Dass sie darauf bestand, Abendmahl in beiderlei Gestalt zu empfangen, heizte den Streit weiter an und wurde von Herzog Georg ohnehin nicht erlaubt.

Im Sommer 1533 erkrankte sie schwer. Erst nach dem Tod der Schwiegermutter Herzogin Barbara im Februar 1534 ebbte der Konflikt ab.

Elisabeth war im Gegenzug ständig an einer Versöhnung zwischen hessischem und sächsischem Hof interessiert. Unter anderem hatte sie entscheidenden Anteil daran, dass Bruder Philipp im Jahr 1523 Georgs Tochter Christine heiratete.