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Titelseite

Inhalt

Ganz tief unten

Nicht mein Dämon

Ein irrer Kannibale

Hinternlicht

Mausetot

Hölle kaputt

Schwarz

Ordentliches Chaos

Mupselbärchen

Mehr foltern

Ein großer Gunther

Ich steeeeeeeeerbe!

Am Hintern

»Hallo? Steven? Hörst du mich? Hallo? … Verdammt, wie ich diese verflixten Schrei-Phones hasse! Hab ich hier unten überhaupt Empfang? … Die grünen Hörner drücken, oder? Hab ich doch gemacht! Wieso tutet es nicht?«

Ganz tief unten

»Steven? Kannst du mich hören? Lebst du überhaupt noch? Antworte doch! Haben sie dich geschnappt? Ich konnte gerade noch entkommen und mich verstecken. Ich bin ganz tief unten. Ich glaube, in diesem Teil der Hölle war selbst ich noch nie. Ist aber wahrscheinlich nur eine Frage der Zeit, bis sie mich finden. Wie konnte das überhaupt passieren? Auf einmal waren sie da. Ich habe versucht sie aufzuhalten, aber es waren zu viele. Wenn ich nur wüsste, wer dahintersteckt. Weißt du irgendwas? Steven? Bist du da? Kannst du den CEO anrufen? Kann ich den CEO anrufen? Ist seine Nummer hier eingespeichert?

Obwohl, besser nicht. Vielleicht hat er das ja alles angeordnet. Würde mich nicht wundern, wenn unser Chronisch Einzigartiger Oberchef hinter alldem steckt. Und selbst wenn er nicht dafür verantwortlich ist, unternimmt er nichts dagegen. Was bedeutet, er findet es offenbar völlig in Ordnung, was hier gerade passiert. Dieser Mistkerl!

Was machen wir denn jetzt? Eins steht fest, kampflos werde ich denen die Hölle nicht überlassen! Aber allein schaff ich das nicht! Wir brauchen Hilfe, Steven! Ich weiß nicht, wer von uns überhaupt noch frei ist. Ich habe gesehen, wie sie Fluxus abgeführt haben. Ich bin nur froh, dass Luzie oben in Sicherheit ist. Hoffentlich lassen sie ihn in Ruhe. Ich schwöre dir, wenn sie sich an meinem Sohn vergreifen, dann …

Oh, ich höre Schritte. Ich muss auflegen, Steven. Falls du mich gehört hast, melde dich! Wir müssen uns etwas einfallen lassen! Sei auf der Hut! Lass dich nicht schnappen! Sie kommen näher. Sie sind gleich bei mir. Es sind fünf, ich kann sie riechen. Na wartet, so leicht werde ich es euch nicht machen. Noch bin ich der Chef hier unten! Und wer sich mit der Hölle anlegt, kriegt es mit dem Teufel höchstpersönlich zu tun!

HEY, IHR AASGEIER! HIER BIN ICH! IHR HABT MICH GEFUNDEN! FRAGT SICH NUR, WIE LANGE IHR EUCH DARÜBER FREUEN KÖNNT, NACHDEM ICH EUCH ERST DIE KÖPFE ABGERISSEN HABE! HUNDERTTAUSEND HEULENDE HÖLLENHUNDE!«

Nicht mein Dämon

Okay, was brauche ich noch? Die Sachen, die ich für Steven gekauft habe. Ich packe das Tablet und das Smartphone in meinen Rucksack. Hoffentlich braucht er das Zeug überhaupt noch. Hoffentlich lebt er überhaupt noch. Und Papa auch. Und alle anderen.

Wenn ich nur wüsste, was da unten los ist. Irgendwie habe ich ein ganz schlechtes Gefühl. Aber genau deswegen gehen wir ja runter. Und genau deswegen müssen wir auf alles vorbereitet sein.

Das Handbuch! Mein Handbuch für junge Dämonen! Das darf ich nicht vergessen! Da steht zwar drauf, dass die Dämonensprüche für die Oberwelt gelten, aber vielleicht kann ich das ja trotzdem unten auch gebrauchen. Wo ist es bloß? Ich durchwühle meinen Schrank, kann es aber nicht finden.

»Cornibus? Weißt du, wo mein Handbuch für Dämonen ist?«

»Cornibus gefressen«, antwortet Cornibus und kichert.

»Das ist jetzt nicht die Zeit für blöde Witze, Cornibus«, ermahne ich ihn. »Du weißt, in der Hölle stimmt etwas nicht. Ich mache mir große Sorgen. Machst du dir keine Sorgen um deine Freunde unten?«

»Cornibus keine Freunde unten. Andere Hausdämonen doof. Cornibus nur einen Freund. Aber allerbester Freund. Luzie. Und Schlotzolade.«

Jetzt muss ich doch kurz lachen. Dieser Schlingel. Er schafft es immer wieder, wie aus dem Nichts auf das Thema Schokolade zu kommen. Wofür ich ihm aber nie böse sein kann – Schokolade ist hier oben definitiv auch mein absolutes Lieblingsessen. Leider kann ich keine mit nach unten nehmen, sie würde sofort bei Betreten der Hölle schmelzen.

»Dann hilf doch deinem allerbesten Freund bitte mal beim Suchen des Handbuchs«, sage ich zu ihm. »Wer es zuerst findet, kriegt auch ein Stück Schokolade.«

Cornibus verwandelt sich blitzschnell in einen Spürhund und schnüffelt suchend im Zimmer umher. Ich knie mich auf den Boden und sehe nach, ob das Handbuch vielleicht unters Bett gefallen ist. Doch da ist nichts. Plötzlich spüre ich Cornibus’ Schnauze an meinem Hintern.

»Hey, was machst du denn da?«, frage ich. »Du sollst nach dem Handbuch suchen und nicht an meinem Hintern schnüffeln.«

»Cornibus Handbuch gefunden. Hinten in Hose. Cornibus Schlotzolade.«

Ich stehe auf und greife in meine hintere Hosentasche. Tatsache, da ist es. Wann habe ich das denn eingesteckt? Egal.

»Gut gemacht, Cornibus«, lobe ich ihn und kraule ihn hinter den Ohren.

Er verwandelt sich sofort in meine Lieblingskatze und springt auf meine Schulter. Ich ziehe eine Tafel Schokolade aus meiner Nachttischschublade und breche einen Riegel für ihn ab. Als ich ihm die Schokolade hinhalte, fängt er plötzlich an zu fauchen.

»Nanu?«, wundere ich mich. »Was ist denn mit dir los?«

»Dämon! Draußen!«, sagt Cornibus.

Er springt von meiner Schulter, verwandelt sich in seine ursprüngliche Form und knurrt die Tür an.

Im nächsten Augenblick klopft es.

»Wer ist da?«, frage ich angespannt.

»Schwester Miriam«, ertönt es als Antwort.

»Komm rein«, rufe ich erleichtert.

Die Tür öffnet sich und Schwester Miriam betritt das Zimmer. Wobei das ja gar nicht Schwester Miriam ist, aber das weiß ich erst seit einer Stunde.

Schwester Miriam ist in Wirklichkeit nämlich ein Dämon, den mein Vater als Krankenschwester getarnt in St. Fidibus eingeschleust hat, um zu überprüfen, was ich hier oben so mache. Sie, oder eigentlich ja er, hat meinem Vater jeden Tag per E-Mail Bericht erstattet. Auf die letzte Nachricht hat er allerdings nicht geantwortet, und dann kam eine Mail, in der stand, dass es in der Hölle eine neue Geschäftsführung gäbe. Daraufhin hat sie ihre Tarnung aufgegeben, um mir davon zu erzählen. Seitdem mache ich mir nun Sorgen um meinen Vater. Freiwillig hat er die Geschäftsführung der Hölle ganz sicher nicht aufgegeben. Dazu ist er nicht der Typ. Deshalb habe ich sofort beschlossen, selbst unten nachzusehen.

»Wann willst du aufbrechen?«, fragt sie mich, kaum dass sie das Zimmer betreten hat.

»So schnell wie möglich«, antworte ich. »Sobald die anderen da sind, kann es losgehen.«

Falls Lilly, Aaron und Gustav es sich nicht mittlerweile noch anders überlegt haben. Übel nehmen könnte und würde ich es ihnen nicht. Sie sind schließlich ganz normal sterbliche Menschen. Bis auf Lilly vielleicht. Der Spion behauptet nämlich, sie hätte Dämonenblut in sich, das könne er riechen. Ob ich das glauben soll, weiß ich noch nicht. Ich traue diesem Dämon nicht. Lilly ist auch skeptisch, aber sie will mit in die Hölle, um rauszufinden, ob es vielleicht doch stimmt. Aaron und Gustav haben definitiv kein Dämonenblut in sich, aber sie haben sofort gesagt, dass sie uns begleiten wollen. Das hat mich ziemlich überrascht und sehr gerührt. Ich meine, das müssen schon echte Freunde sein, wenn sie einem, ohne zu zögern, in die Hölle folgen wollen. Und nach so kurzer Zeit echte Freunde hier oben zu haben, darauf bin ich schon sehr stolz. Schließlich bin ich erst knapp drei Monate hier, und das noch nicht einmal freiwillig. Mein Vater hat mich hochgeschickt, weil ich ihm zu lieb war für die Hölle. Ich sollte auf der Erde lernen, böse zu sein.

So wie er sich das vorgestellt hat, ist es aber nicht gelaufen. Ich habe bisher nur gelernt, dass ich böse Menschen nicht mag. Und dass Freunde zu haben etwas ganz Großartiges ist.

»Denkst du wirklich, es ist eine gute Idee, diese Menschen mit in die Hölle zu nehmen?«, fragt mich der Dämon. »Soweit ich weiß, ist es sehr lang her, dass ein lebendiger Mensch die Hölle betreten hat. Das war so ein Grieche, der seine Frau retten wollte. Er hieß Orpheus oder so ähnlich. Ist nicht gut ausgegangen für die beiden, glaube ich.«

»Natürlich mache ich mir Sorgen, dass ihnen etwas passieren könnte«, bestätige ich. »Wir wissen ja nicht, was uns dort erwartet. Aber das sind meine Freunde und sie wollen mir helfen. Und du wirst mir doch sicher helfen, sie zu beschützen, oder?«

»Ich führe normalerweise nur Befehle deines Vaters aus«, erklärt der Dämon. »Solange er mir aber keine Befehle gibt oder geben kann, bist du als sein Sohn der Nächste in der Rangfolge. Ich werde also alles machen, was du mir sagst.«

»Das ist gut zu wissen«, sage ich. »Wie heißt du eigentlich? Also, richtig, meine ich. Wenn du nicht gerade wie Schwester Miriam aussiehst.«

»Ich bin Auribus.«

»Okay, Auribus. Dann gebe ich dir hiermit den Befehl, immer auf meine Freunde aufzupassen und sie notfalls mit deinem Leben zu beschützen, solange wir in der Hölle sind.«

»Alles klar, Chef. Wird gemacht.«

Hihi, Chef, das klingt lustig. Ich war noch nie Chef von irgendwas.

»Sehr gut«, sage ich. »Hast du noch irgendwelche Tipps für die Vorbereitung?«

»Da wir nicht wissen, was genau uns unten erwartet, wüsste ich nicht, wie wir uns darauf vorbereiten könnten«, antwortet Auribus. »Ich habe auf allen Kanälen versucht, etwas über die Lage unten herauszufinden, aber es hat niemand geantwortet.«

»Das ist wirklich sehr beunruhigend. Was ist da bloß …«

Die Tür öffnet sich, Aaron streckt seinen Kopf herein.

»Kann ich reinkommen? Reinkommen?«, fragt er.

»Klar«, antworte ich. »Komm rein.«

Aaron betritt das Zimmer. Cornibus springt sofort in seine Arme und lässt sich von ihm streicheln. Cornibus liebt Aaron. Ich auch. Am Anfang fand ich ihn etwas seltsam mit all seinen komischen Ticks. Er wiederholt immer das letzte Wort, das er sagt. Und er tritt Leuten ans Schienbein, wenn er sich ihnen zum ersten Mal vorstellt. Und was weiß ich, wie viele dieser Ticks er sonst noch hat. Das macht er aber alles nicht frei- oder gar böswillig. Er kann nicht anders, das sind Zwangshandlungen, dagegen ist er machtlos. Das liegt an seinem Gehirn, sagen seine Eltern, damit würde irgendwas nicht stimmen. Deswegen muss er in den Ferien immer in irgendwelche Krankenhäuser, um sich untersuchen zu lassen. Absoluter Blödsinn. Aaron ist nicht krank, er ist nur ein bisschen anders, was ihn in meinen Augen nur noch liebenswerter macht. Bei ihm war ich mir auch ziemlich sicher, dass er keinen Rückzieher macht. Aaron verspürt nämlich keine Angst, und zwar niemals. Das ist ein Gen-Defekt, hat er mir erklärt. Damit ist er natürlich wie geschaffen für einen Besuch in der Hölle.

»Hast du schon gepackt?«, frage ich ihn. »Was nimmst du alles mit?«

»Nicht viel«, antwortet Aaron. »Meine Reisetabletten, Wanderschuhe und meinen selbst gebauten Elektroschocker. Elektroschocker.«

»Gute Idee«, stimme ich zu. »Wobei ich nicht weiß, ob ein Elektroschocker bei Dämonen funktioniert.«

»Das werden wir gleich wissen«, schaltet sich Auribus ein. »Probier ihn mal an mir aus.«

»Im Ernst?«, fragt Aaron. »Das Gerät hat fünfhunderttausend Volt. Das könnte ganz schön wehtun. Wehtun.«

»Ich halte einiges aus«, behauptet Auribus. »Als Spion der Hölle muss man regelmäßig Folterprüfungen ablegen. Letztes Mal wurde ich drei Tage lang mit glühend heißen Stricknadeln gepikt. Das hat echt Spaß gemacht und ich habe eine Eins gekriegt.«

Aaron sieht mich fragend an.

»Wenn er das so will, dann mach eben«, ermuntere ich ihn. »Er ist der Dämon hier.«

»Na gut«, sagt Aaron und zieht den Elektroschocker aus seiner hinteren Hosentasche. »Möchten Sie sich vielleicht zuerst in Ihre Dämonenform verwandeln? Verwandeln?«

»Nicht nötig«, lehnt Auribus den Vorschlag ab. »Dieser Körper hält so einiges in jeglicher Form aus.«

Aaron hält den Elektroschocker an Schwester Miriams Hintern und drückt ab.

»AAAAAAAAHHHHHH!«, schreit sie auf, während sich kleine Blitze über ihren Körper ausbreiten.

Im nächsten Moment vollzieht sie einen Salto in der Luft, kracht rücklings auf den Boden und bleibt ächzend liegen. Ihre Haare stehen zu allen Seiten ab und qualmen.

»UFF!«, stöhnt sie. »Das hat … ganz schön … gekitzelt. Könnte gegen schwächere Dämonen aber durchaus hilfreich sein.«

»Prima«, sagt Aaron und steckt seinen Elektroschocker wieder ein. »Dann packe ich lieber noch ein paar Batterien mehr ein. Bin gleich wieder da. Wieder da.«

Er flitzt aus dem Zimmer und kommt kurz darauf mit Gustav im Schlepptau zurück.

»Guckt mal, wen ich draußen auf dem Flur gefunden habe«, verkündet Aaron. »Ich glaube, er stand da schon länger. Länger.«

Das wundert mich nicht. Wahrscheinlich ist er sich noch nicht sicher, ob er wirklich mitkommen will. Vielleicht hat er sich sogar schon dafür entschieden hierzubleiben und jetzt traut er sich nicht, es mir zu sagen.

»Hallo Gustav«, begrüße ich ihn. »Alles okay bei dir?«

»Na ja«, druckst er herum. »Weißt du … Das ist alles … Ich bin mir nicht sicher, ob …«

»Kein Problem, Gustav«, unterbreche ich ihn. »Du musst nicht mitkommen. Ich kann es gut verstehen, wenn du es dir anders überlegt hast.«

»Nein, das ist es nicht«, sagt Gustav. »Es ist nur … Ich weiß nicht, ob ich euch wirklich eine Hilfe sein kann. Ich bin nicht der Mutigste. Und der Stärkste bin ich auch nicht. Ich will euch nicht im Weg sein oder in Schwierigkeiten bringen. Wahrscheinlich seid ihr ohne mich besser dran.«

»Blödsinn«, erwidere ich. Du wirst uns nicht im Weg sein. Wir brauchen dich. Auf dich ist doch immer Verlass. Auch wenn du nicht der Mutigste bist, hast du uns dennoch noch nie im Stich gelassen.«

»Genau«, stimmt Aaron mir zu. »Du bist einer von den Guten, Gustav. Und du bist unser Freund. Davon kann man in der Hölle sicher nie genug haben. Es wäre ein Verlust, wenn du nicht mitkommst. Mitkommst.«

Ein Lächeln breitet sich auf Gustavs Gesicht aus und er wird ein bisschen rot.

»Okay«, sagt er. »Wenn das so ist, komme ich natürlich mit. Ich werde euch ganz sicher nicht im Stich lassen. Ich hole nur kurz meine Sachen. Ich hab sie draußen im Flur gelassen, weil ich nicht sicher war, ob ihr mich wirklich dabeihaben wollt.«

Er geht raus und kommt kurz darauf zurück, auf seinem Kopf ein grauer Helm mit einer kleinen runden Lampe vorne dran. Um seine Hüfte hat er einen großen Gürtel geschnallt, an dem jede Menge Werkzeug hängt – ein Hammer, verschiedene Zangen und Schraubenzieher sowie ein Seil.

»Ich dachte, es kann nicht schaden, auf alles vorbereitet zu sein«, sagt er. »Den Helm hab ich von meinem Vater, er ist Höhlenforscher und nimmt mich manchmal mit. Den Gürtel hab ich aus dem Werkraum gemopst, der war zufällig offen. Werkzeug dabeizuhaben kann nie schaden. Wobei ich natürlich nicht weiß, ob ein Hammer wirkungsvoll gegen Dämonen ist.«

»Das wissen wir gleich«, sage ich. »Gib ihn mir bitte mal.«

Gustav reicht mir den Hammer.

»Darf ich?«, frage ich Auribus, der als Schwester Miriam, immer noch leicht benommen von seinem Zusammentreffen mit Aarons Elektroschocker, neben mir steht.

»Gern«, stimmt Auribus zu. »Wobei wir Spion-Dämonen grundsätzlich sehr schmerzresistent sind. Besonders ich. Ich glaube also nicht, dass mir das etwas ausmAAAAAAAAAAAAHHHHH!«

Ich habe ihm mit dem Hammer auf den Fuß gehauen. Er springt auf einem Bein schreiend durch das Zimmer, stolpert über meinen Rucksack und kracht schließlich der Länge nach auf den Boden.

»Das … Das war …«, japst er. »Das war ziemlich … angenehm. Bin lang nicht mehr so … sanft gestreichelt worden. Könnte gegen schwächere Dämonen aber durchaus hilfreich sein.«

»Sehr gut«, sage ich. »Der Hammer kommt mit. Jetzt fehlt nur noch Lilly, dann können wir aufbrechen.«

»Ich bin schon da«, ertönt Lillys Stimme.

Sie steht in der Tür und hat einen großen Korb in der Hand.

»Was treibt ihr denn hier?«, fragt sie. »Das Geschrei hab ich schon unten im Hof gehört.«

»Och, nichts Besonderes«, antworte ich. »Wir überprüfen nur ein bisschen unsere Ausrüstung.«

»Das scheint deinem Dämon aber nicht gut zu bekommen«, stellt Lilly fest und zeigt auf Schwester Miriam, die sich jammernd den Fuß reibt.

»Das ist nicht mein Dämon«, erkläre ich. »Und er heißt übrigens Auribus.«

»Aha«, sagt Lilly. »Geht’s dir gut, Auribus? Du siehst nicht so aus. Was ist denn mit deinem Fuß? Hast du Schmerzen?«

»Nein!«, antwortet Auribus und steht schnell auf. »Wir Spion-Dämonen haben nie … Aua! … Schmerzen! Vor allem ich nicht! Mir geht es … Au! … bestens!«

»Wenn du das sagst«, erwidert Lilly und sieht ihn skeptisch an. »Ich muss dich etwas fragen. Riechst du immer noch Dämonenblut in mir?«

Auribus geht ein Stück näher an Lilly heran und schnuppert an ihrem Arm.

»Ja«, bestätigt er. »Eindeutig. Du hast Dämonenblut in dir.«

»Und du irrst dich ganz sicher nicht?«, hakt Lilly nach.

»Auf keinen Fall«, antwortet Auribus. »Ich bin ein Spion-Dämon. Wir irren uns nie.«

»Ich verstehe das nicht«, seufzt Lilly. »Ich meine, bis vorhin wusste ich nicht einmal, dass es die Hölle, den Teufel und Dämonen überhaupt wirklich gibt. Und jetzt habe ich plötzlich seltsame Kräfte und soll selbst eine Art Dämon sein? Das ergibt doch überhaupt keinen Sinn.«

Das stimmt. Ich kann es mir auch nicht erklären. Und ich rieche nichts Ungewöhnliches an Lilly. Aber ich kann auch kein Dämonenblut erschnüffeln, sonst hätte ich ja früher gewusst, dass Schwester Miriam der Spion ist.

Dass mit Lilly irgendetwas anders ist, lässt sich allerdings nicht leugnen. Zuerst hatte sie diese seltsamen Vorahnungen, und als wir uns dann zum ersten Mal berührt haben, sind Blitze aus unseren Händen geschossen und haben eine halbe Rugby-Mannschaft ins Reich der Träume geschickt. Das könnte ja noch irgendwie an mir gelegen haben, aber den herabstürzenden Bagger hat sie ganz allein in der Luft gestoppt. Und soviel ich weiß, ist das bei normal sterblichen Menschen nicht unbedingt üblich – das lässt doch eher auf dämonische Kräfte schließen. Aber dass Lilly ein Dämon sein soll, kann ich einfach nicht glauben.

»Wir kriegen schon raus, was mit dir los ist«, sage ich. »Aber zuerst müssen wir herausfinden, was unten passiert ist.«

»Ja, das machen wir«, stimmt Lilly mir zu. »Ich hoffe, ich bin nicht die Einzige, die ein bisschen Schiss davor hat.«

»Keine Sorge«, beruhigt Gustav sie. »Ich hatte mir schon überlegt, Windeln mitzunehmen, falls ich mir vor Angst in die Hosen mache.«

»Ich meine, wir gehen wirklich in die Hölle«, sagt Lilly. »Wenn nur die Hälfte von dem stimmt, was man sich hier oben so darüber erzählt, wird das sicher kein gemütlicher Sonntagsausflug.«

»Abwarten«, sage ich. »Noch wissen wir ja nicht, was da unten los ist. Und Auribus und ich passen auf euch auf.«

»Cornibus auch. Auf Ahorn aufpassen.«

»Aaron«, verbessere ich ihn. »Und auf die anderen bitte auch.«

»Was ist denn da drin?«, fragt Aaron und zeigt auf Lillys Korb. »Hast du vielleicht ein paar Handgranaten gebastelt? Das wollte ich auch noch machen, aber die Zeit war zu knapp. Zu knapp.«

»Was? Nein!«, ruft Lilly. »Da ist nur ein bisschen Verpflegung drin. Ich wusste nicht, ob es in der Hölle etwas zu essen gibt.«

»Nichts, was euch schmecken würde, befürchte ich«, antworte ich. »Aber leider könnt ihr auch nichts zu essen mitnehmen, denn das wird alles sofort schlecht, sobald wir die Hölle betreten.«

»Das ist ja blöd«, seufzt Lilly. »Dann habe ich all die leckeren Brötchen ja umsonst geschmiert.«

»Nicht umsonst! Cornibus essen! Alle! Cornibus liebt Bötchen!«

»Brötchen«, verbessere ich ihn. »Und vergiss es. Die sind nicht alle für dich. Ich schlage vor, wir essen alles jetzt noch gemeinsam auf. Wir sollten sowieso warten, bis es dunkel wird, bevor wir aufbrechen, damit uns niemand sieht.«

»Nichts dagegen«, sagt Lilly. »Ich hab einen Riesenhunger.«

Sie stellt den Korb auf mein Bett und wir machen es uns gemütlich.

»Cornibus auch Bötchen?«, fragt Cornibus und schleicht als Katze um den Korb herum. »Ganz kleines?«

»Du kleiner verfressener Dämon«, sage ich lachend und gebe ihm ein Brötchen.

Da verwandelt er sich plötzlich in einen gigantischen Gorilla und wir purzeln alle vom Bett.

»Hey, was soll denn das?«, beschwere ich mich.

»’tschuldibung«, sagt Cornibus und stopft sich ein komplettes Brötchen auf einmal in den Mund. »Mund von Katze zu klein. Mjam! Bötchen lecker! Mit Schlotzolade! Noch eins!«

Ein irrer Kannibale