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David J Anderson ist ein Innovator von Managementkonzepten für die Geschäftswelt des 21. Jahrhunderts. Er ist Vorsitzender von Lean Kanban Inc., einem Unternehmen für Trainings, Beratung, Veranstaltungen und Veröffentlichungen, das Führungskräften weltweit neue Ideen zugänglich macht. David verfügt über mehr als 30 Jahre Erfahrung in der Hightechindustrie, wo er in den frühen 80er-Jahren im Umfeld der Spieleentwicklung begann. Er arbeitete für IBM, Sprint, Motorola und Microsoft sowie für eine Reihe von Start-up-Unternehmen. David ist der Begründer sowohl der Kanban-Methode als auch von Enterprise Services Planning, ist regelmäßiger Sprecher auf intern. Konferenzen und hat mehrere Bücher veröffentlicht.

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Alexei Zheglov ist Founder und Principal Consultat bei Lean A-to-Z, Inc. und berät Manager, Führungskräfte und Coaches auf fünf Kontinenten. Er ist Kanban Coaching Professional (KCP) und akkreditierter Kanban Trainer (AKT) der Lean Kanban Universität (LKU), ist Vortragender auf intern. Lean-Kanban-Konferenzen und schreibt regelmäßig auf seinem Blog connected-knowledge.com.

Übersetzer:

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Sven Günther studierte an der Fachhochschule Brandenburg Informatik mit den Schwerpunkten Softwareentwicklung und Mikroprozessortechnik. Seit 1997 entwickelt er in Java und C-Sprachen sowohl im Enterprise-Umfeld als auch für mobile Geräte. Agile Entwicklungsmethoden hat er 2007 für sich entdeckt und ist seitdem begeistert von ihnen. Sein besonderes Interesse gilt der Verbesserung von Arbeitsabläufen mit Kanban.

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Wolfgang Wiedenroth ist ausgebildeter Fachinformatiker der Fachrichtung Anwendungsentwicklung . Von 2007 an arbeitete er als Scrum Master in verschiedenen Unternehmen. Seit 2010 liegt sein Schwerpunkt auf der Kanban-Methode. Heute arbeitet er bei it-agile als Berater. Wolfgang ist akkreditierter Kanban Trainer (AKT) und Kanban Coaching Professional (KCP). Er bloggt auf agilemanic.com und twittert als @wwiedenroth.

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Zu diesem Buch – sowie zu vielen weiteren dpunkt.büchern – können Sie auch das entsprechende E-Book im PDF-Format herunterladen. Werden Sie dazu einfach Mitglied bei dpunkt.plus+:

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David J Anderson · Alexei Zheglov

Fit for Purpose

Wie Unternehmen Kunden finden, zufriedenstellen und binden

Übersetzung aus dem Englischen von Sven Günther und Wolfgang Wiedenroth

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David J Anderson · dja@leankanban.com

Übersetzung: Sven Günther · sven.guenther@it-agile.de

Wolfgang Wiedenroth · wolfgang.wiedenroth@it-agile.de

Lektorat: Christa Preisendanz

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

ISBN:

Copyright © der deutschen Ausgabe 2019

Copyright © 2018 by Blue Hole Press, USA, Title of the English original: Fit for Purpose: How Modern Businesses Find, Satisfy, & Keep Customers, Second Print Edition, 20 September, 2018.

Die vorliegende Publikation ist urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte vorbehalten. Die Verwendung der Texte und Abbildungen, auch auszugsweise, ist ohne die schriftliche Zustimmung des Verlags urheberrechtswidrig und daher strafbar. Dies gilt insbesondere für die Vervielfältigung, Übersetzung oder die Verwendung in elektronischen Systemen.

Für Nastya – DJA

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Für Lilia, Sasha und Dasha – AZ

Inhaltsübersicht

Teil IEinführung in Fit for Purpose

1Der beste Taxiservice der Welt

Evolutionäre Kräfte formen robuste Produkte und Services

2Justin Bieber versus Storm King

Die drei Dimensionen für Fit for Purpose: Design, Umsetzung und Servicelieferung

3Mensch versus Maschine

Segmentierung, Bedürfnisse und Fitnesskriterien

Teil IIFit for Purpose verstehen

4On-Base Percentage, der Boston Marathon und das Auto Ihrer Träume

Fitnesskriterien treiben die evolutionäre Auswahl voran

5Das expandierende Universum

Vier Kategorien für Metriken: Fitnesskriterien, Gesundheitsindikatoren, Verbesserungstreiber und Wohlfühlmetriken

6Von Valentinstag bis Vertu

Die universellen Fitnesskriterien

7Wir wissen, warum Sie fliegen

Maßgeschneiderte Produkte und Services für bestimmte Marktsegmente

Teil IIIFit for Purpose managen

8Menschen und ihre Geschichten nutzen

Marktforschung: Kundenservicepersonal nutzen, um Ihre Marktsegmente zu verstehen

9Umfragen und Daten nutzen

Marktforschung: Marktsegmente aus Fit-for-Purpose-Umfragen ableiten

10Es ist nicht Glück!

Neue Marktsegmente entwickeln: Produkte und Services designen, die Fit for Purpose sind

Teil IVAchten Sie auf die Lücke

11Blinde Flecken

Bekannte Schwächen des Fit-for-Purpose-Frameworks

12»Es ist Ihre Zukunft, seien Sie dabei«

Jobs to be Done und den Net Promoter Score verbessern

13Von Moltkes zielgerichtete Balanced Scorecard

Methoden, die von der Integration in das Fit-for-Purpose-Framework profitieren

14»Seien Sie paranoid!«

Durch Evolution des Marktes und disruptive Innovation Fit for Purpose bleiben

Anhang

ALifestyle Snapshots

Das Kontextproblem beim Design für mobile Geräte lösen

Index

Inhaltsverzeichnis

Teil IEinführung in Fit for Purpose

Wer sollte das Buch lesen?

Was Sie von diesem Buch erwarten können

Warum sollten Sie das Fit-for-Purpose-Framework anwenden?

Über die Autoren

Einige Entscheidungen, die wir trafen

Danksagungen

1Der beste Taxiservice der Welt

Evolutionäre Kräfte formen robuste Produkte und Services

1.1Warum sind Londons Taxis die besten?

1.2Zusammenfassung

2Justin Bieber versus Storm King

Die drei Dimensionen für Fit for Purpose: Design, Umsetzung und Servicelieferung

2.1»Beliebers« in Mumbai sind enttäuscht nach »Purpose«-Konzert

2.2Storm King Red

2.3Neeta, Zak’s und Westside Pizza

2.4Zusammenfassung

3Mensch versus Maschine

Segmentierung, Bedürfnisse und Fitnesskriterien

3.1Neue Wege, den Zweck Ihrer Kunden herauszufinden

3.1.1Fokusgruppen untersuchen und gruppieren gemeinsame Geschichten

3.1.2Fitness Box Score

3.2Die Bewertung der Fitness for Purpose

3.3Fit for Purpose und emotionale Motivation

3.4Fittester unter Gleichen

3.5Segmentieren Sie Ihren Markt anhand des Kundenzwecks

3.6Jenseits des Net Promoter Score

3.7Warum der Zweck des Kunden eine Rolle spielt

3.8Das Verstehen der Kundenbedürfnisse sollte eine strategische Kernkompetenz werden

3.9Zusammenfassung

Teil IIFit for Purpose verstehen

4On-Base Percentage, der Boston Marathon und das Auto Ihrer Träume

Fitnesskriterien treiben die evolutionäre Auswahl voran

4.1»Aber erreicht er die Base?«

4.2Der Boston Marathon

4.3Das Auto Ihrer Träume

4.4Ein weiteres Traumauto

4.5Die Serie

4.6Vier Arten von Metriken

4.7Zusammenfassung

5Das expandierende Universum

Vier Kategorien für Metriken: Fitnesskriterien, Gesundheitsindikatoren, Verbesserungstreiber und Wohlfühlmetriken

5.1Das expandierende Universum der Metriken

5.2Sind unsere Metriken Fit for Purpose?

5.2.1Warum sammeln wir Metriken? Was ist ihr Zweck? Und sind sie Fit for Purpose?

5.2.2Metriken klassifizieren

5.2.3Wohlfühlmetriken

5.2.4Fitnesskriterien

5.2.5Fitnesskriterien in Verträge einbinden

5.2.6Fitnesskriterien sollten definierte Schwellwerte haben

5.2.7Allgemeine Gesundheitsindikatoren

5.2.8Verbesserungstreiber

5.3Wie sich Walgreens von »gut zu großartig« entwickelte

5.4Mit Metriken Veränderungen bei Sungard voranbringen

5.5Das sollten Sie tun

5.6Eitelkeit oder Produktivität?

5.7Zusammenfassung

6Von Valentinstag bis Vertu

Die universellen Fitnesskriterien

6.1Häufig wiederkehrende Fitnesskriterien

6.1.1Durchlaufzeit und ihre Vorhersagbarkeit

6.1.2Qualität und ihre Vorhersagbarkeit

6.1.3Nicht funktionale Qualität

6.1.4Funktionale Qualität

6.1.5Sicherheit und regulatorische Übereinstimmung

6.1.6Regulierte Branchen

6.1.7Preis ist kein unabhängiges Kriterium

6.2Vertu

6.3Zusammenfassung

7Wir wissen, warum Sie fliegen

Maßgeschneiderte Produkte und Services für bestimmte Marktsegmente

7.1Serviceniveaus für verschiedene Kundensegmente gestalten

7.2Wer kennt Ihre Kunden?

7.2.1Kundenservicepersonal auslagern

7.2.2Die Schnittstelle zum Kunden automatisieren

7.2.3Andere Ausnahmen

7.2.4Verpackte Anwendungen

7.2.5Software als Service

7.2.6Mobile Anwendungen

7.2.7Ist die »Old School«-Interaktion mit Kunden wirklich notwendig?

7.3Produkte und Services, die Fit for Purpose sind: Die drei Dimensionen, auf die Sie achten sollten

7.3.1Computerspiele

7.3.2Fluggesellschaften

7.3.3Managementschulungen

7.3.4Alle drei ausbalanciert

7.4Kapitelzusammenfassung

7.5Zusammenfassung des Fit-for-Purpose-Frameworks

Teil IIIFit for Purpose managen

8Menschen und ihre Geschichten nutzen

Marktforschung: Kundenservicepersonal nutzen, um Ihre Marktsegmente zu verstehen

8.1Segmente basierend auf dem Kundenzweck identifizieren

8.2Fokusgruppen mit dem Kundenservice einrichten

8.3Fitnesskriterien für jedes Segment identifizieren

8.4Handeln und Ergebnisse beobachten

8.4.1Das Serviceniveau senken, wenn der Markt zu gut bedient wird

8.4.2Den Service in einem nicht gut genug bedienten Markt verbessern

8.5Zusammenfassung

9Umfragen und Daten nutzen

Marktforschung: Marktsegmente aus Fit-for-Purpose-Umfragen ableiten

9.1F4P-Karten fragen die Erwartungen von Kunden ab

9.2Fitness Box Score und Punktesysteme

9.3Segmente nach auf dem Kundenzweck identifizieren

9.4Ergebnisse interpretieren und Handlungen ableiten

9.5F4P-Karten in ausgereiften Märkten optimieren

9.6Zusammenfassung

10Es ist nicht Glück!

Neue Marktsegmente entwickeln: Produkte und Services designen, die Fit for Purpose sind

10.1Marktgelegenheiten ausnutzen

10.2Westside hat Glück!

10.3Für Zak’s Expansion planen

10.4Was ist gerade bei Zak’s passiert?

10.5Denken Sie wie die Pizza-Jungs

10.6Serviceklassen sind ein mächtiges Werkzeug

10.7Servicelieferung und Wirtschaftlichkeit müssen ausbalanciert sein

10.8Natürliche Segmentierung auf Basis der Nutzung

10.9Bloatware

10.10Zusammenfassung

Teil IVAchten Sie auf die Lücke

11Blinde Flecken

Bekannte Schwächen des Fit-for-Purpose-Frameworks

11.1Metriken

11.2Emotionale Motivation bei der Auswahl

11.3Kleinformate funktionieren besser

11.4Automatisierung oder die menschliche Note?

11.5Existierende Marktforschung und quantitative Daten

11.6Kunden, die nicht kaufen

11.7Promotoren und Empfehlungen

11.8Menschen lügen – verborgene Zwecke

11.9Regulierte Märkte

11.10Dysfunktionale Märkte

11.11Zusammenfassung

12»Es ist Ihre Zukunft, seien Sie dabei«

Jobs to be Done und den Net Promoter Score verbessern

12.1Fit for Purpose und Jobs to be Done

12.1.1Zocor und Dan Reeves: ein pharmazeutisches Beispiel

12.1.2Klareres Denken bei der Anforderungsanalyse – ein Beispiel aus der Versicherungsbranche

12.2Fit for Purpose und der Net Promoter Score (NPS)

12.3Entwickeln Sie Ihr Produkt- oder Servicedesign anhand der Fitnessbewertung

12.4Die Evolution des Fitness Box Score

12.5Zusammenfassung

13Von Moltkes zielgerichtete Balanced Scorecard

Methoden, die von der Integration in das Fit-for-Purpose-Framework profitieren

13.1Verknüpfung mit Auftragstaktik (Führen mit Auftrag)

13.1.1Führen mit Absicht in einer Versicherung

13.1.2Führen mit Absicht in der Pharmaindustrie

13.2Verknüpfung mit Balanced Scorecard

13.2.1Unterschiede

13.2.2Generische Maßnahmen

13.2.3Kunden und Märkte

13.2.4Balanced Scorecard – Fazit

13.3Verknüpfung mit Objectives und Key Results (OKR)

13.4Verknüpfung mit Personas und Goal-Directed Design

13.5Lean Startup

13.5.1Dot-Coms: eine andere Ära

13.5.2Dot-Coms sterben aus

13.5.3Lean Startup – Zusammenfassung

13.6Zusammenfassung

14»Seien Sie paranoid!«

Durch Evolution des Marktes und disruptive Innovation Fit for Purpose bleiben

14.1Warum sich Fitnesskriterien verändern

14.2Lebenszyklus einer Technologieeinführung

14.3Die eigene Rolle im Markt

14.3.1Kostenreduzierer

14.3.2Halbwertszeit einer Marktrolle

14.4Exaptation

14.5Identität

14.6Identität – auf ein Neues

14.7Das Dilemma des Innovators

14.8Fit for Purpose bleiben

14.9Zusammenfassung

Anhang

ALifestyle Snapshots

Das Kontextproblem beim Design für mobile Geräte lösen

A.1Einführung

A.2Eine Anwendung für Flughäfen

A.2.1Persona-Definitionen

A.2.2Lifestyle Snapshots

A.2.3Benutzungsszenarien

A.3Beispiel: Zürich-Airport-System

A.3.1Persona-Definition: Hans, Seniorpartner einer Züricher Anwaltskanzlei

A.3.2Lifestyle Snapshot: Montagmorgen, dienstlich in München

A.3.3Benutzerszenario: Automatisches Einchecken für den Flug

A.3.4Benutzerszenario: Boarding-Mitteilung

A.3.5Benutzerszenario: Pushmitteilungen für die Mietwagenwerbung

A.4Zusammenfassung

Index

Teil I

Einführung in Fit for Purpose

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Wir haben dieses Buch geschrieben, weil wir davon überzeugt sind, dass Unternehmen und ihre Produkte und Services in Folge evolutionärer Prozesse im Markt überleben und gedeihen. In der Natur überlebt und gedeiht eine Spezies, wenn sie für ihre Umgebung als fit, fitter oder geeignet ausgewählt wird, daher der Ausdruck »Survival of the Fittest« (»Überleben der Passendsten«). Wir glauben, dass der gleiche Mechanismus auch auf Unternehmen zutrifft. Dieses Buch vermittelt Ihnen, wie Sie die Kraft der Evolution nutzen können, damit Ihr Unternehmen überleben und gedeihen kann. Das Fit-for-Purpose-Framework hilft Ihnen dabei, diese evolutionäre DNA in Ihrem Unternehmen zu etablieren.

Dieses Buch zeigt Ihnen Wege auf und Mechanismen, wie Sie Ihre Produkte und Services so weiterentwickeln können, dass diese sich perfekt an die Wünsche und Anforderungen Ihrer Kunden anpassen. Damit steigern Sie die Loyalität Ihrer Kunden und erreichen, dass sie Ihnen als Kunden erhalten bleiben und wiederkommen. Wenn Ihnen dies gelingt, ist Ihr Geschäftsmodell belastbar, robust und auf einen langfristigen Erfolg ausgerichtet. Am Kundenzweck orientierte Produkte und Dienstleistungen führen sowohl zu begeisterten Kunden als auch zu zufriedenen Mitarbeitern und sehr guten wirtschaftlichen Erfolgen. Wir hoffen, dass auch dieses Buch für Sie seinen Zweck erfüllt und Ihr Unternehmen als Ergebnis Ihrer umgesetzten Ideen gedeiht!

Wer sollte das Buch lesen?

Dieses Buch richtet sich an Produktmanager und Verantwortliche in der Gestaltung und der Erbringung von Services. Es richtet sich an Menschen, die Produkte strategisch positionieren und Strategien planen, Marktforschung oder Marketing betreiben oder die diese Funktionen als Manager betreuen.

Was Sie von diesem Buch erwarten können

Dieses Buch beschreibt die Theorie des Fit-for-Purpose-Frameworks. Es erläutert das Konzept, nach dem Märkte nach Kundenwünschen aufgeteilt werden und wie Produkte und Services danach so gestaltet, entwickelt und ausgeliefert werden sollten, dass jeder Kunde ein für ihn passendes Angebot erhält. Um das zu erreichen, müssen Sie verstehen, welche Ziele Ihre Kunden haben und nach welchen Kriterien sie Produkte und Services im Markt auswählen. Sie müssen sich bewusst sein, warum die Kunden sich gerade für Sie oder Ihre Produkte entscheiden und welche Erwartungen dahinter stehen. Wir stellen Fit-for-Purpose-Umfragen und den Fitness Box Score als Hilfsmittel vor, um den Markt zu verstehen und zu überprüfen, wie gut Sie diesen schon bedienen.

Auf unserem Weg werden Sie Techniken kennenlernen, die Ihnen bereits bekannt vorkommen mögen, wie z.B. Net Promoter Score (NPS), Balanced Scorecard, Key-Performance-Indikatoren (KPI), Jobs to be Done (JTBD), Personas und zielgerichtetes Design sowie Mission Orders/Commander’s Intent – auch bekannt als Auftragstaktik oder Führen mit Auftrag.

Teil I des Buches – Einführung in Fit for Purpose (Kap. 1–3) – stellt das Konzept anhand von Beispielen aus aller Welt vor. Teil II – Fit for Purpose verstehen (Kap. 4–7) – beschreibt das Fit-for-Purpose-Framework. Teil III – Fit for Purpose managen (Kap. 8–10) – liefert eine pragmatische Anleitung, wie das Framework in realen Umgebungen angewendet werden kann. Der abschließende Teil IV (Kap. 11–14) identifiziert Lücken und Schwachpunkte sowie Ausnahmefälle, für die der Einsatz des Frameworks weniger geeignet erscheint, und zeigt auf, wie das Fit-for-Purpose-Framework mit einigen bekannten Ansätzen integriert werden kann. Zu guter Letzt fassen wir zusammen, wie Sie aus unserer Sicht am besten vorgehen.

Warum sollten Sie das Fit-for-Purpose-Framework anwenden?

Das Verstehen des Fit-for-Purpose-Konzepts ermöglicht es Ihnen, Kunden auf eine Weise zu finden, zufriedenzustellen und zu binden, die robuster und effizienter ist, als Sie das vielleicht bislang gemacht haben. Das Verständnis dieses Frameworks ist der erste Schritt hin zu einem langfristigen Überleben Ihres Geschäftsmodells im komplexen Marktumfeld des 21. Jahrhunderts.

In ihrer beruflichen und auch persönlichen Entwicklung beobachteten die Autoren viele Unternehmen und entdeckten dabei mehrere wichtige Gegensätze. Als Erstes sahen wir eine große Vielfalt an Kundenbedürfnissen, die es ermöglichte, ein robustes Unternehmen zu führen, indem den Kunden einfach das gegeben wurde, was ihre Bedürfnisse erfüllt. Gleichzeitig haben wir jedoch festgestellt, dass die Strategiegespräche in vielen Unternehmen nicht auf diese Kunden fokussiert waren, sondern auf Analysen der Mitbewerber. Zweitens erfordert die Bedienung des Kundenbedürfnisses die Aufmerksamkeit auf verschiedenen Aspekten, doch viele Unternehmen konzentrieren sich lediglich auf einen Aspekt auf Kosten anderer. Zum Dritten entscheiden sich Kunden für Produkte und Services nach relativ wenigen Kriterien, dennoch gehen viele Unternehmen in Metriken und gesammelten Daten unter. Viertens ist das Kundenservicepersonal eine große Quelle des Wissens über die Bedürfnisse der Kunden. Jedoch gehören diese Mitarbeiter in vielen Unternehmen zu denen mit der geringsten Bezahlung, sie sind diejenigen, die am häufigsten ihren Job wechseln, und sie sind am weitesten von denjenigen, die die Entscheidungen treffen, entfernt.

Wir könnten diese Liste noch fortführen. Es wird schon jetzt klar, dass diese vier Lücken reale Probleme bei Unternehmen und ihren Kunden erzeugen. Das Schließen dieser Lücken wird zu zufriedeneren Kunden und besseren Unternehmen führen. Das Fit-for-Purpose-Framework gibt Ihnen pragmatische, handlungsleitende Hilfe, wie Sie dies bewerkstelligen können.

Über die Autoren

Beide Autoren sind selbstständig und haben ihre eigene Firma. Keiner von ihnen hat je eine klassische Marketing- oder Strategieausbildung durchlaufen. Seit 2008 führt David ein Unternehmen, das Manager schult, Events plant, Wissen publiziert und Kunden berät. Dieses Unternehmen mit Sitz in Seattle betreut seine Kunden weltweit. Alexei hat ein kleineres Beratungs- und Schulungsunternehmen mit Sitz in Waterloo, Ontario. Obwohl es für ihn einfacher gewesen wäre, als fest angestellter Berater zu arbeiten, wählte er den schwierigeren Weg, selbst ein robustes Geschäftsmodell aufzubauen. Er arbeitet weltweit mit einer Vielzahl von Unternehmen unterschiedlichster Größe, Ausrichtung oder Branchen zusammen.

Einige Entscheidungen, die wir trafen

Die Beispiele aus den ersten beiden Teilen dieses Buches stammen von Unternehmen, die physische, greifbare Produkte oder Dienstleistungen anbieten, wie z.B. Restaurants, Fluggesellschaften oder Weingüter. Diese Beispiele sind leicht zu verstehen und vermitteln teils schwierige Konzepte auf eine einfache Weise. Trotzdem wollen wir die Konzepte auch auf virtuelle Waren und Services anwenden, was in den Teilen III und IV viel deutlicher wird.

Insbesondere in Teil III, »Fit for Purpose managen«, trafen wir bewusst die Entscheidung, Beispiele aus unserem eigenen Umfeld wie Managementschulungen, Beratung und Eventplanung zu nutzen. Dieser nicht geschönte und transparente Ansatz birgt das Risiko, einige unserer Kunden und Geschäftspartner zu verärgern. Wir haben bei unseren Ausführungen jedoch darauf geachtet, dass dies nicht passiert. Wir gehen sehr offen mit Informationen in Bezug auf Davids Geschäftsmodell der zertifizierten Schulungen um. Es wird zweifellos einige Vertriebspartner verwundern, in welches Segment wir sie eingruppiert haben. Wir haben ganz bewusst die Entscheidung für Transparenz getroffen, um die von uns angestrebte Authentizität zu erreichen. Wir wollen Ihnen glaubhaft vermitteln, dass die vorgestellten Techniken ausprobiert und getestet sind und regelmäßig eingesetzt werden. Wir verwenden sie selbst, um unsere eigenen Unternehmen zu managen, und denken, dass Sie sie besser verstehen werden, wenn wir die Karten auf den Tisch legen.

Dieses Buch beschreibt auch einige fiktive Szenarien, oft inspiriert durch aktuelle Erfahrungen aus erster Hand, Beobachtungen aus zweiter Hand oder überliefert durch Personen, die hier den einen oder anderen Sachverhalt wiedererkennen werden. Es gibt fiktive Charaktere, zusammengesetzt aus einer Reihe realer Personen. Neeta ist eine solche Figur, obwohl Neeta ursprünglich durch eine Bekannte aus unserem beruflichen Netzwerk inspiriert ist, die für WSIB1 in Toronto arbeitet. Die Erfahrungen von Neeta, die wir beschreiben, entsprechen in keiner Weise denen einer realen Person (lebend oder tot). Wir benutzen fiktive Geschichten, um Konzepte zu veranschaulichen. Durch diese Vereinfachung wollen wir ein besseres Verständnis ermöglichen. Die Wahrheit ist oft viel komplizierter als die Fiktion, und wir wollten durch die Komplexität der Realität das Verständnis der Grundkonzepte nicht erschweren.

Es gibt viele Anekdoten aus dem realen Geschäftsumfeld, sehr oft von bekannten Marken. In den meisten Fällen hatten wir persönliche Einblicke in Teile dieser Geschichten bzw. sie entstammen unserer persönlichen Erfahrung. In allen Fällen können die Einzelheiten dieser Geschichten durch öffentlich zugängliche Quellen recherchiert werden. Für interessierte Leser werden viele Referenzen in den Fußnoten bereitgestellt. In Fällen, wo die Details nicht öffentlich sind, haben wir die Quellen unkenntlich gemacht und die beteiligten Personen anonymisiert.

Danksagungen

Wir haben die erste Auflage dieses Buches in nur sieben Wochen im Sommer 2017 geschrieben. Kleinere Teile des Buches entstanden schnell: Geschichten, Konzepte und Beispiele. Wir überarbeiteten sie, teilten sie auf und verschoben sie in verschiedene Kapitel. Danach verwarfen wir sie wieder, um unserem Ziel einer logischen und ansprechenden Darstellung unserer Ideen und Konzepte näherzukommen. All das konnten wir nur dank unserer ersten Leser erreichen. Diese gaben uns im Grunde genommen täglich Feedback zu unserer Arbeit.

Wir sind uns sicher, dass dieses Buch nicht dasselbe wäre ohne die Arbeit von Mark Leach und Scott Relf, die durch ihr regelmäßiges Feedback das Manuskript verbessert haben. Es war sehr ermutigend von Christophe Louvion zu hören, der unseren immer noch nicht vollständigen ersten Entwurf gelesen hatte und damit in der Lage war, unsere Vorschläge direkt mit seinem Team umzusetzen. Kaveh Kalantar gab uns häufig kurzes und substanzielles Feedback und vernetzte uns mit Innovatoren. Wir danken ebenso einer Reihe von Reviewern für ihr zeitnahes und hilfreiches Feedback und ihre Kommentare: Gabe Abella, Marina Arefieva, Martin Aziz, Andreas und Susanne Bartel, Jesper Boeg, Simon Cockayne, John Cutler, Bernadette Dario, Becky Fitzgerald, Jonathan Hansen, Sudi Lahiri, Kent McDonald, Steve McGee, Jay Paulson, Fanny Pittack, Andrei Popov, Bill Sesko, Elin Sjursen, Joey Spooner, Craeg Strong und Brice Walsh.

Wir bedanken uns ebenso bei denjenigen, die uns bei der Veröffentlichung des Buches innerhalb eines engen Zeitplans geholfen haben: bei Vicki Rowland, Copy-Editorin und Designerin, Indexer Sharon Hilgenberg und Grafikdesigner Santhosh Kumar.

Schließlich wollen wir allen Teilnehmern an unseren Lean-Kanban-Konferenzen und Leadership Retreats weltweit in den letzten Jahren danken und den Hunderten Teilnehmern an Alexeis Schulungen, die dabei halfen, einige der vorgestellten Techniken dieses Buches zu verfeinern.

1Der beste Taxiservice der Welt

Evolutionäre Kräfte formen robuste Produkte und Services

»Guten Morgen! Wohin soll es denn gehen?«

David zieht die Tür hinter sich zu und lässt sich auf die Rückbank des schwarzen Taxis fallen. »Das Hilton Tower Bridge bitte!«

»Das ist doch das hinter der Tooley Street, nicht wahr?«

David ist erschöpft. Er kommt gerade mit einem Nachtflug aus Seattle. Nachdem er sein Gepäck eingesammelt hat, nahm er den Heathrow Express in die City von London. Er kennt das Spiel. Natürlich weiß der Taxifahrer selbst die Antwort auf seine Frage, er will nur wissen, ob David sie auch kennt.

»An der London Bridge Station«, antwortet David.

»Genau, Tooley Street, okay.« Der Fahrer legt den Gang ein und David hört das bekannte Geräusch des Dieselmotors, als das Fahrzeug den Taxistand von London Paddington verlässt und sich in den Verkehr einfädelt. David macht es sich auf der Rückbank bequem und drückt seinen Koffer mit den Füßen gegen die Trennwand zwischen ihm und dem Fahrer, damit er nicht umfällt.

»Wir werden durch den Park fahren müssen, um den Palast herum und über die Victoria den Fluss überqueren. Es gibt da hinten eine Demo und die ganze Gegend um Fleet Street, St. Pauls und in die City ist dicht.«

»Kein Problem«, antwortet David.

»Wo kommen Sie denn her? Glasgow?«

»Nein Seattle. Hatte einen Nachtflug. Bin jetzt etwas durch den Wind.«

»Ah, okay. Sind Sie hier zu Hause?«

»Nein, ich lebe in Seattle. Bin dort schon seit 15 Jahren.«

»Ach, dann arbeiten Sie wohl für Bill Gates?«

»Nein, aber habe ich mal.«

»Da haben Sie recht. Dieses Land hier geht vor die Hunde. Mal ist es das eine, mal etwas anderes. Diese Regierung hat keine Ideen. Wirklich überhaupt keine.«

David lächelt. Ein mürrischer und eigensinniger Taxifahrer gehört mit zum Service. Wir sind hier in London und es gibt keinen besseren Weg, irgendwohin zu gelangen, als in einem typischen schwarzen Londoner Taxi zu fahren. Natürlich gibt es heutzutage auch schon Mercedes Minivans. Diese haben sechs Sitzplätze, einen mehr als die klassischen Black Cabs. Aber mal ehrlich – wer will schon London besuchen, um dann in einem Mercedes zu fahren? Diese findet man überall. Der Taxifahrer fährt mit seinem Monolog über den Zustand des Landes fort, während das Taxi den Buckingham Palace umrundet und nach Süden fährt, um die Themse zu überqueren.

Das Taxi hält an einer Ampel zu einem Kreisverkehr an der südlichen Seite des Flusses. »Hier ist alles dicht.« Der Fahrer zeigt nach links auf einen Stau und verlässt den Kreisverkehr in Richtung Osten. »Wir versuchen einen anderen Weg.«

»Okay.« David vertraut dem Taxifahrer. Es gibt in einem Londoner Taxi kein Navigationsgerät. Die Kenntnis über das Straßennetz – »The Knowledge« – ist den Fahrern sprichwörtlich ins Gehirn eingebrannt. Londoner Taxifahrer haben erwiesenermaßen einen vergrößerten Hippocampus1 als Reaktion auf ihr zwei- bis vierjähriges Training, um die Taxilizenz zu erwerben2. In diesem Training müssen sie den gesamten Stadtplan Londons inklusive jeder Straße und Gasse auswendig lernen. Das Taxi fährt wieder an und bewegt sich in Richtung Süden.

Plötzlich biegt das Taxi nach links ab in eine enge Straße mit schicken rot verklinkerten Häusern mit Vorgarten, dann fährt es rechts, wieder links und nochmal links in eine ziemlich enge Gasse. Es ist ein Hinterhofweg, umgeben von hohen Mauern mit gleichförmigen massiven Türen, die in verschiedenen Farben gestrichen sind. Das Fahrzeug erreicht wieder die Hauptstraße, biegt nach rechts ab und ist wieder unterwegs in Richtung Süden. Es ist die falsche Richtung, aber eine Leitplanke in der Mitte der Straße verhindert ein Linksabbiegen. Bei der nächsten Gelegenheit dreht der Fahrer das Taxi mit einer scharfen Kehrtwende. »Wir sind jetzt fast da«, sagt er. »Versuchen Sie das mal in einem Uber! Oh, und haben Sie schon das Neueste gehört?«

»Nein, habe ich nicht.«

»Nun, zuerst ging es darum, ob deren Fahrer Angestellte sind oder nicht. Das Gericht sagte, sie wären es. Das war ein Schlag für sie. Nun sind sie für alles verantwortlich, was die Fahrer machen. Der neueste Fall ist der, dass einige ihrer Fahrer keine Haustiere mehr mitnehmen wollen. Wie Sie wissen, dürfen wir Taxifahrer keine Blinden mit ihren Blindenführhunden abweisen. Wir sind verpflichtet, ihnen zu helfen.«

»Ich wusste gar nicht, dass Uber auch in London ist.«

»Nun ja, das sind sie, und sie sind eine Plage. Sie fahren ohne Lizenz. Die Preise, die sie nehmen, sind nicht tragbar. Sie versuchen, mit niedrigen Preisen Marktanteile zu gewinnen. Aber der Bürgermeister ist auf unserer Seite. Er kennt den Wert der London Black Cabs.«

»Boris?«, fragt David, er meint Boris Johnson, den damaligen Bürgermeister der Stadt.

»Genau, Boris! Wohlgemerkt, er macht nicht alles richtig. Schauen Sie sich den Verkehr hier an. Sehen Sie, wie verstopft hier alles ist? Dabei ist Sonntagmorgen! Mal ehrlich, das gab es so noch nie. Aber sehen Sie den Fahrradweg? Heutzutage müssen Sie Fahrrad fahren, um hier voranzukommen. Es sollte eigentlich eine zweispurige Straße sein, nun ist sie nur noch einspurig. Das macht Boris für uns, Boris und seine verdammten Fahrräder!«

Das Taxi umkreist die London Bridge Station und biegt in die Tooley Street ein, nur wenige Hundert Meter vom Hotel entfernt. Ungeachtet des Verkehrs und der Umwege beträgt das Entgelt nur knapp etwas mehr als fünfzehn Pfund. David zieht einen Zwanziger aus seiner Brieftasche. Das Taxi fährt in die Hoteleinfahrt auf der Nordseite der Straße. Der Portier öffnet die Taxitür. »Willkommen im Hilton Tower Bridge. Schön, Sie wiederzusehen, Herr Anderson. Kann ich Ihnen mit Ihrem Gepäck helfen?« David reicht dem Fahrer den Zwanziger durch das Loch in der Trennscheibe. »Der Rest ist für Sie. Schönen Tag noch.«

Der Fahrer ist etwas überrascht von diesem großzügigen Trinkgeld – zumindest tut er so. »Vielen Dank, sie sind ein echter Gentleman. Genießen Sie Ihren Aufenthalt in London.« Wahrscheinlich ist er überrascht, dass er von einem Schotten, die für ihre Sparsamkeit bekannt sind, mehr als 20% Trinkgeld erhält. David lächelt. Die Unterhaltung während der Fahrt war ihm jeden Penny des Trinkgeldes wert. Willkommen in London!

1.1Warum sind Londons Taxis die besten?

Der Service, den Londons Black Cabs bieten, ist wahrhaftig Fit for Purpose. Der Service besteht aus zwei Kernelementen: den typischen schwarzen Taxis – dem Produkt – und aus dem Fahrer (dem London Cabbie) – der Servicelieferung. Beide haben sich über die Zeit so entwickelt, dass sie an ihr Umfeld auf einzigartige Weise angepasst sind.

Das Auto wird im Vereinigten Königreich von einer Firma namens The London Taxi Company3 hergestellt, einer Firma, die es eigentlich so nicht (mehr) geben dürfte. Die Firma ist einer der kleinsten Autobauer der Welt und damit von der Größe her allein schon benachteiligt. Von seiner Spezifikation her ist das Black Cab ein siebensitziges Nutzfahrzeug mit Dieselmotor. Der Beifahrersitz ist optional und wird für gewöhnlich weggelassen. Damit verbleiben fünf Sitze für zahlende Passagiere hinten und ein Sitz vorn für den Fahrer. Ein Fahrzeug der London Taxi Company kostet ungefähr doppelt so viel wie ein gewöhnliches siebensitziges Familien-SUV mit Dieselmotor, trotzdem akzeptieren Londoner Taxiunternehmen diese Extrakosten. Warum?

Zum Teil liegt es an der Regulierung, aber ein eingeschränkter Wettbewerb unter den Zulieferern ist erlaubt. Unabhängig davon, muss ein Taxiunternehmen wirtschaftlich arbeiten. Der Kaufpreis eines Fahrzeugs sollte nicht unerschwinglich teuer sein. Also, warum sind die Londoner Black Cabs ihr Geld trotzdem wert?

Das Design des Fahrzeugs hat sich als ideal für seinen Zweck herauskristallisiert. Es hat einen unglaublich kleinen Wendekreis, was auch in sehr engen Straßen eine Kehrtwendung erlaubt. Durch breite Türen, eine niedrige Ladekante und mit viel Platz im Inneren vor den Sitzen ist es so gestaltet, dass Passagiere ihr Gepäck selbst einladen können, ohne dass der Fahrer zum Helfen aussteigen muss. Das Gepäck wird vorn im Passagierraum mitgenommen und nicht hinten im Kofferraum gelagert. Damit gelingt es, schneller ein- und auszusteigen, und ermöglicht so das Anhalten in Situationen, in denen Parken nicht gestattet ist. Selbst der Dieselmotor war in früheren Zeiten noch eine eher seltene Ausstattung und damit ein wichtiges Alleinstellungsmerkmal. Verglichen mit Benzinmotoren sind Dieselmotoren einfacher und günstiger zu warten und haben eine höhere Lebensdauer und Haltbarkeit. Schon vor vierzig oder fünfzig Jahren erreichten Londoner Taxis eine Laufleistung von ungefähr 500.000 Meilen. Aktuelle Modelle schaffen sicherlich eine Million.

Die Taxifahrer – oder Cabbies – haben sich ebenfalls an ihren Zweck angepasst. Londoner Taxifahrer werden nicht nur lizenziert, sie sind auch Mitglied der Licensed Taxi Drivers’ Association (LTDA). Um in diesem Club Mitglied zu werden, müssen sie sich mindestens zwei Jahre fortbilden und eine Prüfung ablegen. Londoner Cabbies sind sehr stolz auf ihren Professionalismus. Die LTDA ist eine eingeschworene Gemeinschaft – eine soziale Gruppe mit starkem Zusammenhalt. Um hier Mitglied zu werden, müssen hohe Standards erreicht werden. Die Mitglieder erwarten voneinander, dass diese Standards im Berufsleben eingehalten werden. Folglich sind Londoner Taxis sehr sicher und betrügerisches Verhalten ist eher ungewöhnlich. Die Cabbies nehmen niemals die gleiche Route von A nach B. Damit zeigen sie die erforderliche Varietät in ihrem Denken. Anders als Softwarealgorithmen in einem Navigationsgerät, die zum Beispiel alle Uber-Fahrer über die gleiche Strecke schicken, variieren Londoner Cabbies die Strecken etwas. Dies und ihr umfassendes Wissen (»The Knowledge«) erlaubt es ihnen, sich extrem schnell an geänderte Bedingungen, wie zum Beispiel Demonstrationen oder zähen Verkehr nach einem Unfall, anzupassen. Und ein mürrischer eigensinniger Monolog über die schlechte Lage der Nation, die Regierung und das Wetter sind Teil des Service. Versuchen Sie mal Siri zu fragen: »Hey Siri, geht das Land vor die Hunde?« Das ist einfach nicht das Gleiche!

Der Londoner Taxiservice wurde nicht dafür entworfen, Fit for Purpose zu sein, er entwickelte sich im Laufe der Zeit dahin. Er ist sehr robust gegenüber angreifenden Wettbewerbern. Er steht heute da, wo er sich in einem evolutionären Prozess über Jahrzehnte hin entwickelt hat, möglicherweise schon seit drei Jahrhunderten. 1662 wurden die ersten Hackney-Carriage-Lizenzen4 für Pferdefuhrwerke erteilt, die auch »Cabs« genannt wurden.

In London gibt es aktuell zwei Kategorien von Lizenzen für Taxis – die schwarzen Taxis und lizenzierte private Fahrzeuge (oder »Minicabs«). Diese haben keinen Taxameter und dürfen daher keine Laufkundschaft aufnehmen. Stattdessen werden sie im Voraus für eine Fahrt zu einem festen Preis gebucht. In dieser zweiten Kategorie fahren Limousinen wie Mercedes E-Klasse und S-Klasse mit oft uniformierten Fahrern. Zu dieser Mischung gesellen sich neuerdings Emporkömmlinge wie Uber. Ein Aspekt der aktuellen gerichtlichen Auseinandersetzung zwischen der LDTA und Uber ist der Fakt, dass die Uber-Mobil-App in Wirklichkeit ein modernes Taxameter ist und Uber damit einen unlizenzierten Taxiservice anbietet, was im Vereinigten Königreich illegal ist5. Die Nutzung eines Taxameters, um den Preis auf Basis von Zeit und Entfernung zu kalkulieren, macht das Fahrzeug zu einem Taxi.

Bislang zeigt sich der Black Cab Service als widerstandfähig gegenüber Emporkömmlingen wie Uber, unter anderem auch durch die Hilfe von mobilen Apps wie Gett6. Das Geschäft mit den privaten Minicabs steht allerdings unter Beschuss. Es hat weder ein Alleinstellungsmerkmal, da es typischerweise reguläre Minivans oder Limousinen nutzt, noch ist es besonders stabil, weil die Fahrer sich oft auf Navigationsgeräte verlassen müssen. Es gibt keine eingeschworene soziale Gruppe der Minicab-Fahrer, die eine Gemeinsamkeit haben: »The Knowledge« – das Wissen über das Straßennetz von London.

Mit der Aussicht auf eine Zukunft mit autonomen Fahrzeugen schwebt ein großes Fragezeichen über konventionell organisierte Taxiservices mit menschlichen Fahrern. Es bleibt abzuwarten, wie lange ein Service wie die LTDA Black Cabs in London überleben kann, wenn er mit automatisierten Alternativen konkurrieren muss. Wir gehen davon aus, dass er dank der einzigartigen entwickelten Fähigkeiten der Londoner Taxifahrer bestehen bleibt – trotz des Aufkommens neuer disruptiver Technologien. Die Fahrer, ihr Wissen, ihre Fähigkeit, unablässig ihre Umgebung wahrzunehmen, sowie der Informationsaustausch in ihrem Netzwerk lassen es erwarten, dass sie noch für eine beträchtliche Zeit besser sind als die Technologie. In der Zwischenzeit bleibt das Black Cab typisch für London und jeder Besucher wird mit ihm fahren wollen. Und natürlich ist ein eigensinniger Fahrer mit authentischem Dialekt nur schwer durch Technologie zu ersetzen. Wir gehen davon aus, dass die Nostalgie die Black Cabs länger als jeden anderen Taxiservice auf der Welt beschützen wird.

1.2Zusammenfassung

2Justin Bieber versus Storm King

Die drei Dimensionen für Fit for Purpose: Design, Umsetzung und Servicelieferung

2.1»Beliebers« in Mumbai sind enttäuscht nach »Purpose«-Konzert

Am 10. Mai 2017 gab der 23-jährige kanadische Popsänger Justin Bieber sein erstes Konzert in Indien. 56.000 Fans himmelten ihn an und gaben ein kleines Vermögen dafür aus, seinen ersten Auftritt auf dem Subkontinent zu erleben. Am nächsten Morgen forderten seine Fans, die untereinander als »Beliebers« bekannt sind, lautstark eine Entschuldigung1. Biebers Performance hat sie nicht beeindruckt, ja sogar beleidigt. Sie fühlten sich abserviert. Sie fühlten sich nicht respektiert. Was ging schief?

Zum Zeitpunkt des Schreibens im Sommer 2017 ist Justin Bieber auf Twitter mit knapp unter 100 Millionen die Person mit den zweitmeisten Followern. Er ist in jeder Hinsicht ein Megastar mit einer weltweiten Fangemeinde. Er war noch ein Teenager von 13 Jahren, als seine Auftritte, in denen er andere Musiker coverte, von seiner Mutter über YouTube verbreitet wurden. Diese erweckten die Aufmerksamkeit von Talentmanagern und Plattenlabels. Bieber hatte eine musikalische Ausbildung, er spielt verschiedene Instrumente wie Klavier, Schlagzeug, Gitarre und Trompete. Er komponiert eigene Lieder, wobei seine bekanntesten Songs für ihn geschrieben wurden. Zehn Jahre später war er auf Tournee mit seinem vierten Studioalbum »Purpose«.

In Mumbai, früher bekannt unter dem Namen Bombay und Heimat von Indiens Filmindustrie (»Bollywood«) sowie reicher und berühmter Künstler, hat Bieber die Erwartungen nicht erfüllt. Es wurde offensichtlich, dass er Playback nutzte, als der Gesang weiterlief, während er sich das Gesicht mit einem Tuch abwischte. Die Fans waren enttäuscht. Sie hörten eine Aufzeichnung und kein Livekonzert. In einer Stadt, in der von Künstlern erwartet wird, dass sie tadellos gekleidet und frisiert sind, jedes Haar an der richtigen Stelle sitzt und sie perfekt einstudierte makellose Choreografien vorführen, war Biebers Erscheinung eher unkonventionell. Er sah aus, als würde er gerade aus dem hoteleigenen Fitnessraum kommen, gekleidet in T-Shirt, Sporthose und Turnschuhen. Für jene, die umgerechnet 100 bis 1.200$ für eine Eintrittskarte hinblättern mussten und zusätzlich Reiseausgaben hatten, war Biebers Auftritt, übrigens der einzige seiner ironischerweise »Purpose« genannten Tour in Indien, einfach nicht Fit for Purpose!

Um zu verstehen, was bei Bieber in Indien schiefgelaufen ist, müssen wir verstehen, dass Bieber und seine Musik ein Produkt bilden und dass zu jedem Produkt oder Service drei Komponenten ihren Beitrag leisten: das Design, die Umsetzung und die Lieferung zum Kunden (siehe Abb. 2–1). Mit dem Konzert in Mumbai scheiterten Bieber und sein Team bei der Servicelieferung. Sie scheiterten darin, die Erwartungen der ihn anhimmelnden Fans zu erfüllen und einen Liveauftritt zu liefern, der die Idealisierung der Beliebers respektierte und ihre Investition in eine Gelegenheit honorierte, ihr Idol live auftreten zu sehen.