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Table of Contents

Vorwort von Stevan Paul

Die Entstehung der Philosophie aus der Feuerstelle. Von Nikolai Wojtko

Der Geschmack macht's. Warum wir heute noch so kochen wie vor Millionen Jahren. Von Thomas A. Vilgis

Wer heute kocht, hat nicht Hunger, sondern Geschmack. Von Hanni Rützler und Wolfgang Reiter

Kochen denken. Essenmachen als Weltrettungsaktion. Von Harald Lemke

Die Weisheit der Dinge. Über eine Philosophie der japanischen Küche. Von Malte Härtig

Die Kunst der Relation. Von Maximilian Probst

Das Restaurant SOSEIN. Essbarer Existentialismus. Von Felix Schneider und Nikolai Wojtko

Kulinarische Farbenlehre. Von Tanja Grandits und Stevan Paul

Orgasmen sind wie Pommes. Eine soziologische Erkundung der Gastroerotik. Von Daniel Kofahl

Ich backe, also bin ich. Von Arnd Erbel und Martin Wurzer-Berger

Unsere Passion muss politischer werden. Ein Plädoyer für eine neue Ess-Demokratie. Von Hendrik Haase

Meine Philosophie des Trinkens. Von Sebastian Bordthäuser

Wie schmeckt eigentlich Menschenfleisch? Von Tobias Müller

"Love" oder die Philosophie der Resteküche. Von Jörn Kabisch

Zeit für mehr Geschmack. Von Claudio del Principe

Hört auf zu kochen. Von Dieter Froelich

Aus der gleichen Reihe

Impressum

VORWORT

Von Stevan Paul

Dass Kochen eventuell mehr sein könnte als einfach ein Handwerk, ahnte ich erstmals während meiner Ausbildung zum Koch im Romantikhotel Waldhorn in Ravensburg: »Kochen ist Physik und Glückssache«, pflegte mein Lehrherr Albert Bouley zu sagen, und das war mir, dem eben aus der Schule entlassenen Jungen mit staatlich attestierter Physik- und Mathe-Schwäche, ein Graus. Konnte es sein, dass ich künftig in der Küche allein auf mein Glück angewiesen sein sollte? Es stellte sich (glücklicherweise!) heraus, dass man die Naturwissenschaft erst mal umgehen konnte, Fleiß, Hingabe und eventuell ein Quäntchen Talent waren die Zahlungsmittel der ersten Jahre.

Ab Mitte der Lehrzeit dämmerte mir, dass es beim Kochen vielleicht doch um mehr gehen könnte als »das perfekte Produkt und das Wissen um die richtige Garzeit«, wie es der französische Minimalist und Starkoch Alain Ducasse einmal proklamierte.

Ich begann, Literatur über das Kochen zu lesen, stibitzte zunächst regelmäßig die neuste Ausgabe des Gourmetmagazins Der Feinschmecker vom Tresen der Hotelrezeption. Dort war in Porträts über berühmte Kollegen viel von der Philosophie der Meisterköche die Rede. Bis heute beginnen viele Interviews mit Köchen mit der Frage nach ihrer Philosophie. Die Antworten damals, Ende der Achtzigerjahre, waren so überwiegend wie flächendeckend einheitlich: frische Produkte und eine modernisierte Nouvelle Cuisine. Heute ist man bei der Beantwortung der alten Frage oft noch ähnlich einfallslos, regional und saisonal sind die Buzzwords unserer Zeit, die gerne auf die Frage nach der Philosophie eines Küchenchefs folgen. Verwechselt werden, damals wie heute, die Begriffe Küchenstil und Küchenphilosophie. Ich ahnte, es musste beim Kochen um mehr gehen als um die Idee auf dem Teller, um mehr als um die Entwicklung eines eigenen Stils, nämlich um die Entwicklung einer damit zwingend verbundenen eigenen Haltung und der Idee, durch das Kochen zu kommunizieren, sich auszudrücken, in Austausch zu treten. Ging es nicht auch darum: durch Kochen und Kulinarik die ganze Welt zu entdecken, andere Kulturen zu verstehen und dabei von der eigenen zu erzählen?

Auf die Sprünge half mir später ein ungemein schweres und nicht sehr einladend gestaltetes Buch, das ich mir 1995 zu Beginn meiner Zeit in der Redaktion der Zeitschrift essen & trinken kaufte. Ich hatte den Eindruck, außer vom Kochen selbst nichts zu wissen von der Welt, und deshalb wollte ich mir als frischgebackener Versuchskoch mit Redakteursvertrag rasch ein bisschen Hintergrund und Tiefe »draufschaffen«, zumal der männliche Part des gemischten Autorenduos zu dieser Zeit Kolumnist und Kritiker des Magazins war. Ich las also Gert von Paczenskys und Anna Dünnebiers Kulturgeschichte des Essens und Trinkens1. Das war ein bisweilen mühsames, aber lohnendes Erweckungserlebnis. Konnte es sein, dass ich ausgerechnet jenen Beruf erlernt hatte, um den sich die Welt dreht, auf dem die Welt fußt? Meine Lesereise führte mich zu den ersten Feuerstellen der Menschheit, von dort zu Brei und Brot, zu Philosophen, Gastrosophen (Bauch und Weisheit!), zu stilbildenden Köchen, zu Jean Anthelme Brillat-Savarin, Marie-Antoine Carême und Auguste Escoffier. Ich lernte, dass Kochen Kultur ist, aber auch Verortung und Heimat sein kann, Religion und Sinn, Ritual und Rausch. Im Laufe der Jahre sind die Disziplinen Philosophie und Küche eins geworden für mich, untrennbar miteinander verwoben, sei es bei der journalistischen Arbeit, sei es als Autor von Kochbüchern, die mehr sein sollen als reine Rezeptsammlungen.

Als der mairisch Verlag, in dem meine literarischen Bücher zu Hause sind, fragte, ob ich eine Philosophie des Kochens als Kurator und Herausgeber betreuen wollte, war ich sofort begeistert von der mir angetragenen Aufgabe. Gleichwohl war mir klar, wie breit, vielfältig und tief dieses Thema ist, und ich notierte auf einem Blatt Papier die Namen von klugen Menschen, von denen ich wusste, dass sie zu den unterschiedlichen Aspekten Erhellendes würden beitragen können: eine bunte Mischung aus Philosophen, Gastrosophen und Soziologen, aus forschenden Wissenschaftlern, aus praktizierenden Köchen und einem Sommelier, aus Künstlern, Journalisten und Trendforschern. Menschen, denen ich einen Antrag machte. Und alle haben sofort zugesagt. Ihnen allen gilt an dieser Stelle mein größter Dank, sie sind es, die dieses Buch zu einer wahrlich vielschichtigen Philosophie des Kochens machen, mit ihren Geschichten, Konzepten, Ideen und Forschungen, mit ihrer Kunst, ihrem Handwerk.

 

Weil das Heute nur versteht, wer auch die Vergangenheit kennt, eröffnet der Gastrosoph und Journalist Nikolai Wojtko den Band mit einer spannenden Geschichte zur Menschwerdung durch das Feuer und die Kulturtechnik des Kochens. Denn erst durch die regelmäßige Verwendung des Feuers entwickelte sich menschliche Kultur.

Professor Dr. Thomas A. Vilgis forscht u. a. zur statistischen Physik weicher Materie, was mich kurz an meinen Lehrherrn und das eingangs erwähnte Wechselspiel von Glück und Physik denken ließ. Thomas Vilgis ist dankenswerterweise auch leidenschaftlicher Kulinariker und als (Koch-)Buchautor und Herausgeber der Zeitschrift Journal Culinaire – Kultur und Wissenschaft des Essens Mittler und Wanderer zwischen zwei untrennbaren Disziplinen. Er schreibt in diesem Band über die Evolution des Geschmacks, über Fermentation und den Geschmack umami, über die Entkulturisierung des Essens und Unsinnigkeiten wie vegane Paleosmoothies.

Trends sind auch das Thema von Hanni Rützler und Wolfgang Reiter, die in Wien das futurefoodstudio betreiben, einen Thinktank zur Erforschung, Entwicklung und Bewertung von innovativen Konzepten und Strategien für die Lebensmittelwirtschaft. In ihrem Beitrag beleuchten sie, wie jene Generation mit dem Kochen umgeht, die keinen Hunger mehr hat, sondern Appetit und einen guten Geschmack, wie das Versorgungskochen von einst sich wandelte und Kochen zur kulinarischen Selbstdarstellungsbühne, zum Mittel zur Selbstoptimierung, zum öffentlich zur Schau getragenen Lebensentwurf, zur Ersatzreligion wurde.

Um die Essthetik des Widerstandes geht es dagegen dem Philosophen Harald Lemke, der über das Kochen selbst nachgedacht hat, über das Essenmachen als Weltrettungsaktion, über Kochen als Handwerk, als demokratisierte Alltagspraxis, als Kunstform. Lemke liefert mit seinem Beitrag ein Herzstück dieses Bandes, denn: »Wer über die kulinarische Praxis nachdenkt und Weisheit und die Wahrheit der Kunst auch in Küchen sucht, der philosophiert zugleich über das Selbstverständnis der Philosophie, einschließlich einer Philosophie der Kunst und des allgemeinen Kunstverständnisses. Denn was soll man von einem philosophischen Denken halten, dessen Relevanz sich nicht darin beweist, uns aufschlussreiche und intelligente Erkenntnisse über die alltäglichsten Dinge und Werke des menschlichen Lebens zu bieten?«

Der gelernte Koch und studierte Philosoph Malte Härtig nimmt uns mit nach Japan, jenes Land, in dem die Philosophie des Kochens, das Nachdenken über Kochen, auch den kulinarischen Alltag durchdringt. Es geht um die Wertschätzung der Produkte und um die gute Idee, dass Kochen auf dem Feld beginnt. Malte Härtig stellt uns Gedanken und Konzepte vor, die dort jahrhundertealte, gelebte Tradition bedeuten und bei uns gerade erst aktuell werden: das Interesse an Herkunft und Qualität von Produkten und die damit verbundene Wertschätzung dieser Produkte, Nachhaltigkeit und Achtsamkeit sowie die Ökonomie des Minimalismus.

In die Küchen der Welt geht es ebenfalls mit dem Essayisten und ZEIT-Journalisten Maximilian Probst, der uns die Küche und das Kochen als Ort und Praxis der Vermittlung nahebringen will. Es geht um die Entfremdung des Menschen von der Natur und darum, wie wir vom Kochen lernen können, dass es eigentlich keine Grenzen gibt, keine Grenzen geben sollte. Genauso, wie sich in einer einfachen Tomatensoße auf unserem Herd mindestens die halbe Welt befindet. Rühren lautet das Programm!

So zukünftig wie zeitgeistig denkt man im positivsten Sinne im jungen Restaurant Sosein in Heroldsberg bei Nürnberg. Das mit einem Michelin-Stern ausgezeichnete Restaurant gehört zu den spannendsten Adressen in Deutschland. Hier denkt das junge Team um Küchenchef Felix Schneider weiter und tiefergehend über das Kochen nach als andere. Dabei entwickelte die Küchenmannschaft eine ganz eigene Philosophie einer regionalen Küche: Sie erproben neue Kochtechniken, verändern die klassischen Küchenabläufe und erneuern die Traditionen des Gastgebens. Angesehen und aufgeschrieben hat sich das Nikolai Wojtko, in Zusammenarbeit mit Felix Schneider.

Tanja Grandits gehört zu den besten Köchinnen der Welt, Gäste und Kritiker sind gleichermaßen begeistert von ihrer farbenfrohen Aromenküche, ihrer Philosophie der monochromen Gerichte in einem Menü. Gemeinsam mit Tanja Grandits habe ich mich auf die Spuren der kulinarischen Farbenlehre begeben – und die führt direkt zum Oxford-University-Professor und Neurogastronomie-Pionier Charles Spence und der Frage, wie äußere Reize und Einflüsse unser Erleben von Geschmack und Genuss steuern können.

Der Soziologe Daniel Kofahl ergründet für uns, durchaus vergnüglich, das Feld der Gastroerotik: eine Geschichte zwischen Liebe und Libido, Food Porn, Trieb und Hunger, der Erotik des Kulinarischen und den Zusammenhängen zwischen Orgasmen und Pommes frites.

Eine Liebeserklärung an das Brot kommt von einem der besten Bäcker der Republik: Arnd Erbel erzählt von der Philosophie des Backens, vom Brot in der Küche und vom Wert handwerklich gebackenen Brotes in unserer Zeit. Ein Beitrag zwischen Philosophie, Politik, Begeisterung und Zuversicht, auf- und mitgeschrieben vom Publizisten, Theologen und Künstler Martin Wurzer-Berger.

Der kulinarische Politaktivist Hendrik Haase erklärt uns, warum der politisch denkende Esser keineswegs genussfeindlich eingestellt ist und warum der Kampf für eine gerechtere und genussvollere Tafel eine neue politische Ernsthaftigkeit des Themas erfordert. Haase macht eine Rechnung auf für eine Welt, in der im Jahre 2050 über zehn Milliarden Menschen satt und glücklich sein wollen, nicht ohne zu erwähnen, dass es bis dahin nur noch genau 32 Ernten sind, in der wir, die Politik, die Landwirtschaft und die Lebensmittelwirtschaft entscheiden können, was in welcher Form angebaut wird. Haase hat Fragen. Und Antworten.

Nur den reinsten Wein schenkt uns anschließend der studierte Germanist, Journalist und Sommelier Sebastian Bordthäuser ein, der es meisterlich versteht, Weinwissen und -liebe unprätentiös und leidenschaftlich zu vermitteln. Seine ganz eigene Philosophie des Trinkens führt mit klugem Humor vom Recht auf Rausch zur Frage, was denn nun einen guten Wein und dessen Wert ausmacht. Holen Sie sich unbedingt vor dem Lesen des Beitrages ein Glas von Ihrem Lieblingswein, sonst müssen Sie zwischendurch aufstehen.

Der Journalist Tobias Müller bringt ein Tabu aufs Papier, denn er geht der Frage nach, wie Menschenfleisch schmeckt, und sprach dazu mit Kulturwissenschaftlern und Ethnologen über dieses heikle Thema. Führt uns doch der Kanibalismus unmittelbar zur Frage nach dem Wert moralischer Maßstäbe, in der eigenen und in anderen Kulturen, und zeigt beispielhaft auf, wie ethische und sittliche Haltungen entstehen.

Vom Wert und der Philosophie der Resteküche erzählt der Journalist Jörn Kabisch, kulinarischer Korrespondent der taz und Kochkolumnist der Wochenzeitung Der Freitag. Er hat sich mit dem philippinischen Koch und Tänzer Pepe Dayaw getroffen, der ein Küchenmeister der Improvisation ist und das Kochen mit Resten für sich entdeckt hat.

Dass es sich ohne Zeitdruck besser rührt und sowieso nur kochen sollte, wer sich auch Zeit dafür nimmt, erklärt uns Kochbuchautor Claudio Del Principe in einem leidenschaftlichen Plädoyer für die (Wieder-) Entdeckung der Langsamkeit in der Küche. Geschmack braucht Zeit, Zeit zum Reifen und Ruhen, zum Fermentieren, zum Gehen, Gären und Garen. Principe lebt selbst das Prinzip des slow cooking und erläutert beispielhaft, wie das auch in hektischen Zeiten gelingen kann.

Der Band schließt sinnigerweise mit dem Aufruf des Künstlers Dieter Froelich, der sich immer schon für eine kulinarische Abrüstung stark machte und sich treu bleibt mit der Forderung: »Hört auf zu kochen« – einer so erhellenden wie vergnüglichen Krittelei eines Passatisten an der avantgardistischen Kreativküche. Darin legt er nahe, dass das kulinarische Rad nur einmal wirklich neu erfunden wurde – und seitdem gerne auch mal durchdreht.

 

Dass aber dieses Rad sehr viele Speichen hat und noch mehr hochinteressante Zwischenräume, davon erzählen dieses Buch und seine Beiträgerinnen und Beiträger aus den unterschiedlichsten Betrachtungswinkeln. Ich wünsche viel Vergnügen bei dieser philosophisch-kulinarischen Reise zwischen Bauch und Weisheit.

 

 

STEVAN PAUL

Stevan Paul (*1969) lebt in Hamburg. Der gelernte Koch ist heute als Autor für verschiedene Verlage, Zeitungen, Zeitschriften und Radiosender tätig. Seine Geschichten vom Kochen wie auch seine Kochbücher sind Bestseller, zuletzt Meine japanische Küche (2017), Der große Glander (2016), Auf die Hand (2014) und Deutschland vegetarisch (2013). Er betreibt eines der meistgelesenen Food-Blogs im deutschsprachigen Raum.

www.nutriculinary.com | www.stevanpaul.de

 

 


1 Gert von Paczensky, Anna Dünnebier: “Kulturgeschichte des Essens und Trinkens”, Orbis Verlag für Publizistik, München 1999.

DIE ENTSTEHUNG DER PHILOSOPHIE AUS DER FEUERSTELLE

Von Nikolai Wojtko

»Der Mensch, auch Homo sapiens (lat. für verstehender, verständiger bzw. weiser, gescheiter, kluger, vernünftiger Mensch), ist nach der biologischen Systematik ein höheres Säugetier aus der Ordnung der Primaten (Primates).«1

»Ist es nicht so, dass wir uns den Philosophen vorstellen wie einen hageren Priester, der seine Weisheit aus seinem Verstande zieht, den Koch jedoch als einen sinnlichen Menschen, der die Erfüllung seines Seins in der Hinwendung zu irdischen Genüssen sieht?«2

»Jenseits des Klischees sehe ich viele Philosophen, die den Schalk nicht nur im Nacken tragen, sondern nach dem Vorbilde Sokrates’ den Wortwitz wie einen Eulenspiegel verwenden, um den Dialog zu befeuern und die Erkenntnis unter Einwirkung dieser Hitze reifen zu lassen. Wie nun aber steht es um die Köche, die diesen Witz weitertreiben, indem sie gefestigte Geschmacksbilder dekonstruieren, nicht, um mit ihnen zu spielen, sondern um die Aufmerksamkeit der sonst gleichmütigen Esser zu erzeugen? Sind sie nicht die wahren Philosophen, die unseren Verstand nähren durch unvergessliche Eindrücke des Geschmacks, der seinerseits seine Übersetzung in Sprache fordert und vorantreibt? Denn erst die sinnlichen Eindrücke füttern und formen den Verstand. Und es ist die Zunge, die nicht nur die Fähigkeit der Synthese, sondern gleichzeitig die Möglichkeit der Analyse besitzt. So kann sie einen ganzen Geschmacksakkord auf einmal wahrnehmen, um ihn danach in der Analyse der Worte auf den Begriff zu bringen.«3

 

Homo sapiens nennen wir uns selbst. Dabei übersetzen wir diesen lateinischen Ausdruck in der Regel mit weiser Mensch. Was aber sind die Voraussetzungen für diese Weisheit? Was hat die Menschen in die Lage versetzt, sich selbst so zu bezeichnen?

Die Philosophie wird gerne als Kopfsache verstanden, von daher liegt es nahe, sie mit dem Verstand oder eben mit der Weisheit gleichzusetzen, so wie es ihr Name schon sagt: philosophia – die Liebe zur Weisheit. Wie aber gelangen wir dahin, uns auf diese Art zu beschreiben? Dem symbolischen Universum, dem Bereich der Zeichen, sind keine Grenzen gesetzt, und vielleicht ist die Sprache eines der wundersamsten Dinge, welche die menschliche Kultur hervorgebracht hat. Die Sprache lässt uns von Göttern reden und davon, dass wir selbst weise sind. Dabei lässt uns die Sprache oft gerne vergessen, wie sie selbst in die Welt gekommen ist, denn eines möchte sie ungerne: von sich selbst abgelenkt werden. Was aber bringt den Menschen und die Philosophie zusammen? Werfen wir einfach mal einen kurzen Blick in eine ganz normale Küche.

 

Natur und Kultur

Im Unterschied zur frei schwebenden und deshalb oft locker assoziierenden Sprache ist eine Küche eher geerdet. Hier hat man seine Zutaten, das Material, mit dem man etwas zubereiten möchte. Dabei ist das Ziel neben der Sättigung natürlich der Geschmack. Wir wollen, wenn wir uns schon in die Küche begeben, etwas zubereiten, das uns schmeckt. Denn das Selbstgekochte soll uns nicht in erster Linie satt, es soll uns zufrieden und im besten Falle uns und unsere Gäste glücklich machen. Durch das gemeinsame Essen finden wir Gemeinschaft und vergewissern uns, dass wir nicht nur denkende Wesen sind. Denn Essen ist analoger Genuss.

Wenn wir eine normale Küche betrachten, dann sehen wir meistens ein relativ feststehendes Ensemble von Schubladen, Schränken, einem Spülbecken, einer Arbeitsfläche und – neben dem Kühlschrank – selbstverständlich auch einen Herd. Und es ist der Herd, der uns symbolisch noch an unsere Vorgeschichte zu erinnern vermag. Denn egal wie friedlich, modern und technisch ausgereift er sich gibt: Er bringt immer noch die Flamme ins Haus, wenn auch zumeist schon nicht mehr in offener Form, wie bei einem Gasherd, sondern in der Regel in einer etwas gezügelten Variante, wobei die Hitze des Herdes immer noch auf die Flamme verweist. Und es ist diese Flamme, die uns daran erinnert, dass wir durch ihre Beherrschung zu dem wurden, was wir sind: Menschen.

Rein biologisch betrachtet beginnt das Leben mit dem Wasser, kulturell jedoch mit dem Feuer. Bevor unsere Vorfahren lernten, das zu beherrschen und zu benutzen, konnte vom Menschsein keine Rede sein. Erst durch die regelmäßige Verwendung des Feuers entwickelte sich menschliche Kultur. Und diese Kultur hebt nicht damit an, dass unsere Vorfahren das Feuer als Abschreckung für wilde Tiere verwendet hätten, sondern damit, dass sie die Möglichkeit erkannten, die Feuerstellen zum Kochen zu verwenden. Dies ist nicht etwa die fixe Idee eines sprachverliebten Kochs, sondern die zentrale These von Richard Wrangham, Professor für Anthropologie an der Harvard University. In seinem Buch Feuer fangen zeigt er eindrucksvoll auf, wie uns das Kochen erst zum Menschen werden ließ.4 Der Wechsel von rohem zu gekochtem Essen war für unsere Vorfahren nicht nur der Startschuss der Kultur, sondern gleichzeitig ihr evolutionärer Durchbruch.5 Erst das Kochen hat unsere Vorfahren in die Lage versetzt, sich anderen Betätigungen zuwenden zu können, jenseits der Nahrungsaufnahme und Reproduktion. Die Menschheit tritt aus der Natur und begründet rund um die Kochstellen ihre Kultur. Das Kochen selbst schaffte die entscheidende Voraussetzung dafür, heutige Grundnahrungsmittel wie Reis, Getreide oder Kartoffeln überhaupt erst für den menschlichen Organismus verzehrbar werden zu lassen. Durch die Beherrschung des Feuers und die kulturelle Fähigkeit zu kochen verkleinerte sich – salopp ausgedrückt – der Verdauungsapparat unserer Vorfahren, während sich ihr Gehirn vergrößerte. Kochen machte uns zu Menschen und versetzte unsere Vorfahren überhaupt erst in die Lage, sich Namen zu geben und sich irgendwann als Homo sapiens zu beschreiben. Für den Beginn der menschlichen Kultur stehen symbolisch die Höhlenmalereien unserer Vorfahren, die sie im Schein des Feuers – der Kochstelle – anfertigten. Das Kochen war dabei der entscheidende Motor, die Palette des Nahrungsangebotes stieg.

Neben der Nahrung, die auf offener Flamme gegart wurde, waren Schüsseln, Muscheln, Tiermägen und andere Vorläufer des heute sprichwörtlichen Topfs auf dem Feuer von entscheidender Bedeutung. Denn der Topf wirkt wie ein ausgelagerter Magen, der dem eigenen Magen jede Menge Arbeit abnimmt.6 Nahrungsmittel werden durch ihre Transformation auf offenem Feuer zu ersten Formen menschlicher Kultur.

 

Die zwei Gaben der Zunge

Sinnbildlich aus heutiger Sicht sind dabei die beiden Gaben der Zunge, die wir so selbstverständlich verwenden, dass wir sie selten einmal thematisieren. Unsere Zunge kann – wenn auch nicht gleichzeitig – schmecken und sprechen. Damit verfügt sie über die Fähigkeit der Synthese – sie kann einen fulminanten Geschmacksakkord in einem erfassen – als auch über die der Analyse – sie kann diesen Geschmacksakkord in einzelnen Worten beschreiben. Dieses Vermögen aber hat sich die Zunge erst durch das Kochen erwerben können, denn, so Richard Wrangham weiter, erst das Kochen hat dazu geführt, dass sich der Kauapparat unserer Vorfahren derart verkleinern konnte, dass sie in die Lage versetzt wurden, eine differenzierte Sprache auszubilden. Eine Sprache, von der wir gewohnt sind, sie schon mit der Muttermilch aufzusaugen. Auch dies ist ein grundlegender Teil der menschlichen Kultur: Essen und Reden gehen Hand in Hand. An der Mutterbrust bekommt das Baby nicht nur Muttermilch und Wärme vermittelt, sondern immer auch die grundlegenden Funktionen der menschlichen Kommunikation. Dies ist auch in anderer Hinsicht von nicht zu unterschätzender Bedeutung: Noch heute treffen wir uns gerne zum gemeinsamen Essen. Zu Hause, im Restaurant, zum Grillen oder Picknicken in freier Natur. Die unterschiedlichen Möglichkeiten sind so zahlreich wie die gemeinsamen Gespräche beim Essen.

Und zugleich ist es die Sprache, durch die sich unser Verstand zum Ausdruck bringt. Wie aber, fragt Michel Serres – Philosoph und seit 1990 einer der vierzig Unsterblichen der Académie française –, kommt der Verstand dazu, sich ausdrücken zu wollen? Er ist abhängig von sinnlichen Reizen, denn es ist nichts im Verstand, was nicht zuvor in den Sinnen war.7 Was also geht der Sprache voraus? Es sind die sinnlichen Eindrücke, die den Verstand erst zur Tätigkeit anregen. Um diese These veranschaulichen und gegen den modernen Zeitgeist in Stellung bringen zu können, beschäftigt er sich mit der Gegenüberstellung von Ästhesie und Anästhesie. Verblüffenderweise sind wir durch die Tätigkeit des entsprechend ausgebildeten Arztes viel eher über die Möglichkeiten der Betäubung, der Anästhesie informiert, als über dessen Alter Ego, die Ästhesie. Dies ist weniger ein Wunder als vielmehr unserem sprachlich geformten Denken geschuldet. Denn wir sehen in den Worten und der Analyse, die sie liefern, den Grund unseres Wissens und unserer Weisheit. Aber – so Serres – sind es nicht gerade die Worte, die unsere Zunge betäuben? Ist es nicht die permanente Formung von Lauten, die unsere Zunge müde werden lässt? Lebt sie nicht in der fortwährenden Anästhesie der Worte?8 Wie belebend wirkt auf sie ein neuer, ein komplexer, ein erfrischender Geschmack. Ein solcher Geschmack strahlt nicht nur positiv auf die Zunge aus, sondern regt als ein starker sinnlicher Eindruck unser Denkvermögen an. Und sofort ist der Verstand geneigt, den glücklich machenden sinnlichen Eindruck in Worte zu fassen und ihn zum Ausdruck bringen zu wollen. So verstanden fasst Philosophie sinnliche Eindrücke in Worte. Dies ist kein Zufall. Denn der Geschmack, dem wir in unserer zunehmend digitaler werdenden Gegenwart meist so wenig zutrauen, dass wir ihn nicht weiter beschreiben wollen und ihn für sich stehen lassen – Über Geschmack lässt sich nicht streiten heißt das Programm dieser geschmacklichen Verdummung –, ist ursprünglich der Sinneseindruck, der überlebensnotwendig war. Der Geschmack warnte unsere Vorfahren vor ungesunden Substanzen und schützte so vor Vergiftungen. Und die Zunge vermag noch mehr: als Hüterin des Körpers und letzte Testerin aller Nahrungsmittel sagt sie uns verlässlich und tagtäglich ihr Urteil über den Zustand dessen, was wir zu uns nehmen. Verdorbene Speisen, deren Geruch uns nicht schon vorher warnt, nimmt sie wahr und bringt uns zum Ausspucken. Gleichzeitig ist sie Vermittlerin zwischen unserem natürlichen Bedürfnis der Nahrungsaufnahme und unserem kulturell entwickelten Verlangen nach Genuss. Es sind diese beiden Vermögen der Zunge, das Sprechen und das Schmecken, die uns zu weisen Menschen gemacht haben. Denn unsere Weisheit, so die zweite Bedeutung des lateinischen Wortes sapor, kommt von Geschmack. Wir sind weise, da wir Geschmack haben, oder in diesem Zusammenhang: Das Essen stellt die Philosophie nicht nur vom Kopf auf den Magen, es lässt uns schmecken und macht uns sprechen. So begründet das Kochen die Philosophie.

 

 

NIKOLAI WOJTKO

Dr. Nikolai Wojtko arbeitet als freier Autor und leidenschaftlicher Gastrosoph in Köln. Er studierte Kommunikationswissenschaft, Soziologie und Philosophie. Zusammen mit dem Spitzenkoch Jean-Marie Dumaine verfasste er 2010 das Buch Trüffeln – die heimischen Exoten, um über die Geschichte der deutschen Trüffeln zu berichten und ihre kulinarische Vielseitigkeit in über 60 Rezepten von der Vorspeise bis zum Dessert unter Beweis zu stellen. In Zusammenarbeit mit mehreren Köchen gibt er www.tartuffel.de, das Onlinemagazin für Gastrosophie und Genuss heraus. Er ist Mitglied im Ahrtrüffelverein, der Deutschen Akademie für Kulinaristik (DAfK) sowie dem Food Editors Club (FEC). Auch wenn er mittlerweile unfallfrei ein Kölsch im gleichnamigen Dialekt bestellen kann, trinkt er lieber Wein.

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1 Wikipedia Eintrag abgerufen am 11.07.2017: https://de.wikipedia.org/wiki/Mensch

2 Unbekannt

3 Unbekannt

4 Richard Wrangham, »Feuer fangen. Wie uns das Kochen zum Menschen machte – eine neue Theorie der menschlichen Evolution«, DVA, München 2009 (Orig. New York 2009).

5 Selbstredend weist der erste Band der Mythenerzählungen von Lévi-Strauss den Unterschied von Rohem und Gekochtem als grundlegend im Verständnis von menschlicher Kultur auf. Claude Lévi-Strauss, »Mythologica I. Das Rohe und das Gekochte«, Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 1971 (Orig. Paris 1964).

6 Michael Pollan, »Kochen. Eine Naturgeschichte der Transformation«, Verlag Antje Kunstmann, München 2014 (Orig. New York 2013).

7 Michel Serres, »Die fünf Sinne. Eine Philosophie der Gemenge und Gemische«, Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 1998 (Orig. Paris 1985).

8 Es ist sicherlich kein Zufall, dass eines der grundlegenden literarischen Werke der Moderne – von dem viele Leser sagen, es würde sie ob seines nicht enden wollenden Wortschwalls ermüden – ein Geschmackserlebnis zum Ausgangspunkt seiner Geschichte nimmt. Denn es ist – im Unterschied zu der von Proust kritisch gesehenen Form der bewussten Erinnerung – die durch den unmittelbaren und direkten Geschmackseindruck hervorgebrachte unbewusste Erinnerung, die den Ich-Erzähler durch die Zeiten seines Lebens katapultiert, die Handlung des Romans grundmotivisch anregt und den Autor zu einem nicht enden wollenden Monolog animiert. Marcel Proust, »Auf der Suche nach der verlorenen Zeit«, Reclam Verlag, Stuttgart 2013 ff. (Orig. Paris 1913 ff.). Es sind diese in einen Tee getauchte Madeleines, die wenige Jahre später A. J. Liebling, einen amerikanischen Restaurantkritiker mit einer Vorliebe für Pariser Lokale, zu der Bemerkung veranlassten, Proust hätte ein viel größerer Schriftsteller werden können, hätte er nur einen gesegneten Appetit gehabt, wenn man bedenkt, zu welcher literarischen Leistung ihn schon dieses leichte, dazu noch in Tee getauchte Gebäck animierte. A. J. Liebling, »Zwischen den Gängen. Ein Amerikaner in den Restaurants von Paris«, Berenberg Verlag, Berlin 2007 (Orig. New York 1959)

DER GESCHMACK MACHT’S

WARUM WIR HEUTE NOCH SO KOCHEN WIR VOR MILLIONEN JAHREN

Von Thomas A. Vilgis

 

Altes oder modernes Kochen?

In den Hochzeiten des als Molekularküche bekannt gewordenen Küchenstils wurde gern behauptet, es würde heute noch so gekocht wie vor 10.000 Jahren. Untermauert wurde dies mit Zitaten, in denen es hieß, man wüsste bis heute nicht genau, was in einem Kochtopf vorginge, kenne aber die Temperatur im Inneren von Sternen. Das mag alles richtig sein, tatsächlich sind Kochtöpfe aus Sicht der Forschung in vielerlei Hinsicht blackboxes. Nur hat streng genommen auch die Molekularküche nichts grundsätzlich Neues hinzugefügt, außer bei klassischen Köchen weniger bekannte (und viel gescholtene) Techniken.

Im Grunde aber kochen und essen wir genauso wie seit dem Ursprung der modernen Lebensmitteltechnologie und den Meilensteinen Feuerkontrolle, Ackerbau und Kontrolle der Mikroorganismen bei der Fermentation. Bei allen Hightechmethoden, die Köche und Lebensmitteltechnologen entwickelten, egal wie avantgardistisch oder abenteuerlich Texturen, Geschmacksvariationen oder Aromakonstruktionen erscheinen mögen, bewegen sich die tatsächlichen Lebensmittelzustände in engen Grenzen: Lebensmittel sind roh, gekocht oder fermentiert, wie seit jeher. Mehr gibt es nicht, weder aus naturwissenschaftlicher noch aus molekularer Sicht.

Der tiefere Grund dafür offenbart sich allein in den harten Forderungen unserer physiologischen Biomaschine, Hunger genannt, und unserem Geschmack. Beide sind die Triebkräfte des Kochens.

Der Rest ist seit Millionen Jahren »nur« Kosmetik, getrieben durch den epochalen Zeitgeist der vorherrschenden Moden und Strömungen. Daher lohnt es sich, einen Blick auf die wirklich universellen Meilensteine der Entwicklung des Kochens zu wagen.

 

Vor dem Kochen

Unbestritten ist, welch großen Einfluss das Feuer und dessen vorausschauende Kontrolle auf die Lebensweise unserer Vorfahren hatte. Vor der Nutzbarmachung des Feuers gab es als Nahrungsangebot nur Rohkost, wie Wurzeln, Beeren, Früchte, frühe Gemüse, Nüsse, Samen sowie Vogeleier, Flusskrebse, Fische, jagdbare Kleintiere und Aas als Proteinquelle.1 Das Aas stammte von Beuten der Raubtiere oder anderen verendeten Tieren23 und war von großer Bedeutung, denn die essenziellen Aminosäuren tierischer Proteine sind physiologisch leicht bioverfügbare Nährstoffe4 und für den Muskelaufbau unabdingbar – das gilt auch heute noch. Manche Frühmenschen entwickelten Enzyme, die einen leichten Alkoholkonsum ermöglichten.5 Der Vorteil davon ist klar, das Nahrungsangebot wurde dadurch erweitert, da mit dieser Genmodifikation eine weitere Nahrungsquelle offenstand: vergorene, leicht angefaulte Früchte und Gemüse. Eine andere Form von fermentierten Lebensmitteln war der Mageninhalt von erlegten oder gerissenen Tieren. In der Magen-Darm-Passage von Wiederkäuern sind Enzyme vorhanden, die auch Zellmaterial wie Cellulose zu wertvollen Stärkebruchstücken (quasi Maltodextrin) und Glucose spalten. Auch in deren Mägen fermentierte und vorgespaltene Proteine lieferten Nahrung, die wertvoll und leicht verdaulich war.

Um Rohkost wie Wurzeln und alle Pflanzenteile physiologisch zu verwerten, waren die Vorstufen des Homo sapiens vor Millionen von Jahren mit einer anderen Kopfform und Kiefermuskulatur sowie einer größeren Darmlänge und Darmflora ausgestattet. So konnten harte Wurzeln erst zerkaut werden, um an die Nährstoffe heranzukommen und später konnte die Struktur der Lebensmittel in den deutlich längeren Magen-Darm-Trakten aufgeschlüsselt werden; der Urmensch konnte durch seinen Enzymstatus und seine Darmflora mit der Nahrung umgehen.6 Anders als in tierischen Proteinen liegen in Pflanzen alle Nährstoffe in harten Pflanzenzellen vorschlossen, die nur durch Beißen und Kauen, und auch das nur zum Teil, geöffnet werden können. Enzymatisch waren und sind sie bis heute nicht zugänglich.

Allerdings waren rohe Lebensmittel mit einer Vielzahl von Keimen, Pilzen und Bakterien kontaminiert und damit wenig »sicher«. Der frühe Mensch musste sich also neben der Sichtprüfung vor allem auf die direkten, »chemischen« Sinne wie Geschmack und Geruch verlassen. Die Sinne, mit denen Mensch und Tier ausgestattet waren, waren die einzigen Möglichkeiten, Lebensmittel auf Sicherheit, Essbarkeit und Ernährungswert zu prüfen. All dies geschah mit sichtbarem Erfolg; wir wären sonst heute nicht mehr in der Welt.

 

Feuer: Revolution des Lebens

Die große Wende kam erst mit der Beherrschung und Kontrolle des Feuers.7 Die Nutzung des Feuers kennzeichnet den Beginn der modernen Lebensmitteltechnologie und des Lebensmittelprozessierens. Mit der Beherrschbarkeit des Feuers war aus ethnologischer Sicht der Übergang von der »Natur« zur »Kultur« vollziehbar und naturwissenschaftlich belegbar.9