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Othmar Nestroy

Den Boden
verstehen

Aufbau • Typen • Fruchtbarkeit

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Umschlaggestaltung:

DSR Werbeagentur Rypka GmbH, 8143 Dobl/Graz, www.rypka.at

Titelbild: Reinhold Zötsch, Graz

Bildnachweis:

„Bio Ernte Steiermark“ (8); „Der fortschrittliche Landwirt“ (4); aus „Pflanzenbau I“ Seite 73 u. 118 (3). Alle weiteren Bilder wurden uns freundlicherweise vom Autor zur Verfügung gestellt.

Der Inhalt dieses Buches wurde von Autor und Verlag nach bestem Gewissen geprüft, eine Garantie kann jedoch nicht übernommen werden. Die juristische Haftung ist ausgeschlossen.

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ISBN 978-3-7020-1193-2

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© Copyright by Leopold Stocker Verlag, Graz 2015

Layout und Repro: DSR Werbeagentur Rypka GmbH, 8143 Dobl/Graz

Druck: Druckerei Theiss GmbH, 9431 St. Stefan

Inhalt

Vorwort

Der Boden als Teil der Landschaft & die Geschichte der Bodenkunde

Wie begann es?

Was ist der Boden?

Definitionen und Funktionen

Wie entsteht ein Boden & welche Prozesse laufen im Boden ab?

Allgemeine Hinweise

Faktor Gestein

Chemismus

Sekundäre Tonminerale

Textur

Härte

Faktor Relief

Faktor Klima

Niederschlag

Temperatur

Wind

Faktor Pflanzenwelt

Faktor Tierwelt

Faktor Mensch

Faktor Zeit

Bodenkundliche Aufnahme im Gelände und Untersuchungen im Laboratorium

Kartierung

Profilaufnahme

Die einzelnen Bodenhorizonte

Mächtigkeit

Aktuelle Feuchtigkeit

Grobanteil

Bodenart/-textur

Organische Substanz

Carbonate

pH-Wert

Bodenstruktur

Porosität

Konsistenz

Bodenfarbe

Durchwurzelung

Biologische Aktivität

Übergang

Gründigkeit

Bearbeitbarkeit

Sonstige Angaben

Probenahme

(Boden-)Typ

Bodentypologie und Bodensystematik

Ordnung: Terrestrische Böden

Ordnung: Hydromorphe Böden

Terrestrische Böden

Terrestrische Rohböden

Terrestrische Humusböden

Braunerden

Podsole

Kalklehme

Substratböden

Umgelagerte Böden

Hydromorphe Böden

Pseudogleye

Auböden

Gleye

Salzböden

Moore, Anmoore und Feuchtschwarzerden

Unterwasserböden

Vergleich unterschiedlicher Bodensystematiken

Deutsche Bodensystematik

Bodenklassifikation der Schweiz

World Reference Base for Soil Resources 2014 (WRB 2014)

Bodenbewertung, Bodenkarten und Bodeninformationssysteme

Die österreichische Bodenschätzung der Finanzverwaltung

Der Ackerschätzungsrahmen

Der Grünlandschätzungsrahmen

Die landwirtschaftliche Bodenkartierung

Die Forstliche Standortskartierung

Übersichtskarte der Bodenregionen Österreichs

BORIS – das Bodeninformationssystem in Österreich

eBOD – die Internetversion der digitalen Bodenkarte Österreichs

Gefahren für den Boden und Bodenschutz

Bodenabtrag, Erosion

Bodenabtrag durch Wasser

Erosionsauslösende Faktoren

Bodenabtrag durch Wind

Erosionsauslösende Faktoren

Bodenkontamination

Chemische Bodensanierung

Bodenverlust durch Bodenversiegelung

Bodenverdichtung

Verlust an organischer Substanz (Humusschwund)

Verlust an Artenvielfalt (Biodiversitätsabbau)

Versalzung

Bodenverlust durch Massenbewegungen

Renaturierung und Rekultivierung

Bodenwirtschaft

Geschichte der Bodenwirtschaft

Bodenfruchtbarkeit und -produktivität

Nachhaltigkeit

Ertrag

Düngung

Stickstoff

Phosphor

Kalium

Calcium

Magnesium

Schwefel

Spurenelemente

Sonstige Elemente

Berechnung der Düngermenge

Precision farming

Bodenhilfsstoffe

Bewässerung

Biologischer Landbau

Anbau- und Düngeversuche

Schlussgedanken

Glossar

Anhang

Bodenrelevante Institute und Institutionen

Den Boden betreffende Maße

Ö-Normen, den Boden als Pflanzenstandort betreffend

Literatur

Stichwortverzeichnis

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Foto: C. Nestroy

Othmar Nestroy

Vorwort

„Es gibt in der Natur keinen wichtigeren, keinen der Betrachtung würdigeren Gegenstand als den Boden.“ F. A. Fallou

Statistisch gesehen bevölkerten am 01.01.2014 7,2 Mrd. Menschen die Erde, litten rund 2 Mrd. Menschen an Mangelernährung (Riegler & Hickersberger, 2008), rund 850 Mio. an Hunger und etwa alle 10 Sekunden starb ein Kind an Hunger. Pro Jahr wird die Erdbevölkerung um 83 Mio. Menschen zunehmen und im Jahre 2050 werden rund 10 Mrd. Menschen auf der Erde leben – zum Großteil in den Städten von Entwicklungsländern (Abb. 1).

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Abb. 1: Entwicklung der Weltbevölkerung, von Ackerland/Person sowie der Waldfläche von 1960 bis 2040.

(Brady & Weil, 2008)

Die Zahl der gegenwärtigen Erdbevölkerung hat sich gegenüber dem Jahre 1960 verdoppelt – davon leben rund 49 % mit zunehmender Tendenz in Städten.

Die Erhaltung von fruchtbaren Böden ist essenziell, um die Weltbevölkerung, die mit zunehmender Tendenz in Städten lebt, zu ernähren.

Die Ernährung der Weltbevölkerung kann nur dann gesichert werden, wenn die landwirtschaftlichen Flächen erhalten bleiben und optimal genutzt werden, wobei die Verluste bei Ernte, Transport und Lagerung sowie die Fakten, dass für den Eigenkonsum oft nicht genug produziert werden kann und den bedürftigen Menschen oftmals das Geld für den Kauf der notwendigen Lebensmittel fehlt, nicht unterschätzt und deshalb nicht übersehen werden dürfen.

Die Unterernährung ist in erster Linie kein Produktions-, sondern ein Verteilungs- und Kaufproblem (Brandt, 2008).

Dazu kommt noch, dass bei zunehmendem Wohlstand auch der Fleischkonsum zunehmen und deshalb der Bedarf an Futtermitteln überproportional ansteigen wird, da bei jeder Trophiestufe rund 85 % verloren gehen und nur die restlichen 15 % der zugeführten Energie genutzt werden: So werden z. B. für die Produktion von 1 kg Rindfleisch rund 7 kg Futtergetreide benötigt.

Von den oftmals genannten drei Medien – Boden, Wasser, Luft – haben viele Menschen über den Boden meist eine vage Vorstellung und demnach auch nur eine sehr lose Beziehung zu ihm. So ist kaum bekannt, dass etwa 80 % unserer Nahrungsmittel direkt oder indirekt über den Boden produziert werden und rund 95 % des Wassers, das wir trinken, durch den Boden seinen Weg findet.

Obwohl der Boden Eingang in vielen Redewendungen gefunden hat, haben die wenigsten Menschen eine genaue Vorstellung von ihm.

Nur ein kleiner Kreis von Personen setzt sich mit dem Boden und seinen Funktionen auseinander und kennt ihn genauer, doch in sehr unterschiedlicher Form hat jeder von uns schon mit dem Boden bewusst oder unbewusst Bekanntschaft gemacht – dies jedoch meist oberflächlich. Der Boden wird häufig als die braune, schmutzig machende Substanz wahrgenommen. Er wird mit Füßen getreten und auch viele Redewendungen beziehen sich auf den Boden, wie: „den Boden unter den Füßen verlieren“, „mit beiden Füßen auf dem Boden stehen“, „bodenverbunden sein“, „geerdet sein“, „wiederum festen Boden unter den Füßen haben“, „bodenständig sein“, „ihm wurde der Boden zu heiß“, „jemandem den Boden unter den Füßen wegziehen“, „ich hätte vor Scham im Boden versinken können“, „am Boden zerstört sein“, „an Boden gewinnen/verlieren“, „etwas aus dem Boden stampfen“, „auf fruchtbaren Boden fallen“, „einer Sache den Boden bereiten“, „wie Pilze aus dem Boden schießen“, „zu Boden gehen“ und „das ist eine bodenlose Frechheit“. Diese Auswahl von Redewendungen, in denen der Begriff Boden vorkommt, lässt erkennen, dass wir im täglichen Leben nicht ganz den Kontakt mit dem Boden verloren haben, denn schließlich wurde Adam (hebräisch ādām – Mensch) aus Lehm (hebräisch ādāmäh – Ackerboden) von Gott geformt.

Wir soll(t)en den Boden in die Hand nehmen, statt ihn mit Füßen zu treten und zu zerstören!

Verweilen wir ein wenig bei dem von uns bewohnten und genutzten Planeten Erde. Unser Planet weist einen Äquatordurchmesser von rund 6.378 km und eine Gesamtoberfläche von 510 Mio. km2 auf, davon sind 362 Mio. km2 Wasserfläche und 148 Mio. km2 Landoberfläche.

Von der Landoberfläche stehen jedoch nur relativ geringe Anteile für den Anbau von Nutzpflanzen zur Verfügung, denn rund 23 % sind zu trocken, rund 20 % sind zu kalt, rund 20 % zu steil oder zu flachgründig, rund 5 % zu feucht und rund 10 % weisen eine zu geringe Fruchtbarkeit auf (Driessen & Dudal, 1991). Nur 22 % sind ackerbaulich nutzbar, doch dieser Anteil ist derzeit schon mehr als zur Hälfte unter Kultur genommen, die verbleibenden Flächen könnten zwar intensiv kultiviert werden, doch der Aufwand steigt mit der Verminderung von verfügbaren Flächen, da logischerweise zuerst die günstigen Lagen kultiviert wurden. Rund 31 %, d. s. 4 Mrd. ha, der Landoberfläche sind (noch) Wald.

Verknüpft man diese Fakten mit den Böden unserer Breiten, die eine durchschnittliche Mächtigkeit von (nur) einem Meter erreichen, dann kann man mit Recht von der dünnen, empfindlichen Haut unseres Planeten sprechen, die aber von eminenter Bedeutung für unser Überleben ist: Sie ist die Lebensgrundlage der Menschheit (Abb. 2).

Der Boden ist jedoch eine begrenzte und gefährdete Ressource. Es ist demnach geboten, sich mit den folgenden brisanten Fragen auseinanderzusetzen, die von uns zu be- bzw. verantworten sind:

image Was ist Boden, welche Prozesse laufen in ihm ab, welche Eigenschaften zeichnen ihn aus und wie können wir diese erkennen?

image Nutzen wir den Boden ordnungsgemäß und damit nachhaltig?

image Wie viel Boden verbrauchen wir?

image Wie viel fruchtbaren Boden hinterlassen wir den folgenden Generationen?

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Abb. 2: Der Boden, die dünne und empfindliche Haut unseres Planeten

Der Boden als dünne Haut unseres Planeten ist auch die Lebensgrundlage unserer Nachkommen.

Es ist also aus mehreren Gründen geboten, den Boden zu schützen und als Zeichen der Wertschätzung der Gesellschaft als Zeuge der Geschichte zu erhalten, denn der Boden ist nur als Leihgabe von den Vorfahren an unsere Generation für unsere Nachkommen zu sehen.

Um das Interesse an diesem Gut Boden zu wecken und um dieses Gut bewusster wahrzunehmen – man kann nur etwas schätzen (und ggf. auch lieben), was man näher kennt – soll dieses Buch einen Beitrag leisten, zugleich soll es aber auch unqualifizierte und unbewiesene Behauptungen über den Boden, die oftmals einfach in den Raum gestellt werden, durch Fachargumente entkräften.

Dieses Buch soll gleichermaßen eine Einstimmung wie auch Einführung in die Bodenkunde für jenen Personenkreis sein, der an dieser Materie berufsbedingt oder aus privaten Gründen Interesse hat. Kurzum: ein praktisches Handbuch, ein Praxisbuch für alle, die sich mit dem Boden beschäftigen oder an der Bodenkunde interessiert sind. Deshalb sollen alle Sparten der Bodenkunde ausgewogen dargestellt und zumindest andeutungsweise ausgeleuchtet werden, um auf diese Weise die Bedeutung wie auch Breite der Bodenkunde darzulegen.

Bewusst wird der Blick an vielen Stellen über den rein bodenkundlichen Horizont fachübergreifend erweitert. Die Ursache liegt nicht darin, dass nicht genügend Material vorhanden wäre, sondern hat ihren Grund in der Tatsache, dass die Bodenkunde eine integrative und viele Gesellschaftsbereiche umfassende Fachdisziplin ist und innerhalb naturwissenschaftlicher Disziplinen keine scharfen Grenzen existieren und daher solche auch nicht gezogen werden können. So ist der Boden nicht nur als Teil der Landschaft zu verstehen, sondern ein prägender Faktor für das Leben auf unserem Planeten. Stahr et al. (2008) verwenden deshalb zu Recht den Plural und sprechen von Bodenwissenschaften.

Feldbodenkunde und Laboruntersuchungen müssen sich ergänzen.

Der Bereich Feldbodenkunde und jener Bereich der Bodenkunde, der sich vorwiegend auf computergestützte Analysendaten vom Laboratorium bezieht, müssen eine Einheit bilden; sie sind nicht trennbar. Es soll aber nicht verschwiegen werden, dass die letztgenannte Teildisziplin ein Übergewicht erlangt haben dürfte. Deshalb soll in diesem Buch die Feldbodenkunde stärker in den Vordergrund gerückt werden, denn diese ist nach wie vor die Basis der Bodenforschung und auch die unabdingbare Hilfe für die Interpretation von Labordaten.

Dieses Buch möchte ich meinem akademischen Lehrer, Herrn Univ.-Prof. DDr.h.c. Dipl.-Ing. Herbert Franz, der mich die ersten Schritte in dieser Disziplin gelehrt wie auch den Blick für komplexes Denken geschärft hat, widmen. Weiter gilt mein Dank Frau Mag. Dr. H. Wonisch, ohne deren Mithilfe die Anfertigung einiger grafischer Darstellungen in diesem Buche nicht möglich gewesen wäre.

Last but not least auch den Dank an den Leopold Stocker Verlag, der an der Realisierung dieses Projektes großes Interesse und eifrige Unterstützung gezeigt hat.

Hinweis!

Der Boden ist der prägende Faktor für das Leben auf unserem Planeten, deshalb sollen wir den Boden in die Hand nehmen und ihn nicht mit Füßen treten.

Der Boden als Teil der Landschaft & die Geschichte der Bodenkunde

Wie begann es?

Unsere heutigen Böden entstanden nach der letzten Kaltzeit.

Lassen wir in einem Zeitraffer das Geschehen um uns und unserer Erde vorbeiziehen: Vor rund 13,7 Mrd. Jahren begann alles mit dem Urknall. Davor gab es nichts. Vor rund 4,7 Mrd. Jahren begann unsere Sonne zu leuchten und vor rund 4,6 Mrd. Jahren entstand unsere Erde – noch als rot glühende Kugel. Vor rund 3,5 Mrd. Jahren entstand auf ihr das erste Leben: die Bakterien. Vor rund 2,5 Mrd. Jahren kamen die ersten Sauerstoff erzeugenden Lebewesen, vor rund 2,1 Mrd. Jahren die ersten Lebewesen mit Zellkern und vor rund 650 Mio. Jahren die ersten Vielzeller hinzu (Gruber, 2006). Der Mensch trat erst relativ spät auf. Die ersten aufrecht gehenden Hominiden, Vorfahren des heutigen Menschen, des Homo sapiens, entstanden vor etwa 160.000 Jahren in Ostafrika. Von dort verbreiteten sie sich über Asien bis zum Pazifik sowie nach Europa. Der Neandertaler, 160.000 bis 25.000 Jahre vor unserer Zeit, ist hingegen kein direkter Vorfahre des heutigen Menschen (Zankl, 2004; Seidler, 2008, 2014). Vergleicht man diese Zeiten in einem 24-Stunden-Tag mit dem Bestehen der Erde, so traten die Dinosaurier vor 23 Uhr, der Mensch 1 ½ Minuten und die Zivilisation 1 Sekunde vor Mitternacht in Erscheinung (Kleesattel, 2005). Das für die heutige Prägung der Landschaft und der Böden so bedeutende (bisher) letzte Eiszeitalter setzte vor rund 2 Mio. Jahren ein, der Hochstand der letzten alpinen Vereisung kann zwischen 22.000 und 20.000 Jahren v. h. angesetzt werden. Danach folgte ein relativ rasches Abschmelzen der Würmgletscher im alpinen Bereich. Ab etwa 13.000 Jahren v. h. setzte die Wiederbewaldung ein und somit auch die Bildung jener Böden, die wir als heutige Böden bezeichnen. Daneben existieren aus unterschiedlichen Gründen in geschützten Positionen auch Böden der Vorzeiten, z. B. aus dem Neogen1, die, als Paläoböden bezeichnet, in unseren Breiten aber relativ geringe Flächen einnehmen. Diese Böden heben sich aufgrund ihrer Farbe wie Tonmineralzusammensetzung deutlich von den heutigen Böden ab und sind deshalb im Gelände gut erkennbar.

Der Boden ist demnach ein Teil der Landschaft, ist ein von dieser geprägter Bereich und prägt gleichzeitig auch diese: Er ist komplex in diese eingebettet.

Diese Situation soll in Abbildung 3 nähergebracht werden.

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Abb. 3: Mehrfachnutzung von Boden und Landschaft

Hier können wir ober- wie unterirdische Aktivitäten, die Landschaft wie Böden formen, wahrnehmen: So in größeren Tiefen die Erdöl- und Erdgasförderung, in den oberflächennahen Bereichen die Trinkwassergewinnung und schließlich, sichtbar an der Oberfläche, die land- und forstwirtschaftliche Nutzung, Lehm-, Sand- und Schottergruben, Bergbautätigkeiten, Siedlungs- und Erholungseinrichtungen sowie Flächen, die für den Verkehr, für die Energieversorgung sowie von der Industrie genutzt werden. Nicht zu vergessen sind auch die Bereiche für die Abwasserreinigung und Abfalldeponien. Alle diese hier aufgezählten Aktivitäten beeinträchtigen direkt oder indirekt den Boden.

Die Notwendigkeit, die Basis unserer Ernährung zu erkunden, hat nicht nur die Neugierde der ersten Ackerbauern, sondern auch jener geweckt, die etwas tiefer in diese Materie eindringen wollten. Ein Abriss zur Geschichte der Bodenkunde soll dies verdeutlichen (Blume, 2002; Nestroy et al., 2011).

Die Anfänge der Bodenkunde als Wissenschaft liegen in der zweiten Hälfte des 19. Jh.s.

Die Bodenkunde ist mit rund 150 Jahren eine relativ junge Wissenschaft, denn erst mit dem Erkennen der Horizontierung eines Bodenprofils sowie dessen genetischer Deutung gegen Ende des 19. Jh.s begann sich die Bodenkunde als eigenständige Naturwissenschaft zu entwickeln. Die Wurzeln der Beschäftigung mit dem Boden reichen jedoch bis Hippokrates (460–375) zurück. Hildegard von Bingen (1098–1179), Äbtissin und Autorin, verfasste im 11. Jh. die Beschreibung eines Oberbodens und gab Hinweise zum Wesen des Bodens. Vollständige Profilbeschreibungen stammen erst aus der 2. Hälfte des 19. Jh.s, vorher wurde in der Regel nur der Oberboden, d. s. die oberen 20 cm, beschrieben.

Weiter ist Carl von Linné (1707–1778) zu nennen und 1747 übersetzte der russische Naturforscher Michael W. Lomonossow (1711–1765) den Begriff „Schwarze Erde“ mit Tschernosem und gilt als Begründer der weltweit geschätzten russischen Bodenforschung.

Antoine L. de Lavoisier (1743–1794) kann als Begründer der Agrikulturchemie gesehen werden. Baron Justus von Liebig (1803–1873) erweiterte in Zusammenarbeit mit Théodore de Saussure (1767–1845) die Mineralstofflehre und schuf damit die Grundlage für die heutige Bodenchemie und Düngung. Ihm verdanken wir auch das Gesetz vom Minimum in der Düngerlehre und Pflanzenernährung.

Als Begründer der Bodenkunde im Sinne einer selbstständigen Wissenschaft kann Friedrich A. Fallou (1794–1877) gesehen werden, der seine Erkenntnisse in mehreren Büchern, verfasst zwischen 1857 und 1875, weitergegeben hat.

Grundlegende Arbeiten über die Genese der Böden entstanden erst im späten 19. Jh.

Als „Väter“ der Bodenkunde gelten vor allem der Russe Wassilij W. Dokutschaew (1846–1903), der die Zonalität der Böden erkannte, die von seinem Schüler, Nikolai N. Sibirzew (1860–1900), weiterentwickelt wurde. K. D. Glinka (1867–1927) ist vor allem wegen seines im Jahre 1914 ins Deutsche übersetzten Buches „Die Typen der Bodenbildung“ hervorzuheben, der Deutsch-Amerikaner Eugen W. Hilgard (1833–1916) und der Deutsche Emil Ramann (1851–1926) vertieften das Wissen um die Bedeutung des Klimas für die Bodenentwicklung.

Hervorzuheben sind weiter die Arbeiten von Hermann Stremme (1879–1961), so die Internationale Bodenkarte Europas im Maßstab 1 : 2,5 Mio. aus dem Jahre 1937, Eilhard A. Mitscherlich (1874–1956), der im Jahre 1909 das Wirkungsgesetz der Wachstumsfaktoren formulierte, Daniel A. Thear, der die 10 Wertklassen zur Ermittlung des Reinertrags ausgearbeitet hat, sowie Edwin Blanck (1877–1953), aus dessen Feder das 10-bändige Handbuch der Bodenlehre stammt, Eduard Mückenhausen (1907–2005) und der Schweizer Hans Jenny (1899–1992).

Von österreichischer Seite verdienen die grundlegenden Arbeiten zur Systematik der Böden Europas sowie zur Bodenmikromorphologie von Walter L. Kubiena (1897–1979) und Herbert Franz (1908–2002) eine besondere Erwähnung.

Hinweis!

Die Bodenkunde ist eine relativ junge Wissenschaft in Zeit und Raum.

1 Paläogen und Neogen – die neueren wissenschaftlichen Bezeichnungen der Teilabschnitte des Tertiärs – werden auch in diesem Buch verwendet.

Was ist der Boden?

Definitionen und Funktionen

Der Boden wird in diesem Buch als Pflanzenstandort verstanden, wie es auch in der Definition für den Boden im biogenen Sinne nach der ÖNORM L 1050 zum Ausdruck kommt. Hier heißt es:

Der Boden ist der oberste Bereich der Erdkruste, der durch Verwitterung, Um- und Neubildung (natürlich oder anthropogen verändert) entstanden ist und weiter verändert wird; er besteht aus festen anorganischen (Mineralanteil) und organischen Teilen (Humus und Lebewesen) sowie mit Wasser, den darin gelösten Stoffen und mit Luft gefüllten Hohlräumen und steht in Wechselwirkung mit Lebewesen.

Diese Definition ist im Vergleich mit der World Reference Base for Soil Resources 2014 (WRB 2014) relativ eng gefasst und bezieht sich in der Regel auf die durch die Länge des Schlagbohrers technisch bedingte Tiefe von einem Meter.

Boden besteht aus anorganischen und organischen Teilen sowie Wasser und Luft und wird als Pflanzenstandort gesehen.

Abgesetzt davon sind geogene Böden als „anorganische, d. h. mineralische Lockersubstrate, wie z. B. Schotter, Sande und andere geologische Lockerdecken, die nicht dem Festgestein zugeordnet werden können“ (Nestroy et al., 2011), zu verstehen. Da in diesem Buche immer auf Boden im biogenen Sinne Bezug genommen wird, liegt die besondere Betonung auf den biotischen Faktoren. Diese müssen erfüllt sein, um von Boden sprechen zu können. An dieser Stelle muss erläuternd beigefügt werden, dass selbst in großen Bohrlochtiefen Mikroorganismen existieren und selbst die Finsternis der Tiefsee nicht ohne Leben ist. Im gegenständlichen Fall ist diese Voraussetzung dann erfüllt, wenn sichtbare biotische Aktivitäten, wie z. B. durch assimilierende Pflanzen oder Spuren von Bodenlebewesen, feststellbar sind. Wie aus der oben angeführten Definition ersichtlich, wird der Boden als Pflanzenstandort gesehen, denn er bietet der Pflanzenwurzel physikalischen Halt und stellt Nährstoffe bereit. Deshalb wird auch das Hauptaugenmerk auf diese Funktionen gerichtet sein.

Grund und Boden sind Ausdrücke, die in ihrer Bedeutung eng beieinander liegen, weshalb zwischen diesen oft nicht exakt unterschieden wird. Sie basieren auf der mittelalterlichen Unterscheidung zwischen städtischem „Grund“, also dem Gebiet innerhalb der Stadtmauern, und „Boden“ als landwirtschaftlich genutzte Flächen außerhalb der Stadt (Tusch et al., 2007).

Die Begriffe „Erde“ und „Boden“ liegen ebenfalls eng beieinander und werden oft synonym verwendet. In den Sätzen „Ohne Boden wäre das Leben auf der Erde für den Menschen nicht möglich“ und „Die Böden unserer Erde“ wird nicht nur die Bedeutung des Bodens als Ernährungsbasis ausgedrückt, sondern auch die Trennung zwischen dem Planeten Erde und dem Boden als dünne Haut desselben erkennbar. Weitere Begriffe, wie Erdreich, Blumentopferde und Schwarzerde für Bodenmaterial bzw. für einen Bodentyp, sollen nicht unerwähnt bleiben.

Der Begriff „Erde“ sollte demnach nur dann verwendet werden, wenn es sich um den Planeten Erde handelt, der Begriff „Boden“ hingegen, wenn der belebte oberste Bereich, der Pflanzenstandort, betrachtet wird.

Eng mit dieser Definition eines Bodens sind auch die Funktionen verbunden, die ein Boden zu erfüllen hat. Es sind drei ökologische und drei technisch-industrielle wie sozioökonomische Funktionen (Blum, 2002).

Die drei ökologischen Funktionen sind:

image 1. Die Produktion von Biomasse und damit die Bereitstellung von Nahrungsmitteln, nachwachsender Energie und Rohstoffen.

image 2. Die Filter-, Puffer- und Transformationsfunktion zwischen der Atmosphäre, dem Grundwasser und der Pflanzendecke, wodurch die Umwelt geschützt und die Nahrungskette in Qualität und Quantität gewährleistet wird und die Biodiversität erhalten bleibt.

image 3. Der Boden als biologisches Habitat und als Genreserve.

Die drei technisch-industriellen und sozioökonomischen Funktionen sind:

image 1. Die physikalische Basis für technische, industrielle und sozioökonomische Strukturen und deren Entwicklung, wie Flächenbereitstellung für Wohnbau, Erholungs- und Sportanlagen, Verkehrs- und Industrieanlagen sowie Abfalldeponien.

image 2. Die Nutzung von Landflächen zur Rohstoffgewinnung (Abb. 4), so z. B. als Ton-, Sand-, Torf- und Schottergruben, sowie für die Gewinnung von Wasser und geogener Energie.

image 3. Die Böden als geogenes und kulturelles Erbe, da sie wesentlicher Teil unserer Kulturlandschaft sind und paläontologische wie archäologische Zeitzeugen vor dem Zerfall schützen.

Dazu einige ergänzende Bemerkungen:

Die Hauptfunktion des Bodens ist nach wie vor die Erzeugung von Biomasse als Nahrungsmittel für Menschen, Futtermittel für Tiere und nachwachsende Rohstoffe. Dies vollzieht die grüne Pflanze im Wege der Fotosynthese mithilfe von Sonnenenergie, Kohlendioxid und Wasser. Salopp kann man es so formulieren: Die Pflanze macht ihr „Geschäft“ mit der Sonne und die Pflanze geht mit dem Wasserstoff-Ion „einkaufen“. Die Produktion von Nahrungsmitteln für Menschen hat nach wie vor Priorität, unterstrichen durch die einleitend festgestellten Tatsachen. Neben der Produktion von Futtermitteln gewinnt jene von industriellen Rohstoffen und nachwachsenden Energien immer mehr an Bedeutung. Die über den Boden produzierte Biomasse soll einen maximal möglichen Beitrag zur Versorgung mit Endenergie bringen, so durch eine Minimierung der Umwandlungsverluste von Primär- zu Endenergie, durch möglichst hohe Endenergieerträge je Hektar und durch möglichst geringe Produktionskosten je Energieeinheit (Tullner Erklärung, 2006). Diese Nutzungsform darf aber nicht zu Engpässen in der Nahrungsmittelproduktion führen.

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Abb. 4: Erzeugung von Biogas aus nachwachsenden Rohstoffen

Die weiteren Funktionen des Bodens beziehen sich ebenfalls auf Bedürfnisse des täglichen Lebens, wie die Filterwirkung für die Bereitstellung von einwandfreiem Wasser – nur 1 % des weltweiten Wasservorkommens ist als Trinkwasser geeignet, 1,1 Mrd. Menschen leiden an chronischem Wassermangel – sowie die Filterfunktion für Schadstoffe.

Meist unbeachtet bleibt die Funktion des Bodens als biologisches Habitat und Genreserve wie auch als Bewahrer des Kulturerbes. In diesem Zusammenhang sind die Hinweise angebracht, dass Alexander Fleming (1881–1955) an der durch einen Schimmelpilz im Boden zufällig ausgelösten Verunreinigung, die das Bakterienwachstum hemmte, im Jahre 1928 das Antibiotikum Penicillin entdeckte, und dass Selman Waksman (1888–1973) im Jahre 1943 Streptomycin aus dem Bodenpilz Streptomyces isolierte.

Viele Zeugen einer lang zurückliegenden Zivilisation sind nur dank der Konservierung im Boden noch erhalten. Beispielhaft seien an dieser Stelle die Venus von Willendorf in der Wachau wie auch die römischen Ruinen in Wien und Carnuntum genannt, die in der Regel unter der heutigen Bodenoberfläche liegen, also von fluviatilen und/oder äolischen Sedimenten bedeckt wurden, die sich im Laufe der Zeit oberflächennah zu Boden umgewandelt haben. Auf diese Weise konnten diese Kulturzeugen unter einer mächtigen Bodendecke Jahrtausende überdauern und sind für die heutige Generation erhalten geblieben (Abb. 5 und 6).

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Abb. 5: Reste eines römischen Hauses im Zentrum von Wien, Michaelerplatz

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Abb. 6: Durch Bodenbedeckung und Vegetation erhalten gebliebener Teil einer Stützmauer in Graz-Waltendorf

Hinweis!

Es muss gelingen, die vielfältigen Funktionen des Bodens, wobei der grünen Pflanze eine besondere Bedeutung zukommt, für die kommenden Generationen zu erhalten.

Wie entsteht ein Boden & welche Prozesse laufen im Boden ab?

Allgemeine Hinweise

Faktor Gestein

Faktor Relief

Faktor Klima

Faktor Pflanzenwelt

Faktor Tierwelt

Faktor Mensch

Faktor Zeit

Allgemeine Hinweise

Schon einleitend soll zu diesem Kapitel festgehalten werden, dass es in einer naturwissenschaftlichen Disziplin nicht möglich ist, einzelne Faktoren isoliert – gewissermaßen durch scharfe und unüberwindbare Grenzen getrennt – zu betrachten: Gegenseitige Beeinflussungen wie gleitende Übergänge sind die Regel und deshalb auch zu respektieren. Wenn dennoch in den folgenden Ausführungen oftmals diese (scheinbaren) Fachgrenzen überschritten werden, so geschieht dies mit der Absicht, den Leser für diese Wechselbeziehungen zu sensibilisieren.

Zur Einstimmung in diesen Themenkomplex soll Abbildung 7 beitragen. Auf dieser wird etwas detaillierter die Stellung des Bodens im Grenzbereich – man kann auch sagen im Kräftespiel – zur Bio-, Hydro-, Litho- und Atmosphäre vor Augen geführt.

Die anorganische Festphase, bestehend aus Mineralen und Gesteinen, wird von der organischen Festphase, das sind in der Hauptsache Humusstoffe, ergänzt und von der wässrigen Phase, in der sich die für die Pflanzenernährung wichtigen Nährstoffe meist in Form von Ionen befinden, durchsetzt. Von besonderer Bedeutung für die Wurzelatmung ist die Gasphase, die auch für den Austausch der bei bodenbiologischen Prozessen frei werdenden Gase verantwortlich ist.

Bei der Entstehung eines Bodens spielen abiotische und biotische Faktoren sowie die Zeit eine Rolle.

Das Werden des Bodens, die Pedogenese, kann als Kombination von Faktoren, Prozessen und den daraus resultierenden Eigenschaften gesehen werden, denn diese sind die komplexen Ergebnisse der Bodengenese (Abb. 8).

Es muss jedoch angemerkt werden, dass wir nur die Faktoren einigermaßen in ihren Eigenschaften und ihrer Wirkung erfassen und beschreiben können, während die im Boden ablaufenden Prozesse, wie Versauerung, Humus- und Tonmineralbildung, Tonzerstörung, Tonwanderung, Podsolierung, Ton- und Humusakkumulation, Wasserbewegungen u. a., uns meist verborgen bleiben und wir diese nur an den erkennbaren und messbaren Eigenschaften nachvollziehen können.

Von den nun zu besprechenden Faktoren können die ersten drei, nämlich Gestein, Relief und Klima, als abiotische Faktoren gesehen werden, die folgenden, wie Vegetation, Tierwelt, Mensch, als biotische und schließlich der Faktor Zeit als Multiplikator der oben genannten Faktoren.

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Abb. 7

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Abb. 8

Faktor Gestein

Beim Faktor Gestein sind drei Eigenschaften für die Bodenbildung von besonderer Bedeutung:

image der Chemismus

image die Textur und

image die Härte.

Chemismus

Der Chemismus – die chemische Struktur bzw. Zusammensetzung des Gesteins

Bezüglich Chemismus ist von Bedeutung, ob es sich um ein rein carbonatisches Gestein handelt, d. h. um reine Kalke oder Dolomite. In diesem Fall wird dem Boden und letztlich auch den Pflanzen ein relativ enges chemisches Spektrum angeboten, falls dieses nicht durch natürliche Verunreinigungen des Ausgangsmaterials eine Ausweitung erfährt.

Das chemische Spektrum von kalkig-silikatischen (festen oder lockeren) Gesteinen ist bedeutend breiter; hier seien nur Löss und Kalkglimmerschiefer erwähnt. Deshalb können sich, vom Chemismus her gesehen, Böden mit einer breiten chemischen Basis entwickeln, die auch den Pflanzen weitergegeben wird.

Silikatische Ausgangsmaterialien, wie z. B. Granite, Gneise, Quarzite, Quarzsande u. a. m., liefern in der Regel meist nährstoffarme Böden mit einem geringen Nährstoffpool für die Pflanzen. Der pH-Wert liegt bei diesen Böden im sauren bis stark sauren Bereich.

Sekundäre Tonminerale

Ergebnis von Verwitterungsprozessen im Boden sind u. a. sekundäre Tonminerale. Es sind dies i. d. R. Neubildungen, die den Einfluss von Ausgangsmaterial, Klima, chemischem Milieu sowie Bodenwasser und Zeit widerspiegeln. So ist es möglich, dass schwächer entwickelte und jüngere Böden deutlicher das Tonmineralspektrum des Muttergesteins erkennen lassen als reife Böden.

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Abb. 9: Tetraeder-Modell mit O-Ionen an den Ecken und einem zentralen Si-Ion (Brady & Weil, 2008)

Die Entstehung der Tonminerale resultiert aus der Verwitterung von Glimmer (Biotit und Muskovit), Feldspäten, Olivin, Pyroxen, Amphibol, Augiten und Hornblenden sowie primären Chloriten.

Hydrolyse und Hydratation sowie Säureeinträge aus der Luft (Salpetersäure, Schwefelsäure, Kohlensäure) und bodenbürtige Säuren (Kohlensäure, Schwefelsäure, organische Säuren) verstärken den Zerfall und die Umwandlung primärer Silikate zu den sekundären Tonmineralen.

Als Tonminerale werden in der Bodenkunde Teilchen mit einem Äquivalentdurchmesser < 2 µm und damit mit einer entsprechend hohen inneren Oberfläche definiert. Zerteilt man einen Würfel mit einer Kantenlänge von 1 cm, d. s. 6 cm2, in Würfel gleichen Volumens mit der Kantenlänge von 0,1 mm, so vergrößert sich die Oberfläche auf das 10.000-fache, nämlich auf 6 m2.

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Abb. 10: Oktaeder-Modell mit OH-Ionen an den Ecken und einem zentralen Al-Ion

(Brady & Weil, 2008)

Die Bedeutung dieser sekundären Tonminerale liegt darin, dass sie in der Lage sind, Kationen wie Anionen sowie Moleküle zu speichern und sie sind ferner für das Puffervermögen wie für die Bindigkeit und Quellfähigkeit eines Bodens verantwortlich.

Die Grundstruktur der sekundären Tonminerale sind Tetraeder, bei denen um ein zentrales Siliziumion vier Sauerstoffionen, sowie Oktaeder, bei denen um ein zentrales Aluminium- oder Magnesiumion sechs Hydroxidionen gelagert sind (Abb. 9 und 10).

Entsprechend dem Gittertyp kann zwischen Zweischicht- und Dreischichttonmineralen unterschieden werden.

Die Zweischichttonminerale lassen jeweils eine Oktaederschicht und Tetraederschicht erkennen (1:1-Typ), bei den Dreischichttonmineralen lautet die Abfolge Tetraederschicht-Oktaederschicht-Tetraederschicht (2:1-Typ) (Abb. 11). Diese können nicht aufweitbar und daher kaum quellend sein oder unterschiedlich aufweitbar und quellend sein. Zu den Zweischichttonmineralen zählt der nicht aufweitbare Kaolinit (Abb. 12), zu den nicht aufweitbaren Dreischichttonmineralen Illite und Chlorite, zu den aufweitbaren Vermiculite und die Smectitgruppe (Abb. 13) mit den besonders wichtigen Montmorilloniten.

Eine vereinfachte Darstellung dieser Gruppen vermittelt die Abbildung 14, bei der vor allem auf den unterschiedlichen Schichtabstand sowie die Einlagerung von Kalium bei den Illiten hingewiesen werden soll.

Diese unterschiedlichen Schichtabstände der sekundären Tonminerale bestimmen auch die Kationenumtauschkapazität (KAK) sowie das Quellen und Schrumpfen des Bodens. Dies wird im Vergleich mit Huminstoffen auf Tabelle 1 dargestellt.

Tabelle 1: Wichtige Eigenschaften einiger sekundärer Tonminerale im Vergleich zu Humus

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(Brady & Weil, 2008)

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Abb. 11: Elektronenmikroskopische Aufnahme eines Montmorillonits (Gruppe der Smectite)

(Brady & Weil, 2008)

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Abb. 12: Zweischichttonminerale (Brady & Weil, 2008)

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Abb. 13: Dreischichttonminerale (Brady & Weil, 2008)

Man ersieht daraus die Bedeutung der Dreischichttonminerale, deren Entstehung aber nur in geringem Maße vom Menschen beeinflussbar ist – im Vergleich dazu der durch den Menschen beeinflussbare Humusgehalt.

Da Vermiculite und Smectite aufweitbar sind, können verschiedene Kationen, speziell Kalium, in diesem Schichtzwischenraum gespeichert werden. Vermiculite kontrahieren bei Zugabe von Kalium und können auf diese Weise die Ursache der Kalifixierung sein.

Der zu den Zweischichttonmineralen zählende Kaolinit entsteht bei intensiver Verwitterung und einer ganzjährigen guten Durchfeuchtung des Bodens infolge hoher Niederschläge unter humiden tropischen und subtropischen Bedingungen. Kaolinitreiche Böden finden sich häufig auf alten Landoberflächen, auf denen die Verwitterung und die Bodenbildung intensiv und lange andauerten. Sie sind in unseren Breiten somit auch oftmals Zeugen einer alten Landformung.

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Abb. 14: Schematische Darstellung einiger Zweischicht- und Dreischichttonminerale

(Brady & Weil, 2008)

Der in Böden häufig auftretende Illit weist eine enge Verwandtschaft zu den Glimmern auf, da er vermutlich zum größten Teil aus der Muskovit-Verwitterung hervorgegangen ist. In einem schwach sauren und nicht kaliarmen Milieu mit mäßiger Entwässerung – wie es in den gemäßigten bis kühlen Klimaten mittlerer und hoher Breiten meist der Fall ist – geht die Glimmerverwitterung nicht über das Illitstadium hinaus. Bei einer fortschreitenden Verwitterung kann Illit aber zu Smectit oder Vermiculit umgewandelt werden.

Falls für das freigesetzte Kalium Calcium und Magnesium zur Verfügung stehen, erfolgt die Umwandlung der Illite zu Smectiten. Diese weisen eine negative Schichtladung auf, die durch verschiedene austauschbare Kationen, wie Calcium, Magnesium, Kalium, Natrium u. a. m., kompensiert werden kann. Aufgrund der geringen Schichtladung sind sie auch in der Lage, Wasser einzulagern und sind somit quellfähig. Smectite finden sich sowohl in den Böden der wechselfeuchten Tropen als auch als Umwandlungsprodukt von Glimmern in den Böden kühlerer Klimaräume. Unter humiden Bedingungen ist der Smectit relativ instabil und kann sich bei starker Auswaschung zu Kaolinit umbilden.

Vermiculit findet sich unter nahezu allen klimatischen Bedingungen, jedoch in den Böden gemäßigter und subtropischer Klimate häufiger als in den Böden in tropischen Bereichen. Er ist weniger stark aufweitbar und kann deshalb weniger Wasser einlagern.

Die Tonmineralausstattung eines Bodens hängt wesentlich vom Ausgangsmaterial und vom Klima ab.

Clorite