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Über dieses Buch:

Ein Cocktail aus geheimen Begierden, der jede Hemmung schwinden lässt: Die attraktive Architektin Sandra will eigentlich nur die Mittagspause mit ihrem Mann verbringen – und wird dabei äußerst angenehm überrascht … Eine als eiskalt verschriene Bankerin stellt ihren Kollegen versehentlich unter Beweis, dass sie in Wahrheit alles andere als frigide ist … Und die überhitzte Mrs. Pope erlebt währenddessen auf einem Konzert einen musikalischen Höhepunkt der etwas anderen Art: Denn wenn vollkommen Fremde auf engstem Raum aufeinandertreffen, verwandeln sich ungeahnte Phantasien in betörende Wirklichkeit …

Voll Sinnlichkeit erzählt Tobsha Learner in zwölf miteinander verflochtenen Geschichten von geheimen Wünschen, unerwarteten Sex-Abenteuern und erotischen Rachefeldzügen.

„Tobsha Learners Buch ist knisternde, prickelnde Erotik. Für Frauen wie Männer ein Vergnügen.“ Express

Über die Autorin:

Tobsha Learner wurde in England geboren. Heute pendelt sie zwischen Großbritannien, Australien und den USA. Sie ist als Bühnenschriftstellerin und Autorin zahlreicher Romane international erfolgreich. Ihre Bandbreite reicht von Erotischen Romanen über Historische Romane bis hin zu Thrillern.

Von Tobsha Learner erscheinen bei dotbooks ebenfalls:

Climax. Gefährlicher Höhepunkt. Thriller

Die Hexe von Köln. Historischer Roman

Weitere Titel der Autorin sind in Vorbereitung.

Die Website der Autorin: www.tobsha.com

Die Autorin im Internet: www.facebook.com/Tobsha-Learner

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eBook-Neuausgabe März 2018

Copyright © der englischen Originalausgabe 1996 Tobsha Learner

Copyright © der deutschen Ausgabe 1998 vgs verlagsgesellschaft, Köln

Copyright © der Neuausgabe 2018 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Nele Schütz Design unter Verwendung von shutterstock/Art of Life

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (aks)

ISBN 978-3-96148-315-0

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Tobsha Learner

Quiver

Erotische Begegnungen

Aus dem Englischen von Kerstin Winter

dotbooks.

Die Frau, die gefesselt und vergessen wurde

Sandra und Brian sind ein Ehepaar mittleren Alters. Sandra ist eine attraktive Blondine mit energischer Ausstrahlung. Sie arbeitet schon seit langem als Architektin, und wie viele Menschen, die früh ihren Traumjob gefunden haben, ist sie heute, dank gesicherter Auftragslage und kluger Immobilieninvestitionen, mehr als wohlhabend.

Brian verdient sein Geld mit Kieferorthopädie und hat seinen Platz zwischen Zahnfüllungen, Metalldrähten und Kunststoffkronen gefunden. Seine Kunden sind die reichen Matronen aus Double Bay, die in seinem Wartezimmer die Hände ihrer hasenzahnigen Sprößlinge halten und den Anblick von Brians Zahnarztkittel seltsam tröstlich finden.

Sandras und Brians Liebesspiel folgt einer gewissen Routine. Es beginnt mit einer Reihe von Signalen. Das erste kommt von Sandra, die sich nach einem ausgedehnten Hautpflegeprogramm ihr Flanellnachthemd anzieht. Das Nachthemd erinnert sie an vergangene Internatszeiten; es gibt ihr das Gefühl, ungezogen zu sein. Dann läßt sie sich auf dem Bett nieder und schaltet die Nachttischlampe aus. Brian, der seine Baumwollshorts trägt, folgt gehorsam ihrem Beispiel und macht dasselbe.

Das zweite Signal besteht darin, daß Sandra unvermittelt ihr Bein über Brians Körper legt, wobei sie wie beiläufig seine Penisspitze berührt. In der nachfolgenden Stille schwingt sich Sandra auf den willigen Brian und bewegt sich solange mit energischen rhythmischen Bewegungen hin und her, bis sie ihren Höhepunkt erreicht. Brians Orgasmus, der sich durch ein hohes Wimmern bemerkbar macht, folgt gewöhnlich eine Sekunde danach. Anschließend steht sie auf, um sich die Zähne zu putzen.

Sandra ist größer als Brian und gefällt sich in der dominanten Rolle. Brian gefällt sich darin, zu glauben, daß er gerne beherrscht wird. Darin besteht das Gleichgewicht ihrer Beziehung.

Sandra hat an einer Ausschreibung des Sydney City Councils für die Gestaltung eines Museums teilgenommen, in dem die Geschichte der australischen Feuerwehr seit der Kolonialzeit nachgezeichnet werden soll. Monatelang hat sie an ihrem Entwurf gearbeitet. Heute Abend wird der Stadtrat seine Entscheidung verkünden.

Sandra und Brian haben sich für die Oper angezogen: Brian trägt einen leichten Sommeranzug in unvorteilhaftem Beige, Sandra hat sich in rosafarbenen Organza gehüllt. Sandra sitzt wartend am Telefon. Die Hitze läßt ihre Haut glänzen. Ein Ventilator weht ihr das Haar aus dem Gesicht. Ihre Mappe liegt aufgeschlagen auf dem Schreibtisch. Ihr Museumsentwurf zeigt eine Komposition aus üppigen, geschwungenen roten Bögen und kargen Schornsteinen, die vor einem düsteren Himmel in die Höhe ragen. Die Zeichnung erinnert an Feuer – als kämpfe das Gebäude selbst mit den Elementen.

Das Telefon klingelt. Sie springt auf und reißt den Hörer hoch. Brian geht zur Hausbar, um seiner Frau einen Scotch zu holen, den sie – wie auch immer die Entscheidung ausgefallen ist – brauchen wird. Er beobachtet sie, während er einschenkt. Ihr Gesichtsausdruck ist unbewegt, maskenhaft, nur ein leichter Schweißfilm auf ihrer Haut verrät sie. Sie antwortet dem Mann am anderen Ende der Leitung mit kurzen, höflichen, bestätigenden Worten. Gerade diese kühle Selbstbeherrschung ist es, die Brian so unglaublich erotisch findet. Er sieht zu, wie die Eiswürfel in den Scotch plumpsen und darin herumschwimmen.

Er reicht ihr das Glas. Sie legt den Hörer langsam nieder und kippt den Drink in einem Zug hinunter. Anschließend schleudert sie das Glas gegen die weiße Wand, nur knapp an Brians Kopf vorbei.

»Ich hab' ihn! « In einer Wolke aus rosafarbenem Organza tanzt sie um den Ventilator herum. »Ich hab' ihn! « Brian erinnert sie behutsam daran, daß sie ursprünglich in die Oper gehen wollten.

Als sie dort eintreffen, hat die Vorstellung gerade begonnen. Es handelt sich um eine Aufführung von Humperdincks Hänsel und Gretel. Der Regisseur hat bedauerlicherweise einen schaurigen Alptraum großen Ausmaßes geschaffen. Von ihrem Platz aus betrachtet Sandra den Tenor, der auf einem gigantischen Stuhl sitzt; seine Füße baumeln zwanzig Zentimeter über dem Boden, seine blonden Locken und die pink angemalten Lippen wirken lächerlich. Die Hexe trällert schrill vor sich hin, während sie seine Fuß- und Handgelenke an die hölzernen Streben des Stuhles bindet. Als der letzte Knoten festgezurrt wird, spürt Sandra, wie sich eine merkwürdige Hitze in ihrem Unterleib ausbreitet. Sie schaut zu Brian hinüber, der sich mit gerötetem Gesicht vorbeugt, während seine Zunge in der Lücke zwischen seinen Schneidezähnen herumnestelt. Sie wendet sich wieder dem Geschehen auf der Bühne zu. Die Beine des Opernsängers sind gespreizt und mit pinkfarbenen Bändern an den Stuhl gefesselt. Vielleicht ist es die eben erhaltene Zusage, die Sandra so ungewöhnlich aufwühlt. Vielleicht ist es die Feuchtigkeit, die wie Dunst über dem Publikum hängt. Sandra empfindet die Szene auf der Bühne plötzlich als ungeheuer erregend.

In der Dunkelheit nimmt Brian ihre Hand und legt sie auf seine beginnende Erektion. Die Hexe wirft den Kopf zurück und fängt an zu singen, den angemalten Mund weit aufgerissen. Brian erreicht unter Sandras geschickten Fingern einen pulsierenden Höhepunkt.

Am nächsten Abend bringt er pinkfarbenes Band mit nach Hause.

Später liegt Sandra mit schmerzenden Hand- und Fußgelenken da und läßt die Wärme abklingen, die ein Orgasmus, dessen Heftigkeit für sie selbst überraschend war, in ihrem Körper erzeugt hat. Plötzlich erkennt sie, daß sie eine Grenze überschritten haben, daß etwas passiert ist, was das Gleichgewicht ihrer Beziehung durcheinandergebracht hat. Sie wirft Brian, der ihr den Rücken zugekehrt hat, einen Blick zu. Seine Haut glitzert schweißnaß.

Sandras Auftrag beginnt allmählich, ihrer beider Leben zu bestimmen. Wie besessen arbeitet sie. Je mehr Einzelheiten ihres Entwurfs auf dem Papier entstehen, desto intensiver spürt sie jede Faser ihres Körpers, ihre Muskeln, spürt, wie ihre Säfte vor Erwartung zäher fließen. Der schwere Stift, mit dem sie die Umrisse des Gebäudes nachzeichnet, erinnert plötzlich an einen Penis, ein gezirkelter Kreis läßt sie an ihre Brüste denken. Jede ihrer Körperöffnungen sehnt sich danach, gefüllt zu werden. Sie möchte die Kontrolle verlieren. Verantwortung abgeben.

Jeden Abend, nach stundenlangem Entwerfen und ermüdenden Diskussionen, gibt sie sich Brians Fesselkünsten hin. Er hat die Kontrolle über ihren Körper – dehnt sie, öffnet sie –, bringt sie zum Schreien, während die Nachtluft durch die offene Balkontür dringt und gedämpfte Rufe und die Sirenen der Feuerwehrwagen zu ihnen hereinträgt.

Sandra besucht Brian während seiner Mittagspause. Atemlos taucht sie bei ihm in der Praxis auf. Brian, der das Klackern ihrer Stilettos auf den Betonstufen der Feuertreppe erkennt, schickt seine Assistentin fort. Immer noch in seinem Zahnarztkittel führt er Sandra zum Behandlungsstuhl. Er fesselt ihre Hände und Füße an den metallenen Rahmen und drückt ihr vorsichtig einen Knebel in den Mund. Er nimmt das Skalpell und durchtrennt den Zwickel ihrer Nylonstrumpfhose. Kniend läßt er den Stuhl hochfahren, bis ihr Schritt beinahe auf seiner Augenhöhe ist, dann zerschneidet er vorsichtig ihre weiße Unterwäsche. Mit zitternden Fingern schiebt er den Stoff zur Seite, um ihr Gold, wie er die dichte Matte aus blondem Schamhaar und ihre Möse nennt, freizulegen. Zu den Klängen Strawinskys spreizt er ihre Schamlippen und beginnt sehr langsam mit einer winzigen Schere die Locken um ihre Öffnung wegzuschneiden, bis die rosafarbenen Lippen unter der Hitze der Dentistenlampe leuchten. Brian hält inne. Sandra ist verändert. Sie bebt leicht unter seinen Fingern. Ihre Augen sind weit aufgerissen. Das einzig sichtbare Fleisch ist ihre Vulva. Brian streicht leicht über ihre Klitoris. Sie schwillt dunkelrot an. Sandra genießt ihre Hilflosigkeit. Brian, der diese stumme, gefügige Sandra nicht gewohnt ist, steckt eine kleine Bürste auf den Bohrer. Er bückt sich, hält mit einer Hand die Schamlippen auseinander und liebkost die Spitze ihrer Klitoris mit der surrenden Bürste, bis Sandra, noch immer gefesselt und geknebelt, sich windet, um Gnade wimmert und schließlich kommt.

Brians Sperma trocknet an der Innenseite seines Oberschenkels. Sandra nimmt eine neue Strumpfhose aus ihrer Handtasche und zieht sie vorsichtig über ihre vollen, festen Beine. Sie benutzt die spiegelnde Oberfläche der Overhead-Lampe, um ihre Lippen nachzuziehen und ihre Frisur zu richten, die unversehrt ist, bis auf ein paar Locken, die schweißnaß an ihrer Stirn kleben. Sie streicht sich das konservative graue Kostüm glatt, klemmt die Mappe unter den Arm und macht sich auf den Weg zu ihrer Besprechung mit dem Sydney City Council.

Brian steht am Fenster und schaut ihr hinterher. Er spürt, wie er erneut Lust bekommt. Wer würde schon auf die Idee kommen, daß diese Frau, diese dynamische, extrem beherrschte Frau, ihm gehört? Diese Frau, die noch vor einer Minute vollkommen in seiner Gewalt war?

Die Zeit wird knapp. Sandra kommt meistens erst nach elf Uhr nach Hause. Sie streift ihre Kleider ab und bricht, noch in Unterwäsche, erschöpft auf der Bettdecke zusammen. Brian liegt mit offenen Augen neben ihr und spürt ihren Atem. Er möchte sie anfassen, doch das ist nun verboten. Ein Teil von ihm beginnt, sie dafür zu hassen, daß sie ihn ausschließt.

Je näher der Termin zur Fertigstellung des Gebäudes rückt, desto geistesabwesender und besessener wird Sandra. Konversation findet so gut wie nicht mehr statt. Sandra kann nur noch über Arbeit, Betongießen und Fundamente reden. Brian hat das Gefühl, als wäre er unsichtbar geworden, zu vollkommener Bedeutungslosigkeit verblaßt.

Bald reduziert sich der einzig echte Kontakt zwischen ihnen auf ihre Besuche in seiner Mittagspause, dann ist sie Sklavin und er Meister.

Ihre Begierde verzehrt sie. Ihre Orgasmen sind der Antrieb für ihre Arbeit. Ihre Arbeit weckt neues Verlangen in ihr. Um Zeit zu sparen, verzichtet sie nun auf Unterwäsche und trägt Strapse. Außerdem hat sie sich die Schamhaare abrasiert. Alles ist nun intensiver, direkter, körperbetonter. Wenn sie auf ihren hohen Pumps und in dem langen Rock durch die Ratskammern geht, spürt sie, wie sich ihre Schenkel an ihrem Geschlecht reiben. Bei den Meetings genießt sie – als einzige Frau in einem Team aus Männern – ihre heimliche Nacktheit. Alles ist darauf abgestimmt, aus jeder Situation das Maximum herauszuholen. Das hektische Leben, das sie nun führt, hat einen Rhythmus bekommen. Dies ist ihr neues Gleichgewicht.

Ein Mann hockt auf einem Gerüst, direkt unterhalb einer Neonreklame, die verkündet: »Beryls Biskuits sind die besten.« Er beobachtet eine Frau um die vierzig, wunderschön. Sie geht zu einem Zahnarzt im Gebäude gegenüber. Irgendetwas in ihrer Haltung – allein ihr Gang! – strahlt Sex aus. Einen Moment lang stellt er sich vor, er könne ihren Geruch wahrnehmen, den satten, pikanten Duft ihres Geschlechts riechen. Er betätigt die Automatik und läßt die Plattform so weit herab, bis er sich dem Fenster des Zahnarztes direkt gegenüber befindet. Verborgen hinter einer windschiefen Schutzwand des Gerüsts, beobachtet er die Frau in aller Ruhe. Er sieht, wie sie bis zur Mitte des Raumes geht und dort den Saum ihres Rocks hochhebt. Der Zahnarzt tritt zu ihr und schiebt ihr grob die Hand zwischen die Beine. Der Mann hat das Gefühl, den feuchten Abdruck ihres Geschlechts auf seinem eigenen Handgelenk spüren zu können, als der Zahnarzt die Frau in Richtung Behandlungsstuhl drängt.

Sie läßt sich langsam in den Stuhl sinken; träge, wie in Zeitlupe. Der Zahnarzt – er trägt Gummihandschuhe – schiebt ihre Schenkel auseinander und bindet ihre Fußgelenke an den Stuhl. Sie wehrt sich nicht, schaut nur mit weit aufgerissenen Augen zu. Der Beobachter glaubt erkennen zu können, wie sich ihre Brüste vor Erregung heben und senken. Er tritt näher an die Streben des Gerüsts und preßt sich dagegen. In der engen weißen Baumwollbluse der Frau stecken große Brüste. Ihr Äußeres strahlt solide Bürgerlichkeit aus, und gerade das gefällt dem Mann ausgesprochen gut. Er stellt sich vor, daß sich unter der Bluse große dunkle Brustwarzen verbergen, die zwischen seinen Zähnen hart werden.

Der Zahnarzt nimmt die Arme der Frau und bindet sie an das Kopfteil des Stuhls. Der Beobachter würde jetzt ihre Bluse aufknöpfen und die vollen Brüste entblößen. Genau das würde er tun! Er würde sie nachdenklich in seinen Händen wiegen und dann mit seinen Daumen langsam über die sich verhärtenden Spitzen streichen, bis sie sich steif aufrichten. Dann würde er sie fest zusammendrücken und erst an der einen und dann an der anderen saugen, bis er das Stöhnen der Frau hören könnte. Das würde er tun, wenn er jetzt dort in diesem Zimmer wäre. Der Zahnarzt hingegen scheint nur daran interessiert, das andere zu berühren. Das Beste. Das Stück, das er sich bis zuletzt aufsparen würde. Der Beobachter läßt die schwielige Hand sinken und greift sich in die Hose, während er sich vorstellt, wie die Frau mit Lippen und Zunge am Schaft seines Penis auf- und abfährt, mit kleinen, kreisenden Bewegungen die Spitze liebkost und ihn dann ganz in den Mund nimmt. Er spart sich das Beste immer am liebsten bis zuletzt auf.

Nun vergräbt der Zahnarzt seinen Kopf zwischen den Schenkeln der Frau. Der Beobachter betrachtet ihr Gesicht. Die Wangen sind gerötet. Ihre Arme bewegen sich, zerren an den Stricken, die sie an den Stuhl fesseln. Der Beobachter schließt die Augen und erschauert unter seinem Orgasmus. Tag für Tag nimmt er von nun an sein Mittagessen auf dem Gerüst ein, gegenüber dem Fenster der Praxis.

Es ist Mitte Dezember, und Sandra arbeitet unter immensem Druck. Es kommt ihr so vor, als drehe sich ihr ganzes Leben um einen einzigen winzigen Punkt, um ihren Auftrag. Alles andere verblaßt und erlangt nur noch Bedeutung, wenn es in irgendeinem Bezug zur Ausführung ihrer architektonischen Pläne steht.

Je besessener sie wird, desto heftiger gärt Brians Zorn. Er haßt diesen Auftrag. Er haßt die Art und Weise, wie seine Frau vor Schönheit glüht, wenn sie wie beiläufig vier Telefonate erledigt, während zwei Bauarbeiter und ein Landschaftsgärtner auf Anweisungen warten. Er haßt die Art und Weise, wie sie inzwischen durch Menschen hindurchsieht, außer sie verwenden Wörter wie Fassadenverkleidung, Kachelung oder Lichtschächte. Er versucht, seine Wut zu unterdrücken, doch wie ein Geschwür beginnt sie zu eitern. Er beschließt, seine Frau zur Rede zu stellen. Er wird sie zwingen, sich einen Tag freizunehmen. Doch als er ihr Büro anruft, ist die Leitung besetzt, als er ihre Handynummer wählt, landet er in der Mailbox.

Er ertappt sich dabei, wie er ungeduldig auf die Mittagspause wartet. Er stellt fest, daß es ihn mehr erregt, sie festzubinden, als sie zu vögeln. Das Gleichgewicht verlagert sich.

Der Sommer geht zu Ende, und die Arbeit des Mannes auf dem Gerüst ist fast erledigt. Unten auf der Straße sieht er einen blauen BMW auf eine Rampe fahren und dann auf einem Parkplatz verschwinden. Er lächelt vor sich hin und beginnt den Countdown.

Zwanzig. Er weiß, daß sie im gegenüberliegenden Gebäude eintreffen und im Zahnarztstuhl Platz nehmen wird, noch bevor er von zwanzig rückwärts gezählt hat.

Fünfzehn. Er sieht, wie sie mit raschen Schritten über die Straße läuft, ihr blondes Haar leuchtet in der Sonne. Die Tatsache, daß er genau weiß, wo sie hingeht und was sie dort macht, erregt ihn. Er hockt sich auf den eisernen Gitterboden des Gerüsts und blickt in das Behandlungszimmer. Der Raum ist leer, die Lampe beleuchtet den freien Zahnarztstuhl. Das Grün des Leders, trostlos und kalt, glänzt. Er haßt Zahnärzte.

Fünf. Sie steht an der Tür und zieht ihren Mantel aus. Sie hängt ihn sorgfältig an den Haken auf der Rückseite der Tür. Der Zahnarzt kommt herein. Ohne Umschweife tritt er auf die Frau zu und stößt sie auf den Behandlungsstuhl. Sie fällt bäuchlings über den Sitz. Er schiebt sein Knie zwischen ihre Beine. Während er sie so auf dem Stuhl festhält, packt er ihre Handgelenke und bindet sie mit einem Handtuch zusammen.

Drei. Der Zahnarzt hebt eines ihrer Beine an, schiebt es über die Armlehne und fesselt ihren Knöchel an den äußeren Rahmen. Dann schiebt er den rechten Schenkel über die andere Lehne und bindet das Fußgelenk fest. Sandra hängt nun mit gespreizten Beinen über dem Sitz, ihr Gesäß ragt hoch in die Luft. Brian schiebt ihr Kleid hoch.

Zwei. Darunter trägt sie nichts außer Strümpfen.

Eins. Er findet, daß sie in dieser Position ausgesprochen schön aussieht. Ausgeliefert. Er sieht, wie sie ihre schlanken Hände fast wie im Gebet zusammenpreßt. Ihre Wange liegt auf dem grünen Leder. Der Mann, der auf dem Gerüst hockt, weiß, daß andere Frauen, derart festgebunden, ihre Würde verlieren würden. Sie jedoch nicht. Er liebt sie dafür. Für ihre Gelassenheit, die bestehen bleibt, auch wenn sie gefesselt ist.

Brian tritt einen Schritt von dem Behandlungsstuhl zurück. Sein Herz hämmert unangenehm heftig in seiner Kehle. Der Hintern seiner Frau liegt offen dargeboten vor seinen Augen, ein Hauch feiner blonder Härchen umrahmt Anus und Möse. Wunderschön. Er hört Sandra atmen. Ihre Augen sind geschlossen. Er kniet sich hin und legt seinen Finger einen Millimeter über ihre Klitoris. Er sieht zu, wie sie anschwillt. Er will, daß sie das Wort sagt, will sie betteln hören. Er zieht ihre Lippen noch weiter auseinander und bläst fest über die Spitze ihrer Klitoris. Er kann sehen, wie sich die Nässe in den dunklen Falten sammelt. Aber sie sagt nichts. Ihr Schweigen weckt in ihm den Wunsch, ihr einen festen Schlag auf den Hintern zu verpassen. Doch er fürchtet, daß es ihr gefallen wird, daß es sie zum Höhepunkt bringt. Er würde gerne seinen Schwanz aus der Hose holen und ihn spielerisch gegen ihr Arschloch drücken. Dann tief in sie hineinstoßen und spüren, wie sie sich unter dem plötzlichen Schmerz krümmt. Er tut es nicht. Statt dessen formt er in der Luft über ihrem Körper ihre Umrisse mit den Handflächen nach, ohne sie auch nur einmal zu berühren. Sie stöhnt mittlerweile. Er tritt zurück und geht um den Stuhl herum. Sie blickt zu ihm auf. Ihre Augen sind wie die eines Tieres. Er steckt ihr einen Finger in den Mund und drückt gegen ihren weichen, nassen Gaumen. Sie beginnt, gierig an seinem Finger zu saugen.

»Du willst mich, nicht wahr? Du brauchst mich, nicht wahr?« Sie sagt nichts. Er zieht seinen Finger aus ihrem Mund und tritt fest gegen den Stuhl, der sich zu drehen beginnt. Ihr Körper rotiert wie auf einem Karussell. Sie schreit nicht, sondern akzeptiert das plötzliche Chaos, als sei es ihre Buße. Der Stuhl dreht sich nicht mehr. Brian vergräbt sein Gesicht in ihrer Möse. Er saugt und leckt, bis sie kurz davor steht zu platzen.

Plötzlich richtet er sich auf. Er zieht seinen weißen Kittel aus, hängt ihn über ihren Ledermantel und verläßt das Zimmer. Die Tür fällt krachend ins Schloß.

Der Mann auf dem Gerüst beobachtet, wie der Zahnarzt das Zimmer verläßt. Die Frau ist immer noch an den Stuhl gefesselt. Er schaut hinunter. Der Zahnarzt überquert die Straße und verschwindet dann auf dem Parkplatz. Das Herz des Beobachters beginnt, heftig zu pochen. Er blickt wieder hinüber in das Behandlungszimmer. Die Verletzbarkeit der Frau zieht in seinen Lenden, sein Schwanz drängt sich hart an den Stoff seiner Shorts.

Sandra liegt regungslos da. Sie spürt die Hitze der Lampe auf ihrem Rücken. Angestrengt lauscht sie auf die Schritte ihres Mannes. Sie hofft, daß er sich im Nebenraum befindet, obwohl sie gehört hat, wie er den Korridor entlanggegangen und im Aufzug verschwunden ist. Die Hoffnung, er sei nebenan, ist unsinnig, aber sie klammert sich daran, um nicht laut zu schreien. Sie zerrt an den Stricken, doch er hat sehr feste Knoten gemacht. Es ist unmöglich zu entkommen. Sie liegt da, offen für die Welt. In diesem Moment hört sie das Klicken der Tür.

»Brian? « Sandra, das Gesicht noch immer gegen das Leder des Stuhls gepreßt, kann ihn nicht sehen. Die Schritte sind schwer. Er tritt hinter sie. Seine Hände berühren sie. Sie streichen über ihren Hintern, hin zu ihrer Möse. Er öffnet ihre Lippen, sein Daumen legt sich auf ihre Klitoris. Fremde Hände, schwerer als Brians, die Haut rau wie die Zunge einer Katze. Er reibt sie sanft. Die Fremdheit des Mannes erregt sie. Sein Geruch ist anders, er riecht nach einem dunklen Typ, als hätte er einen starken Haarwuchs. Wie Erde, durchzogen mit einem Hauch Maschinenöl. Sein Schwanz drückt gegen ihren Oberschenkel. Er dringt langsam in sie ein. Er ist kräftiger gebaut als Brian, und sie dehnt sich für seine Größe. Sie keucht auf, als er sein Tempo beschleunigt. Seine starken Hände schieben sich unter ihren Rock, befreien ihre Brüste, zupfen an den Warzen. Er streckt sich und löst den Knoten um ihre Handgelenke. Dann richtet er sie auf, zieht sie auf seinen Schoß, umfaßt ihre Brüste, während sie sich gierig an ihm reibt, und beißt ihr in den Nacken. Sie spürt den Mund, den sie noch immer nicht gesehen hat – voll, kräftig, die Unterlippe vorgeschoben. Als sie sich windet, um ihn anzusehen, hält er sie fest.

Der Zahnarztstuhl kippt zurück. Er drückt sie nach unten, so daß sich ihr Gesicht in der Nähe seiner Knie befindet. Dann platziert er ihre Beine so, daß sie sich von seinen Hüften bis zu den Schultern strecken. Sein Schwanz ist noch in ihr, drückt hart gegen ihr Geschlecht. Sie bewegen sich langsam. Aus seiner Position kann er genau sehen, wie er in sie eindringt. Er zieht ihre Hinterbacken auseinander und steckt ihr behutsam zwei Finger in den Anus. Sie stöhnt und krallt sich in seine Beine, während sie sich dem Höhepunkt nähert. Plötzlich greift sie nach hinten und zerrt an seinen Kleidern, ihre Finger ertasten ein eingesticktes Firmenzeichen: McGillis. Dann stößt er tief in sie hinein. Sie kann sich nicht länger zurückhalten und kommt. Sie schreit auf, als sie spürt, wie er sich in sie ergießt.

Mit dem Kopf stößt sie an den Schalter des Röntgenapparats. Er stellt sich automatisch ein, nimmt bereits das nächste Bild auf.

Am nächsten Tag steuert Sandra ihren blauen BMW über einen Highway in den westlichen Außenbezirken. Es ist ein feuchter Tag, der Verkehr ist dicht. Ihre Mappe liegt auf dem Sitz neben ihr. Als sie an einer roten Ampel warten muß, wirft sie einen Blick darauf. Die Zeichnungen sind beeindruckend; in blauer und pinkfarbener Tinte ist ein dreidimensionales Abbild des Museums, ein Gewirr aus Gittermustern und detaillierten Linien zu sehen. Sie fährt in die Garage des Lagerhauses. Ein Schild hängt über dem Tor: McGillis Building Corporation, gegründet 1972. Sie ist am Ziel.

Brian beugt sich über Elsa, eine attraktive Patientin Anfang Dreißig. Während Brian ihre Zähne abklopft, zuckt sie immer wieder vor Schmerz zusammen. Seine Assistentin betritt den Raum und tippt ihm leicht auf die Schulter. Sie hat, ganz wie gewünscht, die Röntgenbilder von Elsas Kiefer entwickelt, doch da ist noch etwas anderes. Brian entschuldigt sich und läßt Elsa mit weit geöffnetem Mund einfach sitzen. Er folgt seiner Assistentin in den Nebenraum. Schweigend klemmt sie die Röntgenbilder vor die Lampe. Zwei Becken, ein männliches und ein weibliches, sind zu erkennen. Die letzten Wirbel der beiden Rückgrate und die Schambeine drücken sich fest aneinander.

»Ein Fick«, murmelt er kaum hörbar.

»Bitte?« fragt die Sprechstundenhilfe, die ihren Ohren nicht traut.

»Ein Fick. Das ist die Röntgenaufnahme von zweien, die vögeln«, sagt Brian nun sehr deutlich, während er instinktiv seinen Ehering am Finger zu drehen beginnt.

Sandra breitet die Zeichnungen auf dem Schreibtisch des Ingenieurs aus. Er ist Abteilungsleiter der Baufirma. Über hundert Leute arbeiten für ihn. Als sie sich vorbeugt, betrachtet er bewundernd die Weichheit ihrer Haare und den Einblick, den ihr tiefer Ausschnitt ihm gestattet.

»Ich werde Robert rufen, er kümmert sich um solche Dinge.« Er spricht in sein Intercom. Sie blickt sich im Büro um. An der Wand ein Kalender mit dem Pornostar Candy Perkins, die für Beton wirbt; ein Foto von Frau und Tochter auf dem Schreibtisch. Durch die Glastür sieht Sandra, wie einige Arbeiter riesige Holzwände durch das Lagerhaus tragen.

»Robert ist der Beste im Geschäft, bei ihm sind Sie in guten Händen.«

Bevor sie ihn sieht, nimmt sie seinen Duft wahr, eine würzige Mischung aus Schweiß, Haar und einem Hauch von Aftershave. Derselbe Duft. Ihr Herz rast, sie spürt, wie sie auf den Geruch reagiert.

Sie blickt auf. Sein Gesicht verrät nichts, als er ihr die Hand entgegenstreckt. Er drückt die ihre leicht zur Begrüßung. Er ist jünger, als sie dachte. Seine Augen haben ein intensives Blau. Das Haar auf seiner Brust lockt sich über dem weißen Trägerhemd, das er unter dem Overall trägt. Er ertappt sie dabei, wie sie seinen Körper anstarrt.

Während sie ihm ihre Zeichnungen erläutert, hört er schweigend zu. Seine Hände, große Arbeiterhände, scheinen zärtlich über die Umrisse des Museums zu streicheln, tasten sich über dieses zu Papier gebrachte Aufeinanderprallen von weiblich und männlich, von Vertikalem und Geschwungenem.

Draußen bietet er ihr an, sie zur Baustelle zu fahren.

»Nur, wenn ich bestimme, wo's langgeht«, sagt sie und lächelt leicht.

Mann der Seufzer

Ich habe nie viel von Rache gehalten. Die Moralistin in mir hat Rache stets für zu berechnend und entwürdigend gehalten. Bis ich mich in Humphrey verliebte. Damals verwandelte ich mich über Nacht zugleich in Medea, Jezebel und die Böse Hexe.

Ich hatte sechs Monate enthaltsam gelebt – eine Reaktion auf eine gescheiterte Affäre, eine dieser schmutzigen kleinen Dreiecksgeschichten, die durch Unerreichbarkeit den richtigen Kick bekommen. Logischerweise ließ meine Anziehungskraft nach, als die Freundin schwanger wurde. Plötzlich wieder bindungslos, fühlte ich mich alleingelassen und verletzt. So hielt ich mich zurück und beschränkte mich auf lockere Freundschaften zu zwei Männern, die ich beim Kaffee kennengelernt hatte. Ich spielte mit dem Gedanken, mit ihnen zu schlafen, kam dann aber zu dem Schluß, daß man die emotionalen Folgen sexueller Aktivität nicht unterschätzen darf. Wie recht ich damit hatte!

Einer der Männer war Journalist – ein lakonischer, zurückhaltender Typ mit beißendem Humor. Mit ihm Kaffee trinken zu gehen, war wie der Besuch bei einem Therapeuten und erforderte eine gewisse Geringschätzung der eigenen Person; unsere gemeinsame Basis bestand unter anderem in unser beider Verzweiflung über das Leben und die Leute in Sydney. Seine misanthropische Geisteshaltung wirkte auf mich sexuell wenig anregend.

Der andere war Humphrey. Kaffee trinken mit ihm lief gewöhnlich in absolutem Schweigen ab. Ich, trotzig aufgemacht und den Single herauskehrend, wartete stets in einer Bar am Taylor Square auf ihn, während Kellner – schön und homosexuell – um mich herumschwirrten wie Schmetterlinge, die ganz auf ihre eigene Welt konzentriert sind.

Dann erschien Humphrey, der irgendeine selbstgemachte Neuheit wie Sandalen aus Reifengummi trug, mit Farbflecken im Gesicht, Sägemehl in den Haaren, die großen, rauen Hände mit Öl beschmiert. Er stellte sich schweigend an die Bar und beobachtete mich, die ich herumsaß und auf ihn wartete. Sein Geruch verriet ihn jedes Mal. Das beißende, leicht ölige Aroma zog zu mir herüber, und ich wirbelte herum, um in sein bereits alterndes, pockennarbiges, doch immer noch attraktives Gesicht mit dem sardonischen Grinsen zu sehen. Humphrey war ein Original.

Sein Ruf als notorischer Womanizer machte mich neugierig. Ich fand ihn nicht eigentlich attraktiv, aber der Gedanke daran, daß dieser in vielerlei Hinsicht scheue Mann so viele Frauen in seinen Bann zog, war faszinierend. Auf ähnliche Art fand ich auch viele Insekten faszinierend. Es kursierte sogar ein Gerücht, das besagte, ihn umgebe der Laut aller Orgasmen, die er je einer Frau verschafft habe, wie ein schwacher Nachhall – ganz so, wie man in einer Muschel Meeresrauschen hören kann. Im Übrigen fand er mich attraktiv. Das gefiel mir, es reparierte mein angeschlagenes Selbstbewußtsein.

Humphrey war ein Künstler. In erster Linie ein Bildhauer. Man kann Bildhauer in zwei Kategorien einteilen: Die einen subtrahieren, um eine Gestalt zu erhalten, die anderen formen, um die Gestalt zu erschaffen. Humphrey war ein Subtraktor, als kenne er instinktiv die Gestalt, die im Stein, im Tonklumpen gefangen, die unter knorrigem Holz versteckt war. Ich hatte ihn einmal in seinem Atelier besucht und zugesehen, wie er eine Form befreite; dünn und sexy, als eine Frau, die ihr Haar im Sonnenlicht ausschüttelt, tauchte sie aus dem rosafarbenen Marmor auf. Ich sah zu, wie er an dem Stück arbeitete, wie er den Marmor polierte, als sei er Haut, wie er die Formen herausarbeitete, als würde er an seinem eigenen Fleisch modellieren. Seine großen, schweren Hände verrieten einen Instinkt, der Intellekt vollkommen ausließ. Ich denke, dies – diese Kommunikation über das Fleisch – war einer der Faktoren, die mich schließlich zu ihm hinzogen.

Humphrey war kein großer Redner. Wenn er etwas sagte, dann handelte es sich entweder um kurze, kryptische Bemerkungen oder – ganz selten – um längere Monologe über Beobachtungen, die in gewisser Weise geistreich waren. In jüngeren Jahren hatte er schlimm gestottert, war mit dreißig praktisch nicht mehr zu verstehen gewesen. Eigenartigerweise fand ich das unwiderstehlich.

Es war am Ende des Sommers in einer jener heißen Nächte, in denen ganz Darlinghurst auf der Suche nach einer Party ist. Die Feuchtigkeit dringt unter die Haut und erzeugt Reibung, die erregt, und bevor man sich versieht, sind die Straßen voll mit Leuten, die irgendeine Art von Kontakt suchen – eine beiläufige Berührung, einen Kuß, irgendetwas. Ich war in Jagdstimmung, aufgemacht, um mir irgendeinen Kerl aufzureißen, gekleidet in ein hautenges blaues Teil, das sich über meine Brüste spannte und meine Schultern freiließ. Ich fühlte mich geil. Nun, seien wir ehrlich, ich war geil, und mein Schwur, enthaltsam zu bleiben, schwand jedes Mal, wenn ich die Strapse an meinen Schenkeln spürte, ein bißchen mehr.

Die Party fand in einer umgebauten Garage statt, verborgen hinter hohen Bürogebäuden und trostlosen Häuserreihen, die von den Stadtplanern offensichtlich vergessen worden waren. Das Untergeschoß war in eine Art Disco verwandelt worden – mit farbigen Lichtern, Stroboskop und einer Musikanlage, die die Wände erzittern ließ. Etwa dreihundert Leute quetschten sich in dieses winzige Gebäude, in dem es drückend heiß war. Ich bahnte mir meinen Weg durch die übliche Ansammlung von Gestalten – Studenten, Journalisten, Models, arbeitslose Schauspieler, Junkies und »Möchtegern«-Regisseure – bis hin zur Tanzfläche.

Von den Wänden perlte die Hitze ab, während die Leute sich umeinander bewegten wie Fische in einem Aquarium. Links neben mir tanzte ein lesbisches Paar. Eine der Frauen – roter Bürstenschnitt, Wikingerhelm und Kettenhemd – ließ sich am verschwitzt glänzenden Körper ihrer Partnerin abwärts gleiten. Hinter mir wiegte ein junger Typ in Schlaghosen seine vierzehnjährige Freundin in den Armen. Daneben tanzte ein Mann um die Fünfzig, versunken in seiner ganz eigenen Welt. Im ganzen Raum herrschte eine Atmosphäre von kindlichem Übermut.

Ich spürte die Blicke der Männer. Die Begierde in ihren Gesichtern ließ mich feucht werden. Ohne mich um sie zu kümmern, tanzte ich weiterhin allein. Die Musik strömte durch mein Blut und in meinen Unterleib. Es war, als tanze ich in zähem Honig.

Da war wieder dieser Geruch. Schwach, aber unverkennbar, zog er an meiner Nase vorbei. Ich schlug die Augen auf und sah Humphrey vor mir. Er, der gewöhnlich etwas unbeholfen wirkte, besaß plötzlich wahre Anmut. Er tanzte, als würde er Liebe machen – jede Bewegung instinktiv und selbstsicher. Stundenlang tanzte er mich an, liebkoste die Luft zwischen uns.

Draußen färbte die Dämmerung den Himmel in ein blasses Grau. Humphrey, der nicht wagte, irgendetwas vorauszusetzen, bot an, mich nach Hause zu bringen. Wie wir alle wissen, beginnen bedeutende Ereignisse immer auf überaus banale Art und Weise, das Schicksal läßt uns nicht wirklich eine Wahl. Es ist ein Streich, den Gott uns spielt. Und an jenem Morgen begann es mit meiner zum Platzen vollen Blase. Als ich, randvoll mit Bier, auf meinen hohen Absätzen eine Weile über die Straße gestöckelt war, begriff ich, daß ich in Humphreys Wohnung einen Zwischenstopp einlegen mußte.

Seine Wohnung befand sich in einem alten, trostlosen viktorianischen Ziegelbau. Ich hatte bisher immer vermieden, ihn dort zu besuchen, weil ich die Befürchtung hatte, daß die Nähe zu meiner Unterkunft etwas Unausweichliches an sich haben könnte. Eine Art sexuelles Verhängnis sozusagen.

Das Zimmer war dunkel, ein paar kaputte Möbelstücke standen darin. Das Modell eines Herzens, eine dieser dreidimensionalen Plastikrepliken des Organs, lehnte auf einem Bilderrahmen. Ich weiß noch, daß ich es herunternahm und öffnete. Er erzählte mir, daß es sich um ein Geschenk seiner letzten Geliebten handelte, die die Woche zuvor nach England geflüchtet war. Er schien das Plastikorgan als passende Metapher für ihre Beziehung zu sehen. Ich machte mir nicht die Mühe nachzuhaken, aber heute wünschte ich, ich hätte es doch getan. In der Mitte des Zimmers stand das wunderschöne Holzmodell einer Segeljacht. Es war bestimmt anderthalb Meter hoch, besaß eine detailgetreue Miniaturtakelage, und um das Deck lief eine Messingreling. Das Boot war offenbar der einzige Gegenstand im Raum, der wirklich geschätzt wurde. Humphrey beobachtete mich, wie ich, magisch angezogen, darauf zusteuerte. Als ich mich über das polierte Heck beugte, spürte ich seine Begierde quer durch den Raum. Mir gefiel das, dieses Ausreizen des Augenblicks, bevor wir uns das erste Mal berührten.

Lautlos trat er hinter mich. Ich stand da wie gebannt, fühlte mich wie ein im Aufblendlicht gefangenes Reh. Er hob mein langes Haar an und biß mir in den Nacken. Ich spürte seine Zähne, als er den Geruch meines Haars, meines Körpers einatmete. Wir standen dort eine Ewigkeit, unentschlossen auf dem gefährlich schmalen Grat zwischen Freundschaft und Lust. Ich spürte seinen harten Schwanz an meinem Lendenwirbel. Mein Kopf fiel zurück auf seine Schulter und blieb an seinem Hals liegen. Und ich schwöre, in dem Schweigen, das folgte, hörte ich ein schwaches Keuchen, eine Frau, die vor Wonne nach Luft schnappt. Mann der Seufzer, dachte ich. Er ist ein Mann der Seufzer.

Es gibt zwei Typen von Männern: Die, die Mösen scheuen, und die, die es nicht tun. Letztere sind Kenner, die genau wissen, wo eine Frau liebkost werden möchte. Und Humphrey war der ultimative Kenner, ein Sexkünstler, einer jener seltenen Exemplare, die sich vollkommen konzentrieren, wenn sie eine Frau lieben. Als er seinen nackten Körper um mich schlang, wußte er intuitiv, was ich wollte. Es war, als wäre er in der Lage, meine geheimen sexuellen Phantasien zu lesen.

Er hockte sich über mich, schob seinen Schwanz zwischen meine Beine und bewegte sich langsam in mir. Er warf den Kopf zurück, und ich war mir auf einmal definitiv sicher, daß er in direkter Verbindung mit dem großen Gott Pan stand. Seinem Liebesspiel fehlte es vollkommen an Verstandeselementen, als würde er eine höhere ekstatische Macht anzapfen. Ich war trunken von seiner Zunge, seinem Schwanz, seinen Lippen, dem Haar in seinem Nacken, seinen Händen, der Gefahr, die in allem lag. Was sollte ich schon tun? Wie die Frauen vor mir verliebte ich mich Hals über Kopf. Liebe ist wie ein Schwindelgefühl. Ich muß es wissen, denn ich habe immer unter Höhenangst gelitten – als Kind konnte ich nicht einmal Brücken überqueren. Sich in einen Freund zu verlieben ist eine Katastrophe; es ist, als würde man im vollen Bewußtsein, sich zu verbrennen, unter eine heiße Dusche treten.

Keinesfalls konnte ich mich damit herausreden, daß ich es ja nicht ahnen konnte; Ich hatte genug Geschichten über seine vorherigen Eroberungen gehört, war mehrfach gewarnt worden, daß er dazu neige, sich in Luft aufzulösen, falls es ernster wurde. War nicht schließlich ich es gewesen, der er sich bei all den vielen Kaffees anvertraut hatte?

Unsere Affäre dauerte drei Monate. In dieser Zeit arbeitete ich für das Umweltministerium als Beraterin im Bereich Bodenversalzung. Nach langen Tagen, in denen ich durch die kargen Gebiete von New South Wales reiste, weiße Salzkrusten fotografierte und in den Gemeindesälen vor mißtrauisch dreinblickenden, bierseligen Männern, die zwanzig Jahre älter waren als ich, Vorträge über die Gefahren von einseitigem Ackerbau, chemischen Insektiziden und Blaualgen hielt, stolperte ich regelmäßig, noch in mein Nadelstreifenkostüm gekleidet, durch die Oxford Street auf Humphreys Wohnung zu.

Humphrey öffnete mir die Tür stets, ohne mein plötzliches Eintreffen zu hinterfragen. Er nahm mir die Tasche ab, nötigte mich, mich vor den Fernseher zu setzen, und servierte mir einen Teller Spaghetti oder Paella, die einzigen beiden Gerichte, die er zubereiten konnte. Anschließend saß ich vor dem Fernseher, kauend, verlor mich in irgendeine osteuropäische Katastrophe oder einen spektakulären Verkehrsunfall in Newcastle und war mir doch seiner Gegenwart überaus deutlich bewußt. Sogar der Abstand zwischen uns war erotisch. Einmal hob ich nach dem Essen meine Hand zu meinem Haar im Nacken und stellte fest, daß er seinen erigierten Penis in die Strähnen geschoben hatte. Humphrey liebte mein Haar. Er nannte es Haar der Eva, genoß den Duft, das Gewicht, das es hatte.

Ich glaube, daß er nicht in Worten, sondern in Bildern dachte, die er wie auf einem irrwitzigen surrealistischen Gemälde miteinander verband. Von ihm ging eine Elektrizität aus, die die Geradlinigkeit der Natur störte: Teller fielen klirrend zu Boden, wenn er in der Nähe war.

Er nahm mich gern auf den nackten Holzbohlen, schob meinen Rock hoch, spreizte meine Schamlippen und huldigte meiner Vulva. Seine Zunge, seine Lippen und Zähne kannten alle möglichen Liebkosungen, mit denen er mich stundenlang kurz vor dem Explodieren hielt, bis er endlich mit seinem harten Schwanz in mich eindrang. Danach lagen wir satt, erschöpft und in vollkommen unmöglichen Stellungen da: mein Kopf an seinem Fuß, mein Unterkörper hochkant an einer Wand, sein Knie in meinem Mund. Wenn das Schweigen unangenehm zu werden drohte, pulte er sich meine Schamhaare aus seinen Zähnen und begann, mir von seinen sexuellen Abenteuern zu erzählen.