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Für meine Mutter Evangelina, meinen Lebensgefährten Nick und meine Großtante Joan — für all eure Liebe.

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Inhalt

Teil 1: Einleitung

Wie ich zu Ayurveda kam

Wie man dieses Buch benutzt

Die Geschichte des Ayurveda

Ayurvedische Grundprinzipien

Ayurveda heute

Die goldenen Richtlinien

Der ayurvedische Vorratsschrank

Teil 2: Rezepte

Morgenmilch

Frühstück

Süßes

Leichte Lassis

Pakti-Schalen

Suppen und Eintöpfe

Gerichte zum Teilen

Snacks und Beilagen

Heilendes

Grundrezepte

Teil 3: Ayurveda – kurz erläutert

Die Doshas

Der Ayurveda-Stern

Agni, das Verdauungsfeuer

Die 20 Qualitäten

Die sechs Geschmacksrichtungen

La Vida Veda – Leben im Einklang

Quellen

Danke!

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Wie ich zu Ayurveda kam

Man ist zwar nicht unbedingt, was man isst, aber man ist letztlich das, was man aufnimmt, verwertet und sich aneignet — körperlich, emotional und geistig. Schon viele Jahre beschäftigte ich mich mit dem großen Thema Verdauung und der entscheidenden Rolle, die die Darmgesundheit nicht nur für das Immunsystem, sondern auch für die geistige und körperliche Gesundheit spielt. So kam ich schließlich zu Ayurveda, der über 5000 Jahre alten ganzheitlichen Lehre des Lebens, bei der es um einen achtsamen Umgang mit der Umwelt und eine Lebensführung nach den körperlichen und emotionalen Bedürfnissen und Eigenschaften geht. Vitalität, Wohlbefinden und Zufriedenheit entstehen im Ayurveda aus einer Ausgeglichenheit, die ihren Ursprung in der Kraft des Agni, des Verdauungsfeuers, hat.

Jeder kann das bestätigen: Essgewohnheiten, tägliche Routinen und die Beziehung, die wir zu unserer Umgebung pflegen, bestimmen die Harmonie unseres körperlichen, geistigen und emotionalen Zustands, den wir jeden Tag positiv (oder auch negativ) erleben. Bei mir waren es die Negativ-Tage, die mich dazu veranlassten, mich endlich um meine Body-Mind-Balance zu kümmern. Geholfen haben mir scheinbar kleine und häufig offenkundige Veränderungen aus dem Ayurveda. Sie hatten große Wirkung auf meine körperliche und seelische Verfassung und verhalfen mir auf grundlegende Art zu mehr Gesundheit. Ayurveda vermittelte mir außerdem die Erkenntnis, dass mein persönliches Wohlbefinden eher mit den ayurvedischen Qualitäten der Nahrungsmittel zu tun hat als mit ihrer chemischen Aufspaltung im Verdauungstrakt. Auf diese Weise habe ich gelernt, meinen Körper entscheiden zu lassen, welche Nahrung er für sein Wohlbefinden braucht, und mich weniger von meinen Gelüsten leiten zu lassen.

Ayurveda hat mein Leben bereichert und mir eine bewährte, verlässliche Struktur und ein intuitiveres Verständnis für meine wechselnden Bedürfnisse geschenkt. In den letzten 15 Jahren habe ich reichlich ausprobiert und gelernt, wie ich mich gut fühlen und gesund bleiben kann in dieser verrückten Zeit, in der wir leben. Diese Erkenntnisse möchte ich Ihnen in East by West weitergeben. Dieses Buch ist meine Interpretation von Ayurveda, die ich allen, die auf der Suche nach einer ganzheitlichen Lebensführung sind, nahebringen möchte.

Body-Mind-Balance

In meinem ersten Uni-Jahr lebte ich von Weißmehlbrötchen mit Käse und Ketchup oder Mensaessen und schlug mir die Nächte um die Ohren. Meine Verdauung stand Kopf und die entsprechenden Symptome wie Müdigkeit, Konzentrationsmangel, ein stumpfer Teint, schlappe Haare und brüchige Nägel machten mir zu schaffen. Als ich nach der Uni Vollzeit mit dem Modeln anfing, wurde ich wachgerüttelt, denn in kaum einem anderen Job beschäftigt man sich so viel mit den Folgen von Essen und Lifestyle auf den Körper. In dieser Zeit begann ich mich immer mehr dafür zu interessieren, welche Nahrungsmittel mir gut tun. Gesundes Essen und eine gute Body-Mind-Balance wurden meine Leidenschaft. Als ich im Jahr 2001 Ayurveda für mich entdeckte, drehte sich beim Thema Gesundheit alles nur um Fitness: Strafeinheiten im Fitnessstudio und restriktive Ernährungsprogramme, wenig Fett, wenig Kalorien. Es ging weder um Entspannung (es sei denn, man hatte sie sich verdient) noch um Nährstoffe oder darum, die Qualität, Herkunft und Verarbeitung von Nahrungsmitteln zu verstehen.

Anfangs arbeitete ich mich durch Ayurveda-Bücher und sog ein, was ich konnte. Damals nahm ich nur Informationen auf, die auch nach meinen Erfahrungen einen Sinn ergaben, zum Beispiel, dass gegarte Speisen schonender sind (man denke an Suppen, Eintöpfe und Breis für Babys, Senioren und Kranke) oder der Rat, nicht zu spät am Tag zu essen — aber auch so Offensichtliches, wie etwas Warmes zu essen, wenn einem kalt ist, und etwas Kühlendes, wenn einem warm ist. Absolut neu und erkenntnisreich war für mich aber die große Bedeutung des Darms — der erst in den letzten Jahren auch hier im Westen als zweites Gehirn und Zentrum des Immunsystems erkannt wird — und vor allem die zentrale Rolle der Verdauung für unsere Gesundheit. Nach und nach stellte ich meine Lebensgewohnheiten nach den ayurvedischen Grundprinzipien um. Je mehr ich mich damit beschäftigte, desto mehr gelangte ich zu der Überzeugung, dass all die neumodischen Gesundheitsregeln eigentlich uralt sind, mindestens 5000 Jahre alt.

Im Jahr 2010 wurde ich Ernährungscoach und Köchin für Privatkunden, die gesund essen und ihre Zeit nicht mit Kalorienzählen, anstrengenden Workouts und fettfreiem Essen vergeuden wollten. Aus meiner Leidenschaft, den Mitmenschen das Beste für ihre Gesundheit zu vermitteln, entstand schließlich die Hemsley + Hemsley-Philosophie.

Meine Begeisterung für gesundes Essen können Sie an diesem Kochbuch ablesen. Jede Mahlzeit ist eine Gelegenheit, den Körper zu stärken und mit neuer Energie aufzuladen. Gleichzeitig ist Essen aber nicht alles. Es gibt neben der Nahrungsaufnahme noch viele weitere Möglichkeiten, Körper und Geist zu unterstützen, um zu einer optimalen Body-Mind-Balance zu finden. Wir wissen ja alle, dass Stress und fehlender Schlaf über kurz oder lang zu Verdauungsstörungen führen, durch die selbst die nährstoffreichste Kost nicht richtig resorbiert werden kann.

Östliches Wissen für westliches Wohlbefinden

Neben der ayurvedischen Ernährung habe ich über die Jahre auch Yoga und Meditation als Teil meiner täglichen Routine zu schätzen gelernt. Ich habe einige Zeit in Indien verbracht, um bei Ayurveda-Ärzten (Vaidyas) zu lernen, denn ich wollte besser verstehen, was viele im Westen als esoterischen Quatsch bezeichnen. Ich habe zwei Panchakarmas mitgemacht, vierwöchige ayurvedische Detox-Kuren, die völlig anders geartet sind als im Westen bekannte Detox-Programme. Diese Erfahrungen gaben mir den Anstoß, mein Pop-up-Café East by West zu eröffnen, das erste ayurvedische Restaurant in London. Die Eröffnung fand in der Adventszeit statt, und wir servierten den durchgefrorenen, neugierigen Gästen heißes Dal, leicht gewürzte Desserts und Chai-Tee. Das Essen kam bei allen an — ob Businesstypen oder Fashionistas, Foodies oder Touristen. Sie fanden es super, dass sie nicht die Qual der Wahl hatten, sondern einfach ein leckeres ayurvedisch inspiriertes Essen genießen konnten. Immer mehr Gästen wurde bewusst, dass der angesagte »Kurkuma-Latte« nichts weiter ist als eine Goldene Milch nach einem uralten ayurvedischen Rezept und dass die mittlerweile allgegenwärtigen Energiekugeln auf einer ayurvedischen Süßigkeit namens Laddoo basieren.

Ich habe mich ganz in das Thema Ayuerveda vertieft und bin dabei auch als Mensch gewachsen. Aber für mich ist der momentane Stand, den ich erreicht habe, nur die Spitze des Eisbergs. Noch immer bewege ich mich am Rand unserer westlichen Ernährungsweise und der ayurvedischen Philosophie. Ich möchte mich weiter inspirieren und beeinflussen lassen und noch viel mehr von den Vertretern der ayurvedischen Welt lernen — von Menschen, die ein so großes verinnerlichtes Wissen über diese Lehre des Lebens haben. Ich hoffe, dass meine Erfahrungen, die ich Ihnen mitteilen möchte, Ihr Interesse am Ayurveda wecken. Dieses Buch möge Sie auf Ihrem Weg zu einer Harmonie von Körper und Geist bereichern und unterstützen.

Wie Sie dieses Buch benutzen

Zunächst und vor allem ist dieses Buch ein Kochbuch, wenngleich vielleicht kein ganz gewöhnliches. Blättern Sie sich nach Lust und Laune durch die verschiedenen Kapitel und Rezepte und probieren Sie aus, was Sie anspricht. Allein schon die Zutaten, die Erläuterung ihrer Wirkung und die Begleittexte zu den Rezepten, in denen Sie mehr über deren Entstehung erfahren, machen Sie mit den ayurvedischen Prinzipien vertraut. Wer es systematisch mag, arbeitet sich von vorn bis hinten durch das Buch.

Mit East by West möchte ich Ihnen Ayurveda vorstellen und ein tieferes Verständnis für seine Wirkungsweise vermitteln, zum Beispiel warum Milch und Zucker, die bei modernen Ernährungsmodellen so verpönt sind, in ihrer vollwertigen Form und bei richtiger Zubereitung gesund und nährend sein können und weshalb im Ayurveda auch tierische Speisen wie Knochenbrühe und Fleisch ihren angestammten Platz haben.

Ich versuche Ihnen die Prinzipien dieser alten östlichen Philosophie in ihrer einfachsten Form zu vermitteln — gerade genug Theorie, um ein Gefühl für Ayurveda zu bekommen, und mehr als nur den Hauch einer Vorstellung für die Interessierten. Wie bei allen Techniken bedeutet dies, Neues zu lernen und es Routine werden zu lassen. Es ist ein wenig wie mit dem Rad- oder Autofahren oder mit einem Hobby. Es dauert eine Weile, bis man es beherrscht und damit vertraut ist. Irgendwann kommt man an den Punkt, an dem man immer mehr darüber erfahren möchte. Genau aus diesem Grund sind fremdes Essen, Gebräuche oder Kunst so bedeutungs- und reizvoll.

In diesem Buch will ich Ihnen schließlich auch die östliche Philosophie zugänglich machen, indem ich Sie auf eine Reise mitnehme und mit Gesundheitsprinzipien einer Kultur bekannt mache, die so ganz anders ist als unsere Kultur und so reich an spirituellem Wissen. Einige Prinzipien des Ayurveda werden Sie kennenlernen. Außerdem bietet das Buch einfache Grundregeln für eine ayurvedisch-orientierte Lebensführung. Dabei geht es um viel mehr als Essen. Es geht um eine Betrachtung unseres Lebensstils.

Die ayurvedischen Grundregeln, mit denen ich Sie bekannt machen will, haben den Sinn und Zweck, Ihre Gesundheit und Ihr Wohlbefinden zu verbessern. Sie müssen gewiss nicht alles umsetzen, um die positiven Effekte wahrzunehmen. Seien Sie einfach neugierig und probieren Sie die Tipps aus, die Ihnen nützlich sind. Fest steht aber: Jedes Mal, wenn Sie mit Ayurveda arbeiten (was Arbeit mit den Naturprinzipien bedeutet), werden Sie die positive Wirkung auf Ihre Vitalität feststellen.

Wer schon einmal von Ayurveda gehört oder gelesen hat, kennt vielleicht die Doshas, die Konstitutionstypen. Im Westen lieben wir es, zu kategorisieren und zu etikettieren. Es ist zwar überaus interessant, den eigenen genetischen Körpertyp zu kennen, weitaus wichtiger aber ist es, im Alltag in Einklang mit dem Körper zu sein. Das heißt: wissen, was der Körper gerade braucht, und beeinflussen, wie es ihm geht.

Dieses Buch will Ihnen helfen zu verstehen, in welchem Zusammenhang Ihr momentaner Zustand mit dem Thema Essen und Verdauung steht. Auch wenn wir alle Individuen mit individuellen Bedürfnissen sind, können wir durch die Unterstützung unseres Verdauungsfeuers Grundlegendes für unsere Gesundheit tun, denn — wie bereits erwähnt — spielt ein gut funktionierendes Verdauungssystem eine enorm wichtige Rolle für Gesundheit und Wohlbefinden. Es ist dabei von großer Bedeutung, wie wir unsere Nahrung verarbeiten und verdauen, aber noch viel bedeutsamer ist es, wie wir das Leben verdauen und verarbeiten. Einfach formuliert: Verwenden Sie die Tipps und Rezepte, um Ihr Leben in Harmonie zu bringen!

Die Kapitel in diesem Buch

Dieses Buch setzt sich aus drei Teilen zusammen. Es besteht aus einer Einführung und einem Rezeptteil sowie einem Abschnitt mit Ayurveda-Prinzipien, in dem Sie Informationen über Doshas, Qualitäten und Geschmacksrichtungen von Lebensmitteln und Tipps zur Lebensführung nach der ayurvedischen Philosophie erhalten.

Der Rezeptteil gliedert sich in zehn Kapitel und beginnt mit der wichtigen Morgenmilch und stärkenden kleinen Mahlzeiten, die bestens geeignet sind, um leichter in den Tag zu kommen. Darauf folgt ein Kapitel mit gehaltvolleren Frühstücksgerichten, von denen sich einige als leckeres Mittag- und Abendessen eignen (schauen Sie im Rezepttext nach dem Mondsymbol. Es weist darauf hin, für welche Tageszeiten die Gerichte gedacht sind). Im nächsten Kapitel finden Sie Süßspeisen — ja, sie stehen in diesem Buch vor den Mittagsgerichten. Das hat seinen Grund darin, dass das Mittagessen, das ich gern als »Surya Agni« (im Sanskrit »Sonnenfeuer«) bezeichne, dann eingenommen werden sollte, wenn die Verdauung am aktivsten ist. Da Süßes zwar befriedigend, aber oft schwer verdaulich ist, ist die Mittagszeit die beste Zeit dafür. Im Ayurveda sind die Vorspeisen klein und süß (so isst man sich nicht erst an einem herzhaften Gericht satt und zwängt sich dann noch ein Dessert rein). Ein eigenes Kapitel ist den Lassis gewidmet, die man jederzeit als erfrischendes Getränk zu sich nehmen kann.

Die beiden nächsten Kapitel enthalten Rezepte für Mittags- und Abendgerichte: Pakti-Schalen, Suppen und Eintöpfe. Gegarte Speisen gelten im Ayurveda als ideal — und Suppen und Eintöpfe sind perfekte Abendmahlzeiten. So wohltuend sie auch sind, braucht man manchmal trotzdem etwas Knackiges. Hier kommen meine Pakti-Schalen ins Spiel: leichte warme Salate und gegarte Gerichte mit reichlich Textur (im Sanskrit bedeutet »Pakti« u. a. »gegart«, »Würde«, »Verdauung«). In einem weiteren Kapitel finden Sie aufwendigere Gerichte zum Teilen — für Gäste oder feierliche Anlässe, gefolgt von einem Kapitel über Beilagen, Saucen & Co., mit denen Sie jedes Gericht aufwerten. Mit dem Kapitel »Heilendes« gibt es noch ein »Apothekenschränkchen« mit Heiltees und ayurvedischen Rezepten, mit denen Sie kurieren können, was Ihnen Unwohlsein bereitet. Und wichtig zum Schluss: die Grundrezepte! Hier erfahren Sie, wie man zum Beispiel Paneer, Joghurt oder Reismilch zubereitet und mit Gewürzen kocht.

Sämtliche Rezepte sind nährend und wohltuend. Zu jedem Rezept finden Sie Informationen, wie die Gerichte im Zusammenspiel auf Gesundheit und Wohlbefinden wirken. Alle Gerichte sind einfach und zum Großteil aus leicht erhältlichen Zutaten zubereitet — von meinen ayurvedischen Lieblingsklassikern über traditionelle Rezepte aus aller Welt, die bereits die ayurvedischen Prinzipien umsetzen, bis hin zu köstlichen indisch inspirierten Gerichten und Rezepten, die ich nach ayurvedischen Prinzipien adaptiert habe. Die meisten Rezepte sind für jeden geeignet und lassen sich an die individuellen Konstitutionstypen anpassen. Unter den Symbolen neben den Rezepten erfahren Sie, wie Sie das Rezept entsprechend Ihrer Dosha abändern.

Wenn Sie eher kräftig gewürzte Speisen gewöhnt sind, kommen Ihnen die Gerichte in diesem Buch vielleicht sehr mild vor. Das ist Teil der Erfahrung, denn die ayurvedische Küche setzt nicht auf Knoblauch oder Zwiebel und akzentuiert nicht mit Chili, Zitrone und Essig. Häufig greifen wir ja in unserer westlichen Kultur zu Speisen (und anderen Stimuli), um uns einen Kick zu verschaffen, der uns aus einem Tief holt.

Bei der ayurvedischen Küche geht es mehr um Richtlinien als um strikte Regeln. Sie ist eine wunderbare Möglichkeit, um unsere innere Welt zu harmonisieren. Ich hoffe, dass dieses Buch Ihnen hilft, mehr ins Gleichgewicht zu kommen. Sobald Sie dieses Wissen intuitiv umsetzen und Ihren Lebensrhythmus gefunden haben, können Sie — gestärkt durch Ayurveda — mit Selbstvertrauen die Vielfalt des Lebens genießen.

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Die Geschichte des Ayurveda

Ayurveda hat eine lange und in jeder Hinsicht faszinierende Geschichte. In diesem Buch möchte ich das Wesen des Ayurveda beleuchten, um Ihnen die Tiefe und die Bedeutung dieser uralten Lehre vom Leben zu verdeutlichen und sie Ihnen in ihren Grundzügen verständlich zu machen. Hört sich das kompliziert an? Keine Sorge, ich werde Sie nicht mit zu viel Theorie überfrachten. Im Grunde ist das Kennenlernen von Ayurveda ein wenig wie das Erlernen einer neuen Sprache oder so, als ob man einen Gegenstand von einem neuen Blickwinkel aus betrachtet. Tatsächlich weicht die Vorstellung von Gesundheit im Ayurveda von unserer linearen westlichen Herangehensweise ab. Aber alles ergibt zunehmend Sinn, wenn Sie sich auf diesen ganzheitlichen Ansatz einlassen und die Grundlagen der Gesundheit neu erlernen.

Ein hochentwickeltes medizinisches System

Ayurveda ist die Mutter aller Heilsysteme, das sich vor Tausenden von Jahren entwickelte, um Menschen in Einklang mit der Natur zu bringen. Diese gut 5000 Jahre alte indische Tradition wird nun auf der ganzen Welt praktiziert, um sich in einer permanent verändernden Umwelt wohlzufühlen. Im alten Sanskrit kann »Ayurveda« als »Wissenschaft/Lehre des Lebens« übersetzt werden: »Ayur« bedeutet »Leben« und »veda« heißt »Lehre«. Es ist durchaus erwähnenswert, dass Sanskrit als die älteste, umfassendste und systematischste Sprache der Welt gilt, die mehrere westliche Sprachsysteme beeinflusst hat und in Indien und Südostasien einen ähnlichen Status eingenommen hat wie Latein und Griechisch in der römisch geprägten Welt.

Die Lehre des Ayurveda wurde über viele Generationen hinweg als mündliche Tradition übermittelt, bis sie um 1000 vor Christus in den Veden, einer der ersten Schriftensammlung der Welt, schriftlich festgehalten wurde. Neben der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM), mit der es viele Ansätze gemein hat, gilt Ayurveda als eine der ältesten, wenn nicht die älteste und am weitesten entwickelte Heilkunst.

In einigen entlegenen Regionen Indiens ist Ayurveda seit Tausenden von Jahren die einzige Heilmethode, auch wenn sie im Jahr 1835, während der britischen Kolonialzeit, zugunsten der europäischen Medizin verbannt wurde. Zum Glück für uns alle praktizierte damals die ärmere indische Bevölkerung weiterhin Ayurdeda, sodass es quasi im Untergrund überlebte. Als Indien 1947 unabhängig wurde, erlangte Ayurveda seine volle Anerkennung als Heilverfahren wieder.

Eine Lebensphilosophie

Die Prinzipien dieses alten ganzheitlichen Heilverfahrens beruhen auf dem Glauben, dass Gesundheit und Wohlbefinden von einem fein austarierten Gleichgewicht zwischen Geist, Körper und Seele abhängen. Gerät eines dieser Elemente aus der Balance, sind auch die anderen Elemente davon betroffen. Gesundheit wird im Ayurveda nicht als Abwesenheit von Krankheit betrachtet, sondern als das Erlangen und Aufrechterhalten dieses Gleichgewichts definiert. Die Förderung einer guten Gesundheit, um Krankheit zu vermeiden, steht im Fokus. Dabei bietet das Prinzip »Gleiches verstärkt Gleiches« einen umfänglichen Ansatz zur Behandlung von Erkrankungen. Durch das schrittweise Beseitigen der Ursachen der Krankheit soll das Gleichgewicht wiederhergestellt werden. So wie Krankheiten auftauchen, so können sie nach ayurvedischem Verständnis auch wieder verschwinden.

Ayurveda ist ein energetisches System, das auf den Ausgleich innerer Ungleichgewichte zielt, die optimale Gesundheit und Heilung blockieren. Zu den Bereichen, in denen Ungleichgewichte entstehen, gehört, wie und was wir essen und wie wir uns in unserer Umwelt bewegen und darin leben. Unsere Ernährung und täglichen Routinen beeinflussen essenziell unser körperliches und emotionales Gleichgewicht. Da wir alle unterschiedliche Individuen sind, arbeitet Ayurveda mit dem Grundsatz, dass es keine alleinige Ernährungs- oder Lebensform gibt, die für alle Menschen gleichermaßen geeignet ist (»Was für den einen gut ist, ist für den anderen Gift«).

Die Ernährung, und somit die ayurvedische Küche, ist ein zentraler Bestandteil dieses ganzheitlichen Ansatzes. Mahlzeiten, die nach den Prinzipien des Ayurveda zubereitet werden, sind in der Regel nährstoffreich, sättigend, vollwertig und schmackhaft, sprich: Sie sind wohltuend, unterstützend, stärkend und belebend. Durch bestimmte Zutaten, Zubereitungsarten und ein entsprechendes Essverhalten finden die ayurvedischen Prinzipien auch Anwendung in unserer alltäglichen Ernährung.

Letztlich können wir aus dieser großen Quelle des Wissens für unsere natürliche Gesundheitsvorsorge schöpfen. Sämtliche Aspekte des Wohlbefindens, von der Atmung bis zur Verdauung, sind im Ayurveda inbegriffen. Ein wesentliches ayurvedisches Prinzip besagt, dass wir Menschen — wie alles andere im Universum — aus den fünf Elementen Erde, Wasser, Feuer, Luft und Raum/Äther zusammengesetzt sind, nur jeder Mensch und jedes Lebewesen in einem individuellen Mischungsverhältnis.

Als ganzheitliches System lehrt uns Ayurveda mit unserer individuellen Konstitution zu arbeiten, indem wir beobachten, wer wir sind, wie wir uns fühlen, was wir mögen und wem oder was wir gleichen. Es geht darum, die eigene Natur zu erkennen und zu verstehen. Dies gilt als Voraussetzung für ein authentisches und erfülltes Leben, in dem unsere Gesundheit — also Geist, Körper und Seele — aufblühen kann.

Ayurvedische Grundprinzipien

Ayurveda, die alte indische Kunst der gesünderen, bewussteren Lebensführung, hat sich wie Yoga vor Tausenden von Jahren entwickelt. Es ist schwierig, einen Plan von etwas zu erstellen, das so tief- und weitgreifend ist. Die folgenden Ausführungen zum Ayurveda sind daher keinesfalls umfassend, sondern wollen Ihnen in einer Art Glossar ayurvedische Grundprinzipien und ihre Zusammenhänge vermitteln. Die Natur lässt sich an ihren Wesenszügen erkennen. Diese bilden auch die Sprache des Ayurveda.

Wir sind eins

Individuelles Leben ist Teil des universellen Lebens. Wir sind Mikrokosmen im Universum und werden von weit größeren Kräften gelenkt: Sonne, Mond und Wind. Naturwissenschaft und Ayurveda besagen, dass alles und jeder im Grunde aus den gleichen Atomen und derselben Energie besteht. Alles um uns ist eine Erscheinungsform dieser Energie — und aus ayurvedischer Sicht müssen wir uns diese Energie in ihren verschiedenen Formen zunutze machen. Metaphorisch gesprochen sind wir wie ein Tropfen im Ozean und gleichzeitig, wie der Mystiker und Gelehrte Rumi (1207—1273) sagt, »ein ganzer Ozean in einem Tropfen«. Will sagen, dass äußere Energien uns in unserem alltäglichen Leben beeinflussen. Die Welt folgt bestimmten Rhythmen, beispielsweise den Zyklen von Sonne, Mond, Gezeiten und Jahreszeiten, und wir mit ihr. Andernfalls fühlen wir, wie wir uns in die andere Richtung bewegen und das Leben schwierig wird. In Harmonie mit dem Takt der Natur zu sein, bedeutet voranzukommen.

Die drei geistigen Energien bilden den Lebenszyklus

Sattva, Rajas, Tamas. Diese drei geistigen Energien sind die Grundsubstanz der Schöpfung (oder reines Bewusstsein). Sie bilden ein einzigartiges, harmonisches Ganzes: den Lebenszyklus. Alles, was ist, durchläuft diesen Schöpfungsprozess: Sattva (oder potenzielle Energie) steht für Aufrechterhaltung, Rajas (oder kinetische Energie) für Entstehung und Tamas (oder Ermüdung) für Zerstörung, bzw. Geburt, Leben und Tod.

Bezogen auf den Lebenszyklus eines Apfels stellen die drei Energien die Stadien Reifung, Reife und Überreife dar. Alle drei Phasen sind immer gegenwärtig. Wenn wir dieses Prinzip auf die Ernährung allgemein übertragen, sollten wir uns möglichst auf Sattva konzentrieren, die »reifen« Speisen, weil diese perfekt entwickelt sind: frische Nahrungsmittel, natürlich angebaut und naturbelassen verzehrt. Zu den rajasischen Nahrungsmitteln zählen Zwiebel, Knoblauch, Chili, Zitrone, Tomate, Aubergine, Tee, Kaffee, Fleisch, Eier und Fertigprodukte. Sie sind stimulierend — vergleichbar mit einem recht säuerlichen nicht ganz reifen Apfel —, und zu viel davon verursacht Stress und Unruhe. Dann gibt es tamasische Nahrungsmittel wie Fleisch, Frittiertes, Reste und Aufgewärmtes, Eingelegtes und in Dosen Konserviertes, Convenience- und Junkfood, Softdrinks, Fertigbackwaren, Süßigkeiten und Pilze. Viel davon macht uns schwer, lethargisch und geistig dumpf. Wer sich für ayurvedische Ernährung interessiert, sollte rajasische und tamasische Zutaten stark einschränken. Dennoch ist es wichtig, dass diese beiden geistigen Energien im Alltag und in der Ernährung vorhanden sind, denn sie gehören schließlich zum Lebenszyklus. Aus diesem Grund enthalten die Rezepte in diesem Buch in kleinen Mengen auch rajasische und tamasische Zutaten.

Sattva, Rajas und Tamas sind aber mehr als nur Nahrungsmittelqualitäten. Sie sind eine Lebensart. Stellen wir uns Sattva vor, wenn wir morgens zu einer harmonischen Zeit aufwachen. Rajas mag die geräderte Person sein, die zu früh aufwacht und sich auf Stimulanzien verlässt, um gut durch den Tag zu kommen. Tamas wäre ein Mensch, der zu spät aufsteht, sich träge fühlt und Junkfood isst, um den Tag zu überstehen. Eine Sattva-orientierte Lebensführung und Ernährung sorgt also dafür, einen klaren Kopf zu haben, ausgeglichen und geistig wach zu sein.

Die fünf Elemente als Bausteine des Lebens

Die drei geistigen Energien bilden die fünf Elemente Erde, Wasser, Feuer, Luft und Raum/Äther. Die Elemente sind die Bausteine des Lebens, aus denen alles im Universum — auch der menschliche Körper — besteht. Deshalb benötigen wir die richtige Menge an vitalen Nährstoffen, die in jedem dieser Elemente stecken. Zu viel oder zu wenig von einem der »Nährstoffe« führt zu Unwohlsein und letztlich zu Krankheit. Auf niedrigem Niveau variieren die Elemente von Mensch zu Mensch. Auch hier berücksichtigt Ayurveda unsere individuellen Bedürfnisse.

Die drei Doshas stellen die Geist-Körper-Typen dar

Die fünf Elemente werden in drei Geist-Körper-Typen eingeteilt, die als Doshas bekannt sind. Sie beschreiben bestimmte Eigenschaften, die sich von den Elementen, die sie beinhalten, ableiten. Die drei Geist-Körper-Typen sind Vata (vorwiegend Luft), Pitta (vorwiegend Feuer) und Kapha (vorwiegend Erde). Jeder trägt alle Doshas in unterschiedlichen Anteilen in sich, und unsere Geist-Körper-Gesundheit ist abhängig von unserem individuellen Gleichgewicht. (Mehr über die Doshas und wie sie im Ayurveda eingesetzt werden finden Sie auf hier.)

20 Qualitäten, um Harmonie zu erreichen

Alles in unserer physischen und geistigen Welt kann als eine Mischung aus zehn Gegensatzpaaren beschrieben werden, die als 20 Qualitäten bekannt sind. Setzen wir uns vermehrt Qualitäten aus, die Beschwerden hervorrufen, verschlimmern bzw. verstärken sich diese. Allein eine gegensätzliche Qualität kann die Beschwerden bekämpfen, lindern und uns wieder ins Gleichgewicht bringen (mehr dazu hier).

Die fünf Sinne korrespondieren mit sechs Geschmacksrichtungen

Wir bestehen aus denselben fünf Elementen wie alles im Universum. Deshalb sind im Ayurveda unsere Sinneseindrücke entscheidend für unsere Gesundheit. So, wie unsere Nahrung, die wir durch unsere Sinne auswählen, die Zellen unseres Körpers aufbaut, so bestimmen auch Hör-, Tast-, Seh-, Geschmacks- und Geruchssinn die Qualität unserer Gedanken und Emotionen. Auf diese Weise können wir unsere fünf Sinne Hören (Ohren), Tasten (Haut), Sehen (Augen), Schmecken (Mund) und Riechen (Nase) —, die direkt mit den fünf Elementen korrespondieren — einsetzen, um uns und unsere Doshas in Einklang zu bringen. Wir sind in der Lage, die Qualitäten durch unsere fünf Sinne wahrzunehmen, um auszuwählen, was uns ins Gleichgewicht bringt.

Beim Essen ist der Geschmackssinn von besonderer Bedeutung. Im Ayurveda gibt es sechs Geschmacksrichtungen, die die Eigenschaften aller Nahrungsmittel beschreiben. Da Nahrungsmittel aus denselben Elementen bestehen wie wir selbst, können wir das für unsere individuellen Bedürfnisse passende Verhältnis verschiedener Nahrungsmittel festlegen.

Es gibt drei essenzielle Kräfte

Prana, das mit dem Element Luft in Verbindung steht, ist die primäre Lebensenergie, die durch uns und alle belebten Wesen fließt. Sie kann durch frisch zubereitete Kost (sattvische Nahrungsmittel enthalten viel Prana) und andere Praktiken wie Yoga verstärkt werden. Tejas ist die innere Strahlkraft, unser Lebensmut. Diese Kraft ist verantwortlich für Stoffwechselprozesse im Körper und wird mit dem Element Feuer verbunden. Zusammen bilden sie Ojas, unsere allgemeine Stärke, Abwehrkraft und Energiereserve, für die das Herz und das Element Wasser steht.

Essen ist Medizin

Wenn Essen Medizin ist, dann gilt logischerweise: Je besser die Qualität des Essens, desto besser die Medizin. Ebenso wie unser Körper besteht auch unsere Nahrung aus den fünf Elementen. Essen ist damit gleichzusetzen mit Energie. Hinzu kommt, dass jedes Nahrungsmittel im Ayurveda durch eine der sechs Geschmacksrichtungen definiert wird. Dadurch lässt sich leichter bestimmen, in welchen Nahrungsmitteln die elementaren Bausteine enthalten sind, die der Körper benötigt, und außerdem kann man die Nahrungsmittel zusammenstellen, die für ein besseres Wohlbefinden sorgen.

Der Vergleich mag platt klingen, aber der ayurvedische Ansatz, sich täglich für bestimmte Nahrungsmittel zu entscheiden, ist ähnlich, wie sich am Morgen einen warmen Pullover anzuziehen, wenn es draußen kalt ist: Man denkt gar nicht lang nach. Es geschieht beinahe automatisch. Nur wissen viele Menschen gar nicht, was ihr Körper gerade braucht — und selbst wenn sie es wüssten, würden sie möglicherweise ihre biologische Intuition ignorieren. Was wir essen, hat Einfluss auf unser Wohlbefinden. Eine noch größere Rolle spielt aber, in welcher Form wir etwas essen — und letztlich, wie unser Essen verdaut wird, um das Verdauungsfeuer anzukurbeln.

Die ayurvedischen Schriften besagen, dass Fleisch Medizin ist. Wie andere Nahrungsmittel auch, ist Fleisch aber nur heilsam, wenn es in der richtigen Menge und zur richtigen Zeit verzehrt wird und auf die individuell passende Art zubereitet wird. Fleisch ist rajasisch und tamasisch — aber auch, wenn es kein Grundnahrungsmittel ist und Ihre Ernährung nicht dominieren sollte wie sattvische Nahrungsmittel, so kann es doch Teil einer gesunden Ernährung sein. Während die richtige Menge Fleisch für manche Menschen stärkend und erdend wirkt, kann dieselbe Menge andere Personen stressen und niederdrücken. Fleisch sollte also bewusst gekauft und verzehrt werden.

Gesundheit und Krankheit sind zwei Seiten einer Medaille

Bei Ayurveda geht es darum zu verstehen, auf welche Weise die Nahrungsmittel, die wir zu uns nehmen, uns und unsere persönliche Umwelt durch ihre Qualitäten beeinflussen. Gesundheitliche Beschwerden »be-schweren«, sprich, der Körper fühlt sich nicht leicht an, ist nicht im Lot, kommuniziert nicht mit sich und ist nicht im Gleichklang mit seiner Umgebung. Essen wir zu viel vom Falschen, wird unsere Verdauung beeinträchtigt und Toxine können sich anreichern.

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Ein unterstützender Lebensstil ist essenziell

An den Lebensgewohnheiten zu arbeiten, ist der wichtigste aktive Beitrag, den jeder für seinen gesundheitlichen Allgemeinzustand leisten kann. Im Ayurveda geht es darum, einen eigenen Rhythmus zu finden, um im Fluss zu bleiben. Wir entscheiden täglich, was wir essen und wie wir unsere Zeit verbringen, wodurch letztlich Körper, Geist und Bewusstsein geformt werden. Je bewusster wir diese Entscheidungen treffen, desto mehr tun wir für unsere Gesundheit und unsere Zufriedenheit. (Mehr dazu finden Sie im Abschnitt »La Vida Veda — Leben im Einklang«)

Eine der Säulen des Ayurveda ist Schlaf. Er gilt als ebenso wichtig wie Ernährung für die Gesunderhaltung und das Gleichgewicht des Körpers. Im Zustand des Schlafs kann sich der Körper regenerieren und selbst heilen. Bei Erkältung oder Erschöpfung ist nach der östlichen Lehre Ruhe geboten — schließlich braucht der Körper seine Energiereserven, um den Infekt zu bekämpfen. In unserer hektischen Welt hingegen gönnen wir uns kaum eine Pause, auch wenn wir uns nicht gesund fühlen. Wir machen einfach weiter — ein Hoch auf die Pharmaindustrie! Wichtig ist es jedoch gerade in diesen Phasen, sich Zeit für sich zu nehmen und den Körper zu reinigen, um neu starten zu können (Tipps für die Regeneration finden Sie hier). Schließlich lässt sich nachweisen: Ohne angemessene Erholung können wir auch das Gute — ob Ernährung, Bewegung oder Meditation — nicht adäquat aufnehmen. Der Körper bekommt nicht die nötige Energie, um das Beschwerliche leicht zu machen.

Yoga und Ayurveda haben sich ungefähr zur selben Zeit entwickelt und ergänzen einander. Bei Yoga geht es eigentlich nicht um Beweglichkeit und Kraft oder Gymnastik, wie es im Westen oft dargestellt wird. Wie beim Ayurveda steht die Harmonisierung von Geist, Körper und Seele im Mittelpunkt. Der Fokus liegt auf der Gesundheit, um regelmäßige Meditationen zu erleichtern und um Erleuchtung zu erlangen.

Ayurveda heute

Im Charaka Samhita, einer der wichtigsten ayurvedischen Schriften, heißt es: »Ohne richtige Ernährung hat die Medizin keinerlei Nutzen. Mit der richtigen Ernährung ist die Medizin nicht notwendig.« Aktuell ist ein Wandel in unserer westlichen Welt erkennbar. Immer mehr Menschen beginnen, die Bequemlichkeiten und das Tempo unseres modernen Alltags zugunsten eines natürlicheren, geerdeteren Lebens aufzugeben. Sie wollen mehr über die Herkunft unserer Nahrungsmittel erfahren und betrachten mit Sorge die ökologischen Folgen unseres modernen Lebens. Ein neuer Wohlfühltrend hat dazu geführt, dass Praktiken wie Yoga, Meditation und Achtsamkeit, die noch vor wenigen Jahren als »Hippiekram« galten, Mainstream geworden sind. Je schneller wir uns den neuen technologischen Anforderungen anpassen, desto größer wird auch das Verlangen nach Entschleunigung und einem bewussteren Lebensstil.

Warum der große Wandel?

Was uns im letzten Jahrhundert trotz aller bahnbrechender Errungenschaften und Entdeckungen im medizinischen Bereich verloren ging, ist ein natürliches Empfinden für unsere Gesundheit — und das Wissen, was, wann und wie wir essen sollten. Seit vielen Jahren mahnen Berichte der Weltgesundheitsorganisation WHO die ungesunde Lebensführung in der westlichen Welt als größten Risikofaktor für die Gesundheit an. Fest steht auch: In den USA sind heute medizinische Eingriffe die dritthäufigste Todesursache nach Krebs und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Wie ist es dazu gekommen, dass wir die Verantwortung für unsere Gesundheit abgegeben haben? Es sind viele Faktoren im Spiel. Manche Faktoren scheinen außerhalb unserer Kontrolle zu liegen und lassen uns rat- und hilflos zurück. Heutzutage gehen die meisten Menschen davon aus, dass sie ohne Intervention von Pharmazie und Chirugie nicht gesund werden können. »Geheilt« und »genesen« sind medizinische Begriffe geworden und Gesundheitsvorsorge wurde zum Krankeitsmanagement. In so einer Zeit belächelt man die ayurvedische Vorstellung von Nahrung als Medizin. Dabei ist die Einbeziehung der ganzheitlichen Ansätze aus dem Ayurveda so nötig wie nie zuvor. Es ist Zeit, dass wir Gesundheit als Ganzes betrachten und sie nicht nur auf Ernährung und Sport reduzieren.

Blicken wir zurück: Nachdem der Mensch die Wildnis zurückgedrängt und Nahrung und Behausung gefunden hatte — lang, bevor er sich auf die Wissenschaften als Instanz verließ —, hatte er bereits optimale Möglichkeiten für sich entwickelt, um gesund zu bleiben. Diese Gesundheitsvorsorge war eine Mischung aus Eigenpflege, Selbstentfaltung und Gemeinschaft, die sich ganz in den Lauf der Natur einfügte. Langsam erleben wir die Rückkehr der alten Weisheiten aus verschiedenen Kulturen. Zu diesen Weisheiten gehören die indischen Traditionen des Yoga und Ayurveda. Sie erlangten im Westen in den 1960er-Jahren größere Bekanntheit und ermutigten Menschen zu einer zufriedeneren, gesünderen und bewussteren Lebensführung.

Yoga gewann in der westlichen Kultur vor allem wegen seines sportlichen Aspekts stark an Bedeutung, was die spirituelle Seite des Yoga wie Meditation und Achtsamkeit in den Hintergrund drängte. Heute erleben wir unzählige Yoga-Arten und Yoga-Marken. Yoga ist eine verbreitete Methode geworden, um sich körperlich fit zu halten, und weniger eine Übung zur Meditationsvorbereitung. Meditation und Achtsamkeit sind zwar ebenfalls im Trend, lassen sich aber schwieriger im großen Stil vermarkten.

Yoga wird als praktische ayurvedische Anwendung beschrieben, die Geist, Körper und Seele als ein wirkungsvolles System vereint und zur Gesundheitspflege und Heilung beiträgt. Dieses alte Wissen bietet uns eine unglaublich wertvolle Ressource, um uns und unsere Umwelt zu verändern, wenn wir es in unseren Alltag einbinden.

Vervollständigt wird der Kreis der traditionellen Weisheiten durch Ayurveda. »Ayur«, was im Sankrit »Leben« bedeutet, setzt sich aus vier Komponenten zusammen: dem physischen Körper, dem Geist, der Seele und den Sinnen. Im Vergleich zur westlichen Medizin, die sich auf den Körper konzentriert und erst in den letzten Jahrzehnten die Psyche mit einbezieht, gilt im Ayurveda die Vorstellung, dass alles miteinander zusammenhängt und Körper, Geist, Seele und Sinne ein Ganzes bilden! Neueste Ergebnisse aus der Quantenphysik bestätigen die ayurvedischen Prinzipien: Wir Menschen sind aus denselben Elementen gebaut wie alles andere im Universum und werden durch dieselben Kräfte wie die Ozeane, Sterne und Planeten bewegt.

Unser moderner Alltag beeinflusst uns. Es liegt auf der Hand, dass wir durch Faktoren wie künstliche Beleuchtung, Rund-um-die-Uhr-Erreichbarkeit, globale Mobilität, industriell hergestellte Nahrung und Umweltverschmutzung aus unserem natürlichen Rhythmus, den uns die Natur vorgibt, gebracht werden. Sich im Takt der Natur zu bewegen ist der sanfteste Weg nach vorn, sagt Ayurveda. Gerät man aus dem Takt, dann kommen die Dinge durcheinander.

Ayurveda ist in Indien und auf Sri Lanka auch heute noch lebendig und wird überall auf der Welt praktiziert, häufig in Einklang mit der modernen Medizin. So wie früher Akkupunktur als Hokuspokus galt, weil man die Wirkung wissenschaftlich nicht belegen konnte, wird sie heute als wirksame »Alternative« oder »komplementäre« Therapie zur Schulmedizin akzeptiert. Es gibt eigentlich keinen besseren Katalysator für eine bessere Gesundheit, als nach den ayurvedischen Prinzipien sein Leben ganzheitlich zu betrachten — ein Prinzip, das hinter allen natürlichen Therapien steckt, die wir heute kennen, wie Akkupunktur, Phytotherapie und Homöopathie.

Der Schlüssel für eine optimale Body-Mind-Balance

Ayurveda hilft mir, mein Gleichgewicht zu finden in einer Welt, in der es ständig hin und her und auf und ab geht. Nach rund 20 Jahren Großstadtleben sind für mich Routine und ein stabiles Zuhause sehr wichtig geworden. Ohne die erdenden Prinzipien von Ayurveda könnte ich nicht so funktionieren, wie ich es tue: ob es nun meine täglichen Meditationen, die Sonntage im Park, das Ritual, früh aufzustehen und früh schlafen zu gehen, sind oder das selbst gekochte gesunde Essen. Ich bin zwar noch nicht so weit, meine High Heels zu verbannen, aber ich mache, was ich kann, um meinen hektischen Alltag in der Großstadt und meine naturnahe Seele in ein Gleichgewicht zu bringen. Das beste Mittel dafür ist das Essen, das ich zu mir nehme.

Bei der ersten Begegnung mit Ayurveda mag vieles verwirrend klingen. Dabei ist die Grundbotschaft simpel: Nichts ist im Ayurveda so wichtig wie die Verdauung. Die Stärke des Verdauungsfeuers Agni ist der Schlüssel für Gesundheit. Wenn Sie sich also darauf fokussieren, durch Ihre Lebensführung Ihre Verdauung zu unterstützen, müssen Sie sich nicht intensiv mit den Konstitutionstypen beschäftigen und Ayurveda in seiner ganzen Komplexität verstehen.

Harmonisches Gleichgewicht bedeutet im Ayurveda ein ganzheitliches Lebenskonzept mit einer Achtsamkeit, die es möglich macht, im Takt zu bleiben und gegebenenfalls wieder hineinzufinden, wenn man mal aus dem Takt geraten ist. Es geht darum, das Gleichgewicht von Körper, Geist und Seele zu finden und intuitiv zu wissen, was einem guttut und was nicht. So bleiben wir gesund.