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Über die Autorin:

Leyla-Leona Barth

Das Genre von L.L. Barth sind Liebesromane für Menschen, die an die große Liebe glauben. Barth reist selbst gerne und so spielen ihre Romane an traumhaft schönen Orten. Sie selbst sagt über ihre Romane: "Ich möchte meinen Lesern ein paar schöne Stunden bescheren, in denen sie mit den Helden meiner Romane mitfiebern können - und ich möchte sie in die schönsten Ecken dieser Welt entführen."

Weitere Informationen auf www.ausdrucksstark.at

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Alle in diesem Buch geschilderten Handlungen und Personen sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen wären zufällig und nicht beabsichtigt.

L.L. Barth

L-O-V-E

Wohin es uns treibt

© 2017 L.L. Barth

Autor: Leyla-Leona Barth

Umschlaggestaltung, Illustration: market & speaking

Verlag: myMorawa von Morawa Lesezirkel GmbH

978-3-99070-293-2 (Paperback)

978-3-99070-294-9 (Hardcover)

978-3-99070-295-6 (e-Book)

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Agenda of L-O-V-E

If you can’t smile and say yes (please don’t cry and say no)

Fascination

What is this thing called Love?

When I fall in Love

L-O-V-E

Say It Isn’t So

If I Should Lose You

Miss You

(What Can I Say) After I Say I’m Sorry?

Our Love Is Here To Stay

David

Greta

Let True Love Begin

EPILOG: Unforgettable

If you can’t smile and say yes (please don’t cry and say no)

Greta Grunwald stand am Fenster und blickte hinaus auf diesen regnerischen Juni-Tag. Es war der Tag nach ihrem zweiundvierzigsten Geburtstag, den sie gestern gefeiert hatte. Es war bereits Juni doch der Sommer ließ heuer noch auf sich warten. Im Hintergrund lief eine alte Schallplatte von Nat King Cole. Greta mochte diese Art von Musik, die so einschmeichelnd war und in der ein wohliges Gefühl der guten alten Zeit mitschwang. Die Musik beruhigte sie und gab ihr Kraft und positive Energie. Doch auch die sanfte Musik half ihr heute nicht zu ihrer gewohnten Ruhe zu finden. Ihre Gedanken schweiften ab, eigentlich hatte sie alles was man sich nur wünschen konnte und doch spürte sie seit geraumer Zeit eine unerklärbare Unzufriedenheit, die sich langsam und immer stärker in ihr Bewusstsein schlich. Sie versuchte die trüben Gedanken abzuschütteln. "Wird wohl nur das Wetter sein, wenn die Sonne scheint, geht's mir bald wieder besser," dachte sie bei sich. Sie drehte sich um und blickte sich in ihrer Luxuswohnung im Wiener Nobelbezirk Döbling um. Die Wohnung hatte sie gemeinsam mit Gregor vor einigen Jahren bezogen.

***

Gregor – wenn sie an ihn dachte wurde ihre innere Unruhe noch stärker. Was war nur los mit ihr? Sie waren nun schon seit zehn Jahren zusammen und galten als absolutes Traumpaar. Er, der gutaussehende Banker und sie, die schöne Wirtschaftsingenieurin. Beide waren sie sehr erfolgreich in ihren jeweiligen Berufen, hatten ein reges Sozialleben und keinerlei existenzielle Sorgen. Greta seufzte, wie konnte es sein, dass sie bei all dem trotzdem so unzufrieden war?

Sie schnappte sich eine Zeitung, wie sie es jeden Sonntagmorgen, wenn Gregor im Fitnessstudio war, tat und begann lustlos darin zu blättern. Sonst konnte sie stundenlang die gut geschriebenen Artikel lesen und sich dabei wunderbar entspannen. Oftmals war sie mit ihren Zeitungen noch gar nicht fertig, wenn Gregor vom Training zurückkam und er wurde ungeduldig, wenn sie immer noch las, sobald er die Wohnung betrat. Er wollte, dass sie schon ausgehfertig war, denn nachdem er geduscht hatte stand der obligate Heurigenbesuch am Programm. Sie fuhren dann zu einem der umliegenden Lokale und trafen sich dort mit ihren Bekannten. Dort blieben sie dann zumeist bis zum Abend hängen. Doch Greta wollte heute weder lesen, noch später zum Heurigen gehen. Also beschloss sie trotz des schlechten Wetters hinauszugehen. Sie brauchte dringend frische Luft.

***

Von ihrem fünften bis zum zwölften Lebensjahr hatte Greta intensiven Ballettunterricht absolviert und zeigte hier sehr viel Talent. Doch mit zwölf Jahren verhinderte ein enormer Wachstumsschub eine weitere Karriere als Tänzerin. Greta erinnerte sich noch genau daran, wie sehr sie geweint, getobt und mit ihrem Schicksal gehadert hatte. Ihre Eltern hatten sich damals mit ihr beraten, was sie nun machen konnte. Sie wussten, dass Sport für Greta ein wichtiger Bestandteil ihres Lebens war und so kamen sie auf die Idee, sie sollte es mal mit Fechten probieren. Da war eine gewisse körperliche Größe durchaus von Vorteil und die eleganten Bewegungen des Balletts halfen ihr schnell dabei, in dieser Sportart Fuß zu fassen.

So wurde Greta eine ausgezeichnete Fechterin und hatte es sogar zur österreichischen Meisterin ihrer Klasse geschafft. Sie war dann nach der Matura für ein paar Monate nach Italien gezogen und hatte bei dem Meister der italienischen Fechtschule San Vincenzo gelernt. Die vier Grundwerte der alten italienischen Fechtschule hatte sie noch immer verinnerlicht: Mut, Weitsicht, Geschicklichkeit und Stärke.

Eigenartig, dass sie gerade heute daran denken musste. Sie konnte San Vincenzo beinahe hören, wie er ihr diese Grundsätze eingetrichtert hatte: "Auf diesen Werten fußen alle Techniken, die du brauchst – nicht nur beim Fechten, sondern auch im Leben. Denn sie setzen den Mut zum Angriff voraus." Mut zum Angriff – wen oder was sollte sie angreifen? Sie war in ihrer perfekten Welt, in ihrer Komfortzone, da gab es nichts und niemanden anzugreifen, keinen sichtbarer Feind – nur ihre innere Unruhe und Unzufriedenheit.

Sport hatte ihr stets geholfen, wenn sie in schwierigen Lebenslagen war und doch hatte der jahrelange Leistungssport und die damit verbundenen harten Trainingseinheiten seine Spuren hinterlassen. Sie hatte sich beim Ende ihrer Karriere geschworen, dass sie nie wieder in ihrem ganzen Leben auch nur einen Fuß in eine Kraftkammer setzen würde. Daher war sie konditionell ein wenig außer Form, doch das hatte zum Glück ihrer guten Figur keinen Schaden zugefügt. Sie war mit ihren zweiundvierzig Jahren immer noch sehr schlank und ihre Proportionen waren auf ein Meter fünfundsiebzig perfekt verteilt. Ihre langen schlanken Beine hatten eine schöne Form und waren durch das jahrelange Training sehnig und muskulös.

***

Doch seit zehn Jahren, seit sie mit Gregor zusammen war, hatte sie keinerlei intensiven Sport mehr betrieben, von den jährlichen Skiurlauben mal abgesehen. Sie war zufrieden wie ihr Leben verlaufen war. Doch seit ein paar Monaten, es gab eigentlich keinen wirklichen Auslöser, war diese gewisse Nervosität da, die sie mal mehr mal weniger verspürte. Zum ersten Mal seit sie mit dem Leistungssport aufgehört hatte, hatte sie unbändige Lust, sich so richtig auszupowern. Also kramte sie ihre Laufschuhe hervor, die ihr Gregor vor ein paar Jahren geschenkt hatte und die noch nagelneu und völlig unbeachtet in der Originalschachtel lagen. Sie zog Trainingsklamotten an, setzte sich eine Kappe auf und lief in Richtung des nahe gelegenen Waldes. Zu Beginn war sie sehr schnell außer Puste und bekam Seitenstechen, weil sie doch ein wenig zu ambitioniert gestartet hatte. Sie erinnerte sich was ihr Bekannte über das Laufen erzählt hatten: "Du musst zu Beginn langsam laufen, du musst langsam starten und in der Lage sein, eine Unterhaltung zu führen, ohne außer Atem zu geraten. Die Geschwindigkeit kommt dann von selbst." Also blieb sie stehen, holte ein paar Mal tief Luft und atmete dadurch auch das Seitenstechen weg und begann nochmals, diesmal etwas langsamer. Da sie alleine unterwegs war hatte sie niemanden, mit dem sie sich hätte unterhalten können, also nahm sie ihren inneren Monolog als Schrittmacher. Und schön langsam begann sie im Rhythmus ihrer Beine zu atmen und sie lief und lief. Sie hatte keine Uhr dabei und verlor sich völlig in ihren eigenen Gedanken. Als sie bei einem Kirchturm vorbeilief, sah sie auf die Uhr und bemerkte, dass sie bereits seit fast einer Stunde unterwegs war. Sie staunte nicht schlecht als sie das sah. Um diese Zeit musste auch Gregor bereits zuhause sein, er würde sich Sorgen machen wo Greta blieb. Also lief sie zurück und betrat verschwitzt und durchnässt die Wohnung.

***

"Wo warst du? Ich habe mir Sorgen gemacht!" Gregor stand noch in seinen Sportklamotten im langen Flur und blickte sie vorwurfsvoll an. "Ich war laufen", antwortete Greta schlicht. "Seit wann gehst du laufen? Und warum hast du mir keine Nachricht hinterlassen? Es hätte weiß Gott was passieren können." Das war typisch Gregor, es gab Regeln für alles, die aufs strengste eingehalten werden mussten. Die Euphorie vom Laufen war bei Greta sofort wieder verflogen. Gregor war so ein Spaßverderber, er war absolut zuverlässig und stets korrekt, doch für Spontaneität blieb kein Spielraum. Greta nahm ihre patschnasse Kappe vom Kopf und schüttete ihre kurzen blonden Haare durch. "Ich gehe jetzt duschen und danach können wir ja vielleicht gemeinsam was kochen." Gregor sagte nichts mehr, er schüttelte nur seinen Kopf und jeder verschwand in seinem eigenen Badezimmer. Darauf hatte Gregor damals beim Wohnungskauf bestanden, jeder sollte sein eigenes Badezimmer bekommen, um sich nicht gegenseitig im Weg zu sein.

Greta war damals, als sie die Wohnung besichtigt hatten, mit allem einverstanden gewesen. Sie hätte mit Gregor auch in einer kleinen Kellerbehausung gelebt, so gern war sie mit ihm zusammen gewesen. Aber Gregor wollte Perfektion und so wurde eben eine riesengroße und sehr luxuriöse Wohnung gekauft. Greta selbst war immer schon sehr minimalistisch gewesen, sicherlich auch geprägt durch ihre Reisen mit der Fechtmannschaft, da war nur Platz für das Notwendigste und keinerlei Firlefanz. Sie hatte nie viel angehäuft oder gesammelt und war auch nie mit großem Gepäck gereist. Das war eine der vielen Vorzüge, die Gregor an Greta schätzte, sie war keine Frau, die Zierkissen und Duftkerzen aufstellen wollte. Und so wurde die Wohnung sehr modern und kühl eingerichtet, die teuersten Designermöbel mussten es sein und davon nur die edelsten Stücke.

***

Als Greta unter der Dusche stand, dachte sie an die Anfangszeit mit Gregor zurück. Bei einem beruflichen Termin waren sie einander zum ersten Mal begegnet und es hatte sofort gefunkt. Der gutaussehende Banker Gregor Purser hatte ihr Herz im Sturm erobert. Er war geschieden und hatte mit seiner Ex-Frau zwei kleine Kinder. Doch Greta war das egal. Sie und Gregor schienen wie füreinander geschaffen. Schon nach den ersten paar Verabredungen war klar, dass sie zusammen sein wollten.

Und so besichtigten sie einige Wohnungen und es war stets Gregor gewesen, der das Zepter in der Hand behielt. Er bestand auf einer großen Wohnung, die eine ganze Familie hätte beherbergen können – vorausgesetzt die Familie hätte sich dieses Luxusanwesen leisten können. Zu Beginn war die Beziehung genauso wie man es sich nur wünschen konnte. Gregor war aufmerksam, brachte ihr Blumen mit, umwarb sie, auch noch in der Zeit als sie bereits zusammenwohnten. Er trug Greta auf Händen. Er war stolz auf sie, sie die sich in ihrem Beruf so behauptete und die so wunderschön war, dass es ihm manchmal den Atem verschlug, wenn er sie nur anblickte. Greta erinnerte sich gut an diese Blicke – diese bewundernden und begehrlichen Blicken, mit denen Gregor sie ansah. Sie selbst war weniger romantisch veranlagt, doch sie war für den unwiderstehlichen Charme Gregors durchaus empfänglich. Gregor war der erfolgsverwöhnte Nachkomme einer alten Bankiersfamilie und als es an der Zeit war, die familieneigene Privatbank auf die nächste Stufe zu heben, war Gregor zur Stelle. Er modernisierte das traditionelle Bankhaus und führte es zu einem Erfolg, von dem der Gründer, sein Urgroßvater, nur hätte träumen können. Er setzte sich auch gegen all die großen Bankhäuser, die sich zu immer größer werdenden Konzernen zusammenschlossen, durch. Sein Geheimnis war, dass er, dadurch er in sehr elitären Kreisen aufgewachsen war, viele und vor allem sehr betuchte Kontakte hatte, die dem Bankhaus Purser ihr Vertrauen schenkten. Und sie wurden niemals enttäuscht.

Greta dachte weiter darüber nach, wie es zu Beginn ihrer Beziehung mit Gregor gewesen war. Eigentlich war es immer Gregor gewesen, der die Marschrichtung vorgegeben hatte. Sie hatte sich gefügt und es war ihr nicht einmal aufgefallen, dass er nur selten um ihre Meinung fragte. Er hatte die riesige und äußerst exklusive Wohnung ausgesucht, er bestimmte den Tagesablauf und er war derjenige, der seine Freunde zu ihren gemeinsamen Freunden machte. Durch Gretas Sportkarriere hatte sie selbst nur wenige echte Freunde, denn in ihrer Jugend war sie stets im Training oder bei Wettkämpfen unterwegs gewesen, wenn andere ihre Jugend in Discos und beim Weggehen verbracht hatten. Wenn sie jetzt so darüber nachdachte, hatte sie eigentlich überhaupt keine eigenen Freunde. Der gesamte Freundes- und Bekanntenkreis war nur auf die Paarbeziehung Gregor-Greta aufgebaut. Sie schüttelte ihre Haare und stieg aus der Dusche. Wieder überkam sie die Unruhe von vorhin. Das Laufen hatte ihr nur kurzfristig geholfen, die aufkommende Anspannung zu lösen. Sie verstand sich selbst nicht mehr.

***

"Also Greta, was ist los mit dir?", wollte Gregor, der mittlerweile nicht nur frisch geduscht, sondern bereits ausgehfertig angezogen war, wissen. "Nichts, ich habe nur die Lust verspürt, mich zu bewegen, das ist alles", antwortete Greta. Gregor ließ es dabei bewenden. "Zieh' dich an, wir treffen dann gleich die Hörmers beim Heurigen." Greta schüttelte den Kopf: "Ich dachte, wir könnten heute mal zuhause bleiben, gemeinsam was kochen und einfach mal wieder Zeit miteinander verbringen." Gregor blickte sie fragend an und sagte: "Aber wir gehen doch am Sonntag immer zum Heurigen. Komm' zieh' dich jetzt an, ich möchte nicht zu spät kommen." Greta kleidete sich widerwillig an. Den ganzen Nachmittag über blieb sie reserviert und beteiligte sich kaum an den Gesprächen. Sie hielt es beinahe nicht aus, dort zu sitzen und mit den Bekannten über Belanglosigkeiten zu sprechen.

Als sie wieder zu Hause waren, versuchte Gregor nochmals in Greta zu dringen und wollte wissen, was mit ihr los war. Es war ihm nicht entgangen, dass die sonst so charmant plaudernde Greta heute auffallend ruhig war. "Gregor, können wir nicht einmal was Anderes machen? Wir sind irgendwie so eingefahren. Alles ist so vorhersehbar", versuchte sie Gregor klar zu machen was in ihr vorging. Wobei sie selbst nicht wusste, ob es das war, was sie störte. Gregor blickte sie an und erwiderte: "Aber wir haben doch ein schönes Leben. Meine Kinder sind schon im Teenageralter und kommen nicht mehr so häufig zu uns. Wir können machen was wir wollen. Ich verstehe nicht, was du hast." Er verstand es wirklich nicht. Greta sah es in seinen Augen, die sie verständnislos anblickten.

***

Seine Kinder, das war einer der wenigen Streitpunkte, die Gregor und Greta hatten. Gregor hatte das geteilte Sorgerecht für die Kinder aus erster Ehe und diese verbrachten jedes zweite Wochenende bei ihnen. Greta aber wollte eigene Kinder haben, doch jedes Mal, wenn sie versuchte das Thema mit Gregor zu besprechen, meinte dieser nur: "Ich habe schon zwei Kinder, das ist genug. Du solltest die beiden auch als deine betrachten, wir haben Spaß mit ihnen und dann geben wir sie wieder zurück zu ihrer Mutter. Die hat dann den ganzen Alltagskram." Er zwinkerte zwar wie im Scherz zu seiner Aussage, aber Greta wusste, dass er es so nicht gemeint hatte. Er konnte recht wenig mit den kleinen Kindern anfangen, wollte aber den coolen Vater geben und überhäufte seine Kinder, wenn sie da waren, mit Spielzeugen und Geschenken.

Doch wenn es darum ging, Zeit mit ihnen zu verbringen, ging er lieber zum Golfen oder ins Fitnessstudio, sodass Greta meist alleine mit ihnen war. Sie spielte mit ihnen und machte Ausflüge, doch so einen richtigen Draht hatte sie nie zu ihnen aufbauen können. Es waren schließlich nicht ihre eigenen. Immer wenn Greta das Thema ansprach, dass Gregor auch Zeit mit den Kindern verbringen sollte, winkte er ab und meinte: "Das nächste Mal bin ich bestimmt da, aber heute muss ich unbedingt mit Johann vom befreundeten Notariat golfen gehen. Das ist wichtig fürs Netzwerken." Johann vom Notariat oder Karl von der Anwaltskanzlei oder wer auch immer waren ihm wichtiger, als die Zeit mit seinen Kindern. Greta fügte sich, denn die Kinder taten ihr auch ein wenig leid.

Greta hatte dann irgendwann aufgehört die Frage nach eigenen Kindern zu stellen und auch das Thema Hochzeit war vom Tisch, denn Gregors Meinung dazu war eindeutig: "Diesen Fehler mache ich kein zweites Mal."

Seit einigen Jahren kamen die Kinder nun auch nicht mehr regelmäßig, da sie sich mittlerweile schon zu alt fühlten, um „mit den Oldies abzuhängen", wie sie es ausdrückten. Greta hoffte, dass Gregor nun mehr Zeit mit ihr verbringen würde und sie würde ihn dann vielleicht doch noch dazu bringen, über das Thema Kinder und Heirat nachzudenken. Aber er ging weiterhin lieber seinen Hobbies nach. Und wenn sie gemeinsam Zeit verbrachten waren meist auch Bekannte dabei.

Greta ging all das durch den Kopf, als sie Gregor anblickte. Was hatten sie eigentlich gemeinsam? Die Wohnung gehörte Gregor, die Kinder gehörten Gregor, die Entscheidung über Hochzeit und Kinder lag bei Gregor … Mit einem Schlag wurde Greta bewusst, dass sie eigentlich nichts gemeinsam hatten. Sie war immer brav nach Gregors Vorgaben mitmarschiert, sie hatte kein eigenes Privatleben. Ihr wurde bei dem Gedanken ganz schwindlig. Sie versuchte Gregor anzulächeln, was ihr nur schwach gelang, und sagte: "Ich meinte ja nur, dass wir vielleicht etwas ändern könnten und mehr Zeit für uns haben sollten. Aber du hast recht, wahrscheinlich bin ich nur ein wenig erschöpft." Innerlich ärgerte sie sich über sich selbst, dass sie schon wieder klein beigegeben hatte. Sie wollte bei Gregor etwas durchsetzen, aber um des lieben Friedens willen hatte sie ihm wiedermal recht gegeben.

Er schien zufrieden, gab ihr einen Kuss auf die Stirn und sagte: "Lass uns doch einen schönen gepflegten Wein trinken und dann gehen wir schlafen, damit wir morgen wieder frisch ans Werk gehen können." Für ihn war wirklich alles in Ordnung. Greta wurde immer angespannter, sie sagte jedoch nichts. Aber ihre Gedanken fuhren Karussell. Sie tranken den Wein vor dem offenen Kamin, hörten ein wenig klassische Musik, sprachen aber kaum miteinander. Ein Sonntag wie jeder Sonntag. Als Gregor zu Bett ging, blieb Greta noch eine Weile alleine sitzen und versuchte ihrer Unzufriedenheit Herr zu werden.

***

Montagmorgen. Greta fuhr in die Arbeit, sie liebte ihren Job und sie schätzte auch die Firma, für die sie arbeitete. Es war ein alteingesessener Familienbetrieb, mittlerweile geführt vom Enkel des Gründers und war somit seit Generationen in der Familie. Sie selbst hatte Wirtschaftsingenieurswesen studiert und hatte sofort nach dem Studium bei dem kleinen Betrieb im Süden von Wien zu arbeiten begonnen. Vom Traineeprogramm stieg sie in rasanter Geschwindigkeit zur Abteilungsleiterin für Qualitätsmanagement auf. Zu Beginn waren ihre hauptsächlich männlichen Kollegen ihr gegenüber äußerst skeptisch. In ihren Augen war Greta einfach zu jung und unerfahren. Zudem war sie ausnehmend hübsch, was die Kollegen zu Beginn dazu bewogen hatte, sie noch weniger ernst zu nehmen. Greta war eine gute Mischung ihres schwedischen Vaters und ihrer österreichischen Mutter. Sie hatte die nordisch kühle Art ihres Vaters mitbekommen und den unwiderstehlichen Charme ihrer Mutter. Und genau diese Mischung verhalf ihr letztendlich den Respekt ihrer Kollegen zu gewinnen. Sie verfolgte ihre Ziele mit Ausdauer und Ernsthaftigkeit, konnte aber im rechten Augenblick auch ihren unwiderstehlichen Charme einsetzen. Sie arbeitete nun schon seit fünfzehn Jahren in dem Betrieb und an keinem einzigen Tag hatte sie etwas anderes machen wollen. Sie erhielt oft Anfragen von Personalvermittlern, die sie mit viel mehr Gehalt und einem großen Firmenwagen von Beck & Söhne weglocken wollten. Doch keine Sekunde hatte sie daran gedacht, jemals ihren Job zu wechseln.

Sie freute sich jeden Tag, wenn sie das ehrwürdige Backsteingebäude schon von der Autobahnabfahrt sehen konnte. Sobald sie in das alte Gebäude eintrat, das schon so lange seiner Bestimmung gewidmet war, hatte sie stets das Gefühl heimzukommen. Dieser ganz spezielle Geruch der Metallteile, des Maschinenöls gemischt mit dem Geruch von Holz und harter Arbeit, ließ Gretas Herz aufgehen. Eigentlich gab ihr ihre Arbeitsstätte mehr das Gefühl von Zuhause als die luxuriöse Wohnung, die sie mit Gregor bewohnte.

So auch an diesem Montag, sie freute sich auf ihre Arbeit, es standen einige spannende Projekte an. Sie trat in das Gebäude ein und spürte bereits, dass heute irgendwas anders war als sonst. Die tosenden Maschinengeräusche fehlten heute, es war totenstill, die Produktionshalle war leer und das sonst so geschäftige Treiben fehlte komplett. Greta ging langsam in das obere Geschoß, wo die Büros lagen. Dort war bereits ein Großteil der Belegschaft versammelt und alle sprachen aufgeregt durcheinander. "Guten Morgen, was ist hier los?" Greta war sofort alarmiert von der vorherrschenden Hektik. Peter, der Produktionsleiter, stand neben ihr und sagte: "Sie haben heute Morgen alle Maschinen gestoppt und uns für neun Uhr zu einer Versammlung gerufen." Greta blickte sich um, sie sah in die vielen vertrauten Gesichter, die nun voller Anspannung und teilweise mit einem Ausdruck blanker Angst um sich blickten. Greta kämpfte sich den Weg durch die Belegschaft zu ihrem Büro. Dort saß ein fremder Mann an ihrem Schreibtisch und blätterte in ihren Akten. Er blickte auf und sagte zu Greta: "Guten Morgen Frau Grunwald, gut dass Sie endlich da sind. Geben Sie mir bitte die Zugangsdaten für Ihren Computer." Greta blickte den fremden Mann entgeistert an und wieder überkam sie ein Gefühl einer wachsenden Unruhe gepaart mit einer unheilvollen Vorahnung. Sie hatte von anderen Branchenkollegen gehört, dass so etwas in letzter Zeit des Öfteren vorgekommen war und es nie ein gutes Ende genommen hatte. Sie riss sich zusammen und erwiderte höflich: "Guten Morgen. Darf ich fragen, wer Sie sind und was Sie dazu berechtigt, meine Unterlagen zu durchwühlen?" Sie blieb äußerlich komplett ruhig, innerlich krampfte sich alles zusammen und sie tat sich mit dem Atmen schwer. "Das erfahren Sie dann alles um neun Uhr, bitte nun um den Computerzugang, Frau Grunwald", setzte er eindringlich nach. Greta war nicht gewillt, so schnell vorauseilenden Gehorsam zu leisten. "Das möchte ich zuerst mit dem Geschäftsführer besprechen." Der Mann zuckte mit den Schultern, sein Blick aber sagte: "Du wirst schon sehen, du wirst mir deine Zugangsdaten schon noch geben." Laut sagte er: "Wie Sie meinen Frau Grunwald. Aber so schwer ist ein Zugang nicht herauszufinden. Ich kann mir auch selbst helfen. Ich wollte Sie nur vorab gefragt haben, Frau Grunwald." Er betonte ihren Namen übermäßig höflich. Greta wurde nun von einer großen Panik befallen - das war gar nicht gut, was hier vorging.

Es waren noch ein paar Minuten bis neun Uhr und die schienen sich schier endlos hinzuziehen. Greta hatte ihr Büro verlassen und sich zu ihren Kollegen gesellt. Dem zuvor halblauten Gemurmel war eine gespenstische Ruhe gewichen. Alle blickten gebannt auf die Uhr, als könnte diese ihnen erklären, was hier vorging. Um Punkt neun Uhr betrat Helmut Beck, der Enkel des Gründers, selbst mittlerweile ein betagter Herr, die Büroräumlichkeiten. Seine naturgegebene respekteinflößende Haltung ließ alle aufmerksam werden. Helmut Beck räusperte sich kurz und begann zu sprechen. "Liebe Kollegen, liebe Mitarbeiter – danke, dass Sie so geduldig auf mich gewartet haben", er hielt kurz inne und man konnte spüren, wie schwer ihm das, was nun folgen sollte, fiel: "Ich komme heute mit Nachrichten, die auf dem ersten Blick nicht erfreulich sind. Aber auf den zweiten Blick vielleicht eine Chance bieten." Er hielt kurz inne. Greta ahnte schon, was nun kommen würde und sie wurde mit einem Schlag unendlich müde, so als wäre plötzlich alle Energie aus ihr herausgeströmt.

"Wir haben nun seit über einhundertfünfzig Jahren dieses Unternehmen geführt, mein Großvater hat es gegründet, mein Vater hat es durch schwierige Zeiten gelenkt und seit vielen Jahren darf ich dieses wunderbare Unternehmen leiten. Doch jetzt ist es an der Zeit, das Zepter abzugeben." Kurze Hoffnung strömte durch die Belegschaft, vielleicht übernahm ja der Sohn von Herrn Beck das Unternehmen. Doch die Hoffnung wurde sofort zerstört. Denn Herr Beck fuhr fort: "Wir haben schweren Herzens beschlossen das Familienunternehmen an eine größere Gruppe" - er nannte hier den Namen des größten Konzerns der Branche - "zu übergeben. Die Entscheidung ist uns nicht leichtgefallen, doch in schwierigen Zeiten müssen leider schwierige Entscheidungen getroffen werden. Ich bedanke mich bei Ihnen allen für Ihre hervorragende Arbeit und Ihre Treue. Wie es weitergehen wird, wird Ihnen nun Herr Hemmelmayer präsentieren. Ich wünsche Ihnen alles Gute!" Damit beendete Herr Beck die hundertfünfzigjährige Geschichte des Unternehmens. Ein Raunen ging durch die Menge, einer blickte zum anderen, um dann sofort wieder aufmerksam nach vorne zu blicken. Dort betrat gerade dieser Herr Hemmelmayer die Bühne. Schon auf den ersten Blick konnte man den typischen Großkonzernmensch erkennen, formeller Nadelstreif-Anzug, perfekt sitzender Krawatte und gebieterische Ausstrahlung. Er begann mit einem unpersönlichen: "Morgen Damen und Herren" - unverkennbar ein Mann aus der Firmenzentrale in Frankfurt, der mit der österreichischen 'Geht schon, passt schon'-Mentalität nichts anfangen konnte. Er packte den Stier bei den Hörnern. Und den Ösis würde er den Schlendrian schon austreiben.

Er fuhr fort: "Wir haben per heute die Firmenleitung übernommen. Meine Mitarbeiter und ich werden in den nächsten Tagen mit jedem einzelnen von Ihnen Gespräche führen. Geben Sie bitte klar und deutlich Auskunft auf die Fragen die ihnen gestellt werden und geben Sie auf Aufforderung Zugang zu all Ihren Daten, Computerzugänge und so weiter. Wie es für Sie persönlich weitergeht, werden wir danach beschließen und Ihnen mitteilen, sobald wir uns ein Bild von der gesamten Unternehmensstruktur gemacht haben." Das war wirklich sehr direkt. Keiner der Kollegen traute sich zu atmen, die Köpfe blieben gesenkt, man wollte bloß nicht dem Drachen ins Auge blicken.

Greta war schier sprachlos, das war doch keine Art mit langgedienten Mitarbeitern umzugehen. Sie hob die Hand: "Wie sollen wir mit der laufenden Arbeit vorgehen?" Die praktische Greta wollte ihren Job machen und wollte sich auch von einem Herrn Hemmelmayer nicht davon abhalten lassen. "Das erfahren Sie, wenn wir mit Ihnen gesprochen haben", war die knappe Antwort. Der Mann hatte es wirklich nicht mit Höflichkeitsfloskeln. Er machte eine Handbewegung, die bedeutete, alle sollten wieder an ihren Platz zurückkehren. Die Menge löste sich auf, Greta sah bei den jungen Mädchen aus der Buchhaltung ein paar Tränen fließen und wollte sie trösten. Doch da kam schon der Mann, der bereits in Gretas Büro gesessen hatte, auf sie zu und schnappte ihren Arm. Als wäre sie eine Gefangene und würde vor ein Gericht geschleift werden, schleppte er sie in ihr Büro.

"Frau Grunwald, Sie sind hier seit Jahren für das Qualitätsmanagement verantwortlich, bitte erläutern sie detailliert, wie Sie in Projekten vorgehen." Greta blickte den Mann an und seufzte, sollte sie ihm nun ihre jahrelange Arbeit erklären? Wieder spürte sie dieselbe Unruhe wie schon gestern, ganz so als würde etwas passieren, das sie nicht mehr aufhalten konnte.

***

Nach einer anstrengenden Woche mit den neuen Herren über Beck & Söhne saßen Gregor und Greta am Sonntagmorgen auf ihrer Terrasse und frühstückten. Die Sonne blinzelte durch die Markise und es war ein angenehm warmer Tag. Trotzdem fröstelte es Greta. Sie blickte Gregor an und wusste, dass sie etwas tun musste. Sie konnte so nicht mehr weitermachen. Entweder sie würde jetzt etwas unternehmen oder sie würde verrückt werden.

"Gregor, ich werde meinen Job kündigen", setzte Greta zu einem Gespräch an. Sie war selbst erstaunt, als sie es aussprach. Die neuen Eigentümer hatten einigen älteren, und somit auch teureren, Mitarbeitern einen sogenannten Golden Handshake angeboten. Greta war zunächst über das Angebot geschockt gewesen, man wollte sie loswerden. Sie würde ihren geliebten Job verlieren, dann wäre sie arbeitslos, was sollte sie dann machen. Doch im Laufe der Woche legte sie ihre Emotionen beiseite und der Gedanke Beck & Söhne hinter sich zu lassen, nahm in ihren Gedanken langsam Gestalt an.