Weitere Bücher der gleichen Serie

Wenn Ihnen dieses Buch gefallen hat, würde ich mich über eine Rezension sehr freuen.

Auf meiner Homepage http://www.svartbeck.de/ finden Sie übrigens ein paar zusätzliche Informationen zu Karapak und den handelnden Personen.


Svartbeck-02-Falkenkrieger

Falkenkrieger

Spiegelmagie Band 2

(als Ebook und Taschenbuch bereits erschienen)


Ihre königliche Schwiegermutter hält sie für einen halbwilden Bergtrampel. Ihr königlicher Schwiegervater nimmt sie kaum zur Kenntnis. Und was ihren Gatten Tolioro angeht, wäre Sirit heilfroh, würde er dem Beispiel seines Vaters folgen.

Zu allem Überfluss scheint sie unfähig zu sein, dem Land den heißersehnten Thronfolger zu schenken. Alles, was Sirit gebärt, sind Töchter. Unerwünschte Töchter.

Ioro, der einzige in der königlichen Familie, der ein gutes Wort für sie erübrigt hat, ist weit weg und führt das Heer Karapaks gegen die Wüstenstämme.

Wie kann eine kleine, schwache Frau, die noch dazu im Harem eingesperrt ist, in dieser Lage einen Krieg verhindern – oder entfachen?



Svartbeck-03-Wuestenkrieger

Wüstenkrieger

Spiegelmagie Band 3

(als Ebook und Taschenbuch bereits erschienen)


Dass die Wüstenstämme sich mit Tolor und Karapak anlegen würden, war praktisch vorprogrammiert. Der Grundstein zu diesem Krieg wurde bereits vor 1000 Jahren gelegt. Allerdings hatte niemand voraussehen können, wozu sich dieser Krieg entwickeln würde. Mit so verheerenden Folgen rechneten nicht einmal die Zauberer.

Die Prophezeiungen führen in die Irre.

Die Orakel können die tatsächliche Zukunft nicht mehr erkennen.

Die Götter haben einen unberechenbaren Stein in die Wagschale der Zukunft geworfen.

Und das Rad des Schicksals ist bereit, sich zu drehen.


Trilogie Blut der Drachenberge


Svartbeck-04-Hornstachler

Hornstachler

Spiegelmagie Band 4

(als Ebook und Taschenbuch bereits erschienen)


Der Bann auf den Drachenbergen ist erloschen. Jahrhundertelang hat er jeden Zauber effektiv verhindert. Jahrhundertelang hat er auch das lauernde Unheil aus den Eisbergen in Schach gehalten. So lange, dass die Menschen fast vergessen haben, dass dieses Unheil existiert.

Jetzt ist der Weg wieder frei. Und während die Kinder der Drachenberge versuchen, nach einem langen Krieg ihr Leben neu zu ordnen, sind sie längst in einen neuen Krieg verwickelt, ohne es zu wissen.

Dieser Krieg begann weit in der Vergangenheit.

Dieser Krieg bedroht ihre Gegenwart.

Dieser Krieg kann ihre Zukunft vernichten.

Und das einzige, was sie retten kann, wurzelt ebenfalls tief in der Vergangenheit.

Nur, dass es überhaupt keinen Grund hat, ausgerechnet Menschen zu retten.



Svartbeck-05-Feuerwind

Feuerwind

Spiegelmagie Band 5

(als Ebook und Taschenbuch bereits erschienen)


In den Bergen kämpfen die Menschen um ihr Überleben. Die Zauberer könnten das Zünglein an der Waage sein, aber außer zwei noch nicht einmal fertig ausgebildeten Jungzauberern weigern sie sich zu helfen. Sirit fürchtet das Schlimmste für ihre alte Heimat.
Und ihr Sohn Inagoro, König von Karapak, füchtet um das Leben seiner Schwester Taephe, die mitten in diesem Schlamassel steckt. Dabei hätte Inagoro jeden Grund, sich nicht um seine Schwester, sondern um sein eigenes Leben zu sorgen. Immerhin gibt es genügend Konkurrenten, die ihm den Thron neiden, und schon Karapaks letzte zwei Könige hatten kein besonders langes Leben. Es gibt nur eine winzige Kleinigkeit, die Inagoro retten könnte: Er hat Zaubererblut.
Das nützt ihm natürlich nur, wenn die Götter mitspielen. Und wie es scheint, sind sie genau dazu entschlossen.
Oder sind es überhaupt nicht die Götter, sondern nur die Eigeninteressen der Priester, die hier zum Tragen kommen?
Die Seiten sind unklar.
Die Mitspieler sind unbekannt.
Die Mittel sind mörderisch.
Und mittendrin sind die alten Herrscher der Drachenberge damit beschäftigt, ihre Berge wieder in Besitz zu nehmen.



Svartbeck-06-Windschwingen

Windschwingen

Spiegelmagie Band 6

(als Ebook und Taschenbuch bereits erschienen)


Viele Jahre kämpfen die Menschen in den Drachenbergen jetzt bereits gegen die Frostgeister – die größte Katastrophe ihres Lebens.
Denken sie.
Aber die Frostgeister sind nur die Vorboten. Hoch im Norden machen sich die Laren bereit, für jahrhundertelanges Leiden Rache zu nehmen. Eine Rache, die ganz Karapak und die Länder der Drachenberge zerstören kann. Nur drei vermögen diesem Schicksal Einhalt zu gebieten:
Eine Frau aus den Drachenbergen mit Seherblut.
Ein Mann aus der Ebene, der dieses Blut mit dem Zauberer-Erbe der Drachenberge verbindet.
Ein Kind, das als drittes Element den Meereszauber in sich trägt.
Aber um Karapak zu retten, müssen sie erst einmal selbst überleben. Und es gibt mehr als genug Parteien, denen genau daran nichts gelegen ist.



Svartbeck-Kg1-Brutmutter



Brutmutter

Spiegelmagie Kurzgeschichten Band 1

(Als Ebook und Druckausgabe bereits erschienen, allerdings nur bei Amazon)


Karapaks Frauen haben es nicht leicht in einer von Männern dominierten Gesellschaft. Von der Sklavin bis zur Adeligen, keine von ihnen ist wirklich frei. Das bedeutet aber keineswegs, dass sie nicht imstande sind, die Wege des Schicksals ein wenig zu lenken.


Rahis Ehre – eine Gutsbesitzerstochter stellt fest, dass sie doch eine Alternative hat


Schattentanz – eine exotische Tänzerin zeigt, was sie wirklich kann


Brutmutter – eine Tochter des Adelshauses Mehme stellt die Weichen für das spätere Königshaus





Svartbeck-07-Steinfaust

Einzelband

Steinfaust

Spiegelmagie Band 7

(als ebook und Taschenbuch bereits erschienen)


Nirgendwo sonst hätte ein Waisenknabe in der Armee Karriere machen können.
In Karapak nicht, denn dort kommandiert nur der Adel.
In den Grauen Schluchten nicht, denn die sind noch hochnäsiger.
In Kirsitan nicht, denn da regieren die Frauen.
In den Nordlanden nicht, denn die haben überhaupt keine Armee, da ist jedermann ein Krieger.
Und in seiner alten Heimat Meelas nicht, denn … die gibt es nicht mehr.


Steinfaust weiß, worauf er sich eingelassen hat. Wer in Narkassias Armee an die Spitze kommen will, muss mit allem kämpfen: Worte, Waffen und Verrat. Nur mit einem hat er nicht gerechnet: Dass ihm auch Magie in die Quere kommen könnte.



Neu:


Die Sippe der Mehme-Könige ist bekannt für ihre ausgeprägte Falkennase – und dafür, dass sie keine Zauberer in ihren Reihen haben. Aber wie kam es dazu, dass sie die große Ausnahme unter allen hohen Adelshäusern Karapaks bilden?
Diese Geschichte wird in den beiden Bänden "Falkenblut" und "Falkenrache" erzählt.



Svartbeck-08-Falkenblut


Falkenblut (Spiegelmagie Band 8)

(als Ebook und Taschenbuch bereits erschienen)


Tiko hat nur ein Ziel: Sich einen Namen zu schaffen, der seinem Haus Ehre bringt. Eine Ausbildung in der königlichen Garde ist scheinbar der ideale Weg dazu. Dummerweise tritt er dabei sowohl dem karapakischen Königshaus als auch den Zauberern kräftig auf die Zehen. Und nicht genug, dass Tiko es versteht, sich die falschen Feinde zu machen. Er sucht sich als Freund auch noch ausgerechnet die Geisel des Königs aus.

An Karapaks Königshof haben schon bedeutend geringere Fehler den Tod gebracht.

Doch Tiko hat keine Wahl, er muss durchhalten. Als Kadett der Garde lebt er gefährlich. Aber wenn er aufgibt, ist er in jedem Fall tot, wie sein eigener Vater ihm unmissverständlich klargemacht hat.


Die Anfänge des späteren Königshauses der Sippe Mehme.



Falkenrache (Spiegelmagie Band 9)

(erscheint im Oktober 2021)


Man sagt den Mehme nach, dass sie ein Drachengedächtnis haben. Kränkungen werden von ihnen weder vergessen noch vergeben, egal, wie lange sie zurückliegen. Die Beziehungen zwischen ihnen und dem karapakischen Königshaus sind deshalb bestenfalls schlecht. Und die Abneigung ist gegenseitig.

Als jedoch Na-Ochone, der letzte der Mehme-Barone, vom König zutiefst gedemütigt wird, ist das Maß voll. Na-Ochone schwört blutige Rache. Eine Rache, der selbst die Zauberer wohlwollend gegenüberstehen.

Allerdings haben die Mehme ihr Familienmotto nicht ohne Grund: Traue niemals einem Zauberer!






Leseprobe aus Falkenkrieger

(Spiegelmagie Band 2)


In der Kristallkammer war eine dringliche Sitzung anberaumt. Großmeister Ro, der oberste Zauberer des Reiches, dessen Haar bereits vollständig weiß war und dessen Alter sich im Dunkel der karapakischen Geschichte verlor, leitete die Versammlung.

„Wir stehen vor zwei Problemen, die an Dringlichkeit einander ebenbürtig sind“, begann er. „Ad eins ist zu klären die wundersame Rettung des Prinzen Ioro vor dem Tod auf dem Scheiterhaufen durch ein vorgebliches göttliches Wunder. Wie wir bereits verifiziert haben, war an diesem Wunder eindeutig ein Spiegelzauber beteiligt. Die Signatur dieses Zaubers ist unbekannt. Wir haben es also mit einem unbekannten Zauberer von ebenfalls unbekannter Stärke zu tun, der im Bereich der Kristallkammer unkontrolliert agiert. Wir sind nicht einmal sicher, ob es ein karapakischer Zauberer ist. Ad zwei hat es gravierende Verschiebungen im Machtgefüge der Häuser der mittleren Provinzen gegeben. Go wurde durch einen seiner Adepten besiegt.“

Leises Murmeln lief durch den Saal.

„Kollege Os war vor Ort und hat sich ein Bild von der Lage gemacht. Ich ersuche ihn, uns jetzt einen Bericht zu geben.“

Os erhob sich und zückte seinen Spiegel. „Ich habe die Veränderung in den Kraftstrukturen unmittelbar bei Eintreten bemerkt. Alle Anzeichen deuteten auf einen Kampf außerhalb einer Arena hin. Dies habe ich vorgefunden.“

Mit einer Handbewegung schuf er über seinem Spiegel eine holografische Projektion. Schweigend musterte die Versammlung das Bild der Verheerungen.

„Dies war das Haus von Kollege Go. Go wurde in einen Seelenspiegel integriert.“ Os wandelte das Bild. Jetzt war das Innere des Turms zu sehen. Ein junger Mann stand vor den Spiegeln, die rote Robe verdreckt und zerrissen, die ungekämmten schwarzen Locken wirr im Gesicht, blass und mit Ringen unter den Augen. „Wie ihr sehen könnt, ist der derzeitige Inhaber des Turmes dieser Jo, bis dato Adept im ersten Jahr.“

Erstauntes Murmeln lief durch den Saal.

„Der junge Mann war noch nicht einmal ausreichend geschult, um zu wissen, dass eine Meister-Kampfforderung nur in einer Arena ausgetragen werden darf“, fuhr Os fort. „Offenbar hat ihn das Ergebnis überrascht. Darüber hinaus ist er anscheinend weder fähig, mit der derzeitigen Lage ohne Hilfe umgehen zu können, noch kann man ihn in irgendeiner Weise als fertig ausgebildeten Zauberer betrachten. Damit stellt er eine potenzielle Gefahr für sich und andere da, was umso schlimmer ist, als er seinen Kräften nach bereits mindestens ein Zauberer der vierten Klasse ist, wenn nicht sogar schon der dritten, mit Potenzial zu einem Zauberer erster Klasse.“

Er setzte sich wieder. Diesmal brandete ein Gewirr von Stimmen im Saal auf. Alle der vierundneunzig Anwesenden wussten, was das zu bedeuten hatte.

Ro wartete, bis seine Kollegen wieder zur Ruhe kamen. Dann fasste er den einzigen Zauberer ins Auge, der die ganze Zeit geschwiegen hatte. „Kollege Na! Du hast bei Go gelernt und solltest somit diesen Jo kennen. Hast du eine Erklärung für uns?“

Die Blicke aller Anwesenden wanderten zu dem jüngsten Mitglied der Versammlung.

Der zuckte mit den Achseln. „Jo war immer sehr impulsiv. Vielversprechend, aber eigenwillig. Und sehr experimentierfreudig. Ich kenne Typen wie ihn. Leute, die immer aus der Reihe tanzen. Ich habe meinen damaligen Meister Go vor ihm gewarnt. Anscheinend hat Go ihn trotzdem unterschätzt.“

„Ist er ehrgeizig?“

„Genug, um gefährlich zu sein.“

„Besondere Fähigkeiten?“

„Er hat eine hohe Affinität zu Seelenspiegeln.“

Diesmal durchzog die Versammlung ein kollektiver Seufzer.

„Das sind die Schlimmsten. Er könnte uns allen großen Schaden zufügen. Wir müssen ihn unbedingt hierher holen und vernünftig schulen.“

„Aber dann bleibt sein Haus ohne Meister zurück!“

„Nein. Du wirst das Haus solange übernehmen.“

Na zuckte zusammen. Gerade jetzt aus der Hauptstadt versetzt zu werden, wo es hier richtig interessant wurde? „Ich bin doch selbst kaum länger Meister als Jo. Könnt ihr nicht einen Erfahreneren schicken?“

Nach kurzer Diskussion einigte sich die Runde. Ak, eine der nur vier Zauberinnen im ganzen Reich, würde die Verwaltung von Jos Haus übernehmen. Ak hatte Erfahrung im Wiederaufbau, sie gehörte zu den wenigen Überlebenden sowohl der Zaubererkriege als auch der Aufstände gegen die Kristallkammer.

Ro rief zurück zur Tagesordnung. Da war immer noch der ungeklärte Zauber im Zusammenhang mit der Rettung des Prinzen Ioro. Mangels besserer Alternativen einigte man sich darauf, den Prinzen stärker im Auge zu behalten. Auch wenn ihnen selbst der Palast verschlossen blieb, hatten die Zauberer Mittel und Wege, ihre Augen und Ohren dort einzuschleusen.

Na hielt sich weiterhin bedeckt. Er hatte seine eigene Theorie zu der Sache. War es nicht Jo gewesen, der noch vor ihm von seiner Mitschülerin Thealina gelernt hatte, durch Geisteskraft einen Falken zu leiten? Und hatte nicht ein Falke Ioro gerettet? Es sah ganz danach aus, dass Jo hier seine Hand im Spiel hatte. Aber das musste er seinen Kollegen ja nicht gleich auf die Nase binden. Es hatte Vorteile, der Jüngste zu sein. Keiner der Älteren traute ihm Wissen und Fähigkeiten zu, die sie selbst nicht besaßen. Na war nicht umsonst ein Sohn des Hauses Kirasa-Poetoni. Adelige Karapakier sogen Intrigen und Strategien bereits mit der Muttermilch auf. Er würde dafür sorgen, dass er immer einen angemessenen Wissensvorsprung behielt. Nur so konnte er zu gegebener Zeit seine Position verbessern.

Abgesehen davon war er natürlich neugierig, was Jo eigentlich bezweckte.

*

Kanatas Hände umklammerten das hölzerne Gesims. Er könnte spüren, wie das feine Schnitzwerk unter seinen Fingern zerbröselte. Er verstärkte den Druck. Kleine Splitter bohrten sich in seine Handflächen. Verdammt! Wie sollte ein König regieren können, der Zauberer und Priester zugleich gegen sich hatte?

Hinter ihm räusperte sich der Hofmarschall. „Euer Majestät, wie ich bereits sagte, der Seher ist da. Natürlich will ich Euch nicht drängen, nur ... Er ist ein alter Mann, schwach und hinfällig. Wenn er noch lange warten muss, kann es ein, dass er heute nicht mehr in der Lage ist, die Geister für Euch zu befragen.“

Einen Moment lang schloss Kanata die Augen. Als er sich umdrehte, hatten sich seine Gesichtszüge wieder geglättet. „So ruft ihn.“

Der Seher betrat dem Balkon unter Knochengeklapper. Knochenschnüre umschlangen seine Handgelenke, Knochenschnüre umschlangen seinen zum Erbarmen mageren Rumpf. Ein schmutziges braunes Tuch bedeckte notdürftig seinen Unterleib. Eine Halskette mit kleinen Steinchen und Tierkrallen baumelte auf seiner Trichterbrust. Er bewegte sich vorsichtig, suchend, den Kopf mit dem dünnen Kinnbärtchen vorgestreckt wie ein Geier. Die Wachen, die hinter dem Greis auf den Balkon treten wollten, hielt der Hofmarschall mit einer Handbewegung zurück. Sie verschwanden wieder im Gebäude und verschlossen die Türe fest hinter sich.

Kanata musterte den Seher. Trübe, altersblinde Augen sahen ihn an, Augen, die kaum durch das Gewirr tiefer Falten und zotteliger weißer Haarsträhnen hindurchschienen. Der Mann sah aus, als ob ihn jeder sanfte Morgenwind umblasen konnte. Dennoch ... trotz seiner unbestreitbaren Gebrechlichkeit strahlte der Seher Autorität aus. Autorität und Gefahr. Einen Moment lang zögerte der König. Aber es gab keinen anderen Weg. Er brauchte die Information.

„Du weißt, weshalb du hier bist?“

Der Seher legte den Kopf schief. „Sagt Ihr es mir, Majestät.“

„Du hast von dem Anschlag auf mich gehört.“

Der Seher nickte nur. Natürlich hatte er davon gehört. Wenn der älteste Sohn des Königs ein Attentat auf seinen Vater verübte, redete das ganze Königreich darüber. Noch dazu, wenn dieser Sohn gegen alle Wahrscheinlichkeit seine Unschuld beteuerte und durch das Urteil der Götter vor dem Scheiterhaufen gerettet und damit rehabilitiert wurde.

„Die Götter haben bezeugt, dass mein Sohn Ioro mich nur verteidigen wollte, als er mit dem Dolch auf mich lossprang.“ Kanata musste einen Moment innehalten. Wann immer er an diesen Augenblick dachte, schwoll ein Kloß in seiner Kehle. Ioro im Sprung, den Dolch in der Hand, und dann der Zauber. Ausgerechnet Ioro, dem er als einzigem seiner Söhne vollkommen vertraute, ausgerechnet Ioro hatte sich mit den verhassten Zauberern eingelassen.

„Um das bestätigt zu bekommen, braucht Ihr mich nicht.“ Die Stimme des Sehers war ausdruckslos.

„Nein.“ Wenn überhaupt, dann war Kanatas Stimme noch ausdrucksloser. „Ich will etwas anders von dir wissen. Die Zauberer haben eindeutig ihre Finger im Spiel. Und so eifrig, wie die Priester sich nach dem Gottesurteil auf Ioros Seite geschlagen haben, kann ich auch ihnen nicht trauen. Deshalb frage ich dich. Was ich wissen muss: Wer steht hinter dem Anschlag und von welcher Person geht in der Zukunft unmittelbar eine Gefahr für mein Leben aus?“

Der Seher zuckte die Achseln. „Die Götter haben mir nichts offenbart.“

„Dann frage sie!“

„Sie antworten auch mir nicht auf Kommando.“

Kanatas Hand fuhr zum Dolch. „Frage! Ich weiß, dass du eine Antwort erzwingen kannst!“

Der Seher zitterte kaum merklich. „Es ist möglich“, murmelte er. „Aber der Preis ist hoch!“

„Ich zahle, was immer du willst.“

„Nicht Ihr allein werdet den Preis zahlen“, murmelte der Seher noch leiser.

„Frage!“ Kanatas Stimme trug den Groll der Winterstürme in sich.

Der Seher verneigte sich ehrerbietig. Dann setzte er sich. Mit zitternden Fingern nestelte er eine Tierklaue von seiner Halskette und legte sie auf seine offene Handfläche. Dann begann er zu summen. Kanata blinzelte. Die Tierklaue bewegte sich und begann, sich zu vervielfältigen. Die Klauen verschmolzen mit den Fingern. Der Seher streckte die Hand aus. Vier scharfe Krallen blitzten in der Sonne. Dann schlug die Hand zu. Rotes Blut spritzte über die meerblauen Glasfliesen. Während sein Leben aus dem zerfetzten Oberschenkel pulste, begann der Seher zu reden.

Seine Stimme klang leise, wie von weit her, aber trotz ihrer geringen Lautstärke schien jedes Wort in Kanatas Ohren zu hallen. „Du hast deine Frage falsch gestellt, Königsfalke. Falsch gestellt … Es ist nicht nur einer, der dir nach dem Leben trachtet, es sind mehrere. Ein Krake, der hundert Köpfe hat und tausend Arme. Schlage einen Arm ab, so kommen die anderen umso weiter.“

Kanata erschauderte. Das war schlimmer, als er gedacht hatte. „Aber wer sind die Köpfe? Sind es Zauberer? Sind es Priester? Sind es Adelige? Kaufleute? Mitglieder meiner Familie?“

„Ja, ja, ja, ja, ja“, flüsterte die heisere Stimme des Sehers.

„Was ja? Wer ist es denn nun?“

„Du stellt immer noch deine Fragen falsch!“ Der Spott war jetzt unüberhörbar.

Kanata zwang sich zur Ruhe. „Sind es Zauberer?“

„Ja“

„Sind die Priester darin verwickelt?“

„Ja.“

„Adelige?“

„Ja.“

„Kaufleute?“

„Ja.“

„Mitglieder meiner Familie?“

„Ja.“

Kanata spürte, wie ihn ein Zittern überlief. Hatte sich denn die ganze Welt gegen ihn verschworen?

„Alle?“, fragte er ungläubig.

„Dummkopf“, zischte der Seher. „Einige von ihnen. Einige aus jeder Gruppe. Und überlege besser, was du fragst, Königsfalke. Die Götter werden nur wenige Fragen beantworten. Du hast dein Kontingent fast verbraucht.“

Kanata überlegte fieberhaft. Was war ihm am wichtigsten? „Wer von meiner Familie ist es?“

„Einer deiner Söhne.“

„Welcher?“ Eine hastige, fast verzweifelte Frage.

„Das steht noch nicht fest.“

„Was?“ Kanata prallte zurück und sah den Seher ungläubig an. „Wieso? Müssen die Götter das nicht wissen?“

„Die Zukunft steht nicht immer fest. Sie wird von unseren täglichen Entscheidungen beeinflusst. Niemand, nicht einmal die Götter, kann genau vorhersehen, was geschehen wird.“ Erneut war der Spott in der Stimme des Sehers unüberhörbar, auch wenn sie noch leiser war als zu Beginn.

„Dann sag mir wenigstens eines.“ Kanata fror und schwitzte zugleich. „Hat Ioro mich bei dem Attentat angegriffen oder gerettet?“

„Zu spät, Königsfalke.“ Die Stimme des Sehers war kaum noch vernehmbar. „Die Götter haben sich bereits zurückgezogen.“ Die Gestalt des Sehers sackte auf dem Boden zusammen. Müde murmelte er: „Ich kann dir nur sagen, dass Ioro derjenige deiner Söhne ist, der Karapak gegenüber immer loyal handeln wird.“

Dann verstummte er. Im selben Moment hörte sein Blut auf zu fließen.

Kanata wagte nicht, sich zu rühren. „Ist er ... tot?“, fragte er.

Der Hofmarschall trat zu der reglosen Gestalt. Mit sichtbarer Überwindung kniete er sich nieder und fühlte den Puls am Hals des Alten. „Er lebt noch, Euer Majestät. Er lebt noch, aber sein Lebensfaden ist schwach, kaum noch spürbar. Ich bin nicht sicher, ob er den morgigen Tag noch erleben wird.“

„Schaff ihn fort.“

Kanata drehte sich brüsk um. Ein weiterer Reinfall, dieser Seher. Er war kein Stück weiter gekommen als vorher. Wie um alles in der Welt sollte ein König regieren, der niemandem mehr trauen konnte?

Cover Königsfalke

Spiegelmagie

Band 1


KÖNIGSFALKE

C. Svartbeck


Falke


Hinweis:

Am Ende des Buches finden Sie einen Anhang mit einer Landkarte sowie Erläuterungen zum Land Karapak und seinen Bewohnern.



C. Svartbeck
Machandel Verlag
Neustadtstr.7, 49740 Haselünne
Bildquelle cover: Tithi Luadthong und yyang / www.shutterstock. com
2016
ISBN 978-3-95959-110-2





Der Erstgeborene

Ein Sohn!

Kanata, elfter Herrscher über Karapak aus dem ruhmreichen Hause Mehme, schaute ausgesprochen zufrieden auf das kleine Geschöpf, das die Hebamme ihm mit einer tiefen Verbeugung präsentierte. Die neue Konkubine machte dem königlichen Haus Ehre. Ein Sohn als erstes Kind, und das kaum vierzehn Monde nach ihrem Einzug in den Harem. Zudem war Miomio nicht nur eine sehr schöne Frau – Kanata gestattete sich ein Lächeln, als er an vergangene Nächte dachte – die Konkubine wusste auch intelligent eine Unterhaltung zu führen, und ihre Ratschläge waren nicht schlecht. Für eine Frau war sie sogar überaus gebildet.

Kanata streckte die Hand aus, berührte vorsichtig das Neugeborene. Der erste einer hoffentlich langen Reihe von Söhnen. Der zukünftige Feldherr seines Reiches. Der Kleine sah kräftig aus. Ein dichter Schopf pechschwarzer Haare bedeckte bereits jetzt seinen Kopf, und die kleinen Händchen waren zu Fäusten geballt. Ja, das würde ein Krieger werden.

Jemand schob sich neben ihn. Kanata roch Pfirsiche. Das neuste Lieblingsparfüm seiner Ersten Gemahlin Iragana. Ihre sanfte Hand legte sich auf seinen Arm. „Ein wunderschöner Sohn, mein Gemahl“, sagte sie. „Wie werdet Ihr ihn nennen?“

„Ioro.“ Kanata musste nicht lange überlegen. „Er wird Erster Feldherr, er wird unsere Truppen zum Sieg führen, also soll er auch `der Sieger´ heißen.“

„Er sollte einen Bruder bekommen. Ein Feldherr braucht einen König, für den er kämpfen kann.“

Kanata runzelte die Stirn. Iragana war zwar seit zwei Monden Erste Gemahlin, aber es schien ihm noch etwas verfrüht, sie in sein Bett zu rufen. Schließlich war das Mädchen erst dreizehn Regenzeiten alt. Zudem – im Gegensatz zu Miomio war sie flach wie ein Brett. Nichts, woran ein Mann Gefallen finden konnte. Warum, bei allen Göttern, hatte es der Thronrat bloß so eilig gehabt, ihn zu verheiraten? Ein paar Jahre mehr, und seine Cousine hätte vielleicht ein paar Kurven gehabt, die sie attraktiver machten.

Erneut schaute er auf den Säugling. Da war der Beweis, dass er Söhne zeugen konnte. Das sollte dem Thronrat vorläufig genügen. Seine Erste Gemahlin würde wohl noch ein wenig länger warten können.

Iragana sah ihrem Gatten hinterher, der mit stolzgeschwellter Brust aus dem Raum stolzierte. Wilde Eifersucht wallte in ihr hoch. Diese nichtswürdige Konkubine durfte nicht nur das Bett ihres Gatten teilen, sie hatte auch noch einen Sohn geboren! Und sie selbst, als Erste Gemahlin, bekam ihren Gatten nur bei seltenen gemeinsamen Mahlzeiten zu sehen. Irgend etwas musste passieren. Sie musste es schaffen, dass ihr Gatte auch ihr einen Sohn zeugte. Irgendwie.

Was hatte ihre Amme ihr noch gesagt, kurz bevor sie die Brautsänfte bestieg, die sie nach Sawateenatari brachte? „Im Harem gibt es viele Geheimnisse. Wenn du mehr darüber wissen willst, frag nicht die Frauen des Königs. Frag die Dienerinnen und Diener. Frag die Eunuchen.“ Der König war im Palast aufgewachsen. Insbesondere die älteren Diener und Eunuchen kannten ihn vermutlich besser, als er sich selbst. Einer von denen wusste bestimmt, welches Mittel sie einsetzen musste, um ihren Gatten in ihr Bett zu bekommen.

Iragana zwang ein zuckersüßes Lächeln auf ihr Gesicht und trat an Miomios Lager, um der Konkubine zu ihrem Sohn zu gratulieren.

Miomio war sich nicht sicher, ob sie Grund zu Freude hatte. Sicher, König Kanata war zufrieden mit ihr. Zufrieden damit, dass sie ihm gleich als erstes Kind einen Sohn geboren hatte. Ein Sohn, den Kanata offiziell als seinen anerkannte, im Gegensatz zu den Bastarden, die er mit den Dienerinnen gezeugt hatte. Damit war ihr eigener Status ebenfalls gesichert. Die Mutter eines anerkannten Sohnes würde der Herrscher niemals verstoßen. Theoretisch war alles perfekt gelaufen.

Theoretisch.

Miomio wusste nur zu genau, welche Regung sie in dem Gesicht der ersten Gemahlin erkannt hatte. Das Mädchen war noch zu jung, um sich perfekt zu verstellen. Eifersucht und Neid. Eine gefährliche Kombination. Im Sommerharem konnten schon geringere Gründe tödlich sein.

Die Erste Gemahlin würde wohl nicht gerade mit dem Dolch auf sie losgehen. Aber es gab genügend Methoden, jemanden umzubringen, ohne sich direkt die Hände schmutzig zu machen. Der Sommerharem war berüchtigt für seine Intrigen.

Miomio beschloss, ab sofort eine Vorkosterin einzusetzen.

Der erste Sohn des Königs war ein Grund zum Feiern. Ganz Sawateenatari war auf den Beinen und jubelte.

Der erste Sohn des Königs war auch ein Grund für Fragen. Fragen, die man den Orakeln der Tempel stellte.

Die Antworten der Götter waren ... besorgniserregend. Besorgniserregend und vieldeutig. Besorgniserregend genug, dass die Priester diese Antworten an die Zauberer weiterleiteten.

Der erste Sohn des Königs war damit auch ein Grund für die Kristallkammer, einen Spiegel zu opfern.

Ro, der Großmeister der Zauberer, starrte auf Meister Li. „Das ist nicht gerade eine besonders präzise Zukunftssicht.“

Li zuckte mit den Achseln. „Die Priester sind in so etwas eigentlich besser. Die haben schließlich den direkten Draht zu den Göttern.“

„Dafür haben wir Spiegel.“

„Wenn die Götter nicht mitspielen, bleiben unsere Spiegel blind.“

„Wir können aber ein Bild erzwingen.“

Li deutete auf das zerschmolzene Glas und den verbogenen Rahmen. „Was ich ja getan habe. Ihr seht das Ergebnis. Und das Bild, das ich bekam, war keinen Deut besser als das, was aus meinem Spiegel geworden ist.“

„Auch ich sah das Bild.“ Das war Meister Ur. „Der Spiegel zeigte Unglück und Krieg.“

„Ja. Aber er zeigte auch einen karapakischen Feldherren auf dem Söller des königlichen Palastes in Tolor.“

„Pures Wunschdenken“, knurrte Ur. „Wir werden Tolor niemals erobern. Und wenn doch, dann werden wir es nicht halten können. Das hatten wir doch schon einmal.“

Li malte mit dem Zeigefinger eine verschlungene Linie in die Luft. Kurz glühte eine Feuerrune auf. „Ich habe noch eine Ebene tiefer gesehen“, sagte er nachdenklich. „Dieser Junge, Ioro, der wird seinem Namen einmal alle Ehre machen. Aber ob sein Sieg positiv oder negativ für Karapak ausfällt, das wird sehr von seiner Position abhängen. Davon, wer der nächste König wird. Ich denke, wenn es möglich wäre, dass dieser Ioro König würde, dann könnten die schlechten Zeichen, die die Orakel gesehen haben, in ihr Gegenteil verkehrt werden.“

„Unmöglich. Der Sohn einer bloßen Konkubine kann niemals König werden. So sagt es das Gesetz.“

Ro räusperte sich. Sofort sahen seine Mitstreiter ihn an. „Gesetze werden von Menschen gemacht“, sagte er. „Und Menschen können sie ändern.“

Li und Ur wechselten einen Blick. „Warum sollten sie?“, fragte Li.

Ro schaute auf den Glasklumpen. Offensichtlich war seinen beiden Kollegen entgangen, was er gesehen hatte. Dieser Ioro – seine Blutlinie war interessant. Sehr interessant. Ausreichend interessant, um dafür ein gewisses Risiko einzugehen. Außerdem wäre es für gewisse Dinge ganz brauchbar, wenn der Palast den Zauberern nicht länger hermetisch verschlossen blieb.

„Wir probieren es einfach“, sagte er. „Stellen wir einen Antrag.“

Kanata starrte aus schmalen Augen auf das Papier. Die Erbfolge ändern? Was, bei allen Winddämonen, hatten diese Zauberer da ausgeheckt? Wenn er eines sicher wusste, dann das: Die Kristallkammer tat nie etwas, ohne einen Vorteil davon zu gewinnen. Welchen Vorteil sahen die Zauberer in einem Bastardsohn als Thronfolger?

Direkten Einfluss im Palast konnten sie auch über Ioro nicht gewinnen. Niemand in der königlichen Familie hatte auch nur das kleinste bisschen Zaubererblut. Der Palast war für Magie tabu, aus gutem Grund, und alle Frauen, die dem König zugeführt wurden, waren handverlesen.

Was dann?

Aus welchem Haus stammte Miomio noch mal? Brepaka. Eine kleine, unbedeutende Baronie in den Drachenschwanzbergen, nahe der Südgrenze. Keine Provinz, aus der normalerweise königliche Konkubinen kamen. Miomio war ein Höflichkeitsgeschenk gewesen. Eigentlich hatte Kanata vorgehabt, sie direkt in den Winterharem zu schicken. Brepaka war einfach zu unbedeutend, um eine der Frauen dieses Hauses tatsächlich zur königlichen Konkubine zu ernennen.

Doch dann hatte er die Frau angeschaut. Und die Frau hatte sich bewegt. War mit einer Anmut, die ihresgleichen suchte, vor ihm auf die Knie gefallen. Er hatte nach ihrem Namen gefragt. Und als sie antwortete, war nicht nur ihre Stimme sanft und süß und vielversprechend, auch ihr Gesicht war wunderschön, wie er erkennen konnte, als sie den Kopf hob. Ein wunderschönes Gesicht, makellose Haut, und als sie aufstand und ihr Gewand sich dabei bewegte, über ihre Brust glitt, hatte er nur zu deutlich gesehen, wie wohlgeformt sie war. Ein Anblick, bei dem ihm das Blut in die Lenden schoss. Danach hatte er keinen Gedanken mehr daran verschwendet, diese spezielle Frau in den Winterharem abzuschieben.

Was konnten sich die Zauberer von Brepaka versprechen?

Nichts. Die Provinz war einfach zu unbedeutend. Nicht ein einziger Zauberer war dort stationiert.

Hm. Vielleicht war es genau das, was die Zauberer antrieb. Die letzten Jahrhunderte hatten sie ausschließlich den großen Häusern gedient. Sehr profitabel. Dennoch gab es deutlich weniger große als kleine Häuser. Vielleicht wollten die Zauberer auf diese Weise ihre Machtbasis vergrößern. Wollten sich die Unterstützung der kleinen Häuser sichern.

Das machte Sinn.

Kanata atmete durch.

Wer die Motive seines Gegners durchschaute, hatte die Oberhand, soviel hatte er gelernt. Aber egal, was für Motive die Zauberer hatten, und wie sinnvoll diese vielleicht sein mochten, er würde alles daran setzen, dass sie nicht damit durchkamen. Schon aus Prinzip. Das war er seinem Haus schuldig.

Der Palast hatte Augen und Ohren, auch im Sommerharem. Die Hofdamen konnten eine gewisse Spannung nicht verhehlen, als sie der ersten Gemahlin die Neuigkeiten erzählten.

Iragana fühlte sich elend. Die Kristallkammer hatte beantragt, die Thronfolgegesetze zu ändern? Das durfte einfach nicht sein! Ihr Sohn, und nur ihr Sohn, wenn sie denn endlich einen bekommen würde, sollte den Thron erben! Nicht der Bastard einer Konkubine, der nur das Glück gehabt hatte, dass seine Mutter ein wenig eher in das Bett des Herrschers gefunden hatte.

Was konnte sie tun?

Iraganas Augen wurden schmal. Überaus freundlich, aber sehr bestimmt, teilte sie ihren Damen mit, dass sie unpässlich sei und einige Zeit für sich alleine brauchte. Dann eilte sie in ihr Gemach, suchte Papier und Feder heraus und begann zu schreiben. Den fertigen Brief siegelte sie und übergab ihn Zoch, ihrem Lieblingseunuchen. „Sorge dafür, dass der Brief so rasch wie möglich Herzog Pritasaru zugestellt wird. Mein Onkel wartet schon zu lange auf eine Nachricht seiner Lieblingsnichte.“

Zoch verbeugte sich und eilte hinaus. Iragana sah ihm nach. Ihr Onkel würde Rat wissen. Er wusste immer Rat. Immerhin war er auch derjenige, der dafür gesorgt hatte, dass seine Nichte ihren entfernten Cousin Kanata heiratete. Völlig uneigennützig natürlich, wenn man davon absah, dass ihm mit der Geburt des Thronfolgers ein lebenslänglicher Sitz im Thronrat sicher sein würde.

Herzog Pritasaru zögerte keinen Lidschlag. Nachdem er den Brief seiner Nichte gelesen hatte, schickte er umgehend Botenvögel in alle Himmelsrichtungen. Es gab da einige Leute, die ihm einen Gefallen schuldeten.

Nur gut, dass Iragana so intelligent war und schnell gehandelt hatte. Pritasaru mochte sich nicht ausmalen, was aus seinen ehrgeizigen Plänen würde, wenn seine Nichte ihren Platz als Erste Gemahlin an diese unbedeutende Konkubine verlor. Eine Katastrophe! Und das, wo er so viele Jahre geduldig daran gearbeitet hatte, die Position seiner Familie zu verbessern.

Es gab da allerdings noch eine Kleinigkeit zu erledigen. Pritasaru ging an einen Schrank und entnahm ihm aus einem gut getarnten Geheimfach ein Fläschchen. Einen Moment starrte er auf die Phiole mit der hellblauen Flüssigkeit. So unscheinbar und harmlos sie aussah, das Gift war absolut tödlich. Pritasaru schrieb seinerseits einen Brief, wickelte dann die Phiole und den Brief sorgfältig ein und übergab beides dem Eunuchen. „Meine Nichte wird sich erkenntlich zeigen, wenn du rasch zurückkehrst.“

Als Zoch eilends das Gemach verließ, umspielte die Lippen des Herzogs ein Lächeln.

Iragana las den Brief ihres Onkels. Las ihn ein zweites Mal und seufzte. Dann setzte sie ein freundliches Strahlen auf und wandte sich Zoch wieder zu. „Gut gemacht“, sagte sie.

Das Gesicht des Eunuchen verzog sich zu einem breiten Grinsen. Er liebte seine junge Herrin. Er hatte sie schon geliebt, als sie noch beide im Haus ihres Vaters gelebt hatten. Iragana hatte ausdrücklich darum gebeten, Zoch als Diener mitnehmen zu dürfen. Zoch war sich sicher, dass ihm jetzt eine glanzvolle Zukunft bevorstand. Jetzt, wo Iragana begann, ihn in ihre Pläne einzubeziehen.

Seine junge Herrin ging zu dem Tischchen, auf dem sie seit einigen Tagen stets eine Schale mit Leckereien stehen hatte. Genauer gesagt, seit der Zeit, als Zoch ihr erklärt hatte, dass Männer im Allgemeinen an Frauen gewisse Rundungen schätzten. Sie fingerte an der Schale herum, schien etwas herauszusuchen.

Dann drehte sie sich mit einem strahlenden Lächeln zu ihm um und hielt ihm eine mit kandierten Früchten gefüllte Waffel hin. Zochs Lächeln wurde noch strahlender. Seine junge Herrin erinnerte sich, was er am liebsten naschte! Vergnügt nahm er die Leckerei aus ihren Händen entgegen und schob sie sich in den Mund.

Noch während er schluckte, spürte er Feuer durch seine Speiseröhre laufen. Feuer, dass in seinem Magen zu einem tobenden Sturm wurde. Bevor er aufschreien konnte, brach er zusammen.

Iragana schaute auf den zuckenden Körper zu ihren Füßen. Es dauerte nicht lange. Onkel Pritasaru hatte recht gehabt, das Gift wirkte schnell. Sie spürte Nässe auf ihren Wangen. Mit zornigen Bewegungen wischte sie die Tränen weg. Freund oder nicht Freund, eine Königin durfte sich keine Schwächen erlauben. Mitwisser waren zu gefährlich. Onkel Pritasaru hatte recht getan, sie daran zu erinnern.

Als sie absolut sicher war, das Zoch tot war, rief sie die Diener, den Leichnam zu beseitigen. Die Männer gehorchten, ohne eine Miene zu verziehen. Das Leben eines Eunuchen im königlichen Palast wog nicht viel.

Iragana wartete, bis sie wieder alleine war. Dann ging sie zu dem kleinen Tischchen zurück. Nachdenklich hob sie die Phiole hoch. Ob der Rest da drin wohl ausreichen würde, auch eine Konkubine zu den Göttern zu befördern?

„So etwas wird sich nicht wiederholen!“ Kanata blitzte seine Gattin unter drohend zusammengezogenen Brauen wütend an. „In diesem Haus gibt es nur einen, der bestimmt, wer lebt und wer nicht. Und dieser eine bin ich!“

Iragana schwieg mit gesenktem Kopf.

„Was, bitte, hat Euch bewogen, die Dienerin einer Konkubine zu vergiften?“

Mangelnde Vorausschau. Iragana haderte mit sich selbst, dass sie nicht sorgfältiger geplant hatte. Miomio hatte wohl irgendwie Verdacht geschöpft und eine Vorkosterin bestimmt. Etwas, was Iragana zu spät herausgefunden hatte. Ihr Gatte würde vermutlich wenig Verständnis dafür haben. Iragana zog es vor, weiter zu schweigen.

„Ah, wie ich es mir dachte. Das Gift war gar nicht für die Dienerin bestimmt. Habt Ihr wirklich gedacht, ich würde nicht erkennen, was in meinem eigenen Haus geschieht?“

Hatte sie nicht. Iragana wusste so gut wie ihr Gatte, dass es außer ihr niemanden gab, der vom Tod der Konkubine profitieren würde. Andererseits – sie war die Erste Gemahlin. Sie war damit so gut wie unantastbar. Auch für ihren Gatten.

Der sie jetzt gerade sehr, sehr intensiv musterte. Iragana zuckte kaum merklich mit den Schultern. Das lose, etwas weite Gewand, das sie extra für diese Begegnung ausgesucht hatte, rutschte noch ein Stückchen weiter herab und entblößte die kleine, aber durchaus wohlgeformte Rundung ihrer Brust.

Wie von einem Magneten angezogen, wanderte der Blick ihres Gatten genau dorthin.

Dann kam er zu ihr.

Seine Hände waren grob. Seine Stimme auch. Aber er tat, was sie die ganze Zeit gewollt hatte.

Bevor er ihr Gemach wieder verließ, drehte er sich noch einmal zu ihr um. „Ich werde Miomio zu meiner Ersten Konkubine ernennen“, sagte er.

Iragana schwieg. Ihr war klar, dass Miomio als Erste Konkubine für sie leider tabu wurde. Aber ab sofort war die Konkubine nicht mehr die einzige Frau, die regelmäßig Kanatas Bett teilen durfte. Und als i-Tüpfelchen hatte eine Botschaft ihres Onkels sie heute erreicht, dass der Antrag des Kronrates auf Änderung der Thronfolge abgeschmettert worden war.



Fünf Jahre später

Jokon sah mit gerunzelter Stirn auf die Ziege. Sie fraß nichts mehr. Wahrscheinlich war ihr das Futter zu trocken. Wenn die Ziege nichts fraß, gab sie auch keine Milch, und seine Mutter brauchte die Milch. Ihre eigene war versiegt und sie hatte ein kleines Kind zu versorgen. Selbst mit seinen gerade erst sieben Jahren wusste Jokon, was das bedeutete. Wenn die Ziege keine Milch mehr gab, würde seine kleine Schwester sterben.

Aber vielleicht würden sie ohnehin alle sterben.

Zwei Regenzeiten hintereinander waren die Wolken ausgeblieben. Die Dürre hielt das Land erbarmungslos im Griff. Auf den Feldern tanzten Staubwirbel, die Bäume reckten kahle Äste in einen Himmel, der wie geschmolzenes Kupfer glühte, und im Flussbett rann kein einziger Tropfen Wasser mehr. Sein Boden war zu einer einzigen stinkenden Masse aus steinhartem, aufgesprungenem Schlamm und Tierkadavern verbacken.

Und jetzt, kurz vor der Saatzeit, war selbst die Dorfquelle versiegt. Die letzten Tage hatte sie nur noch ein müdes Rinnsal ausgeschieden. Heute Morgen war nicht einmal mehr feuchter Schlamm in der Quellmulde gewesen ...

Die Männer diskutierten die ganze Nacht über, während die Frauen versuchten, die vor Durst schreienden Kinder zu beruhigen. Sie konnten das Dorf auf keinen Fall verlassen. Die Asche ihrer Ahnen ruhte in den Lehmwänden der Häuser. Wenn sie fortgingen, würden die erbarmungslos über die Ebene fegenden Winde die Wände bald abtragen und damit die Ahnen zu heimatlosen, umher irrenden Geistern machen.

Ihnen blieb nur ein Ausweg. Die Männer wussten, was das für das Dorf bedeutete, ihre Stimmen waren bedrückt. Auch die Frauen kannten den Preis, den die Rettung des Dorfes kosten würde, und weinten ohne Tränen.

Am nächsten Morgen wurden zwei junge Männer losgeschickt, einen Zauberer zu holen.

Als sie drei Tage später zurückkehrten, waren bereits die ersten Kinder gestorben.

Der Zauberer fuhr auf einem ratternden Karren ins Dorf, der von schwarzen Ochsen gezogen wurde. Zu Jokons größtem Erstaunen war es ein junger Mann, sein kurzes Haar und sein gelockter Bart waren noch immer pechschwarz. Er trug eine einfache, braune Robe. Jokon war schwer enttäuscht. Das sollte also einer der berühmten Zauberer sein? Da sah Miron, der Dorfschmied, beeindruckender aus.

Der Zauberer war praktisch veranlagt. Er hatte seinen Karren mit zehn Fässern frischen Wassers beladen. Frauen und Männer priesen ihn gleichermaßen in aufrichtiger Dankbarkeit, während sie das Wasser in kleinen Portionen an alle verteilten. Zum ersten Mal seit Tagen verstummte das Wimmern der Kinder. Das Dorf wartete.

Der Zauberer brauchte etwas Privatsphäre, um sich vorzubereiten. Er zog sich in den kleinen Tempel der Brennenden Göttin am Ende des Dorfplatzes zurück, wo er bis zum späten Nachmittag blieb.

In der Zwischenzeit kam Jokon einfach nicht zur Ruhe. Irgendetwas nicht greifbares schien um ihn herumzuschwirren. Egal, ob er im Kreis der Gehöfte blieb, zu den vertrockneten Gärten oder gar an den Feldrand lief, das komische Schwirren verfolgte ihn. Es half auch nichts, wenn er die Finger in die Ohren steckte, er hörte es dauernd. Verärgert kletterte er schließlich auf das Strohdach seines Elternhauses und machte es sich direkt unter dem First in einer kleinen Senke gemütlich. Von hier aus hatte er einen prima Überblick über den Dorfplatz mit der Quellmulde. Was er dort sah, ließ ihn das schwirrende Etwas sofort vergessen.

Der Zauberer war wieder erschienen, in eine violette Robe mit schreiend gelben und grünen Federmustern gekleidet. Das musste wohl seine Zauberkleidung sein. Unter den einfach gekleideten, staubbedeckten Dorfbewohnern wirkte er wie ein Paradiesvogel, der sich verflogen hatte. Der Zauberer schritt geradewegs zur versiegten Quelle und befahl den Männern, ihm die große Kiste zu bringen, die auf dem Karren unter der Sitzbank stand.

Ganz unten aus der Kiste holte er vorsichtig einen rundlichen, vier Handspannen breiten Gegenstand hervor, der in ein dickes Tuch gewickelt war. Er schien irgendetwas zu murmeln, während er langsam das Tuch entfernte. Ein kollektiver Seufzer ging durch die Reihen. Dort, mitten im Dorf, lag eines der mächtigsten Zauberwerke, die Menschen erschaffen konnten: ein großer Spiegel!

Jokon fiel fast vom Dach. Sein Blick klebte förmlich an der glänzenden Scheibe, die schimmernde Reflexe von Sonnenlicht auf die schwarzen Haaren der Menschen und die roten Lehmwänden der Hütten warf. Er vergrub seine bebenden Hände im Stroh und klammerte sich krampfhaft fest.

Der Zauberer ging zu der ausgetrockneten Quelle und legte den Spiegel hinein.

Mit wohlklingender Stimme sang er einige Worte. Für Jokon klang es wie unverständliches Kauderwelsch, aber es musste wohl ein mächtiger Zauberspruch sein, denn gleich darauf begann sich die Oberfläche des Spiegels zu bewegen. Er reflektierte nicht länger den Himmel, sondern verfärbte sich zu einem sehr dunklen Blau, beinahe wie tiefes Wasser. Kaum hatte Jokon das gedacht, als auch schon die Oberfläche des Spiegels aufbrach und klares Wasser heraussprudelte. Schnell füllte es die Quellmulde und lief über. Nach einem Moment fassungslosen Staunens gerieten die Männer in hektische Bewegung. Sie fuchtelten herum, riefen durcheinander und rannten los, um Schaufeln zu holen. Im Nu hatten sie sich zu einer Gruppe organisiert und hoben eine Wasserrinne durch den trockenen Boden in Richtung der Felder aus, damit das kostbare Wasser nicht ungenutzt auf dem Dorfplatz versickerte. Die Frauen und älteren Kindern halfen mit Körben und Matten, die ausgehobene Erde wegzutragen. Der Zauberer stand mit verschränkten Armen da und sah ihnen mit einem sehr selbstzufriedenen Gesichtsausdruck zu.

Jokon kletterte vom Dach herunter und näherte sich zögernd der Quelle. Er sah vorsichtig hinein. Der Spiegel war verschwunden. An seiner Stelle gähnte ein wasserspeiendes Loch, das in die tiefsten Eingeweide der Erde zu führen schien.

Benommen trat er einen Schritt zurück und schloss die Augen. Das Plätschern der neuen Quelle klang plötzlich wie eine Drohung. Von Panik gepackt drehte er sich um und lief nach Hause. Niemand war dort, nur die blökende Ziege stand angepflockt in ihrer Ecke und schrie nach Wasser. Es gab ja wieder Wasser ... Jokon füllte den Rest aus dem Vorratskrug in die Trinkschale der Ziege. Dann setzte er sich neben sie, umarmte sie und begann, vor Furcht zu weinen.

Die dunstige Sonnenscheibe sank auf den Horizont. Der Zauberer, jetzt wieder in der braunen Reiserobe, verlangte seinen Preis. Die Dörfler gehorchten widerstrebend, versuchten, das Unvermeidliche hinauszuzögern. Aber keiner traute sich, seinen Beitrag zu unterschlagen. Alle brachten sie ihre Kinder zum Dorfplatz. Die kleineren wurden von ihren ängstlichen Müttern herbeigetragen, viele bereits eingewickelt in ihre Schlafmatten, die größeren wurden von den Vätern und älteren Geschwistern geholt.

Jokon sah auf, als sein Vater in der Hütte erschien. Seine Unterlippe zitterte, aber er gehorchte wortlos, als sein Vater ihm schroff befahl, mit zum Dorfplatz zu kommen. Der Vater schien genauso viel Angst zu haben wie er selbst. Draußen vor der Türe, noch im Sichtschutz der Hofmauern, drehte sein Vater sich um und umarmte ihn, plötzlich und heftig.

„Denk daran, Sohn, wir lieben dich, wir werden dich immer lieb haben, ganz gleich, was passiert. Sei stark. Was auch immer passiert, vergiss nie, unser Dorf wird jetzt wieder leben ...“ Er brach ab, in seinen Augen glitzerte es verdächtig.

Offenbar hatte sein Vater die gleiche dunkle Vorahnung wie er.

Beklommen folgte Jokon ihm zum Dorfplatz. Er stellte sich zu den anderen Kindern, die einen Kreis bildeten. Im Zentrum des Kreises stand der Zauberer. Um den Kreis der Kinder bildeten die Männer einen zweiten Kreis. Die Frauen standen in kleinen Grüppchen abseits. Keiner sagte ein Wort. Es war, als ob das Dorf den Atem anhielt.

Der Zauberer schritt den Innenkreis ab. Von Zeit zu Zeit blieb er stehen, nickte, und zog eines der Kinder zu sich in die Mitte. Auch vor Jokon hielt er inne.