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Ashley Carrington

Jessica

Was bleibt, ist die Hoffnung

Roman

hockebooks

»Ach so, ich verstehe«, sagte Hugh Burnett und nahm sich vor, Nachforschungen anzustellen, um wirklich zu verstehen, was es mit dem plötzlichen Verschwinden von Mitchell Hamilton auf sich hatte. Aber das war von untergeordneter Wichtigkeit. Er konzentrierte sich nun darauf, mit John Hawkleys Hilfe den Aufgabenbereich und die Kompetenzen einzugrenzen, die der neue Verwalter von Mirra Booka haben sollte. Dabei stellte sich heraus, dass Hawkley eigentlich noch einen zweiten, nicht minder wichtigen Mann brauchte, nämlich einen Vormann. Dessen Arbeit hatte Mitchell Hamilton bisher mit verrichtet.

Eine halbe Stunde später waren sie endlich handelseinig geworden. Hugh Burnett würde ihm einen fähigen Verwalter und einen anständigen Vormann besorgen und dafür eine satte Vermittlergebühr einstreichen.

John Hawkley hatte es eilig, aus dem Haus dieses Mannes zu kommen, der mit Menschen genauso erfolgreich handelte wie mit Waren aller Art.

Dumpfe Wut tobte in ihm, während sein Kutscher die prächtige Equipage durch Parramatta, hinaus auf die Landstraße und dann über die kleine Anhöhe namens Trebble Hill lenkte, hinter der sich das Tal erstreckte, das das Herzstück von Mirra Booka bildete. Diesmal hatte er keinen Blick für die Schönheit der Landschaft, die mit saftigen Weiden und wogenden Getreidefeldern vor Fruchtbarkeit nur so strotzte. Seine Gedanken galten nur Jessica, und sie waren alles andere als freundlicher Natur.

Er verfluchte den Tag, an dem Mitchell an Bord der Tradewind auf Jessica aufmerksam geworden war und sich für sie, die Deportierte, zu interessieren begonnen hatte. Hätte er damals auch nur geahnt, dass Mitchell ihm wie ein Sohn ans Herz wachsen und später sein Lebenswerk, Mirra Booka, übernehmen und zu noch größerem Ansehen führen würde, er hätte bei all seiner sonstigen Großzügigkeit dafür gesorgt, dass Mitchell sie nicht wieder zu Gesicht bekommen hätte. Doch er hatte sich allein auf höfliche Ratschläge und Mahnungen zu kluger Zurückhaltung beschränkt, die Mitchell in seiner Ungestümheit alle in den Wind geschlagen hatte. Er hatte erst aus einer Wettlaune heraus Partei für die geknechtete Deportierte ergriffen, sich dann jedoch schnell immer tiefer in eine leidenschaftliche Beziehung zu ihr verstrickt, und damit hatte das Verhängnis seinen Lauf genommen.

Ja, mit Jessica war das Verderben gekommen. Sie war für Mitchell wie ein langsam wirkendes Gift. Das hatte er schon vor sieben Jahren erkannt, als sich ihre Wege in Sydney wieder gekreuzt hatten, und sich deshalb auch nicht gescheut, Jessica zu zwingen, Mitchell aufzugeben und den Heiratsantrag dieses Farmers vom Hawkesbury, Steve Brading, anzunehmen. Sie hatte damals keine andere Wahl gehabt, denn die Alternative wäre der Galgen gewesen. Mitchell, der in jener Zeit schwer krank in seinem Haus darniederlag, hatte davon nie etwas erfahren und war tief getroffen gewesen, als er nach seiner Genesung von Jessicas Heirat gehört hatte.

Bitterkeit zog John Hawkleys Mundwinkel nach unten. Er erinnerte sich noch zu gut, wie stolz er auf seinen Schachzug gewesen war. Und er war felsenfest davon überzeugt gewesen, dass dies das Ende der unseligen Beziehung der beiden war. ›Er wird über die Enttäuschung und verletzten Gefühle schon hinwegkommen‹, hatte er damals gedacht und zuversichtlich in die Zukunft geblickt. ›Er wird diese Jessica vergessen, wenn ich ihn erst in die bessere Gesellschaft der Kolonie eingeführt habe, und sich gewiss bald der Tochter eines freien Siedlers oder Händlers zuwenden und eine standesgemäße Ehe eingehen. Damit werden ihm alle Türen offen stehen, die ihm mit einem Sträfling als Ehefrau verschlossen geblieben wären. Und seine Nachkommen werden vom Makel verschont bleiben, eine ehemalige Deportierte zur Mutter zu haben. Ja, Mitchell wird mir und Mirra Booka alle Ehre machen!‹

»Von wegen!«, zischte John Hawkley, als er daran dachte, wie sehr er sich getäuscht hatte. Mitchell hatte ihm und Mirra Booka wirklich Ehre gemacht, was die Arbeit auf der Farm betraf. Er hatte atemberaubend schnell gelernt und seinen Meister schon nach wenigen Jahren überflügelt. In dieser Hinsicht hatte er all seine geheimen Erwartungen weit übertroffen. Doch was Jessica betraf, da hatte er ihn bitter enttäuscht. Er hatte keiner noch so reizenden jungen Frau mehr als nur die Aufmerksamkeit geschenkt, die die Höflichkeit gebot.

Wie oft hatte er sich als Kuppler versucht und Mitchell mit reizenden jungen Damen bekannt gemacht, von denen er wusste, dass sie und ihre Eltern einer Verbindung mit Mitchell sehr zugeneigt waren. Wirklich reizende Geschöpfe waren darunter gewesen, gute Partien in jeder Beziehung. Doch Mitchell hatte sie alle ohne Ausnahme auf Distanz gehalten, und allein darüber war es dann so manches Mal zu einem heftigen Disput zwischen ihnen beiden gekommen.

Sieben Jahre Warten. Eine lange Zeit, aber er hatte doch nie die Hoffnung aufgegeben, dass Mitchell Vernunft annehmen und schon aus pragmatischen Gesichtspunkten eine Ehe eingehen würde, denn nun, da er etwas geschaffen hatte und Mirra Booka ihm eines Tages ganz gehören würde, musste er auch daran denken, einen Erben und Nachfolger zu zeugen, denn immerhin stand er schon im dritten Lebensjahrzehnt. Eine Ehe, und wenn auch nur aus der Vernunft geboren, war unausweichlich.

Und zu einer vernünftigen Verbindung mit einer jener jungen Damen aus gutem Hause wäre es sicherlich auch in nächster Zukunft gekommen, wenn es auf Seven Hills nicht den Zwischenfall gegeben hätte, der Jessicas Mann das Leben gekostet hatte. Damit waren auch seine letzten Hoffnungen geplatzt. Und nichts hatte geholfen, was er auch versucht hatte, um Mitchell zur Vernunft zu bringen und von dieser Frau fernzuhalten, die ihm wie das personifizierte Unheil erschien.

Ja, sie brachte Mitchell Unheil. Wenn sie nicht gewesen wäre, wäre Mitchell schon längst glücklich verheiratet und Vater mehrerer Kinder. Es hätte auch das Duell zwischen ihm und Lieutenant Forbes nicht gegeben, das Mitchell beinahe den Tod gebracht hätte. Und er hätte die Kolonie nicht wie ein Verbrecher bei Nacht und Nebel verlassen müssen, um sich vor den Nachstellungen von Jessicas Halbbruder zu schützen.

Jessica trug an allem die Schuld!

»Ich hasse dich! Wärst du doch im Kerker krepiert oder mit der Tradewind von der See verschluckt worden!«, murmelte er hasserfüllt, während die Kutsche in den Hof von Mirra Booka rollte. Er wünschte inständig, er hätte noch die Macht über Jessica wie damals vor sieben Jahren. Doch das war leider nicht der Fall. Jessica war längst begnadigt worden und zu allem Unglück auch noch erfolgreich in allem, was sie unternahm, wie er wusste.

Der Schlag wurde aufgerissen, und Stuart Dunn, sein persönlicher Diener, streckte ihm seine Hand hilfreich entgegen. Er hatte den Rollstuhl für alle Fälle schon in den Hof gefahren, als er die Kutsche durch das hohe Tor hatte kommen sehen. Manchmal vermochte sich John Hawkley nach einer Ausfahrt vor Schmerzen kaum zu bewegen. Und gerade jetzt, wo der Herbst vor der Tür stand und das Wetter umzuschlagen begann, machte ihm die Gicht gewöhnlich besonders stark zu schaffen.

»Ich hoffe, die Fahrt hat Sie nicht zu sehr angestrengt, Sir«, sagte Dunn und half ihm aus der Kutsche. »Möchten Sie im Rollstuhl Platz nehmen, Sir?«

»Ja«, antwortete John Hawkley kurz angebunden und mit finsterer Miene. »In mein Zimmer!«

»Sehr wohl, Sir.« Stuart Dunn fuhr ihn in das Haus, das mit kostbaren Möbeln, Teppichen und Gemälden eingerichtet war. Nicht ein Stück der Einrichtung war in der Kolonie angefertigt worden. Alles kam aus England, was ihn ein Vermögen gekostet hatte.

John Hawkley entließ seinen Diener, nachdem dieser ihn an seinen Sekretär aus Rosenholz gerollt und ihm ein Glas Portwein eingeschenkt hatte. Als Stuart Dunn die Tür behutsam hinter sich ins Schloss gezogen hatte, zog Hawkley einen Schlüssel aus seiner Rocktasche und öffnete eine der Schubladen. Sie enthielt auf den ersten Blick nichts weiter als rotbraunen Siegellack. Doch als er eine Leiste an der seitlichen Verkleidung drückte, ließ eine verborgene Feder den doppelten Boden im hinteren Teil hochklappen und offenbarte ein Geheimfach. Ihm entnahm er Mitchells Brief.

Er kannte ihn längst auswendig, doch jedes Mal drohte ihn der Zorn zu übermannen, wenn er las, wie Mitchell auch jetzt noch die Schuld für das, was ihm widerfahren war, jedem anderen, nur nicht Jessica gab und sich nicht von ihr zu lösen vermochte. Ja, er war sogar so verblendet, dass er ausgerechnet ihm ans Herz legte, Verständnis für Jessica zu haben und ihr alle seine Hilfe zukommen zu lassen.

»Narr! Gottverdammter Narr!«, fluchte er und knüllte Mitchells Brief zusammen und schleuderte ihn in eine Ecke. »Wie kannst du nur so blind sein und nicht erkennen, dass sie dein Untergang, dein gesellschaftlicher und finanzieller Ruin ist! Mein Gott, wenn man dich lässt, küsst du noch deinen Henker!«

Aber nein, das würde er nicht zulassen! Zwar hatte er nicht länger Gewalt über Jessica, doch das sollte ihn nicht daran hindern, ihrem verderblichen Einfluss auf Mitchell ein für allemal ein Ende zu bereiten. Ihm würde schon etwas einfallen.

Grübelnd saß er vor seinem Sekretär, zermarterte sich das Hirn nach einer Möglichkeit, Mitchell vor den gefährlichen Nachstellungen des Lieutenants zu schützen und Jessica aus dem Leben seines Partners zu verbannen. Leider waren seine Beziehungen zum Rum-Corps nicht gut genug, um Forbes die Stirn bieten zu können und von höherer Stelle zurückbeordern zu lassen. Seine Gicht hatte ihn in letzter Zeit dazu verurteilt, ein eher zurückgezogenes Leben zu führen. Vor sechs, sieben Jahren hätte er noch etwas bewirken können. Doch diese Zeit gehörte der Vergangenheit an, wie er mit Bitterkeit erkennen musste. Mitchells Widersacher hatte gute Freunde in zu hohen Positionen, als dass er direkt gegen ihn hätte vorgehen können.

Und was Jessica betraf, so war sie seiner direkten Einflussnahme gleichfalls entzogen. Die ertragreiche Farm Seven Hills sowie ihre Beteiligung an der Comet und dem Geschäft in Sydney hatten ihr nicht nur finanzielle Sicherheit gebracht, sondern auch ein gewisses Ansehen, wie er widerwillig eingestehen musste. Um an sie heranzukommen und sie sich gefügig zu machen, bedurfte es schon eines überragendes Planes.

Mehr als zwei Stunden saß John Hawkley in seinem Zimmer, ohne sich von der Stelle zu bewegen und ohne das Glas Port anzurühren.

Dann begann sich eine vage Idee hinter seiner Stirn zu formen. Es waren Gedankenfragmente, die sinnlose Teile eines Puzzles zu sein schienen, von denen er aber instinktiv wusste, dass sie nur richtig zusammengesetzt werden mussten, um das Bild zu ergeben, nach dem er stundenlang gesucht hatte.

Er griff zu Feder und Papier. In die linke Ecke des Blattes setzte er Mitchells Namen, in die rechte den von Jessica. Etwas darunter in die Mitte schrieb er seinen eigenen Namen.

Nach kurzem Zögern listete er unter John Hawkley mit etwas Abstand zwei weitere Namen auf: Lieutenant Kenneth Forbes und Deborah Simonton. Er erinnerte sich noch gut an den peinlichen Zwischenfall bei dem Neujahrsball auf Mirra Booka. Er war Zeuge gewesen, wie diese Frau Jessica ihren Wein ins Gesicht geschleudert hatte. Sie verachtete Emanzipisten im Allgemeinen und hasste Jessica im Besonderen aus tiefster Seele, daran bestand für ihn nicht der geringste Zweifel, und deshalb gehörte sie auf diese Liste.

Nachdem diese Namen nun auf dem Bogen standen, begann er Querverbindungen zu ziehen. Er malte Pfeile in Form von Blitzen von John Hawkley zu Jessica, von Kenneth Forbes zu Mitchell und Deborah Simonton zu Jessica. Diese gezackten Linien symbolisierten Hass und Abneigung.

Dann zog er wellenförmige Linien, die Zuneigung darstellen sollten. Sie verbanden Mitchell mit ihm und Jessica mit Lieutenant Forbes und Mitchell. Hawkley, Forbes und Simonton verband er untereinander mit Wellenlinien, die ein Fragezeichen trugen und besagen sollten, dass sie sich auf jeden Fall nicht feindlich gesinnt waren, auch wenn sie dem Schaubild nach teilweise konträre Interessen zu vertreten schienen. Es war eine scheinbar konfuse, nutzlose Darstellung. Doch das täuschte.

Je länger John Hawkley die Namen und Linien studierte, desto klarer zeichneten sich vor seinem geistigen Auge die Konturen für einen Plan ab. Es war wie eine komplizierte Schachpartie. Man musste schon ein halbes Dutzend Züge im Voraus denken, um den Wert einer bestimmten Position oder einer Figur richtig einschätzen zu können. Das traf auch auf Mitchell, Jessica, den Lieutenant, Deborah Simonton und ihn zu, den Strategen.

Ja, er wusste jetzt, was er zu tun hatte, um Mitchell vor Lieutenant Forbes zu retten und Jessica diesmal endgültig aus seinem Leben zu streichen! Dass es sich bei diesem Plan um ein Verbrechen handelte, bereitete ihm keine Gewissensbisse. Er hatte jetzt einfach keine andere Wahl mehr, wenn er Mitchell retten wollte. Er hatte Jessica zudem mehr als einmal gewarnt, sich von ihm fernzuhalten, ohne dass es bei ihr Wirkung gezeigt hätte. Nun würde sie den Preis für ihre Rücksichtslosigkeit, mit der sie Mitchell ins Verderben gezogen hatte, bezahlen müssen!

Mit einem gelösten Lächeln griff John Hawkley nun zum Glas und ließ den schweren Port auf der Zunge zergehen. Dann zog er an der Klingelschnur.

Augenblicke später stand der Diener im Zimmer. »Ja, Sir?«

John Hawkley warf ihm einen kleinen Leinenbeutel zu, der mit Münzen gefüllt war. Verdutzt sah Stuart Dunn ihn an. Der von Gicht geplagte Farmer war nicht gerade ein Mann, der mit seinem Geld um sich warf.

»Ich möchte, dass du einen Mann für mich suchst und zu mir bringst, ohne dass irgendjemand etwas davon erfährt. Wahrscheinlich treibt er sich irgendwo in den Rocks von Sydney herum. Finde ihn und bring ihn her!«, trug John Hawkley ihm auf. »Wenn er Fragen stellt oder sich störrisch zeigt, sag ihm, dass ich ihm ein lukratives Geschäft anzubieten habe. Ich bin sicher, dass er dir dann folgen wird.«

Stuart Dunn wog den Geldbeutel mit Wohlgefallen in der Hand. Die Rocks waren nicht gerade der Ort, an dem er sich heimisch fühlte, doch er würde sich schon zurechtfinden. Er war in Bath Diener in einem großen Haus gewesen und verdankte seine Verbannung nach New South Wales der Versuchung, eine goldene Nadel an sich zu nehmen, die er in der Kutsche seines Herrn gefunden hatte, ohne zu merken, dass ein Stallbursche ihn dabei beobachtete. Die fünf Jahre, die er bis zu seiner Begnadigung Sträflingsarbeit in der Kolonie geleistet hatte, hatten ihn so manches gelehrt, wovon er in seiner sicheren Stellung als neunzehnjähriger Diener in Bath nicht zu träumen gewagt hatte. Er würde den Mann schon finden, an welch üblem Ort er sich auch aufhalten mochte.

»Ich werde mein Bestes tun, Sir«, versicherte er mit ernster Entschlossenheit. »Um wen handelt es sich denn?«

John Hawkley nannte ihm den Mann, dessen Name auf seine Liste gehörte, jedoch noch fehlte. Aber dieser Name würde dort auch nie auftauchen. Es gehörte zu seinem Plan, dass dieser Mann nirgends offen in Erscheinung trat.

12

Major Charles Robertson war in eine dicke Prozessakte vertieft, als Lieutenant Kenneth Forbes an einem bezogenen Märztag das Büro seines Vorgesetzten in der Garnison von Parramatta betrat.

»Oh, sieht man Sie auch mal wieder, Lieutenant«, bemerkte der Major mit spöttischem Unterton und lehnte sich zurück. Er war ein großer, schlanker Mann mit einem ansprechenden Gesicht und dunklem Haar, das schon von Grau durchzogen war. Wenn ihn die Natur auch nicht mit bestechenden äußeren Attributen überschüttet hatte wie Kenneth Forbes, so konnte man ihn doch als eine attraktive Erscheinung bezeichnen, der die Offiziersuniform ausgezeichnet zu Gesicht stand, unterstrich sie doch die Gradlinigkeit seines Wesens. Dass er sich am Rum-Geschäft und an der Rebellion gegen Gouverneur Bligh beteiligt hatte, stand dabei in keinem Widerspruch zu seinem Ehrenkodex, der längst nicht so anfällig für opportunistischen Sinneswandel war wie der von Kenneth Forbes. Das eigene Interesse stets im Auge zu behalten war eine Maxime, die er mit jedem teilte, der als Soldat Karriere machen wollte. Und was den Umsturz betraf, so wäre es ihm persönlich lieber gewesen, es hätte sich eine weniger spektakuläre Lösung finden lassen. Doch es wäre ihm nie in den Sinn gekommen, seine Offizierskameraden im Stich zu lassen, nachdem der Entschluss für die Absetzung Blighs gefallen war.

»Sie gestatten?«, fragte Kenneth Forbes und deutete auf den freien Stuhl vor dem Schreibtisch.

»Aber bitte«, antwortete der Major und musterte ihn mit einem schwer zu deutenden Lächeln. »Sie haben schon mal besser ausgesehen. Mir scheint, Sie schlafen zu wenig. Kommen Sie gerade aus Newcastle zurück?«

Kenneth nickte. »Es war eine anstrengende Reise.«

»Und nicht sehr ergebnisreich, wie ich vermute. Oder ist es Ihnen vielleicht doch gelungen, diesen Hamilton aufzustöbern?«

»Nein, er ist nirgends gesehen worden«, räumte Kenneth widerwillig ein. »Er muss ein ausgezeichnetes Versteck haben, denn er ist wie vom Erdboden verschluckt.«

Der Major hob die Augenbrauen. »So, wie vom Erdboden verschluckt. Nun, das tut mir leid für Sie«, sagte er, doch seine gleichgültige Stimme strafte seine Worte Lügen.

»Ich brauche einfach mehr Informationen!«

Robertson zuckte die Achseln. »Mag sein, Lieutenant. Doch bei mir werden Sie die bestimmt nicht finden.«

»Aber dieser verdammte irische Captain kann sie mir geben. Er weiß, wo sich Hamilton verkrochen hat!«

»Schon möglich, aber Captain Rourke wird Ihnen kaum auf die Nase binden, wo er seinen Passagier nun wirklich abgesetzt hat.«

»Aber wir können ihn zum Reden bringen!«, rief Kenneth Forbes und ballte eine Faust. »Wir müssen ihn nur richtig verhören, dann wird er schon mit der Wahrheit herausrücken!«

»Wir?«, wiederholte der Major irritiert, und eine Falte teilte seine Stirn.

»Ich meine damit nur, dass ich dafür Ihre Unterstützung benötige«, erklärte Kenneth eifrig. »Was das Verhör betrifft, so haben Sie damit selbstverständlich nichts zu tun. Das übernehme ich natürlich.«

»Ihnen schwebt ein Verhör unter Anwendung von Daumenschrauben und ähnlichen Mitteln vor, nicht wahr?«

»Nun ja, anders kriegt man aus diesen verstockten irischen Aufrührern ja die Wahrheit nicht heraus«, verteidigte sich Kenneth.

»Das schlagen Sie sich mal gleich aus dem Kopf, Lieutenant. Auf meine Unterstützung können Sie bei diesem Vorhaben nicht zählen, nicht einmal auf meine stillschweigende Billigung, um das gleich klarzustellen«, erklärte Major Robertson mit schroffer Ablehnung. »Ich kann nicht behaupten, ein Freund der Iren zu sein. Aber ich denke nicht daran, diesen Captain Rourke der Folter auszuliefern. Er hat sich nichts zuschulden kommen lassen.«

»Er hat Hamilton zur Flucht verholfen!«, wandte Kenneth erregt ein.

Major Robertson beugte sich vor, und sein Blick war von eisiger Kälte. »Jetzt hören Sie mir mal gut zu, Forbes! Ich habe Ihnen einen Gefallen getan, als ich den Haftbefehl für Mister Hamilton veranlasste, ohne mich besonders darum zu kümmern, ob er sich wirklich der Verfehlungen schuldig gemacht hat, die Sie ihm zur Last legen. Ich habe gute Gründe zu der Annahme, dass eine kritische Untersuchung der Motive, weshalb Sie Mister Hamilton unbedingt hinter Gittern wissen möchten, nicht in Ihrem Interesse sein dürfte, oder irre ich mich da?«

Kenneth Forbes schoss das Blut heiß ins Gesicht, und er musste erst schlucken, bevor er zu einer ausweichenden Antwort fähig war: »Ich wäre Ihnen zu großem Dank verpflichtet, wenn Sie diese Angelegenheit weiter vertraulich und wohlwollend behandeln würden!«

Ein kühles, spöttisches Lächeln glitt über Major Robertsons Gesicht. »Dafür bin ich auch, Lieutenant. Vertraulich und wohlwollend sind genau die richtigen Worte für die Behandlung, die ich Ihnen angedeihen ließ … nicht nur was Ihre Aufnahme in unseren Zirkel betrifft«, sagte er und meinte damit das Rum-Monopol, dem er schon lange Jahre angehörte. »Ich war und bin jederzeit dafür, einen Kameraden nach besten Kräften zu unterstützen und zu fördern, doch diese Kameradschaft auf Gegenseitigkeit hat auch ihre Grenzen, und diese haben Sie soeben überschritten.«

»Aber es geht mir doch nur darum …«, begann Kenneth in dem Versuch, sich nicht nur zu verteidigen, sondern auch Major Robertson umzustimmen.

Doch dieser brachte ihn mit einer knappen Handbewegung zum Schweigen. »Sparen Sie sich Ihre Worte! Es interessiert mich nicht, worum es Ihnen wirklich geht. Mir genügt schon, was ich mir an zehn Fingern abzählen kann. Doch ich will Ihnen damit nicht zu nahe treten. Jeder von uns hat seine ganz persönlichen Interessen, über die der andere nicht leichtfertig sein Urteil fällen sollte. Um es ganz deutlich auszudrücken: Es interessiert mich nicht, welcher Art Ihre Beziehungen zu Mister Hamilton und Missis Brading sind. Und dass Sie mich dazu veranlasst haben, einen Haftbefehl für Mister Hamilton ausstellen zu lassen, möglicherweise aufgrund falscher Behauptungen … nun, egal. Wir alle nutzen unsere Position für unsere privaten Interessen, weshalb hätte ich Ihnen also den Gefallen nicht tun sollen? So weit, so gut, Lieutenant. Aber wenn Sie jetzt noch weitere Personen in Ihre ganz persönliche Fehde hineinziehen wollen, so kann und will ich Ihnen da nicht weiter behilflich sein. Schon aus politischen Gründen nicht. Nach unserem Vorgehen gegen Bligh haben wir im Corps schon genug Schwierigkeiten. Wir können es uns auf keinen Fall leisten, in den Verdacht zu kommen, wie Nero oder Caligula gegen vermeintliche Widersacher vorzugehen. Einen Haftbefehl für Captain Rourke wird es daher nicht geben, geschweige denn ein Verhör unter Folter. Lassen sie sich etwas weniger Spektakuläres einfallen, um das zu erreichen, was sie sich vorgenommen haben. Ich hoffe, ich habe mich klar ausgedrückt, Lieutenant.«

Kenneth Forbes beherrschte seinen Groll über die Zurechtweisung. Er erhob sich mit steinernem Gesicht und nahm militärische Haltung an. »Das haben Sie, Major.«

»Gut, dann handeln Sie bitte auch entsprechend«, entließ er ihn versöhnlich und wandte sich wieder seiner Akte zu.

Kenneth murmelte einen unverständlichen Gruß, drehte sich abrupt um und verließ das Zimmer seines Vorgesetzten mit einer Wut im Bauch, wie er sie schon lange nicht mehr empfunden hatte.

Er wusste, dass Major Robertson ihm vor zwei Monaten noch sehr gewogen gewesen war und nie so wie eben reagiert hätte. Doch seit dem verfluchten Duell mit Mitchell Hamilton hatte sich ihre Beziehung, die einmal fast freundschaftlicher Natur gewesen war, merklich abgekühlt. Robertson hatte ihm insgeheim wohl nicht verziehen, dass er seinem Duellgegner vorschriftswidrig seine Seite zugekehrt hatte und sogar etwas zurückgewichen war, nachdem er seine Kugel auf Hamilton abgefeuert und ihn fast tödlich getroffen hatte. Doch weshalb hätte er Hamilton auch ein gutes Ziel bieten sollen, zum Teufel noch mal? Irgendwie hatte er geahnt, dass sein Gegner ein Meisterschütze war. Und der Schuss, mit dem Hamilton absichtlich seine viel weiter entfernt hängende Uniformjacke durchlöchert und ihn vor Robertson blamiert hatte, hatte das ja auch bewiesen.

Ja, das war der wirkliche Grund, weshalb der Major ihm seine Unterstützung versagte. Dabei hatte er selber nicht gerade eine weiße Weste. Edward Chambers, der ihm Aufnahme in das Rum-Monopol verschafft hatte, hatte ihm Geschichten über so manch dubiose Machenschaften erzählt, in die auch Major Robertson verwickelt gewesen war. Und gehörte er nicht zu denjenigen, die am schärfsten und skrupellosesten gegen Konkurrenten aus dem Lager der Händler vorgingen, die nicht dem Monopol angehörten und dessen beherrschende Stellung anzukratzen drohten? Er sollte sich also bloß nicht so aufplustern und so tun, als hätte er nicht auch seine dunklen Geheimnisse.

»Verdammter Heuchler!«, murmelte er wütend, während er das Gebäude verließ und sich in den Sattel seines Pferdes schwang. Aber sosehr er Major Robertson auch verfluchte, es änderte doch nichts an der Tatsache, dass von dieser Seite keine Hilfe zu erwarten war.

Was sollte er jetzt also tun? Mitchell Hamilton war tatsächlich wie vom Erdboden verschluckt. Dabei musste er sich doch irgendwo in der Gegend um Newcastle versteckt halten! Er war fest davon überzeugt, dass Captain Rourke ihn dort an Land gesetzt hatte, auch wenn er ihm hatte weismachen wollen, Hamilton sei nach Van Diemen’s Land geflohen. Nein, auf diese Lüge wäre er nicht einmal dann hereingefallen, wenn er die Karte, die den Küstenstrich um Newcastle zeigte, nicht an Bord der Comet gefunden hätte.

»Ich finde dich, Hamilton«, stieß er gepresst hervor. »Ich kriege dich! Früher oder später kriege ich heraus, wo du dich verkrochen hast, und dann … dann gehört Jessica mir! Mir!«

Er trieb seinen prächtigen Hengst zum Galopp an und ließ ihn mit trommelnden Hufen über die Landstraße dahinfliegen, als zöge ihn etwas zurück nach Three Wells. Dabei war die Farm bis auf die Arbeiter verwaist. Seit er Rosettas Drängen nachgegeben und ein Haus in Sydney erstanden hatte, hielt sich seine Frau dort auf. Und sie hatte nicht nur Kate Mallock und Maneka mitgenommen, sondern ihn auch noch dazu gebracht, eine Köchin und einen Stallburschen anzustellen. Vielleicht war es ein Fehler gewesen, ihr den Wunsch mit dem Haus zu erfüllen, obwohl er es sich finanziell leisten konnte, denn er war nun mal in Parramatta stationiert und nicht in Sydney, und Robertson hatte ihm schon vor seinem Aufbruch nach Newcastle zu verstehen gegeben, dass er vorerst auch in Parramatta bleiben würde. Das kam Rosetta sicherlich sehr gelegen. Aber sie sollte ihren Willen haben, solange sei sich an ihren Teil der Abmachung hielt. Sie hatte ihm einen Erben zu schenken, zu repräsentieren und sich nicht dafür zu interessieren, wo und wie er sich die fleischlichen Genüsse holte, die sie ihm verwehrte.

Nun, sie befand sich allem Anschein nach auf dem besten Wege, ihre Vereinbarung zu erfüllen. Diesmal schien sogar ihre Schwangerschaft problemlos zu verlaufen. Hatte sie bei allen vorhergehenden Schwangerschaften stets unter erheblichen Beschwerden gelitten und wirklich elend ausgesehen, so war das diesmal nicht der Fall. Es schien ihr sogar ausgesprochen gut zu gehen, was er als gutes Omen wertete.

Auf Three Wells angekommen, überließ er sein Pferd wortlos dem Stallknecht Calvin Henders, begab sich in den Salon und genehmigte sich erst einmal einen großzügig bemessenen Brandy, den er hinunterkippte wie ein Glas Wasser. Dann ließ er sich mit Brandy-Karaffe und Glas in einem der schweren Sessel am Fenster nieder, legte die dreckigen Stiefel auf die Lehne des gegenüberstehenden Sessels und starrte grübelnd vor sich hin, während er am Brandy nippte und sein Glas immer wieder auffüllte.

Er musste Mitchell Hamilton finden und ihn in seine Gewalt bringen. Das war der einzige Weg, um Jessicas Widerstand zu brechen und sie sich zu Willen zu machen. Und es verlangte ihn mehr denn je nach ihr!

In Newcastle und hinterher in Sydney hatte er Freudenhäuser aufgesucht und sich hemmungslos seinem Trieb hingegeben. Doch so hübsch und willfährig die Frauen auch gewesen waren, mit denen er das Bett für wollüstige Stunden geteilt hatte, irgendetwas in ihm war trotz ihrer Raffinesse doch unbefriedigt geblieben.

Er kam von Jessica einfach nicht los. Er musste sie haben, und er war bereit, für ihre Hingabe so gut wie jeden Preis zu zahlen und vor keinem Verbrechen zurückzuschrecken. Doch im Augenblick war er ratlos und seinem Ziel ferner als je zuvor.

Kenneth begann sich systematisch zu betrinken, um so die Besessenheit, die ihn manchmal um den Verstand zu bringen drohte, betäuben zu können.

13

»Ich habe mich entschlossen, Ian. Es wird Zeit, dass ich nach Sydney reise. Gleich morgen breche ich auf«, sagte Jessica am zweiten Sonntag im April zu ihrem Verwalter, als sie gemeinsam das reichhaltige Frühstück einnahmen. Es war kein freundlicher Morgen. Die Sonne verbarg sich hinter bleigrauen Wolken, die sich schon am Tag zuvor zusammengeballt hatten und nun mit ihrer schweren Regenlast wie eine schmutzige, ausgebeulte Decke tief über den Hügeln von Seven Hills hingen. Von den Gebirgszügen der Blue Mountains war im Westen nichts mehr zu erkennen, so diesig war das Wetter.

Ian McIntosh machte eine bedenkliche Miene und deutete mit der Gabel zur Zimmerdecke, meinte damit jedoch den Himmel, als er sagte: »Da kommt noch mehr runter, Jessica. Kein guter Zeitpunkt, um der Farm den Rücken zu kehren.«

Der Herbst hatte den trockenen, heißen Sommer mit Macht verdrängt. Die Nächte wurden jetzt schon empfindlich kühl, und die Sonne brauchte morgens sehr lange, um das Gras zu trocknen.

Die ersten schweren Regenfälle waren über das verbrannte Land niedergegangen und hatten dabei nicht nur ausgetrocknete Wasserstellen, Brunnen und Bachläufe wieder mit kostbarem Nass gefüllt, sondern auch zu Überschwemmungen geführt. Nach der langen Zeit der Dürre war der Boden so hart gebacken, dass er nicht in der Lage war, die plötzlichen Wassermassen aufzunehmen und in die Tiefe durchzulassen. Doch das war erst der Anfang. Man musste darauf gefasst sein, besonders als Siedler am Hawkesbury River, dass die wirklich gefährlichen Überschwemmungen noch ausstanden. Es hatte Jahre gegeben, da war der Fluss um dreißig, vierzig Fuß gestiegen und meilenweit über seine Ufer getreten. Dann wurde der Strom zu einer verheerenden Naturgewalt, die alles mit sich riss und vernichtete, was sich den reißenden Fluten in den Weg stellte. Doch mit solchen Naturkatastrophen war eher im Frühling, wenn die Schneeschmelze hoch oben in den Bergen einsetzte, als im Herbst zu rechnen.

Jessica lächelte über seinen Einwand. »Aber, Ian«, sagte sie mit sanftem Tadel, »einen wirklich günstigen Zeitpunkt gibt es für einen Farmer doch nie, das wissen Sie genau. Zu jeder Jahreszeit gibt es Gründe, die es ratsam erscheinen lassen, eine länger Abwesenheit von seinem Anwesen zu vermeiden. Im Sommer ist es die extreme Trockenheit und die ständige Angst vor einem Buschbrand, und im Winter ist es die Furcht vor Überschwemmungen. Dazu kommen die Zeiten der Aussaat, der Ernte, des Lammens und der Schafschur, um nur einige zu nennen, wo man eigentlich auch nicht weg könnte. Mein Gott, wenn es danach ginge, bekäme ich Sydney wohl nie mehr zu Gesicht.«

Er lachte unwillkürlich. »Ein vertrautes Bild, das Sie da von den Zwängen eines Farmers entworfen haben, Jessica. Ich hätte es nicht besser gekonnt.«

»Sie wissen, dass ich in Sydney nach dem Rechten stehen muss, Ian«, sagte Jessica ernst. »Ich habe es schon lange genug vor mir hergeschoben. Glenn Pickwick hat in seinem letzten Brief an mich schon fast einen vorwurfsvollen, ungeduldigen Ton angeschlagen, und ich kann es ihm nicht einmal verdenken, bin ich es doch, die die Entscheidungen treffen muss.«

»Bei allem Respekt für Ihr Engagement in Sydney, aber Seven Hills scheint mir doch vorzugehen, zumal während der Erntezeit, und Sie waren in den letzten Wochen ja nun nicht gerade müßig«, wandte er ein.

»Die Ernte ist eingebracht«, erwiderte Jessica und fügte dann mit einem herzlichen Lächeln hinzu: »Außerdem gibt es auf Seven Hills einen Verwalter, dessen Fähigkeiten und Erfahrungen über jeden Zweifel erhaben sind. Sie können deshalb versichert sein, dass ich nicht mit einem unguten Gefühl aufbrechen werde, sondern mit der Gewissheit, alles in besten Händen zurückgelassen zu haben.«

Ian McIntosh stöhnte auf, doch in seinen Augen leuchtete Stolz. »Sie verstehen es wahrhaftig, einem den Wind aus den Segeln zu nehmen, Jessica. Also gut, reisen Sie nach Sydney und bringen Sie die unerfreuliche Angelegenheit mit den Simontons hinter sich. Hoffentlich ist das auch der richtige Weg, für den Sie sich entschieden haben.«

Sie zuckte mit den Achseln. »Ob ich einen Fehler gemacht habe oder nicht, werde ich wohl erst wissen, wenn ich Deborah Simontons Antwort kenne.«

»Sie sollten sich aber auf jeden Fall vorher noch mit Ihrem Anwalt beraten.«

»Seien Sie unbesorgt, Ian. Mein erster Gang wird mich zu Mister Hutchinson führen«, versicherte sie und brachte das Gespräch auf ein anderes Thema. Nach dem Frühstück verwandten sie noch mehrere Stunden darauf, den Arbeitsplan für die nächsten Wochen abzustecken und Entscheidungen zu treffen, die bei einer so großen Farm wie Seven Hills ständig anfielen.

»Wie steht es übrigens mit Freiwilligen für die Auborn-Farm?«, wollte Jessica wissen, als ihre Besprechung abgeschlossen war und sie ihn hinausbegleitete. »Wir haben jetzt doch Zeit, um uns dort etwas eingehender mit der Rodung des Landes und der Ausbesserung der Gebäude geschäftigen zu können.«

»Nun, es tut sich was«, antwortete er so vage, dass Jessica aufhorchte.

»Und darf ich fragen, was sich da tut?«, fragte sie verwundert über seine unpräzise Antwort, die so gar nicht seiner Art entsprach.

»Sie werden es erfahren, wenn Sie aus Sydney zurück sind«, erklärte er.

Sie stemmte die Fäuste in die Hüfte. »Sie sind mir wirklich einer, Ian! Sie geben sich geheimnisvoll und wecken meine Neugier, damit ich bloß schnell wieder nach Seven Hills zurückgeeilt komme! Das ist nicht fair! Haben sie vielleicht vergessen, dass Sie als mein Verwalter mich über alles zu informieren haben? Sie riskieren Ihre Stellung, Ian!«, drohte sie im Scherz.

Er reagierte darauf mit einem breiten Grinsen. »Ich denke, darauf werde ich es ankommen lassen, Missis Brading«, neckte er sie. »Aber soviel kann ich Ihnen jetzt schon verraten: Was ich Ihnen zu sagen habe, wird Ihnen gefallen.« Er nickte nachdrücklich. »Ja, es wird Ihnen sogar sehr gefallen. Und nun entschuldigen Sie mich. Der alte Baker wartet bestimmt schon ungeduldig darauf, dass ich ihm an der Hobelbank zur Hand gehe.«

Kopfschüttelnd, doch mit einem Lächeln auf dem Gesicht sah sie ihm nach, wie er forschen Schrittes über den Hof ging und in der Werkstatt von Jeremy Baker verschwand. Was mochte es wohl mit dieser geheimnisvollen Andeutung auf sich haben? Nun, wie sie Ian kannte, würde er sich nicht erweichen lassen, sein Geheimnis noch vor ihrer Abreise zu lüften. Sie würde sich also wirklich bis zu ihrer Rückkehr gedulden müssen.

Am späten Nachmittag, als Jessica gerade aus den Stallungen kam und sich die Stiefel mit einer Handvoll Stroh säuberte, hörte sie den hellen, klaren Klang der Glocke auf der anderen Seite des Hawkesbury.

»Jemand will mit der Lady Jane übersetzen!«, rief einer der Männer, die vor der Schmiede standen.

»Das kann nur Lydia sein!«, rief Jessica voller Freude. »Na los, holt sie rüber!«

Es war in der Tat Lydia. Eine knappe halbe Stunde später kam sie den gewundenen Pfad herauf, der von der Anlegestelle zum Farmhaus von Seven Hills hochführte. Sie hatte sich ihre schwarze Haarpracht zu einem Zopf zusammengebunden und trug eines ihrer besseren Kleider. Ihr Gesicht, das längst nicht mehr so von Sorge und Kummer gezeichnet war wie noch vor zwei Monaten, zeigte eine gesunde Farbe. Und obwohl sie schwer an ihrem großen, geflochtenen Weidenkorb trug, der bis oben hin mit Einmachgläsern gefüllt war, ging ihr Atem doch kaum schneller als normal. Den Hang hochzulaufen bedeutete für sie keine besondere Anstrengung.

»Lydia! Wie schön, dich zu sehen!« Ihr letztes Zusammentreffen lag, bedingt durch die arbeitsreiche Zeit der Ernte, schon gut drei Wochen zurück.

Lydia strahlte sie an und reichte ihr den Korb. »Hier! Für dich und die Kinder.«

»Um Himmels willen, Lydia! Das sollst du doch nicht tun!«, protestierte Jessica.

»Ach was, ich weiß doch, wie sehr Edward und Victoria mein Apfelgelee mögen. Nimm es, bitte! Es kommt von Herzen, das weißt du. Und das ist das Einzige, was Lisa Reed nicht so gut hinkriegt wie ich.«

»Na, dann schönen Dank, Lydia. Die Kinder werden sich freuen, und nicht nur sie«, versicherte Jessica gerührt.

Lydia hakte sich bei ihr ein, während sie auf das Wohnhaus zugingen. Begeistert berichtete sie, dass die Ernte auf New Hope dieses Jahr so gut ausgefallen sei wie noch nie zuvor, und sie ließ keinen Zweifel, wem sie das gute Ergebnis zu verdanken hatte.

»Du hättest es auch ohne unter Zutun geschafft, Lydia«, wehrte Jessica ab.

»Sicher hätte ich es geschafft – bloß wie. Nein, nein, ohne das Bewässerungssystem wäre mir der Halm auf dem Feld verdorrt. Ich glaube, diesmal werden wir auf New Hope zum ersten Mal gut über den Winter kommen.«

Jessicas Gefühle waren zwiespältig. Sie teilte nur zu gern Lydias Freude über die gute Ernte. Doch in diese Freude mischte sich ein bitterer Beigeschmack, weil es sich dabei eben nur um eine verhältnismäßig gute Ernte handelte. New Hope hatte in den wenigen Jahren ihres Bestandes noch nie gute Erträge gebracht, was nicht so sehr am Boden gelegen hatte als an seiner unzureichenden Bestellung. Als Lydias Mann noch das Sagen auf der Farm gehabt und seine Energie in erster Linie darauf verwandt hatte, sein hartes Siedlerlos zu beklagen und seine selbstverschuldete Misere in Rum zu ertränken, da hatte es auf New Hope vorn und hinten nicht gereicht, und Schulden hatten die Randells erdrückt.

In diesem Licht gesehen war die diesjährige Ernte für Lydia natürlich ein gewaltiger Fortschritt, auch wenn die Erträge noch längst nicht alle Bedürfnisse abdeckten. Dafür war die Farm zu lange heruntergewirtschaftet worden und das Bewässerungssystem zu spät gekommen und noch nicht ausreichend genug. Doch es ging spürbar aufwärts, und die Farm begann ihrem Namen gerecht zu werden: Lydia hatte allen Grund, stolz und voll neuer Hoffnung zu sein.

Bei einer Tasse Tee, die sie auf der hinteren Veranda einnahmen, tauschten sie Erfahrungen und Neuigkeiten aus und genossen die vertraute Gegenwart der anderen.

Ein sehnsüchtiger Ausdruck trat auf Lydias Gesicht, als Jessica ihr sagte, wie gut sie ihren Besuch auf Seven Hills geplant habe, da sie doch am kommenden Morgen nach Sydney aufbrechen werde, um die Simonton-Affäre endlich aus der Welt zu schaffen. »Ich glaube, ich würde Sydney gar nicht wieder erkennen, so lange ist es her, dass ich das letzte Mal dort gewesen bin.«

»Warum begleitest du mich denn nicht?«, schlug Jessica spontan vor. »Die Keltons haben ein großes Haus und würden sich bestimmt freuen, auch dich als Gast begrüßen zu dürfen. Es sind wirklich liebe Freunde, wenn ihre Gastfreundschaft auch manchmal recht anstrengend ist.«

Lydia seufzte. »Wenn ich könnte, würde ich dein Angebot auf der Stelle annehmen, aber leider geht es nicht. Minna wird in den nächsten Tagen kalben.« Minna war ihre Milchkuh. »Es ist das erste Mal, dass sie ein Kalb kriegt, und du weißt, wie leicht es dabei Schwierigkeiten geben kann. Da möchte ich mich doch nicht darauf verlassen müssen, dass meine Leute auch das Richtige zur rechten Zeit machen.«

Jessica nickte verständnisvoll, wusste sie doch, wie wertvoll Minna und ihr Ungeborenes für Lydia waren. Wieder einmal plagte sie ihr Gewissen, als sie daran dachte, wie lächerlich gering der Viehbestand in New Hope im Vergleich zu dem von Seven Hills war. »Ich bin sicher, dass es ein prächtiges Kalb wird«, sagte sie.

Einen Augenblick saßen sie in verbundenem Schweigen, tranken ihren Tee und blickten über den breiten Hawkesbury, dessen Fluten schon im Schatten der einsetzenden Dämmerung lagen.

»Hast du von Mister Hamilton gehört?«, fragte Lydia dann. »Weißt du, wie es ihm geht?«

»Nein«, sagte Jessica leise. »Nichts. Es gibt auch keine Möglichkeit, Kontakt zu halten. Es wäre zu gefährlich.«

Lydia griff nach der Hand ihrer Freundin und drückte sie mitfühlend. »Es muss schlimm sein, nicht zu wissen, wie es ihm ergeht, wo immer er auch sein mag.«

»Er ist in Sicherheit. Und das ist das Wichtigste.«

»Gibt es denn keine Möglichkeit, gegen diesen Haftbefehl vorzugehen und diese irrwitzigen Anschuldigungen gegen Mister Hamilton als die Lügen eines gekränkten Nebenbuhlers zu entlarven?«, fragte Lydia zornig.

»Du vergisst, dass Kenneth nicht irgendwer ist«, erwiderte Jessica bitter. »Er ist Offizier und zählt offenbar zum Kreis derer, die Gouverneur Blighs Sturz vorangetrieben haben. Und an wen sollte ich mich auch wenden? Soll ich vor Gericht gehen? Es sind doch die Offiziere des Corps, die dort auf der Richterbank sitzen. Nein, solange die Rum-Rebellen an der Macht sind, werde ich nicht viel ausrichten können. Deshalb bleibt nur zu hoffen, dass London schnell auf die Rebellion reagiert, die Offiziere zur Verantwortung zieht und einen neuen Gouverneur nach New South Wales schickt.«

»Bis dahin wird aber noch so einiges Wasser den Hawkesbury hinunterfließen«, meinte Lydia bedrückt.

»Ja, wir werden uns in Geduld üben müssen. Doch ich bin zuversichtlich. Weißt du, dass ich von Kenneth seit seinem hässlichen Auftritt, als er nach Seven Hills kam und Mitchell verhaften wollte, weder etwas gesehen noch gehört habe? Das ist ein gutes Zeichen. Bestimmt hat er geglaubt, Mitchells Versteck im Handumdrehen finden und ihn in Ketten legen zu können. Aber das war ein Irrtum«, sagte Jessica mit grimmiger Zufriedenheit.

Die ersten Wochen hatte sie täglich mit der Angst gelebt, Kenneth könnte es doch gelingen, herauszufinden, wohin Mitchell geflüchtet war. Doch nach Captain Rourkes Bericht hatte sich diese Angst allmählich gelegt und war neuer Zuversicht gewichen.

Doch so wie das Vertrauen in Mitchells Sicherheit wuchs, wuchs auch das Gefühl der Verlassenheit. Die Trennung von ihrem Geliebten erfüllte sie mit Schmerz und brennender Sehnsucht, die ihr nachts häufig den Schlaf raubte und sie mit tränennassen Augen in die Dunkelheit starren ließ.

Auch in dieser Nacht vor ihrer Abreise wollte sich der Schlaf lange nicht einstellen. Unruhig wälzte sie sich von einer Seite auf die andere, während ihre Gedanken nicht weniger unstet von Glenn Pickwick und den Simontons zu Mitchell und Kenneth wanderten.

Doch als der neue Tag anbrach, die Wolkendecke aufriss und helles Sonnenlicht wie eine warme, belebende Woge über das Land am Hawkesbury flutete, warf auch Jessica die bedrückenden Schatten der Nacht ab.

Die Kutsche stand schon abfahrbereit im Hof, als sie noch nicht mit ihrer Morgenwäsche fertig war. Und Craig, der alte, halbtaube Kutscher, der es als sein ganz persönliches Privileg betrachtete, das er sich von keinem nehmen ließ, die Herrin von Seven Hills in diesem Prunkstück von einer Kutsche nach Sydney zu bringen, polierte noch hier einen Messinggriff und dort eine Leiste, obwohl alles makellos glänzte.

Jessica war froh, dass es endlich nach Sydney ging. Und sie war so voller Ungeduld, dass sie auf das Frühstück am liebsten verzichtet hätte. Doch da Lydia über Nacht auf Seven Hills geblieben war, zwang sie sich dazu, immerhin noch eine knappe halbe Stunde am Frühstückstisch auszuharren.

Sie hasste lange Abschiede, und nachdem sie ihre Kinder noch einmal liebevoll an sich gedrückt und sie ermahnt hatte, sich nicht ständig zu zanken und auf Anne, ihr Kindermädchen, zu hören, bestieg sie die Kutsche.

»Viel Erfolg, Jessica!«, wünschte Ian ihr.

Craig löste aufJessicas Ruf hin die Bremse und schnalzte mit der Zunge, und im nächsten Moment ruckte die Kutsche an und rollte mit knirschenden Rädern über den sandigen Hof. Jessica winkte ein letztes Mal, und als sie Lydia so neben Ian stehen sah, dachte sie unwillkürlich, dass die beiden ein gutes Paar abgeben würden.

Ob es das wohl war, was Ian ihr erst nach ihrer Rückkehr erzählen wollte, fragte sie sich, als Craig die Kutsche den Hang hinunterlenkte und Seven Hills schnell kleiner wurde. Nun, das wäre in der Tat eine Überraschung, sogar eine sehr angenehme. Darüber lohnte es sich nachzudenken.

Jessica hatte auf dieser Fahrt viel Zeit zum Nachdenken. Bis nach Sydney brauchte man mit der Kutsche, wenn man bequem reisen wollte und nicht das Letzte aus den Pferden herausholte, wie Patrick es von seinem Kutscher verlangt hatte, gut zwei Tage.

Sie hatten Glück mit dem Wetter, das sie nicht mit Regenfluten überschüttete, sodass sie gut vorankamen und nicht einmal steckenblieben, was um diese Jahreszeit sonst häufig der Fall war. Die Temperaturen waren angenehm, und der Himmel zeigte die meiste Zeit des Tages ein freundliches pastellfarbenes Blau. Die dunklen Wolken, die sich am zweiten Tag der Reise am östlichen Horizont zusammenzogen, brachten zwar einen kurzen Regenschauer, als sie sich kurz vor Parramatta befanden, doch als sie Sydney am späten Nachmittag erreichten, hatten sich die Wolken wieder aufgelöst, und ein wunderbarer Regenbogen spannte sich über die Windmühlen, die auf den Hügelkuppen vor der Stadt standen.

Wie immer fand Jessica bei ihren Freunden Martha und Robert Kelton herzliche Aufnahme. Es wurde ein geselliger Abend, und Jessica überließ das Reden nur zu bereitwillig den Keltons und ließ sich über alles unterrichten, was ihre Freunde berichtenswert fanden.

Am nächsten Morgen begab sie sich, wie sie es Ian versprochen hatte, zu Mister William Hutchinson, um sich mit ihm zu besprechen, während zur selben Zeit ein Bote Glenn Pickwick im Geschäft aufsuchte und ihm ein kurzes Schreiben zustellte, in dem Jessica ihn von ihrer Ankunft in Sydney unterrichtete. Weiterhin bat sie ihn, sich gegen Mittag zu ihrer Verfügung zu halten und die Simontons zu einer wichtigen geschäftlichen Besprechung zu bitten.

Ein Lächeln kräuselte seine Lippen, als er ihr Postscriptum las: »Sollten sie Ihnen irgendwelche Schwierigkeiten machen und sich weigern, sich um ein Jahr im Geschäft einzufinden, so weisen Sie sie doch bitte auf Paragraph 16 unseres Teilhabervertrages hin. Sie werden dann ganz sicher erscheinen!« Jessica Brading war also endlich nach Sydney gekommen, um reinen Tisch zu machen. Was hielt sie wohl für einen Plan in petto? Er hoffte schon aus ureigenstem Interesse, dass sie irgendeine Möglichkeit gefunden hatte, die Simontons aus dem Geschäft zu bekommen. Denn wenn sie sich auch zähneknirschend an ihre Verzichtserklärung hielten und sich dem Verkaufsraum fernhielten, so ließen sie doch keine Gelegenheit ungenutzt, ihm in allen anderen Dingen dreinreden und Vorschriften machen zu wollen. Er hoffte sehr, dass Jessica Brading alldem ein Ende machte.

Jessica besprach sich indessen mit William Hutchinson, der von ihrem Kommen schon unterrichtet gewesen war und sie daher erwartet hatte.

Der Anwalt war ein hagerer Mann in den Fünfzigern von wenig ansprechendem Äußeren. Blass und schlaff war seine Gesichtshaut, die an den Wangen herunterhing, als hätte er Hamsterbacken. Er trug eine schon arg ramponierte und nur nachlässig gepuderte Perücke und machte im Ganzen einen müden, kraftlosen Eindruck, als wäre er den Anforderungen seines Berufes nicht mehr gewachsen oder nicht gewillt, sich ihnen länger zu stellen. Ein Eindruck, wie er trügerischer nicht sein konnte. Hinter der scheinbar müden Maske verbargen sich scharfe Beobachtungsgabe, ein regsamer Geist und fachliches Können. Seine Kanzlei hatte in Plymouth einmal zu den ersten Adressen gehört. Seine Beliebtheit bei der zahlungskräftigen Klientel hatte sich dabei nicht unwesentlich auf sein außerordentliches Talent gegründet, Erbschaftsverträge und Dokumente von finanzieller Bedeutung im Sinne seiner Klienten zu manipulieren und zu fälschen. Diesem besonderen Talent und der Missgunst eines seiner Klienten, der sein erschwindeltes Erbe verspielt und ihn dann verraten hatte, verdankte er auch seine Anwesenheit in New South Wales. Nach Verbüßung seiner Strafe vor vier Jahren hatte er es vorgezogen, in Australien zu bleiben und hier einen neuen, ehrlichen Anfang zu machen, statt nach England zurückzukehren und sich im vergeblichen Kampf aufzureiben, den Makel der Bestechlichkeit und des ehemaligen Sträflings loszuwerden.

»Das überrascht mich nicht im Geringsten, Missis Brading. Ich wusste doch von Anfang an, dass Deborah Simonton nichts unversucht lassen würde, Sie bei der erstbesten günstigen Gelegenheit übers Ohr zu hauen«, sagte der Anwalt mit beinahe heiterer Genugtuung, als hätte jemand seine Urteilsfähigkeit infrage gestellt. Dabei hatte Jessica ihm gerade einen detaillierten Bericht von Deborah Simontons Unterschlagungen und ihrem Angebot an Glenn Pickwick, sich tatkräftig an ihren verbrecherischen Machenschaften zu beteiligen, gegeben.

Jessica wusste jedoch, wie seine scheinbar unverständliche Reaktion auf ihre Enthüllungen zu deuten war. »Ja, ohne Ihre Voraussicht und Mister Pickwicks Ehrenhaftigkeit und Scharfsinn hätte sie mich vermutlich langsam ausbluten lassen«, gab sie unumwunden zu.

Er lächelte stolz. »Ja, ja, ich empfahl Ihnen den guten Glenn wahrlich nicht ohne Grund, nicht wahr? Ich weiß nicht, was Sie ihm zahlen, aber er ist jeden Penny wert. Aber das wissen Sie inzwischen ja selber, und Sie haben die Strapazen der Reise wohl kaum auf sich genommen, um von einem alten Besserwisser wie mir in Ihrem Urteil noch einmal bestätigt zu werden, nicht wahr?«

»Nein, es geht mir darum, einen Weg zu finden, die Simontons loszuwerden!«, kam Jessica sofort zur Sache. »Und zwar so schnell und sauber wie möglich.«