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Die Herausgeberin, der Herausgeber

 

Prof. Dr. Ruth Enggruber ist Professorin für Erziehungswissenschaft im Fachbereich Sozial- und Kulturwissenschaften der Hochschule Düsseldorf. Ihre Schwerpunkte in Forschung und Lehre sind Arbeitsfelder im Schnittpunkt von Sozial- und Berufspädagogik, vor allem die Jugendberufshilfe bzw. sozialpädagogisch unterstützte Berufsbildung junger Menschen mit Benachteiligungen oder Behinderungen.

 

Michael Fehlau, M. A., ist als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Bereich Lehre-Forschung-Praxis-Transfer im Fachbereich Sozial- und Kulturwissenschaften der Hochschule Düsseldorf tätig. Sein Forschungsinteresse gilt insbesondere der Frage nach dem Verhältnis sozialpädagogischer Professionalität zu digitalisierten Dokumentationsanforderungen im Tätigkeitsfeld der Jugendberufshilfe.

Ruth Enggruber, Michael Fehlau (Hrsg.)

Jugendberufshilfe

Eine Einführung

Verlag W. Kohlhammer

Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

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1. Auflage 2018

Alle Rechte vorbehalten

© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Print:

ISBN 978-3-17-031310-1

E-Book-Formate:

pdf:      ISBN 978-3-17- 031311-8

epub:   ISBN 978-3-17- 031312-5

mobi:   ISBN 978-3-17- 031313-2

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Vorwort zur Reihe

Mit dem sogenannten „Bologna-Prozess“ galt es neu auszutarieren, welches Wissen Studierende der Sozialen Arbeit benötigen, um trotz erheblich verkürzter Ausbildungszeiten auch weiterhin „berufliche Handlungsfähigkeit“ zu erlangen. Die Ergebnisse dieses nicht ganz schmerzfreien Abstimmungs- und Anpassungsprozesses lassen sich heute allerorten in volumigen Handbüchern nachlesen, in denen die neu entwickelten Module detailliert nach Lernzielen, Lehrinhalten, Lehrmethoden und Prüfungsformen beschrieben sind. Eine diskursive Selbstvergewisserung dieses Ausmaßes und dieser Präzision hat es vor Bologna allenfalls im Ausnahmefall gegeben.

Für Studierende bedeutet die Beschränkung der akademischen Grundausbildung auf sechs Semester, eine annähernd gleich große Stofffülle in deutlich verringerter Lernzeit bewältigen zu müssen. Die Erwartungen an das selbständige Lernen und Vertiefen des Stoffs in den eigenen vier Wänden sind deshalb deutlich gestiegen. Bologna hat das eigene Arbeitszimmer als Lernort gewissermaßen rekultiviert.

Die Idee zu der Reihe, in der das vorliegende Buch erscheint, ist vor dem Hintergrund dieser bildungspolitisch veränderten Rahmenbedingungen entstanden. Die nach und nach erscheinenden Bände sollen in kompakter Form nicht nur unabdingbares Grundwissen für das Studium der Sozialen Arbeit bereitstellen, sondern sich durch ihre Leserfreundlichkeit auch für das Selbststudium Studierender besonders eignen. Die Autor/innen der Reihe verpflichten sich diesem Ziel auf unterschiedliche Weise: durch die lernzielorientierte Begründung der ausgewählten Inhalte, durch die Begrenzung der Stoffmenge auf ein überschaubares Volumen, durch die Verständlichkeit ihrer Sprache, durch Anschaulichkeit und gezielte Theorie-Praxis-Verknüpfungen, nicht zuletzt aber auch durch lese(r)-freundliche Gestaltungselemente wie Schaubilder, Unterlegungen und andere Elemente.

 

Prof. Dr. Rudolf Bieker, Köln

 

Zu diesem Buch

In Deutschland ist Soziale Arbeit ein fester Bestandteil in vielen Angeboten bzw. Maßnahmen zur Berufsorientierung in allgemeinbildenden Schulen, zur Berufsausbildungsvorbereitung im Übergang zwischen Schule und Berufsausbildung sowie zur Unterstützung einer Berufsausbildung. Diese auch für Fachleute kaum noch überschaubare Vielfalt an sogenannten sozialpädagogisch begleiteten Berufsbildungsangeboten wird im vorliegenden Band unter der Bezeichnung Jugendberufshilfe zusammengefasst. Trotz ihrer Verschiedenheit verbindet diese Angebote, dass dort Fachkräfte Sozialer Arbeit mit ihrem Wissen und Können junge Menschen begleiten und dabei unterstützen sollen, eine Berufswahl zu treffen, eine Berufsausbildung zu beginnen, diese erfolgreich abzuschließen, oder, sofern dies nicht gelingt, zumindest eine Erwerbsarbeit aufzunehmen.

Die meisten der Jugendlichen, die nicht über die (Fach-)Hochschulreife verfügen, streben die Aufnahme und den Abschluss einer dualen Berufsausbildung an, von der zwei Drittel der Ausbildungszeit in einem Betrieb und ein Drittel in der Berufsschule stattfinden. Dabei sind die Betriebe die entscheidende Instanz dafür, ob Ausbildungsinteressierten die Aufnahme einer Berufsausbildung gelingt. Denn diese bestimmen vor allem aufgrund ihres Fachkräftebedarfs, wie viele Ausbildungsplätze sie anbieten und wen sie als Auszubildende einstellen. So gesehen ist der Zugang zu einer dualen Berufsausbildung – ebenso wie jener zu Erwerbsarbeit – marktwirtschaftlich organisiert und damit von den jeweiligen Bedingungen auf den regionalen Ausbildungs- und Arbeitsmärkten beeinflusst. Dieser zentrale Bezug zum Ausbildungs- und Arbeitsmarkt dokumentiert sich auch in den rechtlichen Grundlagen der Jugendberufshilfe. So werden die meisten ihrer Angebote aus den Sozialgesetzbüchern II und III als arbeitsmarktpolitische Instrumente und nicht aus dem Sozialgesetzbuch VIII, also der Kinder- und Jugendhilfe, finanziert.

Mit der institutionellen Verortung der Jugendberufshilfe als arbeitsmarktpolitisches Instrument gestaltet sich dieses Arbeitsfeld aus professionstheoretischer Perspektive als überaus widerspruchsvoll und dadurch auch herausfordernd für dort tätige Sozialpädagog*innen oder Sozialarbeiter*innen. Was dies im Einzelnen bedeutet, wird in den insgesamt 17 Kapiteln dieses Buchs aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchtet. Trotz dieser kritischen Perspektiven auf Jugendberufshilfe möchten wir mit dem hier vorgelegten Band Fachkräfte Sozialer Arbeit dafür gewinnen, auf Basis des professionstheoretischen Verständnisses Lebensweltorientierter Sozialer Arbeit nach Hans Thiersch Freiräume für eine lebensweltorientierte Fachlichkeit auszuloten und im Sinne der teilnehmenden jungen Menschen zu nutzen.

Jeder Sammelband lebt von der Einsatzbereitschaft der Autor*innen. Deshalb bedanken wir uns als Herausgeber*innen ausdrücklich bei den acht Autor*innen, die sich auf unser Lehrbuchprojekt eingelassen und mit uns so manche Änderungsschleife geduldig ‚gedreht‘ haben. Zudem hat Rudolf Bieker, der Herausgeber der Reihe „Grundwissen Soziale Arbeit“, unseren Sammelband mit seinen fundierten Rückmeldungen und bemerkenswerten Anmerkungen bereichert – besten Dank dafür! Abschließend gilt ein besonderes Dankeschön von uns Birthe Sander, die uns mit ihren Korrekturarbeiten sehr unterstützt hat.

 

Düsseldorf, im April 2017

Ruth Enggruber und Michael Fehlau

 

Inhalt

  1. Vorwort zur Reihe
  2. Zu diesem Buch
  3. Zur Einführung
  4. Kapitel 1: Zielsetzungen und Aufbau des Lehrbuchs
  5. Ruth Enggruber & Michael Fehlau
  6. Kapitel 2: Die Perspektive der Nutzer*innen auf Angebote der Jugend- berufshilfe: Ein eigenständiges Qualitätsurteil ‚von unten‘
  7. Michael Fehlau & Anne van Rießen
  8. Grundlagen der Jugendberufshilfe
  9. Kapitel 3: Jugendberufshilfe – ein vielfältiges und widerspruchsvolles Tätigkeitsfeld Sozialer Arbeit
  10. Ruth Enggruber
  11. Kapitel 4: Lebensweltorientierte Soziale Arbeit – eine professionstheoretische Grundlage für die Jugendberufshilfe
  12. Ruth Enggruber & Michael Fehlau
  13. Kapitel 5: Die historische Entwicklung der Jugendberufshilfe vom Nachkriegsdeutschland bis heute in ihrem spezifischen gesellschaftlichen Kontext
  14. Anne van Rießen
  15. Kapitel 6: Sozialrechtliche Grundlagen der Jugendberufshilfe
  16. Peter Schruth
  17. Kapitel 7: Träger der Jugendberufshilfe – Institutioneller Wandel und Ökonomisierung
  18. Lutz Wende
  19. Kapitel 8: Kompetenzfeststellung in der Jugendberufshilfe – Über die Verselbständigung eines irreführenden Versprechens
  20. Rüdiger Preißer
  21. Kapitel 9: Professionelles Handeln Sozialer Arbeit in der Jugendberufshilfe zwischen einem engeren und weiten Methodenverständnis
  22. Michael Fehlau
  23. Zur Vielfalt der Angebote der Jugendberufshilfe
  24. Kapitel 10: Berufsorientierung und Berufseinstiegsbegleitung
  25. Michael Fehlau
  26. Kapitel 11: Produktionsschulen
  27. Cortina Gentner
  28. Kapitel 12: Zur Vielfalt außerschulischer Maßnahmen – ein Ausschnitt: Berufsvorbereitende Bildungsmaßnahmen, Einstiegsqualifizierung und theaterpädagogische Maßnahmen
  29. Anne van Rießen
  30. Kapitel 13: Angebote zur Berufsausbildungsvorbereitung und Schulsozialarbeit in berufsbildenden Schulen
  31. Ruth Enggruber
  32. Kapitel 14: Außerbetriebliche Berufsausbildung
  33. Katja Jepkens
  34. Kapitel 15: Ausbildungsbegleitende Hilfen und Assistierte Ausbildung – Jugendberufshilfe in der regulären betrieblichen Ausbildung
  35. Birgit Beierling & Ralf Nuglisch
  36. Ausblicke
  37. Kapitel 16: Freiräume lebensweltorientierter Fachlichkeit in der Jugendberufshilfe
  38. Michael Fehlau
  39. Kapitel 17: Jugendberufshilfe im Rahmen einer inklusiv gestalteten Berufsausbildung
  40. Ruth Enggruber
  41. Register
  42. Angaben zu den Autor*innen und Herausgeber*innen

 

 

ZUR EINFÜHRUNG

 

KAPITEL 1:   ZIELSETZUNGEN UND AUFBAU DES LEHRBUCHS

Ruth Enggruber & Michael Fehlau

Überblick

Vor dem Hintergrund, dass in Deutschland Erwerbsarbeit von zentraler Bedeutung für die soziale Teilhabe und Biografien der Menschen ist, wird in das Lehrbuch eingeführt und das zugrundeliegende Verständnis von Jugendberufshilfe geklärt. Ferner werden die dabei verfolgten Zielsetzungen begründet: Es sollen die vielfältigen Angebote der Jugendberufshilfe gesichtet und die widerspruchsvollen Bedingungen herausgearbeitet werden, die sich den Fachkräften Sozialer Arbeit im Spannungsfeld zwischen sozial- bzw. arbeitsmarktpolitischem Auftrag einerseits und professionellem Selbstverständnis Sozialer Arbeit andererseits stellen. Im Weiteren werden die insgesamt 17 Kapitel, die in vier Teile gegliedert sind, jeweils kurz vorgestellt.

Einleitung

In der Gesellschaftsordnung der Bundesrepublik Deutschland war und ist Erwerbsarbeit für die Teilhabechancen, Identitätskonstrukte, Lebensentwürfe und Biografien der Bürger*innen von zentraler Bedeutung. Dabei ist der Arbeitsmarkt in Deutschland über das Berufsprinzip strukturiert.

Berufsprinzip

Das Berufsprinzip in Deutschland bedeutet, dass für die meisten Arbeitsplätze ein gesetzlich geregelter Berufsabschluss gefordert ist, über den die Stelleninhaberin oder der Stelleninhaber verfügen sollte. Auf der einen Seite gewährleisten damit Berufsabschlüsse, wie jene einer dualen Berufsausbildung nach dem Berufsbildungsgesetz (BBiG), dass die Betriebe bei ihrer Einstellung von neuem Personal mit qualifizierten Arbeitskräften rechnen können, denn Berufsausbildungen nach dem BBiG sind bundesweit einheitlich geregelt. Andererseits richten sich die Tariflöhne und damit auch die spätere Altersversorgung nach dem jeweils erreichten Berufsabschluss, so dass dieser ebenfalls maßgeblich für die ökonomische Existenz der Menschen ist.

Deshalb beeinflusst der erreichte Berufsabschluss entscheidend die Arbeitsstelle, den gesellschaftlichen Status sowie die Identitätsentwicklung der Bürger*innen und mindert zudem ihr Risiko, erwerbsarbeitslos zu werden. In besonderem Maße sind junge Menschen gefordert, sich frühzeitig beruflich zu orientieren, sichere Berufswahlentscheidungen zu treffen und ihre berufliche Biografie in der Abfolge Schulabschluss, Ausbildung und Erwerbsarbeit möglichst ohne Umwege und Abbrüche zu bewältigen. Für Jugendliche ohne Hochschulzugangsberechtigung gilt dabei die duale Berufsausbildung immer noch als „Königsweg“ (Arnold 2015, S. 224). Obwohl der Anteil an Schulberufsausbildungen seit Jahren kontinuierlich ansteigt und immer mehr junge Menschen ein (Fach-)Abitur haben und studieren, ist die duale Berufsausbildung mit zwei Dritteln der Ausbildungszeit in einem Betrieb und einem Drittel in der Berufsschule immer noch besonders attraktiv. Denn sie eröffnet vor allem durch ihre betrieblichen Anteile gute Aussichten auf einen festen und auskömmlichen Erwerbsarbeitsplatz.

Die betrieblichen Ausbildungsplätze werden jedoch nach marktwirtschaftlichen Prinzipien vergeben. D. h., die Jugendlichen bewerben sich bei den Betrieben, und diese bestimmen dann, wie viele und wen sie als Auszubildende einstellen. Im Wettbewerb um Ausbildungsstellen geht die Angebots-Nachfrage-Relation regelmäßig zu Ungunsten der nachfragenden Jugendlichen aus, d. h., die Anzahl der von den Betrieben angebotenen Ausbildungsplätze ist meistens geringer als die der von den Bewerber*innen nachgefragten (Frieling/Ulrich 2013, S. 69). Vielen jungen Menschen bleibt damit der reibungslose Übergang in eine Berufsausbildung und spätere Erwerbsarbeit außerhalb prekärer und atypischer Beschäftigungsverhältnisse vorübergehend oder dauerhaft verwehrt. Vor allem für Jugendliche aus Haupt- und Förderschulen sowie mit Migrationshintergrund ist das Risiko, keinen betrieblichen Ausbildungsplatz zu bekommen und damit an den strukturellen Bedingungen auf dem Ausbildungsmarkt zu scheitern, überproportional erhöht (BMBF 2014, S. 38–40).

Seit den 1970er Jahren sind Jugendarbeits- und -ausbildungslosigkeit als soziale Probleme in der Bildungs- und Sozialpolitik anerkannt. Seitdem ist ein vielfältiger Übergangssektor mit zahlreichen schulischen und außerschulischen, betrieblichen und außerbetrieblichen Maßnahmen bzw. Angeboten entstanden, um die auf dem Ausbildungsmarkt aus unterschiedlichen Gründen benachteiligten Jugendlichen ‚aufzufangen‘ und ihnen dennoch eine Berufsausbildung und einen Berufsabschluss zu ermöglichen. In vielen dieser Angebote gibt es eine sozialpädagogische Begleitung, so dass sie auch als ein Tätigkeitsfeld Sozialer Arbeit bezeichnet werden können. Die sogenannte Jugendberufshilfe steht im Mittelpunkt des vorliegenden Lehrbuches, wobei wir Soziale Arbeit und Sozialpädagogik trotz ihrer unterschiedlichen historischen Wurzeln und wissenschaftlichen Traditionen gleichbedeutend verstehen.

Jugendberufshilfe

Im weitesten Sinne bezeichnet Jugendberufshilfe alle sozialpädagogisch begleiteten Angebote, die – unabhängig von ihren jeweiligen rechtlichen Grundlagen – vor allem als benachteiligt oder potentiell benachteiligt geltende junge Menschen bei ihrem Übergang von der Schule in eine Berufsausbildung, während ihrer Ausbildung und/oder beim Übergang in Erwerbsarbeit unterstützen (Enggruber 2013).

Mehrere zehntausend Fachkräfte Sozialer Arbeit sind in diesem Arbeitsfeld tätig, das sich durch zahlreiche Schnittstellen mit entsprechenden Kooperationsbeziehungen zu allgemein- und berufsbildenden Schulen, Jugendhilfeträgern, Akteuren der dualen Berufsausbildung (z. B. Betriebe, Berufsschulen, Industrie- und Handels-, Ärzte- sowie Handwerkskammern), Arbeitsverwaltung (also Agenturen für Arbeit und Jobcenter) u. a. auszeichnet.

1          Zielsetzungen

Während in den in der Berufspädagogik geführten Fachdebatten von „beruflicher Integrationsförderung“ oder „Benachteiligtenförderung“ die Rede ist (Enggruber 2013), wurde hier die Bezeichnung Jugendberufshilfe gewählt (vgl. Kap. 3). Mit dieser Begriffswahl stellen wir ausdrücklich unsere sozialpädagogische Perspektive heraus, mit der die Jugendlichen in ihrer gesamten Persönlichkeitsentwicklung und nicht nur bezogen auf ihre Berufsausbildung und Erwerbsarbeitsfähigkeit gesehen werden. Vielmehr sollen sie im Rahmen der diversen Angebote der Jugendberufshilfe darin unterstützt werden, sich für ein selbstbestimmtes Leben entscheiden und dieses nach ihren Maßstäben führen zu können. Professionstheoretisch lässt sich dieses emanzipatorische Verständnis von Sozialer Arbeit bzw. Sozialpädagogik mit dem Konzept der Lebensweltorientierung begründen (Grunwald/Thiersch 2016). So verstanden geht es aus sozialpädagogischer Sicht nicht darum, im Rahmen der Jugendberufshilfe junge Menschen ‚um jeden Preis‘ in irgendeine Berufsausbildung oder Erwerbsarbeit zu vermitteln. Im Vordergrund steht vielmehr die subjekt- und verständigungsorientierte Unterstützung und Verwirklichung eigensinniger Lebensentwürfe unter Rahmenbedingungen berufsbiografischer Ungewissheiten und institutioneller Zumutungen (Krafeld 2008).

Dieses lebensweltorientierte Verständnis von Jugendberufshilfe steht jedoch in Konflikt zu ihrem sozialpolitischen Auftrag. Bereits 1993 sprach Michael Galuske deshalb vom „Orientierungsdilemma“ in der Jugendberufshilfe. Sozialpädagogische Fachkräfte sehen sich mit dem Widerspruch konfrontiert, einerseits die Jugendlichen möglichst schnell, passgenau und ‚reibungslos‘ mit pädagogischen Mitteln in den Ausbildungs- und Arbeitsmarkt vermitteln zu sollen. Andererseits fehlen jedoch Ausbildungsplätze, um allen Ausbildungsinteressierten mit ihren individuellen Voraussetzungen und Wünschen eine duale Berufsausbildung ermöglichen zu können. Vergleichbare strukturelle Probleme gibt es gleichermaßen auf dem Arbeitsmarkt. Dennoch wird von den sozialpädagogischen Fachkräften erwartet, dass sie in multiprofessionellen Teams gemeinsam mit Ausbilder*innen und Lehrer*innen die jungen Menschen ausschließlich für den Ausbildungs- oder Arbeitsmarkt qualifizieren, anstatt sie in einem erweiterten, lebensweltorientierten Sinne individuell und strukturell darin zu unterstützen, eine eigene Zukunft in gesellschaftlicher Teilhabe entwerfen und einen „gelingenderen Alltag“ (Grunwald/Thiersch 2016, S. 24) leben zu können. So gesehen kann die Jugendberufshilfe seit jeher als ein widerspruchsvolles Tätigkeitsfeld Sozialer Arbeit bezeichnet werden.

Angesichts des Wandels, in dem sich der deutsche Sozialstaat seit Jahren befindet, hat sich für die sozialpädagogischen Fachkräfte in der Jugendberufshilfe diese widerspruchsvolle Struktur noch weiter zugespitzt. Der insbesondere in der Einführung der sogenannten Hartz-Gesetze, vor allem des Sozialgesetzbuchs (SGB) II, zu beobachtende Wandel der sozialpolitischen Programmatik wird in Fachdebatten als Aktivierung von Selbst- und Sozialverantwortung der Bürger*innen bezeichnet und kritisiert (Lessenich 2008, S. 17). In ihrem Mittelpunkt steht die Herstellung von Erwerbsarbeitsfähigkeit aller Bürger*innen im erwerbsfähigen Alter. Die Menschen sollen aktiv – notfalls auch unter dem Zwang drohender Leistungskürzungen, wie bei Bezug von Arbeitslosengeld II nach dem SGB II – alles ‚unternehmen‘, um ihre ökonomische Existenz durch Erwerbsarbeit zu sichern, Armut zu vermeiden und damit möglichst auf keine oder nur geringe Unterstützung des Staates angewiesen zu sein. Damit wird Erwerbsarbeit zu einer „moralischen Bürgerpflicht“ (Nadai 2017) überzeichnet. Denn einerseits gilt sie als unabdingbar, um selbstverantwortlich die eigene Existenz zu sichern. Andererseits wird damit auch sozialverantwortlich ein Beitrag zur volkswirtschaftlichen Entwicklung und Entlastung der Staatshaushalte geleistet.

Von dieser sozialpolitischen Programmatik des ‚Förderns und Forderns‘ ist die Jugendberufshilfe in besonderer Weise betroffen. Denn vor allem von Ausbildungs- und Erwerbsarbeitslosigkeit bedrohte junge Menschen stehen im Fokus aktivierender Arbeitsmarktpolitik (Galuske/Rietzke 2008, S. 409). Sie gelten als die zukünftigen Fachkräfte für die Wirtschaft, die aufgrund des demografischen Wandels dringend benötigt werden. Zudem werden die meisten der Teilnehmer*innen der Jugendberufshilfe inzwischen nach dem SGB II gefördert (Fahlbusch 2014), so dass sie von der dort rechtlich verankerten Aktivierungsprogrammatik direkt betroffen sind. Falls sie nicht regelmäßig und motiviert an den Maßnahmen teilnehmen, drohen ihnen Leistungskürzungen von Seiten ihres Jobcenters, die bis zum Entzug aller Leistungen gehen können (§ 31a SGB II).

In der Gesamtschau ist somit festzuhalten, dass die Soziale Arbeit bzw. die sozialpädagogischen Fachkräfte in der Jugendberufshilfe immer schon – und in den letzten Jahren in noch stärkerem Maße – in überaus widerspruchsvolle institutionelle Bedingungen verstrickt sind. Diese vermessen und begrenzen den ihnen offenstehenden „Freiraum der Fachlichkeit“ (Pantuček-Eisenbacher 2015, S. 30) deutlich. Deshalb stellt sich aus professionstheoretischer Sicht zunächst die grundsätzliche Frage, ob den Fachkräften überhaupt noch Freiräume für eine lebensweltorientierte Arbeit mit den Jugendlichen bleiben, und, falls ja, die anschließende Frage, wie sie diese für subjekt- und verständigungsorientierte Soziale Arbeit in den Maßnahmen nutzen können.

Im Folgenden wird diesen beiden Grundfragen nach möglichen und auch unmöglichen ‚Freiräumen‘ für eine professionstheoretisch begründete Fachlichkeit Sozialer Arbeit innerhalb des widersprüchlichen und auch unübersichtlichen Tätigkeitsfeldes nachgegangen. Mit diesem Lehrbuch möchten wir das breite und heterogene Feld der Jugendberufshilfe, das aufgrund der Vielzahl und großen Vielfalt unterschiedlicher Angebote bzw. Maßnahmen auch als Förderdschungel bezeichnet wird, kartieren und damit Studierenden der Sozialen Arbeit und verwandter Studiengänge sowie Einsteiger*innen in dieses Berufsfeld Orientierungs- und Begründungspfade für ihr professionelles Handeln bahnen.

2          Aufbau

Das Lehrbuch gliedert sich in vier Teile mit insgesamt 17 Kapiteln:

In diesem ersten Teil „Zur Einführung“ kommen unmittelbar im zweiten Kapitel an prominenter Stelle die jungen Menschen zu Wort, die Angebote der Jugendberufshilfe nutzen oder nutzen müssen, sofern sie Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II, umgangssprachlich ‚Hartz IV‘ genannt, erhalten.

Denn nicht nur die Fachkräfte in der Jugendberufshilfe sind dem von Michael Galuske (1993) so bezeichneten „Orientierungsdilemma“ ausgesetzt. Auch und vor allem die teilnehmenden Jugendlichen selbst erfahren und deuten die einführend skizzierten strukturellen Bedingungen vor den Hintergründen ihrer Lebensrealitäten und Nutzenerwartungen. Einem lebensweltorientierten Verständnis Sozialer Arbeit entsprechend werden die Stimmen der jungen Menschen ausdrücklich einbezogen. Vor dem Hintergrund einer im Fachdiskurs anhaltenden Kritik an der Ineffektivität der Jugendberufshilfe gehen Anne van Rießen und Michael Fehlau im zweiten Kapitel der Frage nach, was die Jugendlichen und jungen Erwachsenen aus ihrer Perspektive davon haben, wenn sie an entsprechenden Maßnahmen teilnehmen (müssen). Dazu werden ausgewählte Forschungsergebnisse aus vorrangig qualitativ angelegten Studien, in denen sich subjektive Deutungsmuster und Bewertungen der befragten Teilnehmer*innen entfalten, referiert und nach nutzenfördernden und -limitierenden Bedingungen befragt.

Der zweite Teil „Grundlagen der Jugendberufshilfe“ versammelt sieben grundlegende Beiträge. Ruth Enggruber startet im dritten Kapitel mit einer systematischen Betrachtung des vielfältigen und widerspruchsvollen Tätigkeitsfeldes. Zu den markanten Merkmalen der Jugendberufshilfe gehören ihre Bezüge zur dualen Berufsausbildung sowie ihre Adressat*innen und die sie dominierende Arbeitsmarktorientierung, die in ihrer Widersprüchlichkeit zu einer lebensweltorientierten Fachlichkeit Sozialer Arbeit problematisiert wird. Die Jugendberufshilfe wird in mehreren Politikressorts verhandelt und ist in verschiedenen Sozialgesetzen verankert, so dass sie eine Vielzahl unterschiedlicher Angebote beinhaltet. Die sozialpädagogischen Fachkräfte arbeiten mit Ausbilder*innen und/oder Lehrer*innen zusammen. Die von ihnen zu übernehmenden Aufgaben werden ebenso erläutert wie die damit verbundenen Schwierigkeiten. Abschließend wird die Notwendigkeit von Netzwerkarbeit mit Akteur*innen am regionalen Ausbildungsmarkt und der kommunalen Jugendhilfe begründet.

Das lebensweltorientierte Selbstverständnis sozialpädagogischer Professionalität wird im vierten Kapitel vorgestellt und erörtert. Dazu begründen Ruth Enggruber und Michael Fehlau zunächst die Wahl der Lebensweltorientierten Sozialen Arbeit, die maßgeblich von Hans Thiersch innerhalb der letzten vier Jahrzehnte entwickelt wurde (Grunwald/Thiersch 2016) als professionstheoretische Grundlage für die Jugendberufshilfe. Sie skizzieren weiterhin den historischen Entwicklungskontext des Konzepts. In dessen theoretische Grundannahmen führen sie entlang von fünf widerspruchsvollen Grundfragen ein, die die Soziale Arbeit und somit auch die Jugendberufshilfe kennzeichnen. Zum Abschluss stellen sie Handlungs- und Strukturmaximen vor, mit denen die sozialpädagogische und institutionelle Praxis gestaltet und selbst- sowie institutionenkritisch reflektiert werden soll.

Anne van Rießen zeichnet im fünften Kapitel die historische Entwicklung der Jugendberufshilfe von der Nachkriegszeit der 1950er Jahre bis in die Gegenwart nach. Dabei macht sie deutlich, dass die Geschichte und Entwicklung der Jugendberufshilfe nicht unabhängig von den jeweiligen historisch-gesellschaftlichen Bedingungen und Verhältnissen betrachtet werden kann: Denn erst durch die Kontextualisierung wird nachvollziehbar, dass die Angebote und Ziele der Jugendberufshilfe stets auf gesellschaftliche Bedingungen und Verhältnisse reagieren.

Peter Schruth argumentiert im sechsten Kapitel aus rechtswissenschaftlicher Perspektive, dass das in mehreren Sozialgesetzbüchern geregelte Leistungsangebot der Jugendberufshilfe rechtsdogmatisch von den Grundsätzen des Jugendhilferechts (SGB VIII) und den wesentlichen Inhalten der Jugendsozialarbeit des § 13 SGB VIII geprägt ist. Insbesondere die Reform des SGB II und die dort – in Verknüpfung mit dem SGB III – speziell für junge Menschen mit ‚sozialen Benachteiligungen‘ enthaltenen Eingliederungshilfen haben zu dem ‚Förderdschungel‘ geführt, dem sich die immer mehr ausgedünnten Angebote des SGB VIII unterzuordnen haben. Da aber das SGB II mit seinem autoritär-fürsorglichen Sanktionsansatz zur Erzwingung von (fremdbestimmter)Eigenverantwortung insbesondere junger Menschen unvereinbar ist mit dem Recht auf Erziehung des SGB VIII, plädiert Peter Schruth für fachpolitische Ansätze der rechtsverbindlichen Stärkung der Jugendberufshilfe als persönlichkeitsfördernde Angebote für junge Menschen im Sinne von § 1 Abs. 1 SGB VIII.

Im Zentrum des siebten Kapitels stehen die Träger der Jugendberufshilfe, denn die Ausgestaltung ihrer Maßnahmen bzw. Angebote wird auch durch die dort vorhandenen institutionellen Bedingungen bestimmt. Lutz Wende diskutiert die Einbindung der Bildungsträger in die freie Wohlfahrtspflege, das Spannungsfeld zwischen Jugendberufshilfe in der freien Wohlfahrtspflege und dem staatlichen Steuerungsanspruch sowie die Verarbeitung dieser Rahmenbedingungen durch deren Einrichtungen. Im Mittelpunkt seines Beitrags steht insbesondere die seit über zwanzig Jahren zu verzeichnende Ökonomisierung der Jugendberufshilfe. Diese wirkt sich einengend auf das gesamte Arbeitsfeld aus, was den unmittelbaren fachlichen Arbeitsgegenstand genauso wie die Arbeitsbedingungen der Mitarbeiter*innen umfasst.

Rüdiger Preißer führt im achten Kapitel kritisch in den die Jugendberufshilfe pädagogisch-programmatisch leitenden Kompetenzansatz ein. Er erläutert die konzeptionellen Grundlagen von Kompetenzfeststellung als Bestandteil der Berufsorientierung und -vorbereitung und weist auf einige grundlegende konzeptionelle Mängel hin. Anschließend wirft er einige Schlaglichter auf die Anwendungspraxis von Kompetenzfeststellung in der Jugendberufshilfe. Zuletzt leitet er daraus Forderungen an eine subjekt- und kompetenzorientierte Jugendberufshilfe ab. Dabei vertritt er die These, dass Jugendberufshilfe diese als eine originär pädagogische Bildungsaufgabe begreifen sollte, die curricular-didaktisch verankert und konzipiert werden muss.

Zum Abschluss des zweiten Teils dieses Lehrbuches zeichnet Michael Fehlau im neunten Kapitel Konfliktlinien zwischen dem weiten Methodenverständnis einer lebensweltorientierten Professionalität und institutionellen Rahmenbedingungen, die den Sozialpädagog*innen von Seiten der Arbeitsverwaltung gesetzt werden, nach. Ein lebensweltorientiertes, methodisches Handeln in „strukturierter Offenheit“ (Grunwald/Thiersch 2016, S. 51) richtet sich flexibel in einer grundlegenden Problem-, Ziel- und Verfahrensoffenheit an den Bedürfnissen und Wünschen der Adressat*innen aus. Für arbeitsmarktpolitische Maßnahmen der Jugendberufshilfe werden jedoch Zielvorgaben und handlungsmethodische Ansätze in standardisierten, öffentlichen Ausschreibungsverfahren vorgegeben. Beispielhaft vorgestellt und diskutiert werden die geforderte individuelle und EDV-gestützte Förderplanung sowie sogenannte Verhaltenstrainings, die in Folge von Standardisierungsprozessen und eines verschärften Vermittlungsdrucks in den Sog eines sozialtechnologisch verengten Methodenverständnisses geraten können.

Im dritten Teil „Zur Vielfalt der Angebote der Jugendberufshilfe“ wird der bereits oben erwähnte ‚Förderdschungel‘ der Jugendberufshilfe zeitlich und nach Zielgruppen systematisiert und anhand ausgewählter Angebote gesichtet. Diese Zusammenstellung ist nicht abschließend zu verstehen, vielmehr wird versucht, die als zentral erachteten Angebote systematisch vorzustellen, um Einblicke in die bestehende Vielfalt der Jugendberufshilfe zu geben, im Einzelnen:

Vor dem Hintergrund sogenannter ‚Passungsprobleme‘ zwischen den Interessen der Jugendlichen und jenen der Betriebe im Übergangsgeschehen von der Schule in eine Berufsausbildung gewinnen präventive Handlungsansätze in der Jugendberufshilfe zunehmend an Bedeutung. Sie werden Schüler*innen an allgemeinbildenden Schulen bereits ab der siebten oder achten Klasse angeboten. Zwei solcher präventiven Ansätze stellt Michael Fehlau im zehnten Kapitel vor und zwar erstens berufsorientierende Angebote, an denen tendenziell alle Jugendlichen teilnehmen, und zweitens das arbeitsmarktpolitische Instrument der Berufseinstiegsbegleitung (BerEb) für die eingegrenzte Zielgruppe ‚förderungsbedürftiger junger Menschen‘.

Die Frage nach neuen Zugangswegen in Ausbildung und Erwerbsarbeit für junge Menschen, die beim Übergang Schule-Beruf chancenlos geblieben sind, hat den Blick verstärkt auf produktionsorientierte Ansätze in der Jugendberufshilfe gelenkt. Cortina Gentner skizziert im elften Kapitel das pädagogische Selbstverständnis von Produktionsschulen und führt in deren wichtigste Merkmale ein: Produktionsschule ist in erster Linie ein pädagogisches Konzept, das Arbeiten und Lernen verbindet, indem Produkte und Dienstleistungen für reale Kund*innen in betriebsähnlichen Strukturen erbracht und verkauft werden. Dies ermöglicht die Entwicklung und den Erwerb von grundlegenden beruflichen Kompetenzen, die für die Aufnahme einer Berufsausbildung oder einer Erwerbstätigkeit notwendig sind. Die Entwicklung dieser Kompetenzen und die Verbindung von praktischer Arbeit mit ‚Ernstcharakter‘ werden dabei mit der Förderung der persönlichen Entwicklung der Jugendlichen verknüpft.

Es fällt auch erfahrenen Akteur*innen im Tätigkeitsfeld inzwischen schwer, die vielen berufsvorbereitenden Angebote der Jugendberufshilfe noch zu überblicken. Anne van Rießen stellt im zwölften Kapitel mit den berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen der Agentur für Arbeit (BvB), der Einstiegsqualifizierung (EQ) und theaterpädagogischen Angeboten drei ausgewählte außerschulische Maßnahmen im Übergang zwischen Schule und Berufsausbildung oder Erwerbsarbeit dar. Sie macht Gemeinsamkeiten und Unterscheidungen sichtbar und eröffnet so einen Einblick in die Vielfalt des Angebotsspektrums in diesem Bereich der Jugendberufshilfe.

Angebote zur Berufsausbildungsvorbereitung werden nicht nur außerschulisch, sondern auch in berufsbildenden Schulen erbracht. Da sie in den 16 Bundesländern jeweils unterschiedlich gestaltet werden, gibt es dazu – wie im außerschulischen Bereich – eine kaum noch überschaubare Vielfalt, zu der Ruth Enggruber im dreizehnten Kapitel nur einen kurzen Überblick gibt. Entscheidend ist, dass die Schüler*innen an berufsbildenden Schulen in der Regel von Schulsozialarbeiter*innen begleitet werden, deren Stellen institutionell unterschiedlich verankert und organisiert sind. Dabei gibt es insgesamt zu wenige Stellen gemessen an der hohen Schüler*innenzahl. Deshalb sind die Schulsozialarbeiter*innen gefordert, Schwerpunkte in der Vielzahl ihrer möglichen Aufgaben zu setzen. Ihre konzeptionellen Ideen zur Gestaltung lebensweltorientierter Schulsozialarbeit versteht Ruth Enggruber als Vorschläge, auf deren Basis Schulsozialarbeiter*innen ihr Aufgabenprofil schärfen und im Rahmen von Schulentwicklung und Politik für bessere Bedingungen streiten können.

Für ausbildungsinteressierte junge Menschen ohne einen betrieblichen Ausbildungsplatz gibt es die Möglichkeit, eine Berufsausbildung in außerbetrieblichen Einrichtungen (BaE) oder Jugendwerkstätten zu absolvieren. Diese öffentlich finanzierte, sozialpädagogisch begleitete Berufsausbildung bieten freie Träger Sozialer Arbeit im Auftrag der Agentur für Arbeit oder des örtlichen Jugendamts an. Katja Jepkens betrachtet im vierzehnten Kapitel die außerbetriebliche Berufsausbildung mit ihren Gesetzesgrundlagen, verschiedenen Formen, den beteiligten Berufsgruppen und mit der sozialpädagogischen Arbeit und deren Aufgaben und Zielen. Abschließend thematisiert sie die Herausforderungen, Grenzen und Widersprüche, denen sich Fachkräfte Sozialer Arbeit in der Jugendberufshilfe generell und in der außerbetrieblichen Berufsausbildung speziell ausgesetzt sehen.

Auch junge Menschen, die eine betriebliche Ausbildung absolvieren, können sozialpädagogisch unterstützt werden. Im fünfzehnten Kapitel behandeln Birgit Beierling und Ralf Nuglisch mit den ausbildungsbegleitenden Hilfen (abH) und der Assistierten Ausbildung (AsA) die beiden Angebotstypen der Jugendberufshilfe, die zur Begleitung betrieblicher Ausbildungsverhältnisse eingesetzt werden können. Sie erläutern die Entwicklung dieser Instrumente und geben jeweils einen Überblick zu deren Zielen und konzeptionellen Rahmenbedingungen. Dabei belassen es Birgit Beierling und Ralf Nuglisch nicht dabei, die Zielsetzungen und den bestehenden Umsetzungsrahmen der beiden Maßnahmentypen im Hinblick auf eine lebensweltorientiertere Ausgestaltung zu bewerten, sondern darüber hinaus formulieren sie auch Chancen und Möglichkeiten, wie diese lebensweltorientierter weiterentwickelt werden könnten.

Im vierten Teil „Ausblicke“ schließt das Lehrbuch mit zwei Kapiteln, in denen wir als Herausgeber*innen Blicke in die Zukunft der Jugendberufshilfe wagen, die wir uns für deren Nutzer*innen wünschen: Im sechzehnten Kapitel knüpft Michael Fehlau an die professionstheoretischen Überlegungen aus dem vierten Kapitel an. Das übergeordnete Ziel einer lebensweltorientierten Professionalität Sozialer Arbeit, die Teilnehmer*innen in den Maßnahmen der Jugendberufshilfe zu einem ‚gelingenderen Alltag‘ zu verhelfen, erscheint innerhalb der vor allem arbeitsmarktpolitisch eng gesetzten institutionellen Grenzen herausfordernd. Vor diesem Hintergrund geht er mit Bezug auf die Struktur- und Handlungsmaximen Partizipation und anwaltschaftliche Einmischung auf Spurensuche nach möglichen Freiräumen lebensweltorientierter Fachlichkeit. Es geht also um die Frage, wie Fachkräfte Sozialer Arbeit, ohne sich selbst zu überfordern, die jungen Menschen darin unterstützen können, sich als Subjekte ihrer alltäglichen Verhältnisse erfahren zu können. Damit löst Michael Fehlau abschließend eine der zentralen Zielsetzungen ein, die wir als Herausgeber*innen mit diesem Lehrbuch insgesamt verfolgen.

Nicht nur angesichts der aktuellen Debatten zu Inklusion, sondern auch aufgrund der damit verbundenen Chancen auf professionstheoretisch zu begrüßende Weiterentwicklungen der Jugendberufshilfe schließt das Lehrbuch mit einem Beitrag von Ruth Enggruber zu inklusiver Berufsausbildung. Im siebzehnten Kapitel stellt sie zunächst die Inklusionsbegriffe der UN-Behindertenrechtskonvention und der UNESCO vor und begründet, warum sie sich für das Verständnis der UNESCO entschieden hat. Daraus resultieren weitreichende Reformvorschläge für eine inklusive Gestaltung der dualen Berufsausbildung, die auch die Jugendberufshilfe und ihre institutionelle Gestaltung grundlegend betreffen würden. Infolge einer Ausbildungsgarantie für alle ausbildungsinteressierten jungen Menschen wäre sie nicht mehr länger daran beteiligt, Probleme auf dem Ausbildungsmarkt bzw. fehlende Ausbildungsplätze in Betrieben durch Defizitzuschreibungen an die Jugendlichen zu individualisieren und mittels sozial- und berufspädagogischer Angebote auszugleichen. Vielmehr käme ihr dann nur noch die Aufgabe zu, junge Menschen individuell und lebensweltorientiert so zu unterstützen, dass sie die von ihnen gewünschte Berufsausbildung erfolgreich absolvieren und insgesamt für sich einen zufriedenstellenderen Alltag gestalten können.

image Literatur

Arnold, Helmut (2015): Die Rolle der Sozialen Arbeit im Übergangssystem Schule-Arbeitswelt. In: Wetzel, Konstanze (Hrsg.): Öffentliche Erziehung im Strukturwandel. Umbrüche, Krisenzonen, Reformoptionen. Wiesbaden, S. 223–234.

BMBF – Bundesministerium für Bildung und Forschung (Hrsg.) (2014): Berufsbildungsbericht 2014. Berlin.

Enggruber, Ruth (2013): Jugendberufshilfe. In: Rauschenbach, Thomas/Borrmann, Stefan: Enzyklopädie Erziehungswissenschaft Online (EEO): Jugend und Jugendarbeit, Kooperationspartner der Jugendarbeit. Weinheim/Basel.

Fahlbusch, Jonathan (2014): Gelingensbedingungen der Jugendberufsagenturen und Hinweise für die Jugendhilfe. In: Der Paritätische Gesamtverband (Hrsg.): Fachtagung: Kein Jugendlicher darf zurückgelassen werden. Des Rätsels Lösung: Jugendberufsagenturen. Berlin, S. 3–7.

Frieling, Friederike/Ulrich, Joachim Gerd (2013): Die Reformdebatte zum Übergang Schule/Berufsausbildung im Spiegel divergierender Interessen. In: Maier, Maja/Vogel, Thomas (Hrsg.): Übergänge in eine neue Arbeitswelt? Blinde Flecke der Debatte zum Übergangssystem Schule-Beruf. Wiesbaden, S. 69–93.

Galuske, Michael (1993): Das Orientierungsdilemma. Jugendberufshilfe, sozialpädagogische Selbstvergewisserung und die modernisierte Arbeitsgesellschaft. Bielefeld.

Galuske, Michael/Rietzke, Tim (2008): Aktivierung und Ausgrenzung – Aktivierender Sozialstaat, Hartz-Reformen und die Folgen für Soziale Arbeit und Jugendberufshilfe. In: Anhorn, Roland/Bettinger, Frank/Stehr, Johannes (Hrsg.): Sozialer Ausschluss und Soziale Arbeit. Positionsbestimmungen einer kritischen Theorie und Praxis Sozialer Arbeit. 2., überarb. u. erw. Aufl., Wiesbaden, S. 399–416.

Grunwald, Klaus/Thiersch, Hans (2016): Lebensweltorientierung. In: Grunwald, Klaus/Thiersch, Hans (Hrsg.): Praxishandbuch Lebensweltorientierte Soziale Arbeit. Handlungszusammenhänge und Methoden in unterschiedlichen Handlungsfeldern. 3., vollst. überarb. Aufl., Weinheim, S. 24–64.

Krafeld, Franz Josef (2008): Lebensweltorientierte Jugendberufshilfe. In Schneider, Klaus (Hrsg.): Bildung und Qualifizierung jugendlicher Arbeitsloser. Theorie und Praxis der Jugendberufshilfe. Luxemburg, S. 38–53.

Lessenich, Stephan (2008): Der Sozialstaat im flexiblen Kapitalismus. Bielefeld.

Nadai, Eva (2017): Asymmetrische Responsibilisierung oder wie man Arbeitgeber vom Wert von „Behinderten“ überzeugt. In: Bilgi, Oktay/Frühauf, Marie/Schulze, Kathrin (Hrsg.): Widersprüche gesellschaftlicher Integration – Zur Transformation Sozialer Arbeit. Wiesbaden, S. 111–128.

Pantuček-Eisenbacher, Peter (2015): Bedrohte Professionalität? Welche Professionalität? Über Gegenstand und Missverständnisse. In: Becker-Lenz, Roland/Busse, Stefan/Ehlert, Gudrun/Müller-Hermann, Silke (Hrsg.): Bedrohte Professionalität. Einschränkungen und aktuelle Herausforderungen für die Soziale Arbeit. Wiesbaden, S. 29–42.

 

KAPITEL 2:   DIE PERSPEKTIVE DER NUTZER*INNEN AUF ANGEBOTE DER JUGENDBERUFSHILFE: EIN EIGENSTÄNDIGES QUALITÄTSURTEIL ‚VON UNTEN‘

Michael Fehlau & Anne van Rießen

Überblick

Vor dem Hintergrund einer im Fachdiskurs anhaltenden Kritik an der Ineffektivität des ‚Förderdschungels‘ der Jugendberufshilfe geht der Beitrag der Frage nach, was die jungen Menschen aus ihrer Perspektive davon haben, wenn sie an entsprechenden Maßnahmen bzw. Angeboten teilnehmen (müssen). Dazu werden ausgewählte Forschungsergebnisse aus vorrangig qualitativ angelegten Studien, in denen sich subjektive Deutungsmuster und Bewertungen von Teilnehmer*innen in Bezug zu den aktuellen strukturellen Bedingungen entfalten, referiert und nach nutzenfördernden und -limitierenden Bedingungen befragt.

Einleitung

Im ersten, einleitenden Beitrag wurde das Tätigkeitsfeld der Jugendberufshilfe mit seinen widersprüchlichen Überschneidungen einer erwerbsarbeitszentrierten Programmatik auf der einen zu einer primär an der individuellen Persönlichkeitsentwicklung orientierten Sozialen Arbeit auf der anderen Seite skizziert. Die aus diesen Rahmenbedingungen geformte Landschaft von Maßnahmen bzw. Angeboten wird im Fachdiskurs als ‚Labyrinth‘ und wenig erfolgreich in der Umsetzung ihrer vorrangigen Zielvorstellung einer nachhaltigen Vermittlung in Ausbildung oder Erwerbsarbeit kritisiert (Weiß 2015, S. 9). Dieses in der Tendenz negative Qualitätsurteil von Expert*innen betrifft ca. eine Viertelmillion junger Menschen ohne Ausbildungsplatz, die jährlich in Maßnahmen der Jugendberufshilfe einmünden (ebd., S. 7). Es stellt sich daher die Frage, was jenen, die an diesen Angeboten teilnehmen (müssen), im Zusammenhang mit den Herausforderungen ihrer individuellen Alltagsbewältigung eine Teilnahme ‚eigentlich bringt‘.

Wir nehmen in diesem Kapitel diese Frage auf und werden dazu Perspektiven der jungen Menschen mit ihren subjektiven Deutungsmustern, ihren Erfahrungen und Bewertungen vorstellen. Denn erst dieser so nachvollziehbar werdende Blick durch die Brille der jungen Akteur*innen erlaubt es, die Institutionen, die Professionellen und die spezifischen Angebote der Jugendberufshilfe „von den Subjekten her zu denken“ (Schaarschuch 1999, S. 93). Diese Perspektive ist keinesfalls neutral, wir verstehen diese auch nicht als die ‚bessere‘ Position. Wir vertreten aber die These, dass hierdurch die Möglichkeit entsteht, ein „eigenständiges Qualitätsurteil von unten“ (Bauer 1996) einzuholen. Insofern verfolgen wir mit unserem Ansatz, der die jungen Menschen zu Wort kommen lässt und ihnen eine eigenständige Stimme gibt, auch partizipatorische Zielsetzungen. Wir schließen damit an grundlegende Diskurse zu einer emanzipatorisch orientierten Weiterentwicklung Sozialer Arbeit an. Denn die im Folgenden referierten Forschungsergebnisse geben Hinweise darauf, ob und unter welchen Bedingungen Jugendberufshilfe Angebote für ihre Nutzer*innen bereithält, mittels derer es ihnen möglich ist, ein selbstbestimmte(re)s Leben zu führen. Mit der Platzierung dieses Beitrages im einleitenden ersten Teil dieses Buches möchten wir weiterhin dazu anregen, diese eigenständige Perspektive in allen folgenden Kapiteln mitzudenken.

1.  Die ‚Stimme der Nutzer*innen‘ entnehmen wir ausgewählten Studien, die sich forschungsperspektivisch in der Adressat*innen- und sozialpädagogischen Nutzer*innenforschung verorten. Zur Einführung skizzieren wir diese Ansätze akteur*innenbezogener Forschung und grenzen diese von anderen Konzepten ab.

2.  Anschließend geben wir Einblicke in empirische Ergebnisse.

3.  Dann befragen wir die Jugendberufshilfe nach nutzenfördernden und -begrenzenden Bedingungen.

4.  Abschließend ziehen wir mit Blick auf die Frage nach einem Qualitätsurteil ‚von unten‘ ein kurzes Fazit.

1          Die Stimme der Nutzer*innen: Forschungszugänge

Als Mitte der 1990er Jahre sowohl die öffentliche Verwaltung als auch die Wohlfahrtspflege nach Effektivitäts- und Effizienzprinzipien umgestaltet wurden (vgl. Kap. 5), intensivierten sich vor dem Hintergrund steigender Anforderungen an Leistungsnachweise die Diskussionen um eigene professionelle Maßstäbe Sozialer Arbeit. In diesem Kontext entstanden Forschungsbemühungen, die die Perspektiven der Teilnehmer*innen auf Angebote Sozialer Arbeit stärker als bisher ins Zentrum rücken und diese auch zum Ausgangspunkt für professionstheoretische Weiterentwicklungen nehmen. Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass eine Bewertung nicht nur aus Sicht der Institutionen und Professionellen erfolgen kann, sondern dass Beurteilungen der Qualität Sozialer Arbeit immer als Kompromiss zwischen den verschiedenen beteiligten Akteur*innen zu verstehen sind.

Als entsprechende akteur*innenbezogene Forschungsperspektiven gelten in der wissenschaftlichen Diskussion Sozialer Arbeit insbesondere (1) die Wirkungsforschung, (2) die Adressat*innenforschung und (3) die sozialpädagogische Nutzer*innenforschung (für einen Überblick Graßhoff (Hrsg.) 2013). Ihnen gemeinsam ist zwar, dass sie die Voraussetzungen, Bedingungen und Effekte der Inanspruchnahme sozialer Dienstleistungen in den Blick nehmen. Allerdings basieren die drei Forschungsperspektiven nicht nur auf unterschiedlichen Verständnissen der Subjektpositionen der Nutzer*innen bzw. Adressat*innen und deren Prozessen der Inanspruchnahme, sondern sie gründen auch auf verschiedenen theoretischen Bezügen und forschungsmethodischen Zugängen:

1.  Wirkungsforschung orientiert sich vorrangig an den programmatischen Zielen der Maßnahmen. Zentraler Indikator für eine Messung von Wirkungen – oder präziser: der Wirksamkeit – von Angeboten der Jugendberufshilfe ist die Eingliederungsquote in Ausbildung oder Erwerbsarbeit. Erforscht werden weiterhin Wirkfaktoren, die einen günstigen oder hemmenden Einfluss auf einen schnellen Übergang in Ausbildung haben (Weiß 2015). Wirkungsforscher*innen setzen überwiegend standardisierte Verfahren der quantitativen Sozialforschung ein, um Zusammenhänge zwischen der Teilnahme an Maßnahmen und darauf zurückführbare Wirkungen nachweisen zu können. Damit werden die jungen Menschen forschungsperspektivisch eher als passive Objekte konstruiert, auf die ein Angebot der Sozialen Arbeit (ein)wirkt.

2.  In der Adressat*innenforschung werden die Teilnehmer*innen einerseits als starke Subjekte in den Blick genommen, die aktiv und eigensinnig mit den Bedingungen der Angebote umgehen (müssen). Andererseits werden sie in Abhängigkeit zu den Maßnahmen und Programmen ‚adressiert‘ und damit definiert und erscheinen so tendenziell als klassifizierte Objekte derselben. Das Interesse dieser Forschungsperspektive zielt – anders als bei der Wirkungsforschung – nicht auf eine zielentsprechende Optimierung Sozialer Arbeit, sondern auf die Professionalisierung sozialpädagogischer Handlungspraxis (vgl. Kap. 4). Diese Forschungsrichtung sucht z. B. nach sinnhaften Bedeutungszusammenhängen (‚Deutungsmustern‘) zwischen der Alltagsbewältigung der Adressat*innen und sozialpädagogischen Angeboten und setzt daher eher verschiedene Verfahren der qualitativen Sozialforschung ein, um diese wechselseitigen Sinnzusammenhänge nachvollziehbar verstehen zu können.

3.  Die sozialpädagogische Nutzer*innenforschung geht von starken Subjekten aus, die sich ihr (verändertes) Verhalten, ihre Bildung etc. im nutzenden Umgang mit den Rahmenbedingungen und Ausgestaltungen von Angeboten Sozialer Arbeit selbsttätig aneignen. Die zentrale Fragestellung richtet sich dementsprechend darauf, „was die Nutzerinnen und Nutzer an den sozialen Dienstleistungen aus ihrer Perspektive als nutzbringend im Zusammenhang mit den sich ihnen stellenden Aufgaben der Lebensführung betrachten“ (Oelerich/Schaarschuch 2005, S. 80, kursiv i. O.). So fragt die Nutzer*innenforschung – eher qualitativ – nach dem Nutzen und nach Strategien der Nutzung von Angeboten Sozialer Arbeit, was wiederum interpretative Rückschlüsse auf gesellschaftliche und institutionelle Rahmenbedingungen erlaubt. Mit der Bezeichnung der teilnehmenden jungen Menschen als Nutzer*innen in diesem Kapitel schließen wir uns dem starken Subjektverständnis dieser Forschungsperspektive an.

In Abgrenzung zu quantitativen Forschungsdesigns der Wirkungsforschung eröffnen qualitativ angelegte Untersuchungen den befragten Adressat*innen bzw. Nutzer*innen die Möglichkeit, ihr subjektives Relevanzsystem (van Rießen 2016, S. 119) – also das, was aus ihrer Sicht für sie selbst bedeutsam erscheint –