image

WISSENSCHAFTLICHE BEITRÄGE
AUS DEM TECTUM VERLAG

Reihe Rechtswissenschaften

WISSENSCHAFTLICHE BEITRÄGE
AUS DEM TECTUM VERLAG

Reihe Rechtswissenschaften

Band 98

Hauke Hein

Die Stewardship-Verantwortung
institutioneller Investoren

Plädoyer für einen aktienrechtkonformen
Deutschen Stewardship Kodex

Tectum Verlag

 

Hauke Hein

Die Stewardship-Verantwortung institutioneller Investoren. Plädoyer für einen aktienrechtkonformen Deutschen Stewardship Kodex

Wissenschaftliche Beiträge aus dem Tectum Verlag:

Reihe: Rechtswissenschaften; Bd. 98

© Tectum – ein Verlag in der Nomos Verlagsgesellschaft, Baden-Baden 2018

Zugl. Diss. Philipps-Universität Marburg 2017

ePub: 978-3-8288-6977-6

ISSN: 1861-7875

(Dieser Titel ist zugleich als gedrucktes Werk unter der ISBN 978-3-8288-4129-1 im Tectum Verlag erschienen.)

Umschlagabbildung: shutterstock.com © Anton Khrupin

 

Besuchen Sie uns im Internet
www.tectum-verlag.de

 

 

 

Bibliografische Informationen der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der

Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Angaben sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

 

 

 

Meiner Familie

Vorwort

Diese Arbeit wurde im Juli 2017 dem Fachbereich Rechtswissenschaften der Philipps-Universität Marburg als Dissertation zur Begutachtung vorgelegt und am 11. Dezember 2017 in einem Disputationsvortrag verteidigt.

Bei der Bearbeitung berücksichtigt werden konnte vor allem die überarbeitete Aktionärsrechterichtlinie „Richtlinie 2017/828/EU zur Änderung der Richtlinie 2007/367EG“, die kurz vor der der Einreichung veröffentlicht wurde. Auch die geplanten Änderungen zum UK Corporate Governance Code im Jahre 2018 konnten noch berücksichtigt werden. Literatur und Rechtsprechung wurden bis zum 29.01.2018 berücksichtigt.

Danken möchte ich ganz herzlich zunächst Professor Dr. Markus Roth, der mir während der ganzen Zeit meiner Promotion vom Januar 2015 bis zum Dezember 2017 mit vielen Gesprächen und mit vielen wertvollen Anregungen zur Seite stand. Auch im Rahmen der Arbeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Handels-, Wirtschafts- und Arbeitsrecht hat Professor Dr. Markus Roth mir die Möglichkeit gegeben, viele interessante Einblicke in verschiedene juristische Themengebiete zu erhalten, die diese Arbeit ebenfalls befruchtet haben. Ich danke Professor Dr. Markus Roth auch für die äußerst zügige Erstellung des Erstgutachtens zu meiner Dissertation.

Mein weiterer Dank gilt Professor Dr. Sebastian Omlor LL.M., LL.M. der ebenfalls äußerst schnell das Zweitgutachten zu dieser Arbeit erstellte sowie Professor Dr. Michael Kling, der den Vorsitz der Prüfungskommission übernommen hat. 

Ganz besonders danken möchte ich meiner Familie. Durch die Unterstützung meiner Familie, insbesondere meiner Eltern, Antje Pfeffer und Dr. Dietmar Hein, bin ich überhaupt erst in die Lage versetzt worden diese Arbeit zu schreiben und dafür bin ich zutiefst dankbar.

Auch möchte ich besonders meinen Großeltern Ingrid Pfeffer und Brunhilde Hein danken. Insbesondere meinem verstorbenen Großvater Hartmut Hein sowie Dr. Hans-Wilhelm Schulze hätte ich diese Arbeit wirklich gerne noch zeigen wollen, da sie in meiner Jugend ganz wesentlichen zu meiner immer größer werdenden Wissbegierde - nicht nur im juristischen Bereich - beigetragen und dadurch den Grundstein für diese Arbeit gelegt haben.

Abschließend danke ich von Herzen meiner Freundin Lea Fahle, die mich vor allem emotional in den letzten Jahren immer gestützt hat. Auch hat sie diese Arbeit Korrektur gelesen, wofür ich ihr ganz besonders dankbar bin.

Marburg, im Februar 2018

Hauke Hein

Inhaltsübersicht

VORWORT

INHALTSÜBERSICHT

INHALTSVERZEICHNIS

ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS

ABBILDUNGSVERZEICHNIS

EINLEITUNG

§ 1. INHALT DIESER ARBEIT

§ 2. GANG DER UNTERSUCHUNG

§ 3. BEGRIFFE UND DEFINITIONEN IM RAHMEN DIESER ARBEIT

KAPITEL I. GRUNDLAGEN UND BEDEUTUNG VON AKTIONÄREN UND INSTITUTIONELLEN INVESTOREN

§ 1. AKTIENGESELLSCHAFTEN UND DIE ROLLE DER AKTIONÄRE IM GESCHICHTLICHEN ÜBERBLICK

§ 2. BEDEUTUNG INSTITUTIONELLER INVESTOREN FÜR DEN KAPITALMARKT UND DIE PORTFOLIOGESELLSCHAFTEN

§ 3. AKTIONÄRSAKTIVISMUS UND AKTIVISTISCHE AKTIONÄRE IN DEUTSCHLAND

KAPITEL II. STEWARDSHIP VERANTWORTUNG UND STEWARDSHIP KODIZES – ÜBERSICHT UND VERGLEICH NATIONALER UND SUPRANATIONALER STEWARDSHIP REGELUNGEN

§ 1. DER UK STEWARDSHIP CODE

§ 2. DER JAPANISCHE STEWARDSHIP CODE

§ 3. STEWARDSHIP IN DEN NIEDERLANDEN

§ 4. (UNITED NATIONS) PRINCIPLES FOR RESPONSIBLE INVESTMENT

§ 5. DER SÜDAFRIKANISCHE CODE FOR RESPONSIBLE INVESTMENT (CRISA)

§ 6. ICGN GLOBAL STEWARDSHIP PRINCIPLES

§ 7. SONSTIGE STEWARDSHIP KODIZES UND PFLICHTEN

§ 8. ZUSAMMENFASSUNG UND ABSCHLIEßENDER GESAMTÜBERBLICK

§ 9. ABSCHLIEßENDE DEFINITION UND VERSTÄNDNIS DES BEGRIFFS „STEWARDSHIP VERANTWORTUNG

KAPITEL III. ÄNDERUNG DER AKTIONÄRSRECHTERICHTLINIE

§ 1. DIE ENTSTEHUNG DES RICHTLINIENVORSCHLAGS

§ 2. DIE GEÄNDERTE „AKTIONÄRSRECHTERICHTLINE“ - RICHTLINIE 2017/828/EU ZUR ÄNDERUNG DER RICHTLINIE 2007/367EG

§. 3 ZUSAMMENFASSUNG

KAPITEL IV. STEWARDSHIP IN DEUTSCHLAND – RECHTLICHE MÖGLICHKEITEN UND PROBLEME

§ 1. ADRESSATEN VON STEWARDSHIP UND FORMALE UMSETZUNG IN DEUTSCHLAND

§ 2. MÖGLICHKEITEN DER AUSÜBUNG VON STEWARDSHIP VERANTWORTUNG DE LEGE LATA

§ 3. WEITERE AKTIENRECHTLICHE GRENZEN BEI DER AUSÜBUNG VON STEWARDSHIP VERANTWORTUNG

§ 4. ÜBERBLICK ÜBER KAPITALMARKTRECHTLICHE GRENZEN

KAPITEL V. ZUSAMMENFASSUNG

VORSCHLAG FÜR EINEN DEUTSCHEN STEWARDSHIP KODEX

§ 1. VORBEMERKUNGEN

§ 2. VORSCHLAG FÜR EINEN DEUTSCHEN STEWARDSHIP KODEX

§ 3. ERLÄUTERUNG DES KODEXVORSCHLAGS

LITERATURVERZEICHNIS

Inhaltsverzeichnis

VORWORT

INHALTSÜBERSICHT

INHALTSVERZEICHNIS

ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS

ABBILDUNGSVERZEICHNIS

EINLEITUNG

§ 1. INHALT DIESER ARBEIT

§ 2. GANG DER UNTERSUCHUNG

§ 3. BEGRIFFE UND DEFINITIONEN IM RAHMEN DIESER ARBEIT

KAPITEL I. GRUNDLAGEN UND BEDEUTUNG VON AKTIONÄREN UND INSTITUTIONELLEN INVESTOREN

§ 1. AKTIENGESELLSCHAFTEN UND DIE ROLLE DER AKTIONÄRE IM GESCHICHTLICHEN ÜBERBLICK

A. Geschichtliche Grundlagen der Entwicklung von Aktiengesellschaften in Europa

B. Der Code de commerce und die Entwicklung der Aktiengesellschaften nach 1800 in Mitteleuropa

C. Die Entstehung der deutschen Aktiengesellschaft

I. Die Geschichte des deutschen Aktienrechts

1. Die Schaffung des ADHGB von 1861

2. Die Gesetzesnovellen von 1870 und 1884

3. Die Aktienrechtsreform von 1937

4. Das Aktiengesetz von 1965

5. Zusammenfassung

II. Die heutige Stellung und Bedeutung der Aktionäre in der deutschen Aktiengesellschaft

1. Die Aktionäre

2. Die Hauptversammlung

§ 2. BEDEUTUNG INSTITUTIONELLER INVESTOREN FÜR DEN KAPITALMARKT UND DIE PORTFOLIOGESELLSCHAFTEN

A. Institutionelle Investoren als Aktionäre

B. Bedeutung institutioneller Investoren für den Kapitalmarkt und ihre Portfoliogesellschaften

I. Übersicht über global verwaltetes Vermögen und globale Aktienallokation institutioneller Investoren

II. Bedeutung institutioneller Investoren für die Aktionärsstruktur nationaler Aktienmärkte am Beispiel von Deutschland und Großbritannien

C. Zusammenfassung

§ 3. AKTIONÄRSAKTIVISMUS UND AKTIVISTISCHE AKTIONÄRE IN DEUTSCHLAND

KAPITEL II. STEWARDSHIP VERANTWORTUNG UND STEWARDSHIP KODIZES – ÜBERSICHT UND VERGLEICH NATIONALER UND SUPRANATIONALER STEWARDSHIP REGELUNGEN

§ 1. DER UK STEWARDSHIP CODE

A. Die sieben Prinzipien des UK Stewardship Code

B. Entstehung des UK Stewardship Code und Bedeutung institutioneller Investoren bei der Entstehung des Kodex

I. ISC Statement of Principles “The Responsibilities of Institutional Shareholders and Agents” (1991)

II. Der Cadbury Report (1992) und der Combined Code (1998)

III. Der Myners Report (2001) und der überarbeite Combined Code (2003)

IV. Der Walker Report (2009)

V. Der Kodex des ISC (2008)

VI. Die Konsultation durch das FRC (2010)

VII. Zusammenfassung und Bewertung

C. Weiterentwicklung – Vom 2010 Kodex zum 2012 Kodex

D. Akzeptanz und Zukunft des UK Stewardship Code

I. Die Unterzeichner des UK Stewardship Code

II. Auswirkungen der Änderungen des UK Corporate Governance Codes 2017/2018 auf die Zukunft des UK Stewardship Code

E. Zusammenfassung

§ 2. DER JAPANISCHE STEWARDSHIP CODE

A. Allgemeines zum Japan Stewardship Code und Corporate Governance in Japan

B. Die Prinzipien des Japan Stewardship Code

C. Akzeptanz und Zukunft des Japan Stewardship Code

D. Zusammenfassung

§ 3. STEWARDSHIP IN DEN NIEDERLANDEN

A. Stewardship im niederländischen Corporate Governance Kodex

B. Der Eumedion Kodex

C. Zusammenfassung

§ 4. (UNITED NATIONS) PRINCIPLES FOR RESPONSIBLE INVESTMENT

A. Entstehung der Principles for Responsible Investment

B. Die sechs Prinzipien

C. Akzeptanz, Wirkung und Zukunft der UN PRI

I. Die Unterzeichner der Prinzipien

II. Die Problemgruppe „Asset Owner”

III. Qualität und Inhalt der jährlichen Berichte im Reporting Framework

D. Zusammenfassung

§ 5. DER SÜDAFRIKANISCHE CODE FOR RESPONSIBLE INVESTMENT (CRISA)

A. Die Entstehung des südafrikanischen Kodex

B. Die fünf Prinzipien des CRISA

C. Akzeptanz des Kodex

D. Zusammenfassung

§ 6. ICGN GLOBAL STEWARDSHIP PRINCIPLES

§ 7. SONSTIGE STEWARDSHIP KODIZES UND PFLICHTEN

A. Der dänische Stewardship Code

B. EFAMA und der Assogestioni Stewardship Kodex in Italien

C. Amec Stewardship Code in Brasilien

D. Singapur Stewardship Code

E. TWSE Stewardship Principles for Institutional Investors in Taiwan

§ 8. ZUSAMMENFASSUNG UND ABSCHLIEßENDER GESAMTÜBERBLICK

§ 9. ABSCHLIEßENDE DEFINITION UND VERSTÄNDNIS DES BEGRIFFS „STEWARDSHIP VERANTWORTUNG

KAPITEL III. ÄNDERUNG DER AKTIONÄRSRECHTERICHTLINIE

§ 1. DIE ENTSTEHUNG DES RICHTLINIENVORSCHLAGS

A. Die Aktionärsrechterichtlinie 2007/36/EG aus dem Jahr 2007

B. Die Mitteilung „Europa 2020“ aus dem Jahr 2010

C. Das Grünbuch „Corporate Governance in Finanzinstituten“ aus dem Jahr 2010

D. Das Grünbuch „Europäischer Corporate Governance Rahmen“ aus dem Jahr 2011

E. Der Aktionsplan „Europäisches Gesellschaftsrecht und Corporate Governance“ aus dem Jahr 2012

§ 2. DIE GEÄNDERTE „AKTIONÄRSRECHTERICHTLINE“ - RICHTLINIE 2017/828/EU ZUR ÄNDERUNG DER RICHTLINIE 2007/367EG

A. Identifizierung von Aktionären und die Rolle von Finanzintermediäre – Artikel 3a bis 3f

B. Transparenz von institutionellen Investoren – Artikel 3g bis 3j und Artikel 2 lit. f) und g)

I. Anwendungsbereich und Legaldefinitionen: Vermögensverwalter („asset manager“) und institutioneller Anleger („institutional investor“) – Artikel 1 Absatz 6 lit a) und b) und Artikel 2 lit. f.) und lit. g)

II. Artikel 3g – Stewardship Verantwortung europäischer institutioneller Investoren

III. Artikel 3h, 3i, 3j und 3k

IV. Zusammenfassung und Bewertung

C. Kontrolle der Vergütung und von Transaktionen mit nahe stehenden Unternehmen und Personen – Artikel 9a bis 9c

D. Maßnahmen und Sanktionen – Artikel 14b

§. 3 ZUSAMMENFASSUNG

KAPITEL IV. STEWARDSHIP IN DEUTSCHLAND – RECHTLICHE MÖGLICHKEITEN UND PROBLEME

§ 1. ADRESSATEN VON STEWARDSHIP UND FORMALE UMSETZUNG IN DEUTSCHLAND

§ 2. MÖGLICHKEITEN DER AUSÜBUNG VON STEWARDSHIP VERANTWORTUNG DE LEGE LATA

A. Kollektivrechte als aktienrechtliche Kontrollmöglichkeit der Aktionäre – Stimmrecht auf der Hauptversammlung

I. Möglichkeiten zur Stimmrechtswahrnehmung

1. Satzungsänderungen nach §§ 118 Nr. 5, 179 Absatz 1 Satz 1, und insbesondere den Unternehmensgegenstand nach § 23 Absatz 3 Nr. 2 AktG

2. Bestellung von Mitgliedern des Aufsichtsrats, Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat und sonstige Abstimmungsgegenstände nach § 119 AktG und say on pay und related party transactions

3. Verhinderung von Zufallsmehrheiten und Verringerung des Einflusses aktivistischer Investoren durch die Stimmrechtswahrnehmung institutioneller Investoren

4. Zusammenfassung

II. Stimmrechtsberatung („proxy voting“)

III. Zusammenfassung

B. Individualrechte als aktienrechtliche Kontrollmöglichkeiten der Aktionäre – Auskunftsrecht, Rederecht, Antragsrecht und Anfechtungsrecht

I. Das Teilnahmerecht, Rederecht und Antragsrecht

1. Möglichkeiten der Ausübung von Teilnahmerecht, Rederecht und Antragsrecht

2. Allgemeine Grenzen der Ausübung von Teilnahmerecht, Rederecht und Antragsrecht

3. Zusammenfassung, Bewertung und Bedeutung für Stewardship Maßnahmen von institutionellen Investoren

II. Das Auskunftsrecht – Möglichkeiten und Grenzen für institutionelle Investoren

1. Möglichkeiten des Auskunftsverlangens nach § 131 Absatz 1 AktG

2. Allgemeine Grenzen der Ausübung des Auskunftsrechts

3. Zusammenfassung, Bewertung und Bedeutung für Stewardship Maßnahmen von institutionellen Investoren

III. Die Beschlusskontrollrechte

1. Möglichkeiten und allgemeine Grenzen

2. Zusammenfassung, Bewertung und Bedeutung für Stewardship – insbesondere in Hinblick auf die Problematik „räuberische Aktionäre“

C. Kontakt zu Vorstand und Aufsichtsrat außerhalb der Hauptversammlung

I. Die strikte Organisationsverfassung der Aktiengesellschaft

II. Möglichkeiten der Kontaktaufnahme zum Vorstand

1. Kontaktmöglichkeiten zum Vorstand im Rahmen von „Investor Relations“ und „Roadshows“

2. Entmachtung des Aufsichtsrats und Entstehung eines „Schattenaufsichtsrats“ – Verstoß gegen § 111 Absatz 1 AktG?

III. Möglichkeiten der Kontaktaufnahme zum Aufsichtsrat

1. Rechtliche Grundlagen der generellen Kontaktmöglichkeiten zwischen Aufsichtsrat und institutionellen Investoren

a. Gesamtanalogie aus §§ 171, 176 AktG und § 161 AktG

b. Umkehrschluss aus §§ 76, 111 Absatz 4 und Annexkompetenz aus den Rechten und Pflichten des Aufsichtsrats

c. Keine regelmäßige Pflichtverletzung gegen die Verschwiegenheitspflicht bei Kommunikation durch den Aufsichtsrat

d. Änderung der Ziffer 5.2 DCGK vom 7. Februar 2017

e. Kontaktmöglichkeiten zum Kontrollorgan im Rahmen von Stewardship in den Niederlanden

f. Zusammenfassung

2. Inhaltliche Reichweite der Kommunikation mit institutionellen Investoren in Hinblick auf das Geschäftsführungsverbot nach § 111 Absatz 4 Satz 1 AktG

a. „Geschäftsführung“ und das Geschäftsführungsverbot nach § 111 Absatz 4 Satz 1 AktG

b. Grenzen des Kontaktes zu institutionellen Investoren im Lichte von § 111 Absatz 4 AktG

c. Zusammenfassung

3. Die Rolle des Aufsichtsratsvorsitzenden

a. Grundsätzliche Konzentration der Kommunikationskompetenzen beim Aufsichtsratsvorsitzenden

b. Inhaltliche Ausgestaltung der Kommunikation durch den Aufsichtsratsvorsitzenden

4. Zusammenfassung

D. Zusammenfassung der Kontroll- und Kontaktmöglichkeiten von institutionellen Investoren zu Wahrnehmung von Stewardship Verantwortung in Deutschland

§ 3. WEITERE AKTIENRECHTLICHE GRENZEN BEI DER AUSÜBUNG VON STEWARDSHIP VERANTWORTUNG

A. (Informationelle) Gleichbehandlung von Aktionären durch Vorstand und Aufsichtsrat

I. Allgemeine Gleichbehandlung von Aktionären nach § 53a AktG

1. Die Entwicklung von § 53a AktG und die heute Bedeutung

2. Voraussetzungen und Inhalt des Gleichbehandlungsgebots und die Folgen des Verstoßes

II. Informationelle Gleichbehandlung und erweitertes Auskunftsrecht

III. Beschränkung der Ausübung von Stewardship Verantwortung aufgrund von § 53a und § 131 Absatz 4 AktG

1. Doppelfunktion von institutionellen Investoren

2. Möglichkeit der bewussten Ungleichbehandlung durch Kontakte zu institutionellen Investoren

3. Ausweitung von § 131 Absatz 4 AktG auf Informationen des Aufsichtsrats

IV. Zusammenfassung

B. Verschwiegenheitspflichten von Vorstand und Aufsichtsrat aus § 93 Absatz 1 Satz 3 und aus § 116 Satz 2 AktG

C. Treuepflicht der Aktionäre

I. Die Treuepflicht bei der Stimmrechtswahrnehmung

II. Die Treuepflicht bei Ausübung sonstiger Rechte und Einwirkungsmöglichkeiten

D. Verbot ungebührliche Einflussnahme nach § 117 Absatz 1 AktG

E. Zusammenfassung

§ 4. ÜBERBLICK ÜBER KAPITALMARKTRECHTLICHE GRENZEN

A. Insiderhandel

B. Acting in Concert

C. Zusammenfassung

KAPITEL V. ZUSAMMENFASSUNG

VORSCHLAG FÜR EINEN DEUTSCHEN STEWARDSHIP KODEX

§ 1. VORBEMERKUNGEN

§ 2. VORSCHLAG FÜR EINEN DEUTSCHEN STEWARDSHIP KODEX

§ 3. ERLÄUTERUNG DES KODEXVORSCHLAGS

LITERATURVERZEICHNIS

Abkürzungsverzeichnis

Formalitäten, Maße, Einheiten und Fachbegriffe

a.E.

Am Ende

aA

Andere / Abweichende Ansicht

Abs.

Absatz

AG

Amtsgericht

AIF

Alternative Investmentfonds

AR

Aufsichtsrat

Aufl.

Auflage

Bd.

Band

Bio.

Billionen

Bspw.

Beispielsweise

Bzw.

Beziehungsweise

Ca.

Circa

CEO

Chief Executive Officer (Vorstandsvorsitzende)

CFO

Chief Financial Officer (Finanzvorstand)

Ders.

Derselbe

Dies.

Dieselbe / Dieselbigen

Dt.

Deutsch

Ebd.

Ebenda

Ehm.

Ehemals / ehemalige/s/r

ESG

environmental, social and corporate governance

Et Al.

Et alia/aliae/alii (lat.); unter anderen

Etc.

Et cetera (lat.); und die übrigen

ETF

Exchange Traded Fund (Indexfond)

f.

Folgende

ff.

Fortfolgende

Fn.

Fußnote

h.M.

Herrschende Meinung

Hrsg.

Herausgeber

IMC

Investment Management Company

IPO

Initial Public Offering

iVm

In Verbindung mit

lat.

Latein / Lateinisch

LG

Landgericht

lit.

litera (lat.); Buchstabe

m.w.N.

Mit weiteren Nachweisen

Mrd.

Milliarde

Nr.

Nummer

OGAW

Organismus für gemeinsame Anlage in Wertpapieren

OLG

Oberlandesgericht

Rn.

Randnummer

S.

Seite

s.o.

Siehe oben

s.u.

Siehe unten

SALT

Strategic Arms Limitation Talks

u.a.

Unter anderem / unter anderen

Vgl.

Vergleiche

Institutionen, Staaten

AdAR

Arbeitskreis deutscher Aufsichtsrat e.V.

ADR

Akademie für Deutsches Recht

AIC

The Association of Investment Companies

AIF

Alternativer Investmentfond

Amec

Associação de Investidores no Mercado de Capitais (The Association of Capital Markets Investors) (Brasilien)

AMF

Autorité des marchés financiers (Finanzmarktaufsicht Frankfreich)

BaFin

Bundesanstalt für Finanzaufsicht

BASF

Badische Anilin- & Soda-Fabrik (ehm. Bezeichnung)

BayObLG

Bayerisches Oberstes Landesgericht

BOFIs

Banks and other financial institutions

BVI

Bundesverband Investment und Asset Management e.V.

BVV

Versicherungsverein des Bankengewerbes

CalPERS

California Public Employees' Retirement System 

DAI

Deutsches Aktieninstitut

DGB

Deutscher Gewerkschaftsbund

DIHK

Deutsche Industrie und Handelskammer

DIRK

Deutscher Investor Relations Verband

DJT

Deutscher Juristentag

DSW

Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz e.V:

Dt.

Deutsch

EFAMA

European Fund and Asset Management Association

EG

Europäische Gemeinschaft

EU

Europäische Union

EuGH

Europäischer Gerichtshof (Der Gerichtshof)

FCA

Financial Conduct Authority (UK)

FCA

Financial Conduct Authority

FRC

Financial Reporting Council

FSA

Financial Services Agency (Japan)

GDV

Gesamtverband der deutschen Versicherer

HM Treasury

Her Majesty’s Treasury

ICGN

International Corporate Governance Network

IIC

Institutional Investor Committee

IIC (2010)

Institutional Investor Council

(Vorgänger des Institutional Investor Committee)

IMA

Investment Management Organisation

IoDSA

The Institute of Directors South Africa

SC

Institutional Shareholders Comittee

(heutige Bezeichnung: IIC)

KG

Kammergericht Berlin

KGaA

Komanditgesellschaft auf Aktien

LSE

London Stock Exchange

NAPF

National Association of Pension Fonds

(heutige Bezeichnung: Pension and Lifetime Savings Association)

OECD

Organisation for Economic Co-operation and Development

ONS

Office for National Statistics (Großbritannien)

PRI

Principles for Responsible Investment Association

SEC

U.S. Securities and Exchange Commission

TCI

The Childrens Investmentfond

TWSE

Taiwan Stock Exchange

U.S.

United States

U.S.S.R.

Union of Soviet Socialist Republics

UN

United Nations

UNEP FI

United Nations Environment Programme Finance Initiative

UNGC

United Nations Global Compact

VARD

Vereinigung der Aufsichtsräte in Deutschland e.V.

VBL

Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder

VCI

Verband der Chemie Industrie e.V.

Ver.di

Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft

VSUD

Vereinigung Schweizerischer Unternehmer in Deutschland

Gesetze, Richtlinien, Verordnungen Kodizes und Prinzipien

ADHGB

Allgemeines Deutsches Handelsgesetzbuch

AktG

Aktiengesetz

ARUG

Gesetz zur Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie

COBS

Conduct of Business Sourcebook

DCGK

Deutscher Corporate Governance Kodex

ERISA

Employment Retirement Income Security Act

GG

Grundgesetz

HGB

Handelsgesetzbuch

ICGN Principles

Principles of the International Corporate Governance Networks on Insitutional Investor Responsibilites

KAGB

Kapitalanlagegesetzbuch

KAPrüfbV

Verordnung über den Gegenstand der Prüfung und die Inhalte der Prüfungsberichte für externe Kapitalverwaltungsgesellschaften, Investmentaktiengesellschaften, Investmentkommanditgesellschaften und Sondervermögen

KWG

Kreditwesensgesetz

LMV

Ley del Mercado de Valores (Wertpapiergesetz Spanien)

RG AMF

Règlement général Autorité des marchés financiers

RL

Richtlinie

SSP

Singapore Stewardship Principles

U.S.C.

Code of Laws of the United States (United States Code)

UN PRI

United Nations Principles for Responsible Investment

VAG

Gesetz über die Beaufsichtigung der Versicherungsunternehmen (Versicherungsaufsichtsgesetz)

VO

Verordnung

VorstAG

Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung

WFT

Wet op het financieel toezicht ( Act on Financial Supervision; Finanzaufsichtsgesetz) (Niederlande)

WpHG

Wertpapierhandelsgesetz

WpPG

Wertpapierprospektgesetz

WpÜG

Wertpapierübernahmegesetz

Quellen- und Literaturabkürzungen

ABl.

Amtsblatt

AcP

Archiv für die civilistische Praxis

AG

Die Aktiengesellschaft

ARS

Arbeitsrechtliche Sammlungen (Entscheidungen des Reichsarbeitsgerichts und der Landesarbeitsgerichte)

BB

Betriebsberater

BGHZ

Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen

BOARD

Zeitschrift für Aufsichtsräte in Deutschland

CG

Corporate Governance: An International Review

DB

Der Betrieb

DRiZ

Deutsche Richterzeitung

EBOR

European Business Organization Law Review

EuZW

Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht

Frankfurter Komm

Frankfurter Kommentar zum DCGK

FS

Festschrift

GmbhR

GmbH Rundschau

GroßKomm

Großkommentar zum Aktiengesetz

GRUR

Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht

GWR

Gesellschafts- und Wirtschaftsrecht

IRZ

Zeitschrift für internationale Rechnungslegung

KK AktG

Kölner Kommentar zum Aktiengesetz

MüKomm

Münchener Kommentar

NJW

Neue Juristische Wochenschrift

NZG

Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht

RegBegr.

Regierungsbegründung

RGZ

Entscheidungen des Reichsgericht in Zivilsachen

SZW

Schweizer Zeitchrift für Wirtschafts- und Finanzmarktrecht

WPg

Die Wirtschaftsprüfung

ZAkDR

Zeitschrift der Akademie für Deutsches Recht

ZGR

Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht

ZHR

Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht (vorher: Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Konkursrecht)

ZStW

Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1 – Institutionelle Aktionäre

Abbildung 2 – Verwaltetes Vermögen der ‚klassischen‘ Institutionellen Investoren

Abbildung 3 – Verwaltetes Vermögen der ‚alternativen‘ Institutionellen Investoren

Abbildung 4 – Aktienanteil (in %) bei klassischen institutionellen Investoren

Abbildung 5 – Anlageverteilung (in %) Versicherungen

Abbildung 6 – Anlageverteilung (in %) Investmentfonds

Abbildung 7 – Anlageverteilung (in %) Pensionsfonds

Abbildung 8 – Aktionärsstruktur DAX 30 (gerundet) nach deutscher Bundesbank 2014

Abbildung 9 – Aktionärsstruktur DAX 30 (gerundet) nach DIRK / IPREO 2015

Abbildung 10 – Aktionärsstruktur britischer, börsennotierter Unternehmen nach ONS

Abbildung 11 – UK Stewardship Code Principles

Abbildung 12 – Guidance Principle 3 UK Stewardship Code – Monitoring

Abbildung 13 – Vergleich – UK Stewardship Code 2010 / ISC Kodex 2008

Abbildung 14 – Prinzip 7 UK Stewardship Code 2010 / 2012

Abbildung 15 – Unterzeichner UK Stewardship Code

Abbildung 16 – Einleitungssatz - Japan / UK Stewardship Code

Abbildung 17 – Prinzipien Japan / UK Stewardship Code

Abbildung 18 – Unterzeichner Japan Stewardship Code

Abbildung 19 – Principles for Responsible Investment

Abbildung 20 – Code for Responsible Investment in South Africa, S. 3

Abbildung 21 – Vergleich Japan Stewardship Code / UK Stewardship Code / CRISA

Abbildung 22 – Anwendungsbereich der überarbeiten Aktionärsrechterichtlinie

Einleitung

Institutionelle Investoren halten nach aktuellen Untersuchungen mindestens 60 Prozent der Aktien der größten börsennotierten deutschen Unternehmen, insbesondere der DAX30 Unternehmen.1 Ähnlich oder teilweise noch bedeutender ist die Stellung, die institutionelle Investoren auf anderen Kapitalmärkten einnehmen.2 Infolge dieser enormen Investitionskraft haben institutionelle Investoren einen entsprechenden makroökonomischen Einfluss auf die internationalen

Kapitalmärkte. Darüber hinaus können institutionelle Investoren als finanzstarke Aktionäre auch in mikroökonomischer Hinsicht bedeutenden Einfluss auf die Gesellschaften ausüben, in die sie investiert haben.

Die Finanzmarktkrise hat dabei allerdings unter anderem aufgezeigt, dass vor allem institutionelle Aktionäre ihren enormen Einfluss oftmals nicht genutzt haben und durch passive Verhaltensweisen und auf kurzfristige Gewinne ausgerichtet Grundlagen der Corporate Governance und einer langfristigen Wertentwicklung entgegengewirkt haben.3

Entsprechend sollte diese große Macht zur Einflussnahme auf die Kapitalmärkte und auf einzelne Unternehmen in Zukunft zunehmend mit einer entsprechenden Verantwortung verbunden werden.

“With great power there must also come great responsibility”.4

Wollen institutionelle Aktionäre aktiv und verantwortungsvoll mit ihren Investitionen umgehen haben sie allerdings Grenzen zu beachten. Aus kapitalmarktrechtlicher Sicht stellen sich insofern bereits Fragen hinsichtlich des Umgangs mit Insiderinformationen und der Zurechnung von Stimmrechten beim kollektivem Zusammenwirken mit anderen institutionellen Investoren. Interessant und in den letzten Jahren bereits häufiger Inhalt der rechtlichen Diskussion sind aber vor allem auch die Möglichkeiten und Grenzen die das deutsche Gesellschaftsrecht den Möglichkeiten dieser besonderen Gruppe von Aktionären zugesteht Einfluss auf die Geschicke ‚ihrer‘ Portfoliogesellschaften zu nehmen. Auch vor dem Hintergrund des oftmals negativ konnotierten Verhaltens aktivistischer Investoren, ist es angebracht umfassend zu untersuchen, welche Rolle das deutsche Aktienrecht institutionellen Investoren zugestehen kann und sollte und wo die Grenzen der Möglichkeiten der Interaktion zwischen Aktionären, Gesellschaft und deren Organen gezogen werden müssen.

§ 1. Inhalt dieser Arbeit

Diese Arbeit untersucht daher die Wahrnehmung der Stewardship Verantwortung institutioneller Investoren. Insofern sollen allerdings weniger die wirtschaftlichen und verhaltensökonomischen Grundlagen für eine mangelhafte Wahrnehmung dieser Verantwortung in der Vergangenheit im Fokus dieser Arbeit stehen.5 Vielmehr soll ein Verständnis für den rechtlich relevanten Inhalt der Stewardship Verantwortung und die rechtlichen Möglichkeiten und Grenzen der Umsetzung dieser Verantwortung insbesondere im deutschen Recht gegeben werden.

Hierzu werden vor allem als ein Schwerpunkt dieser Arbeit die in den letzten Jahren entwickelten Stewardship Kodizes dargestellt und verglichen werden. Insbesondere der UK Stewardship Code, der Japan Stewardship Code, Stewardship im niederländischen Corporate Governance Kodex und im Eumedion Code, der südafrikanische CRISA Kodex, schließlich werden aber auch weitere supranationalen Kodizes wie die UN Principles for Responsible Investment und ICGN Global Stewardship Principles besprochen. Auf dieser Grundlage soll ein Gesamtverständnis von Stewardship Verantwortung herausgearbeitet werden.

Einen zweiten Schwerpunkt dieser Arbeit stellt die Darstellung der überarbeiteten Aktionärsrechterichtlinie6 und insbesondere die Umsetzungsmöglichkeit des Artikel 3g in Deutschland dar. Dabei wird insbesondere auf verschiedene rechtliche Probleme eingegangen, die sich aus der Wahrnehmung von Stewardship Verantwortung ergeben können.

Ein vertiefender Schwerpunkt wird dabei vor allem auf aktienrechtliche Kompetenzprobleme gelegt, die sich aus einem Kontakt von institutionellen Investoren zum Vorstand oder dem Aufsichtsrat außerhalb der Hauptversammlung ergeben können.

Kapitalmarktrechtliche Probleme werden in diesem Zusammenhang zwar angesprochen, allerdings werden diese im Rahmen dieser Arbeit nicht umfassend behandelt, da sich insofern primär auf gesellschaftsrechtliche Probleme konzentriert wird. Auch wird das Verhältnis zwischen institutionellen Investoren und Stimmrechtsberatern zwar beleuchtet, eine ausführliche Behandlung der aus diesem Verhältnis entstehenden Probleme soll im Rahmen dieser Arbeit allerdings nicht erfolgen.

Ziel dieser Arbeit ist, einen Diskussionsvorschlag zur Umsetzung der Wahrnehmung von Stewardship Verantwortung in Deutschland in Form eines Deutschen Stewardship Kodex zu geben.

Die Darstellung und Diskussion des internationalen Verständnisses von Stewardship Verantwortung, die überarbeitete Aktionärsrechterichtlinie und die aktienrechtlichen Möglichkeiten und Grenzen der Wahrnehmung von Stewardship Verantwortung sollen die Grundlage für diesen Vorschlag bilden.

§ 2. Gang der Untersuchung

Die Untersuchung der verschiedenen Probleme und die Darstellung und Diskussion der Grundlagen ist dabei in vier Kapitel, diesen einleitenden und einen Schlussteil unterteilt:

In Kapitel I wird zunächst auf historische Grundlagen von Aktiengesellschaften und der Rolle der Aktionäre eingegangen und ein Überblick über die heutige Bedeutung institutioneller Investoren und Vermögensverwalter gegeben. Auch wird die Rolle aktivistischer Aktionäre in den vergangenen Jahren kurz dargestellt.

In Kapitel II wird die heutige Bedeutung der Verantwortung institutioneller Investoren, der Stewardship Verantwortung, anhand der in verschiedenen Ländern entwickelten Stewardship Kodizes dargestellt und verglichen und versucht eine abschließende Definition dieses Begriffs zu entwickeln.

In Kapitel III wird auf die aktuelle Änderung der Aktionärsrechterichtlinie und das darin ausgedrückte Verständnis der Stewardship Verantwortung institutioneller Investoren und Vermögensverwalter untersucht.

In Kapitel IV wird schließlich die Möglichkeiten zur Wahrnehmung von Stewardship Verantwortung durch institutionelle Investoren in Deutschland untersucht. Hierbei werden die aktienrechtlichen Verwaltungsrechte dargestellt und schwerpunktmäßig untersucht, ob und wie institutionelle Investoren darüber hinaus Einfluss auf die Vorstände oder Aufsichtsräte ihrer Portfoliounternehmen nehmen können.

Die Ergebnisse dieser Untersuchungen in Kapitel I - IV sollen schließlich in Form eines Vorschlags eines Deutschen Stewardship Kodex zusammengefasst werden, wobei sich insbesondere bei der Erläuterung dieses Vorschlags – entsprechend der in dieser Arbeit getroffenen Feststellungen – wieder auf kompetenzrechtliche Probleme des Aktienrechts konzentriert werden wird.

§ 3. Begriffe und Definitionen im Rahmen dieser Arbeit

Zur Übersicht soll an dieser Stelle bereits wesentliche Begrifflichkeit, die im Rahmen dieser Arbeit regelmäßig verwendet werden, in Grundzügen beschrieben werden. Diese Definitionen bauen regelmäßig unmittelbar auf das Verständnis der jeweiligen Begriffe in den verschiedenen, in dieser Arbeit diskutierten Stewardship Kodizes oder Studien auf und versuchen so eine verallgemeinerte Definition der jeweiligen Begrifflichkeit darzustellen. Zu beachten ist daher, dass im Zusammenhang mit den einzelnen unten dargestellten Kodizes das Verständnis der Begrifflichkeiten teilweise abweicht. Die folgenden Definitionen orientieren sich dabei vor allem an dem Verständnis der Begriffe im Rahmen der überarbeiteten Aktionärsrechterichtlinie, da diese auch als Grundlage der Diskussion rechtlicher Probleme im Zusammenhang mit Stewardship und zur Umsetzung von Stewardship in Deutschland genommen wird.

Institutioneller Investor (engl.: Institutional Investor)

Im Rahmen dieser Arbeit sind zunächst vor allem Unternehmen der betrieblichen Altersversorgung (in Deutschland: Pensionsfonds und Pensionskassen) und Versicherungsgesellschaften als „institutionelle Investoren“ zu verstehen. Insofern handelt es sich bei dieser Definition des Begriffs „institutionelle Investoren“ um asset owner, also institutionelle Investoren im engeren Sinne.

Allerdings wird der Begriff „institutioneller Investor“ im Rahmen dieser Arbeit regelmäßig auch für die Gruppe der asset manager (Vermögensverwalter) verwendet. Dies geschieht zum einen bereits aus praktischen Gründen, da eine solche Generalisierung den Lesefluss erleichtert, zum anderen wird eine solche Verallgemeinerung aber auch von einigen Stewardship Kodizes, wie insbesondere dem britischen Kodex, vorgenommen. Insofern wird der Begriff „institutioneller Investor“ im Rahmen dieser Arbeit grundsätzlich im weiteren Wortsinne verwendet und erfasst somit sowohl asset owner und asset manager.

Institutioneller Anleger

Der Begriff „institutionelle Anleger“ wird in dieser Arbeit grundsätzlich als Synonym für den Begriff „institutioneller Investor“ verwendet. Die Begrifflichkeit „institutioneller Anleger“ geht dabei vor allem auf die überarbeitete Aktionärsrechterichtlichtlinie zurück, die den englischen Begriff „institutional investors“ in der deutschen Fassung mit „institutioneller Anleger“ übersetzt. Der Begriff „institutioneller Anleger“ umfasst dabei allerdings nur die Gruppe der asset owner, sodass man auch von „institutionellen Investoren im engeren Sinne“ sprechen kann.

Institutioneller Aktionär

Diese Begrifflichkeit wird im Zusammenhang mit gesellschaftsrechtlichen Problemen gewählt. „Institutioneller Aktionär“ stellt somit ein weiteres Synonym des Begriffs „institutioneller Investor“ im gesellschaftsrechtlichen Kontext dar. Erfasst werden hiervon auch institutionelle Investoren im weiteren Sinne.

Asset Owner

Im Unterschied zu Vermögensverwaltern sind asset owner die Institutionen, die Kapital von ihren Anlegern sammeln und dieses selbst oder durch Dritte verwalten lassen. Auch der Begriff „asset owner“ kann als ein Synonym zum Begriff „institutioneller Investor“ verstanden werden und umfasst daher Pensionsfonds (und Pensionskassen), Versicherungsgesellschaften und Investmentfonds. Asset owner unterscheiden sich insofern von Vermögensverwaltern, den „asset manager“.

Vermögensverwalter (engl.: Asset Manager)

Vermögensverwalter sind solche Unternehmen, die für Dritte Vermögen verwalten oder selbst, entweder als externe oder interne Verwaltungsgesellschaft, einen Investmentfond verwalten. Selbstverwaltende Investmentfonds lassen sich somit sowohl der Gruppe der asset owner wie auch der Gruppe der asset manager zuordnen. Im Rahmen von Stewardship werden diese, wie auch die Definition in der überarbeiteten Aktionärsrechterichtlinie andeutet, den Vermögensverwaltern (asset manager) zugeordnet.

Portfoliogesellschaft

Der Begriff der “Portfoliogesellschaft” stellt aus der Sicht von institutionellen Investoren und Vermögensverwaltern die Gesellschaften dar, deren Aktien sie durch ihre Investitionen erworben haben.

Finalbegünstigter (engl.: Ultimate Beneficiary / Beneficial Owner)

Als Finalbegünstigte werden Anleger von institutionellen Investoren angesehen. Hierzu gehören solche Personen, die einen Anspruch auf Auszahlung einer Pension oder Rente gegenüber einem Pensionsfond oder einer Pensionskasse oder einer Lebensversicherung haben oder die einen direkten Anspruch auf Auszahlung gegenüber einem Investmentfond. Hierbei kann es sich auch um mittelbare Ansprüche handeln, wenn beispielsweise ein Unternehmen für einen Arbeitnehmer Vermögenswerte bei einem institutionellen Investor anlegt.

Stewardship Verantwortung

Die Stewardship Verantwortung umfasst grundlegende Aufgaben institutioneller Investoren und Vermögensverwalter, die diese in Folge ihrer Investitionen in ihre Portfoliogesellschaften und den damit verbundenen Einflussnahmemöglichkeiten wahrnehmen. Dies umfasst vor allem die Wahrnehmung von Stimmrechten oder weiteren Verwaltungsrechten, aber auch weitere Maßnahmen, wie der Kontakt zu Vorstand (und Aufsichtsrat). Auf die Begrifflichkeit „Stewardship Pflicht“ wird weitestgehend verzichtet, da die Wahrnehmung von Stewardship Verantwortung nicht mittels harter Rechtspflichten umfassend durchgesetzt wird.

1 Vgl. hierzu: Deutsche Bundesbank, Eigentümerstruktur am deutschen Aktienmarkt: allgemeine Tendenzen und Veränderungen in der Finanzkrise, 2014 S. 24; DIRK/Ipreo, Investoren der Deutschland AG 3.0 - Die Aktionärsstruktur des deutschen Leitindex DAX 30, 2016 S. 4.

2 Vgl. OECD, OECD Corporate Governance Factbook, 2017, S. 11 ff und S. 83 ff.; hinsichtlich der Bedeutung für den britischen Aktienmarkt vgl. insbesondere: Office for National Statistics, Ownership of UK Quoted Shares: 2014, 2015

3 Europäisches Parlament und Europäischer Rat, Richtlinie (EU) 2017/828 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Mai 2017 zur Änderung der Richtlinie 2007/36/EG im Hinblick auf die Förderung der langfristigen Mitwirkung der Aktionäre, ABl. L 132 vom 20.05.2017 20.05.2017, Erwägungsgrund 2

4 Der Ursprung dieses Zitats lässt sich nicht zweifelsfrei klären, am bekanntesten ist wohl diese Verwendung bei Lee, Amazing Fantasy: Spider Man, 1962, S. 11; auch wird dieses Zitat etwas später im Zusammenhang der SALT I Unterzeichnung leicht verändert verwendet von Nixon, Toasts of the President and Nikolai V. Podgorny, Chairman of the Presidium of the Supreme Soviet of the U.S.S.R., at a Dinner in Moscow, 1972, “With great power goes great responsibility.” Auch im Zusammenhang der französischen Revolution wird dieses Zitat in ähnlicher Form verwendet wie sich aus Unterlagen des Nationalkonvents ergibt: Convention Nationale, Collection générale des décrets rendus par la Convention Nationale IX, 1793, S. 72, “Ils doivent envisager qu’une grande responsabilité est la suite inséparable d’un grand pouvoir.”(“Sie müssen bedenken, dass große Verantwortung untrennbar großer Macht folgt.“). Schließlich ließe sich hier auch noch ein Vergleich des Korrelats von Einflussmacht und Verantwortung bei der Wahrnehmung von Verwaltungsrechten durch die Aktionäre ziehen, das der BGH bereits im Rahmen der Linotype Entscheidung umrissen hat: Bundesgerichtshof vom 1.2.1988, II ZR 75/87, BGHZ 103,184 = NJW 1988, 1579: „Auch bei der Aktiengesellschaft hat ein Mehrheitsgesellschafter die Möglichkeit, durch Einflussnahme auf die Geschäftsführung die gesellschaftsbezogenen Interessen der Mitgesellschafter zu beeinträchtigen, so dass auch hier als Gegengewicht die gesellschaftsrechtliche Pflicht zu fordern ist, auf diese Interessen Rücksicht zu nehmen.“

5 Vgl. hierzu bspw.: Bassler, Die Bedeutung von institutionellen Anlegern für die interne Corporate Governance ihrer Beteiligungsunternehmen, 2015, S. 106 ff.; Chung/Talaulicar, CG 2010, 253, 253 ff.; Fleischer/Strothotte, AG, 221–223, 224 f.; Freitag, AG, 647–655, 648 ff.; Hofstetter, in: Crone/Forstmoser/Zäch (Hrsg.), Aktuelle Fragen des Bank- und Finanzmarktrechts, 2004, S. 507, S. 511; siehe auch: Walker, A Review of Corporate Governance in UK Banks and other Financial Industry Entities, 2009, Ziffer 5.16 ff.;

6 Europäisches Parlament und Europäischer Rat, Richtlinie (EU) 2017/828 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Mai 2017 zur Änderung der Richtlinie 2007/36/EG im Hinblick auf die Förderung der langfristigen Mitwirkung der Aktionäre, ABl. L 132 vom 20.05.2017 20.05.2017

Kapitel I. Grundlagen und Bedeutung von Aktionären und institutionellen Investoren

Im ersten Kapitel dieser Arbeit wird zunächst die historische Bedeutung von Aktionären in der (deutschen) Aktiengesellschaft sowie die aktuelle Bedeutung und Rolle von institutionellen Investoren dargestellt.

Um verstehen zu können worauf die Wahrnehmung von Stewardship Verantwortung zukünftig abzielen kann und in welche Richtung sich vor allem das deutsche Aktienrecht derzeit entwickelt, soll also zunächst ein Überblick über die Geschichte und die Ursprünge des Aktienrechts und die gewandelte Rolle der Aktionäre gegeben werden (§ 1). Anschließend wird ein Überblick über die Bedeutung von institutionellen Investoren als besondere Gruppe der Aktionäre gegeben (§ 2). Abschließend soll auf aktivistische Investoren und den Begriff „Aktionärsaktivismus“ eingegangen werden, der in Zusammenhang mit der Aktivierung von institutionellen Investoren und Stewardship gestellt wird (§ 3).

§ 1. Aktiengesellschaften und die Rolle der Aktionäre im geschichtlichen Überblick

Im Folgenden wird also ein Überblick über die Ursprünge und Entwicklungen der Aktien-, Finanz, und Gesellschaftsrechtssysteme in verschiedenen Rechtsordnungen gegeben. Hierdurch soll ein Grundverständnis für die in dieser Arbeit behandelte Stewardship Verantwortung institutioneller Aktionäre geschaffen werden, auf das dann im Folgenden aufgebaut werden kann.

Auch kann hierdurch gut gezeigt werden, inwiefern die Kontrolle der Aktiengesellschaft durch ihre Aktionäre bereits Mitte des 19. Jahrhunderts ein großes Thema bei den Nürnberger Beratungen zum ADHGB waren und warum der relativ neue Gedanke einige Aktionäre zur Kontrolle zur verpflichten gar nicht so neu ist und eigentlich nur eine konsequente Fortentwicklung der Gedanken im 19. Jahrhundert darstellt.

Zunächst soll die Entwicklung von Aktiengesellschaften und vor allem der deutschen Aktiengesellschaft im 19. Jahrhundert in Folge des Code de commerce beschrieben werden (A.). Anschließend wird dargestellt wie sich die Aktiengesellschaft in Deutschland und die Rolle des Aktionärs und seine Funktion bei der Willensbildung sowie der Unternehmenskontrolle im Laufe der Zeit verändert hat (B.)

A. Geschichtliche Grundlagen der Entwicklung von Aktiengesellschaften in Europa

Wie oft in der geschichtlichen Betrachtung kann man auch in der Geschichte des Gesellschaftsrechts keinen genauen Zeitpunkt der Entstehung der Rechtsform „Aktiengesellschaft“ festmachen.7 Am einfachsten wäre es diesen Zeitpunkt noch auf das Jahr 1807 zu datieren, da in diesem Jahr der Code de commerce in Kraft trat und durch diesen die Grundlage für das moderne Aktienrecht in Europa gelegt wurde.8 Allerdings zeigt sich, dass die Ursprünge von Aktiengesellschaften bereits in der Antike gefunden werden können, sodass die Idee von Aktiengesellschaften oder zumindest diesen ähnelnden Gesellschaftsformen viel weiter zurückgehen muss.

In der rechtshistorischen Literatur wird hier insbesondere immer wieder die societas publicanorum genannt. Eine im römischen Recht anerkannte societas war als Grundform zunächst eine Vereinigung, die zu jedem (legalen) Zweck gegründet werden konnte, allerdings keine eigene Rechtssubjektivität besaß.9 Die genannte societas publicanorum war hierbei eine Sonderform, die sich auf die Verwaltung von Staatsangelegenheiten konzentrierte10 und im Unterschied zu ihrer Grundform – der einfachen societas – mit einigen Besonderheiten ausgestattet war, wie zum Beispiel der Loslösung von der Personengebundenheit der Gesellschafter, der Möglichkeit für die Gesellschafter einen rechtlichen Vertreter für die Gesellschaft wählen zu können, und schließlich sogar der Möglichkeit sogenannte partes (also Anteilsscheine) auszustellen, die frei gehandelt werden konnten.11 Auch gab es bereits zu diesem Zeitpunkt die Möglichkeit einen Gesellschafter von der Haftung auszuschließen und ihm gleichzeitig einen Teil des Gewinns der societas publicanorum (ähnlich einer Dividende) zukommen zu lassen.12

Interessant erscheint in diesem Zusammenhang auch, dass diese „Dividende“ einen Anspruch darstellte, der durch eine Klage (lat.: actio) eingeklagt werden konnte, sodass sich hieraus auch der Ursprung des Wortes „Aktie“ als klagbarer Anspruch am Unternehmenserfolg erklären könnte.13

Die Grundideen der Aktiengesellschaft, nämlich die Möglichkeiten einen Gesellschafter in der Haftung zu beschränken, ihm aber trotzdem eine Art Dividende auszugeben und schließlich sogar seine Gesellschaftsanteile handeln zu können, waren also schon ca. 1500 Jahre vor dem Code de commerce bekannt.

1407 wurde in Genua die St. Georgsbank (Banco di San Giorgio) gegründet. Durch diese gab der Staat Obligationen an private Investoren heraus, die dem Staat bei der Finanzierung der Staatsschulden helfen sollten und den Investoren einen festen Zins in Höhe von 7% garantierten. Als der Staat die Zinsen auf diese Obligationen im Jahre 1419 aber schließlich nicht mehr zahlen konnte, wurde den Gläubigern kein fester Zins mehr gezahlt, sondern ein fortwährender relativer Anteil an den Steuereinnahmen, die die Einnahmen der Staatsbank darstellten. Aus der ehemaligen Obligation wurde also ein Dividendenpapier und die ehemaligen Gläubiger wurden somit zu Anteilseignern.14

Auch wenn die Vermutung naheliegt, dass bei anderen Staatsbanken – auch vor 1407/1419 – eine ähnliche Umwandlung bereits stattgefunden haben mag, wird die Georgsbank doch weithin von einigen Autoren als erste Aktiengesellschaft bezeichnet. Zwar gab es bei dieser auch wie gerade beschrieben eine Dividende für die „Aktionäre“ und scheinbar keine weitergehende Haftung. Die Tatsache, dass die Bank aber aufgrund der wirtschaftlichen Umstände des Staates zu einer aktiengesellschaftsähnlichen Gesellschaft umgewandelt wurde, und die Tatsache, dass es sich bei den Einkünften dieser Bank um Steuereinnahmen und nicht um den Erfolg einer wirtschaftlichen Unternehmung handelt, wird aber zurecht als Kritikpunkt an der vor allem von Renaud vertretenen Auffassung, die Georgsbank sei die erste Aktiengesellschaft gewesen, gesehen.15 Auch die regelmäßigen Ausschüttungen werden insofern wohl eher dem Charakter eines Rentenpapiers als einer Aktie gerecht, die eben als Finanzierungsmittel risikobehafteter Unternehmen fungiert.16

Letzter wesentlicher Entwicklungsabschnitt der Aktiengesellschaften vor dem Code de commerce von 1807, sind die Handelskompanien und hier soll insbesondere auf die Niederländischen Ostindien Kompanie (Vereenigde Oostindische Compagnie, VOC) eingegangen werden, die im Jahre 1602 gegründet wurde, und als „Mutter“ der modernen Aktiengesellschaft gilt“.17

Diese Kompanie wurden gegründet, um den Handel mit Asien zu ermöglichen. Da es zu diesem Zeitpunkt noch keine festen Handelsrouten und insbesondere Handelsposten auf dem Weg nach Asien gab, fand der Handel mit den asiatischen Gebieten durch zeitlich lange, bis zu 5 Jahre dauernde Handelsreisen statt. Schon aufgrund der Dauer dieser Reisen, aber auch aufgrund des Ausfallrisikos stellte eine solche Reise die Händler vor erhebliche wirtschaftliche Investitionen, die sie nicht ohne weiteres alleine bewältigen konnten.18

Um diesen Kapitalbedarf zu decken, wurden Handelskompanien wie die VOC gegründet, in die die Investoren Einlagen leisteten, die sie – schon aufgrund der gezeigten Langfristigkeit der Unternehmung – bis zum Ende der Handelsreise nicht zurückfordern konnten, aber deren Anteilsscheine sie jederzeit frei handeln konnten.19

Diesen aktiengesellschaftsähnlichen Eigenschaften standen aber eine etwaige Nachschusspflicht und vor allem die Ausstattung der Kompanie mit staatlichen Hoheitsrechten (die sogar soweit gingen, dass die VOC die Möglichkeit hatte, niederländische Soldaten anzuwerben und Krieg zu führen) entgegen, sodass diese Kompanien zwar nach der Kapitalstruktur einer AG ähnelten, aber ansonsten eher eine Einrichtung des öffentlichen Rechts war.20

B. Der Code de commerce und die Entwicklung der Aktiengesellschaften nach 1800 in Mitteleuropa

Grundstein des modernen (deutschen und französischen) Aktienrechts, dass auch erstmals diesen Namen trug, war schließlich der Code de commerce von 1807.

Durch dieses unter Napoleon entwickelte Gesetzesvorhaben, das aus diesem Grund auch – zusammen mit den vier weiteren Gesetzesbüchern – als Code Napoléon bezeichnet wurde, fand erstmals eine systematische Regelung der Aktiengesellschaft (société anonyme) statt.21

Dem Code de commerce unmittelbar vorausgegangen war zunächst, in der Folge der französischen Revolution, ein Verbot der ‚Aktiengesellschaften‘, der Compagnies, die den niederländischen Compagnien ähnelten. Der Grund für dieses Verbot lag vor allem in der Tatsache, dass hoheitlichen Rechte bis dato vom König übertragenen wurden und so dieses System als zu nah an dem vorrevolutionären System angebunden und immer noch an dieses zu erinnern schienen.22

Ein weiteres vom Revolutionsgesetzgeber erkanntes Problem war die bis dahin des Öfteren vorgekommenen Aktienspekulationen (agiotage), die in Folge der mangelhaften Prüfung von Aktiengesellschaften möglich war und den Ruin von insbesondere vielen Kleinanlegern zur Folge hatte.23

Um diesem Problem zu begegnen sollte schließlich durch den 1807 erlassenen Code de commercesociété anonyme24