9783968500317.jpg

Impressum

Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil dieses Buches darf ohne vorherige schriftliche Genehmigung durch den Autor reproduziert werden, egal in welcher Form, ob durch elektronische oder mechanische Mittel, einschließlich der Speicherung durch Informations- und Bereitstellungs-Systeme, außer durch einen Buchrezensenten, der kurze Passagen in einer Buchbesprechung zitieren darf.

Autor und Verlag waren um größtmögliche Sorgfalt bemüht, übernehmen aber

keine Verantwortung für Fehler, Ungenauigkeiten, Auslassungen oder Widersprüche.

1. Auflage

05/2020

© J-K-Fischer Versandbuchhandlung Verlag und

Verlagsauslieferungsgesellschaft mbH

Im Mannsgraben 33

63571 Gelnhausen Hailer

Tel.: 0 60 51 / 47 47 40

Fax: 0 60 51 / 47 47 41

Besuchen Sie uns im Internet unter

www.j-k-fischer-verlag.de

Layout, Satz/Umbruch, Bildbearbeitung:

Lettero Verlagsservice, Rheine, www.lettero.de

ISBN 978-3-96850-031-7

Jegliche Ansichten oder Meinungen, die in unseren Büchern stehen, sind die der Autoren und entsprechen nicht notwendigerweise den Ansichten des J-K-Fischer-Verlages, dessen Muttergesellschaften, jeglicher angeschlossenen Gesellschaft oder deren Angestellten und freien Mitarbeitern.

Zum Buch:

Diese Jahrbuch der politischen Ereignisse des Jahres 2019 ist ein muss für jeden politisch interessierten Menschen!

Thomas Röper, der Inhaber der Seite Anti-Spiegel.ru hat zu den verschiedenen Themen, die das Jahr 2019 dominiert haben, Chronologien geschrieben. Zu 35 Themen von „Brexit“ bis „Wettrüsten“ finden Sie Chronologien zu allen wichtigen politischen Themen des letzten Jahres.

Das Besondere an dem Buch ist, dass man als Leser der Medien von einem Thema zum Beispiel im Januar viel gehört hat und dann ist es für Monate aus den Medien verschwunden. Und wenn es dann zum Beispiel im Mai wieder in den Medien aufgetaucht ist, hat man - weil man ja vier Monate mit anderen Themen beschäftigt wurde - die Details schon wieder vergessen.

In diesem Buch findet man die Ereignisse zu jedem Thema in komprimierter Form und so werden die Zusammenhänge und Details sichtbar, die man sonst leicht übersieht. Jedes einzelne der Themen liest sich dadurch fast wie ein Polit-Thriller, denn dadurch wird sichtbar, wie Dinge zusammenhängen und warum sie sich so entwickelt haben, wie es geschehen ist.

Thomas Röper hat für dieses Jahrbuch auf viele seiner Artikel zurückgegriffen, die er im Laufe des Jahres 2019 zu den Themen geschrieben hat und sie zu Kapiteln zusammengefügt. Das Ergebnis ist eine einzigartige politische Chronologie, die einem die Augen öffnet.

Natürlich sind die Texte ganz im Stile von Röper voll mit Spitzen gegen die Medien, die sich bei den meisten Themen alle Mühe geben, bestimmte Zusammenhänge zu verbergen. Wozu sollte der deutsche Leser zum Beispiel wissen, dass Deutschlands Tornados völkerrechtswidrig in Syrien aktiv sind und dass der IS, den sie angeblich militärisch bekämpfen sollen, seit Februar 2019 militärisch besiegt ist? Diese Information könnte den Leser nur unnötig beunruhigen und lästige Fragen provozieren.

Das war nur ein Beispiel für die vielen Dinge, die der deutsche Medienkonsument eigentlich nicht erfahren soll, die aber plötzlich offen sichtbar werden, wenn man die Chronologien zu den verschiedenen Themen in komprimierter Form liest.

Das Buch ist nicht nur eine spannende Chronologie des Jahres 2019, sondern auch ein echter Augenöffner.

Vorwort

Dieses politische Jahrbuch ist als Chronologie des Jahres 2019 für die wichtigsten politischen Themen gedacht, die die deutschen Schlagzeilen in diesem Jahr bestimmt haben.

Obwohl dieses Buch zum großen Teil aus Artikeln zusammengestellt ist, die ich selbst geschrieben und auf meiner Webseite Anti-Spiegel.ru veröffentlicht habe, war es faszinierend, das Buch zu schreiben. Der Grund dafür ist einfach: Wenn sich die Dinge so entwickeln, wie sie es seit geraumer Zeit tun, dann hört man beispielsweise im Januar viel zu einem bestimmten Thema, dann wird es um das Thema ruhiger und andere Themen treten in den Vordergrund, und wenn das Thema dann beispielsweise im Mai wieder mit Neuigkeiten auftaucht, hat man die Meldungen aus dem Januar schon fast vergessen.

Wenn man diese Dinge aber nach einem Jahr ordnet, nach Themen sortiert und sich anschließend jedes Thema „komprimiert“ ansieht, sieht man spannende Entwicklungen und rote Fäden.

Doch ich will hier nicht allzu viel vorwegnehmen.

Nehmen Sie sich einfach die Zeit und machen Sie gemeinsam mit mir eine Reise durch die Ereignisse des Jahres 2019, vor allem durch diejenigen Nachrichten, die es auf wundersame Weise nicht in die deutschen Medien geschafft haben. Diese Nachrichten runden das Bild nämlich manchmal erst richtig ab.

Brexit

Der Brexit war eines der beherrschenden Themen in 2019. Verlässt Großbritannien die EU oder nicht? Und wenn ja, wird es ein harter Brexit oder nicht? All das hat uns durch das Jahr begleitet, inklusive mehrerer Aufschübe des EU-Austritts.

Irgendwo habe ich dazu gelesen: „1. Januar 2035: Wieder hat das britische Parlament bei der EU einen Aufschub beantragt. Aufschub von was und woher der putzige Brauch stammt, weiß heute niemand mehr genau, aber der Anlass wird jedes Mal ausgiebig gewürdigt.“

Sei‘s drum. Nachdem Boris Johnson Ende 2019 seine Wahl gewonnen hat, ist der Brexit (wohl) beschlossene Sache. Ich schreibe diese Zeilen Anfang Januar 2020, und wenn Sie dies lesen, wissen Sie bereits, ob Johnson am 1. Februar die EU verlassen hat oder nicht.

Bevor wir auf die wichtigsten Ereignisse des Jahres 2019 kommen, möchte ich zunächst einmal ganz allgemein analysieren, wem der Brexit – oder besser gesagt, das ganze Theater um den Brexit – genützt hat.

Seit der Entscheidung für den Brexit wundere ich mich über die Naivität der Briten. Nicht weil sie für den Brexit gestimmt haben, das war ihre freie Entscheidung, und es gibt und gab gute Gründe für den Brexit und dagegen. Fakt ist, dass auch in anderen Ländern wie zum Beispiel Frankreich oder Italien Politiker laut über einen Austritt aus der EU nachdenken.

Und es gibt ja auch Gründe dafür. Die EU ist inzwischen zu einem bürokratischen und undemokratischen und wahrscheinlich sogar unreformierbaren Moloch geworden. Jedenfalls hat die heutige EU nicht mehr viel mit dem Friedensprojekt zu tun, für das vor 60 Jahren die Menschen demonstrierten. Ein Staat, der so aufgebaut ist wie die EU, würde niemals in die EU aufgenommen werden, weil er zu undemokratisch ist. Deshalb ist es durchaus nachvollziehbar, wenn manche Menschen sagen, lieber keine EU als so eine EU.

Andererseits hat die EU auch viele Vorteile gebracht. Der Binnenmarkt ist durchaus ein Vorteil, der für Länder wie Griechenland erst zum Nachteil wurde, als sie den Euro einführten. Die Tschechen und Polen haben die Einladung, dem Euro beizutreten, abgelehnt und werden das danach sicher nicht bereut haben. Aber über den Binnenmarkt freuen sie sich.

Auch die Reisefreiheit ist positiv. Es ist doch etwas Schönes, ohne Grenzkontrollen zu reisen oder sich, wenn man will, auf Mallorca niederlassen zu können, wenn man es möchte.

Das sind ohne Zweifel Vorteile der EU. Aber sie hat eben auch Nachteile. Fragen Sie mal die Griechen, denen es heute besser ginge, wenn sie dem Euro nicht beigetreten wären.

Es ist selbstverständlich die alleinige Entscheidung der Briten, die EU zu verlassen, aber dass die Briten so naiv sind, zu glauben, mit der EU ein faires Abkommen aushandeln zu können, das verstehe ich nicht. Scheinbar haben sie zum einen die Motive der EU nicht verstanden und zum anderen immer noch den Größenwahn einer Kolonialmacht, die der Meinung ist, andere würden sich schon beugen, wenn London es will. Jeder gute Vorschlag der Briten würde und wurde von der EU abgelehnt, denn wenn die EU es zulässt, dass ein Land die EU verlässt und es geht dem Land danach nicht schlechter als vorher in der EU, dann könnten andere diesem Beispiel folgen. Und das will Brüssel um jeden Preis verhindern. Ich kann kaum glauben, dass die Briten die Hoffnung auf ein Abkommen hatten.

Dabei muss man keineswegs in der EU sein, um in Wohlstand und Freiheit zu leben. Die reichsten Länder, die nach verschiedensten Umfragen den höchsten Lebensstandard und die zufriedensten Bevölkerungen haben, sind die Schweiz und Norwegen. Beide sind nicht in der EU. Trotzdem haben beide zahlreiche Kooperationsverträge mit der EU geschlossen, und das wäre mit etwas gutem Willen auch mit Großbritannien möglich gewesen. Das Problem: Die EU hatte keinen guten Willen, sie hat stattdessen ein Motiv, den Brexit zu einem abschreckenden Beispiel für alle zu machen, die ebenfalls mit dem Gedanken spielen, die EU zu verlassen.

Die Problematik bei den Briten ist natürlich kompliziert, vor allem in Bezug auf Nordirland. Aber wo ein Wille ist, da ist auch ein Weg.

Die EU ist in keinem Punkt auf die Briten zugegangen, sondern hat von Anfang an gesagt, was alles für sie nicht verhandelbar ist. Und das war so ziemlich alles. So wurden alle britischen Vorschläge abgelehnt, wobei man fairerweise sagen muss, dass viele der britischen Vorschläge auch nicht eben hilfreich waren. Es saßen sich zwei Partner gegenüber, die von ihren Maximalforderungen nicht abrücken wollten. Aber auch vernünftige Vorschläge der Briten wurden zurückgewiesen.

Hätte die EU ihre Verhandlungen mit der Schweiz oder Norwegen in einem Tonfall geführt wie jetzt mit Großbritannien, diese beiden Länder hätten bis heute keine Verträge mit der EU. Aber wie gesagt, Länder an die EU zu binden ist ein Ziel von Brüssel, und deshalb spricht man mit derartigen Kandidaten höflich, mit Austrittskandidaten hingegen am liebsten gar nicht.

Daher war und ist der harte Brexit – wenn es ihn denn unbedingt geben soll – für die EU in meinen Augen das Ziel, trotz aller Lippenbekenntnisse aus Brüssel. Denn ein für England erfolgreicher Brexit würde andere Länder ermutigen, das Gleiche zu versuchen.

Sogar in der Presse kann man das zwischen den Zeilen lesen, wie etwa heute im Spiegel:1May hat die schlechteren Karten. Ein ‚No Deal‘-Brexit würde die EU wirtschaftlich hart treffen, für Großbritannien wäre er eine Katastrophe. Schon deshalb ist es unwahrscheinlich, dass die EU in letzter Minute doch noch einknickt.

Mit anderen Worten: Die EU wird nicht einknicken, auch wenn es sie selbst hart trifft, Hauptsache, es trifft die Briten noch härter.

Wie war das mit den westlichen Werten? Also zum Beispiel die Anerkennung des demokratischen Willens der Mehrheit beim Brexit-Referendum? Fehlanzeige. Solidarität mit langjährigen (Nato-)Partnern? Keine Spur.

Wer solche Freunde hat, der braucht keine Feinde mehr, das wird sich Theresa May wahrscheinlich öfter gedacht haben.

Im Februar 2019 konnte man im Spiegel lesen, dass Brüssel die EU-Länder zur Geschlossenheit aufgerufen und gefordert hat, London nicht im Alleingang entgegenzukommen2. Deutlicher konnte die EU gar nicht zugeben, dass es ihr um eine Niederlage Großbritanniens geht: „Die EU-Kommission warnt die verbleibenden Mitgliedstaaten der Gemeinschaft davor, den Briten bei den Notfallplanungen für einen harten Brexit ohne Austrittsabkommen zu weit entgegenzukommen. Entsprechende Mahnungen trägt nach SPIEGEL-Informationen unter anderem die stellvertretende Generalsekretärin der Behörde, Céline Gauer, bei ihren Besuchen in verschiedenen EU-Hauptstädten vor, darunter am Mittwoch auch in Berlin. Die Notfallmaßnahmen dürften auf keinen Fall so komfortabel sein wie die im Austrittsabkommen getroffenen Regeln, lautet die Botschaft der Beamtin. (…) Die Sache ist auch deswegen pikant, weil sich im Falle eines zu weiten Entgegenkommens der verbleibenden EU-Länder im Falle eines Brexit ohne Abkommen am Ende doch noch die Sichtweise der harten Brexiteers bestätigt [sic] würde. Sie hatten schon immer gesagt, dass die verbleibenden EU-Länder in letzter Minute die Nerven verlieren und den Briten weitreichende Zugeständnisse machen würden, um eine wirtschaftliche Katastrophe zu verhindern.

Man sollte also meinen, dass London genug Probleme hatte und sich auf eine wirtschaftlich sehr harte Landung hätte vorbereiten müssen. Stattdessen träumten im Februar 2019 jedoch viele Politikerin London von der Wiedererrichtung des British Empire. Der Verteidigungsminister legte in einer Rede, die RT-Deutsch ausführlich zitiert hat, dar, dass Britannien wieder mit einer großen Armee und Flotte an seine Vergangenheit als Weltmacht anknüpfen sollte3.

Wie das gehen soll, blieb sein Geheimnis, denn man muss sich ein großes Militär auch leisten können. Beim BIP (PPP) steht Großbritannien aber nur auf Platz 9 in der Welt und beim Militärhaushalt auf Platz 7, sogar hinter seiner ehemaligen Kolonie Indien.

Mehr noch: Durch den Brexit wird Großbritannien alle Hände voll zu tun haben, nicht auf England zusammenzuschrumpfen, denn beim harten Brexit wird es wieder Unabhängigkeitsbestrebungen in Nordirland geben, was ein Wiederaufflammen des Bürgerkrieges dort möglich macht. Und auch Schottland will in der EU bleiben und könnte ein neues Referendum zu seiner Unabhängigkeit fordern.

Ende März hatte das britische Parlament zum dritten Mal über das Brexit-Abkommen abgestimmt. Weniger als zwei Wochen blieben bis zum fatalen Datum, dem 12. April, den die EU als Ultimatum gesetzt hatte.

Der Hintergrund war, dass die Europawahlen anstanden, es juristisch heikel war und dass Großbritannien an den Wahlen nicht teilnehmen wollte. Daher war der 12. April das Datum, an dem London entweder doch an der Wahl teilnimmt oder die EU verlassen sollte.

Premierministerin Theresa May versuchte verzweifelt, mit Brüssel ein Abkommen zu finden, das in London im Parlament mehrheitsfähig gewesen wäre. Doch sie biss auf Granit.

Da das britische Parlament gegen das vereinbarte Abkommen und gegen den Austritt ohne Abkommen ist, wurde nach einem dritten Weg gesucht. Nur welchen?

Im Gespräch waren Parlaments-Neuwahlen oder die Ankündigung eines neuen Referendums.

Am 29. März schied Großbritannien trotz der Ankündigung, die Premierministerin Teresa May 2017 freiwillig verkündet hatte, nicht aus der Europäischen Union aus. Stattdessen wurde im Unterhaus eine weitere Abstimmung über die Bedingungen für einen Austritt aus der EU abgehalten, die Theresa May krachend verlor.

Zum dritten Mal war die Regierung zu diesem Zeitpunkt bereits mit ihrem Abkommen zum Brexit gescheitert. Das britische Parlament stand damit vor der Wahl: Entweder die EU ohne Einigung zu verlassen oder eine weitere Verschiebung zu fordern.

Der Chef des Europäischen Rates Donald Tusk hatte erklärt, dass die Bedingung für eine weitere Verschiebung des Brexit die Teilnahme Großbritanniens an den Wahlen zum Europäischen Parlament sei, was de facto eigentlich den Abschied vom Brexit bedeutet hätte, weil die Abgeordneten für fünf Jahre gewählt werden.

Man entschied sich einmal wieder für eine Verlängerung und für die britische Teilnahme an der Wahl.

Und so ging es durch das Jahr. May verlor ihren Posten und Boris Johnson folgte ihr als Premierminister nach. Aber auch er wurde im Oktober gezwungen, eine weitere Verlängerung bei der EU zu erbitten, weil das Parlament in London sich nicht einigen konnte. Die Neuwahlen, die Boris Johnson schließlich erzwungen hatte, wurden von der Opposition zu einem neuen „Brexit-Referendum“ verklärt. Die Strategie ging gründlich in die Hose.

Die Ergebnisse der vorgezogenen Parlamentswahlen im Vereinigten Königreich haben viele verblüfft. Auffällig war, wie sehr sich das Ergebnis der Wahl von dem unterschied, was zuvor auf den Straßen los war. Allenthalben gab es Demonstrationen gegen den Brexit, und man konnte den Eindruck gewinnen, dass die Briten gegen den Brexit seien.

Aber es zeigte sich einmal wieder, dass die lauten Massen auf den Straßen keineswegs automatisch die Mehrheit stellen.

Der amtierende Premierminister Boris Johnson riskierte mit der vorgezogenen Wahl viel – und gewann. Er gewann vernichtend. Man benötigt mindestens 326 Sitze im Unterhaus, um eine Regierung zu bilden, und die Konservativen schafften es auf bis zu 370. Nur Margaret Thatcher gewann für die Tories ähnlich überzeugend, aber das war vor drei Jahrzehnten.

Johnson hatte sofort angekündigt, die EU Ende Januar zu verlassen und keinen weiteren Aufschub mehr zu wollen.

Fotos von Boris Johnson im Moment, als die Hochrechnungen verkündet wurden, erschienen in britischen Zeitungen. Sie sagten den Konservativen einen überwältigenden Sieg voraus.

Das Versprechen des Brexit war sein Köder. Viele Analysten waren verblüfft über die Bilder von Massendemonstrationen im Zentrum Londons, wo zu Protesten gegen einen Austritt aus der EU manchmal bis zu einer Million Menschen kamen. Aber sie spiegelten nicht das wirkliche Bild dessen wider, was im Land geschieht. Oppositionsführer Jeremy Corbyn, der ein zweites Referendum über den Austritt aus der Europäischen Union gefordert hatte, hat das nicht verstanden.

Ein solcher Gegner war ein echtes Geschenk für Johnson. Corbyn hat seine traditionellen Anhänger in Mittel- und Nordengland verloren.

Bei dieser Wahl gewann Johnsons Partei sogar an Orten, an denen die Konservativen immer gegen Labour verloren hatten. Zum Beispiel in der Stadt Peterborough. Beim Referendum 2016 stimmte die Mehrheit dort für den Brexit, und dieses Mal stimmten sie für den, der versprochen hatte, ihn umzusetzen.

Viel wird vom Ergebnis der Verhandlungen über ein neues Handelsabkommen mit der Europäischen Union abhängen. Michel Barnier, der Chefunterhändler aus Brüssel, hat die Frist bis Ende 2020 bereits als unrealistisch bezeichnet. Das bedeutet, dass sich die Zeit der Unsicherheit für das Vereinigte Königreich hinziehen und negative Folgen für die Wirtschaft des Landes drohen könnten.

Aber auf jeden Fall hat Johnsons Sieg den Brexit aus einer Sackgasse befreit und wird viele Veränderungen herbeiführen. Der Austritt des Vereinigten Königreichs wird unweigerlich die Dynamik in der Europäischen Union beeinflussen. Die Balkanländer Serbien, Montenegro, Nordmazedonien und Albanien, die den Status von EU-Beitrittskandidaten haben, können nicht mehr auf die Unterstützung Londons zählen. Die Briten selbst haben eine Reihe akuter territorialer Probleme.

Schottland fordert ein zweites Unabhängigkeitsreferendum. Die Scottish National Party gewann bei dieser Wahl 48 Sitze im britischen Parlament – ein Rekord. Schottland hat gegen den Brexit gestimmt, und die Vorsitzende Nicola Sturgeon sagte bereits in einem Telefonat mit Johnson, dass die Ergebnisse der Wahlen die Notwendigkeit einer weiteren Volksabstimmung zeigen.

Die Situation in Nordirland, das ebenfalls gegen den Brexit gestimmt hat, ist noch komplizierter. Selbst seine Anhänger unterstützen die jetzigen Bedingungen für den Austritt aus der Europäischen Union nicht, denen Johnson zugestimmt hat. Die sogenannten Loyalisten – Befürworter der Aufrechterhaltung der Union mit dem Vereinigten Königreich – fürchten, dass Zollschranken sie vom Rest des Landes abschneiden werden. Darüber hinaus veränderten die Wahlen die Machtverhältnisse in der Region und schwächten die Position der wichtigsten Verbündeten Londons, der Democratic Unionist Party.

Durch seinen überzeugenden Sieg und den garantierten Brexit läuft Johnson Gefahr, die Einheit des Landes zu verlieren. Und es ist nicht bekannt, wie das Königreich bei den nächsten Wahlen aussehen wird, die in fünf Jahren stattfinden werden, wenn nichts Außergewöhnliches dazwischenkommt.


1 http://www.spiegel.de/politik/ausland/grossbritannien-theresa-may-vor-den-truemmern-ihrer-brexit-strategie-a-1229823.html

2 http://www.spiegel.de/politik/ausland/brexit-ohne-deal-eu-mahnt-mitgliedstaaten-zur-haerte-gegenueber-briten-a-1253370.html

3 https://deutsch.rt.com/meinung/84261-grossbritannien-will-wieder-grossmacht-werden/

Bolivien

In Bolivien konnten wir einen Putsch erleben, der ein klassischer US-gesteuerter Regime Change war. Interessant ist, dass dabei neue Methoden erprobt wurden, die wir in Zukunft wohl öfter sehen werden. Daher werfen wir einen Blick darauf und auch auf die Frage, was die Klimadebatte mit dem Putsch zu tun hat.

Es klingt abstrus, dass die Klimadebatte, der Greta-Wahn und die Friday-Hüpfer etwas mit dem Putsch in Bolivien zu tun haben. Doch wer auf die Hintergründe achtet, kann diesen Zusammenhang nicht von der Hand weisen.

Bolivien hat die weltweit größten Lithium-Vorkommen. Dieses Metall, das in der Vergangenheit kaum jemanden interessierte, ist heute ungemein wichtig geworden, und der Grund liegt in der Klimadebatte. Viele Menschen fragen sich, warum von Politik und Medien ausgerechnet Elektroautos als Lösung für das Klimaproblem gepusht werden. Erstens benötigen sie Strom, der wieder hauptsächlich durch fossile Energieträger oder Atomkraft produziert werden muss, was den CO2-Ausstoß nicht nennenswert reduzieren wird, sondern ihn nur aus dem Automotor in ein Kraftwerk verlagert. Und zweitens bedeutet der Abbau des für die Batterien benötigten Lithiums für die betroffenen Regionen ökologische Katastrophen. Elektroautos sind also alles andere als klima- oder umweltfreundlich.

Eine Alternative wäre das Wasserstoffauto, das technisch zwar noch nicht ausgereift ist, aber das ist das Elektroauto ja auch nicht, wenn man allein die nötige Zeit zum Aufladen der Batterien bedenkt. Das Wasserstoffauto verursacht allerdings keine CO2-Emissionen. Hier wäre noch das Problem der industriellen Herstellung von Wasserstoff zu lösen, doch selbst mit der heutigen Technik wäre das Wasserstoffauto eine wesentlich umwelt- und klimafreundlichere Alternative als das Elektroauto.

Trotzdem wird das Elektroauto von den Medien propagiert. Warum?

Die Antwort ist profan: Es geht um Geld. An der Produktion von Wasserstoff lässt sich nicht besonders viel Geld verdienen. An den Batterien der Elektroautos hingegen schon. Seit die Medien das Elektroauto in den letzten zwei Jahren pushen und Greta ins gleiche Horn bläst, ist der Preis für Lithium durch die Decke geschossen.

4Die Medien haben einen Hype um Klima, CO2 und Elektroautos geschaffen, der innerhalb von weniger als fünf Jahren aus einem recht uninteressanten Rohstoff eine Goldgrube gemacht hat. Die Verdienstmöglichkeiten für Konzerne sind auf Jahre oder Jahrzehnte gesichert, denn Lithium wird in Zeiten der Elektroautos das neue Öl. Und Bolivien hat mit 9 Millionen Tonnen die weltweit größten Lithium-Vorkommen.

Normalerweise läuft der Abbau von Rohstoffen nach immer dem gleichen Muster: Ein Entwicklungsland hat den Rohstoff, eine westliche Firma schließt mit dem Land einen PSA-Vertrag ab und beutet die Bodenschätze aus, während das Land in der Regel mit nicht mehr als 25 Prozent der Einnahmen abgespeist wird. Den Löwenanteil bekommt der westliche Konzern. Der verarbeitet den Rohstoff dann bei sich zu Hause weiter und verdient mit der folgenden Wertschöpfungskette noch einmal ein Vielfaches.

Präsident Morales wollte jedoch nicht, dass Lithium in Bolivien nur abgebaut und dann im Ausland verarbeitet wird. Er wollte die gesamte Wertschöpfungskette im Land halten und so für Wohlstand sorgen. 2018 hatte Bolivien daher mit der deutschen Firma ACI-Systems einen Vertrag geschlossen. In der Pressemeldung konnte man lesen5:

„Diese Industrialisierung soll durch die Gewinnung und Herstellung von Rohstoffen aus Restsole, den Aufbau von Fertigungskapazitäten und die Produktion von Kathodenmaterial und Batteriesystemen in Bolivien sowie deren Vermarktung erfolgen.“

Im Klartext: In Bolivien sollte das Lithium abgebaut und verarbeitet werden. Bolivien hätte fertige Batterien für Elektroautos exportiert, anstatt nur den Rohstoff Lithium. Die Gewinne wären vergleichbar gewesen mit dem Ölboom in der Vergangenheit.

Aber in Bolivien haben sich Kräfte gegen das Projekt gestellt, und Morales stoppte das Vorhaben am 4. November ohne Angabe von Gründen. Zu diesem Zeitpunkt versank das Land in Unruhen, dazu später mehr. Wahrscheinlich sah Morales in dem Deal mit ACI den Grund für den Widerstand gegen sich und hatte gehofft, die Situation zu entschärfen, wenn er den Vertrag annulliert. Aber das ist Spekulation, weil er bis heute keine Gründe für den Schritt genannt hat.

Wir sehen, dass es hier einige interessante „Zufälle“ gibt: Ein Entwicklungsland hat die Chance, aus der Armut zu entkommen, und eine deutsche Firma will dabei helfen. Doch plötzlich findet ein Putsch statt und das Projekt wird gekippt. Man muss kein Prophet sein, um vorherzusagen, dass demnächst US-Firmen den Zuschlag für den Abbau von Lithium in Bolivien bekommen und die Weiterverarbeitung zu Batterien nicht in Bolivien stattfinden wird.

Nun kommen wir zur interessanten Frage, wie all dies eingefädelt wurde. Und wie ich eingangs sagte, werden wir eine neue Technik aus der Trickkiste der US-amerikanischen Regime Changes kennenlernen.

Etwa zwei Wochen vor der Wahl in Bolivien waren 16 Audiodateien von Gesprächen aufgetaucht, die belegen, wie der Putsch ablaufen sollte6. Ursprünglich waren sie auf einem Dropbox-Account, der jedoch inzwischen gelöscht wurde, doch sie wurden heruntergeladen und sind nun auf anderen Seiten zugänglich. Die Aufnahmen zeigen, dass die USA zusammen mit Komplizen in Bolivien einen Putsch planten, und sie zeigen im Detail auf, wie das ablaufen sollte.

Am 8. Oktober, also zwölf Tage vor der Wahl, die am 20. Oktober stattfinden sollte, hatte ein Portal darüber berichtet und aufgezeigt, dass der Putsch-Plan aus drei Phasen bestehen sollte. Wie wir sehen werden, war das ein geradezu prophetischer Artikel, denn es ist fast zu 100 Prozent alles so eingetroffen, wie es dort Wochen vorher beschrieben wurde7. Das alleine ist ein sicheres Anzeichen dafür, dass der Autor des Artikels sich auf wahre Informationen berufen hat. Demnach ist ein Vorgehen in drei Phasen lange vorher geplant worden.

Erstens: „Vorbereitungsphase“ – Zweck: Bereitung des Feldes für die nachfolgenden Phasen.

Im April und Juli 2019 wurden politische Bündnisse geschmiedet, um eine einheitliche Oppositionsfront zu bilden. Es fanden Sitzungen und Aktionen statt, um die Stufen 2 und 3 vorzubereiten, und es wurden Kampagnen gegen die Regierung vereinbart, die Medien, Ad-hoc-Medien, Aktivisten in sozialen Netzwerken und auch formelle Beschwerden bei internationalen Gremien umfassten.

Die Strategie in den sozialen Netzwerken und die Fake News wurden von dem Bolivianer Raél Reyes Rivero, einem der wichtigsten Mobilisierungsaktivisten der Opposition, geleitet. Er hatte Aktionen und Pläne der demokratischen Plattformen und Bürgerkomitees gegen die Regierung vorbereitet, um den Sturz von Präsident Evo Morales einzuleiten.

Der ehemalige Präsident und Widersacher von Morales, Jorge Quiroga, war verantwortlich für die Suche nach Unterstützung bei regionalen und internationalen Institutionen wie der OAS (Organisation Amerikanischer Staaten), der Europäischen Union und einigen anderen, um den absehbaren Wahlsieg von Morales zu delegitimieren und als verfassungswidrig zu bezeichnen und so den Boden für eine internationale Intervention (auch medial oder notfalls wirtschaftlich) in Bolivien zu bereiten.

Zweitens: „Intensive Phase“ – Zweck: Die Schaffung von Unruhen und sozialer Instabilität im Land.

Sie begann im Juli und sollte bis Oktober andauern. Es sollte eine soziale Krise im Land entstehen. Dazu sollten gewalttätige und friedliche Demonstrationen und Streiks stattfinden, die von Bürgerkomitees, der 21F-Bewegung, Studenten und anderen Gruppen veranstaltet wurden.

Juan Flores, Präsident des Bürgerkomitees von Cochabamba, ist politischer Berater von Carlos Sénchez Berzain und Manfred Reyes Villa in Bolivien und hatte die Aufgabe, bürgerliche Komitees und ehemalige Armeeoffiziere und Polizisten zusammenzubringen. Zusammen mit dem pensionierten Oberst Oscar Pacello wurden diese Gruppen subtil manipuliert, um zu einem Punkt zu kommen, an dem Gewalt und soziale Unruhen ausbrechen konnten.

Es waren Proteste und Kundgebungen vorgesehen, die dann am 20. September (national), am 26. September (in La Paz) und am 4. Oktober (in Santa Cruz und La Paz) stattgefunden haben. Das Ziel war, die bewaffneten staatlichen Institutionen, vor allem die Polizei und die Armee, politisch zu „zersplittern“, damit diese beim Putsch nicht einheitlich hinter dem Präsidenten stehen.

Es wurden Offiziere innerhalb der Armee gesucht, die den Staatsstreich unterstützen würden und für eine Übergangszeit entweder eine neue Regierung an die Macht bringen oder selbst die Macht übernehmen würden. Darunter auch Offiziere, die dem Präsidenten nahestehen und ihn falsch über die Entwicklungen informieren würden.

Drittens: „Endphase“ – Vorwürfe über Wahlbetrug und Ausrufung einer Parallelregierung (nach dem Vorbild Venezuela).

Umfragen sagten voraus, dass Präsident Morales die Wahl gewinnen würde. Daher hatte die US-Botschaft im Vorfeld heimlich die Bedingungen für die Vorwürfe des Wahlbetrugs geschaffen. Schon vor den Wahlen hatte eine leitende Mitarbeiterin der US-Botschaft in Bolivien, Marianne Scott, bei Treffen mit Bolivianern und auch mit ausländischen Diplomaten im Land die anstehenden Wahlen diskreditiert und eine Atmosphäre des Misstrauens geschaffen.

Bei ihren Treffen mit hochrangigen Beamten der Botschaften Brasiliens, Argentiniens, Paraguays, Kolumbiens, Spaniens, Ecuadors, des Vereinigten Königreichs und Chiles hatte sie immer wieder gefordert, die Länder sollten ebenfalls die Wahlen anzweifeln, weil das glaubwürdiger wäre, als wenn nur die USA die Wahlen anzweifeln.

Danach gab es mehrere Möglichkeiten: Entweder einen Militärputsch oder die Selbsternennung einer Parallelregierung, die Präsident Morales absetzt und die Macht übernimmt.

So weit die Veröffentlichungen vom 8. Oktober, zwei Wochen vor der Wahl, später erfahren wir noch weitere Details.

Es ist alles genau so eingetreten: Gegen die Wahlen gibt es Fälschungsvorwürfe, es gibt massive Unruhen im Land, die mit den USA befreundeten Länder zweifeln die Wahl an. Lediglich ein offener Militärputsch bzw. eine Parallelregierung wurde nicht nötig, da Morales auf Druck der Armee zurückgetreten ist, nachdem seine Wachen abgezogen wurden, das Haus seiner Schwester abgefackelt und sein eigenes Haus verwüstet worden war. Morales fordert ein Ende der Gewalt und sagte bei seinem Rücktritt, er trete zurück, damit die Unruhen enden und die Gewalt nicht eskaliert. Allerdings sind vor allem seine Unterstützer aufgrund des offensichtlichen Putsches bisher nicht bereit, ihre Proteste einzustellen.

Eine Frage bleibt offen: Tatsächlich gab es massive Hinweise auf Wahlfälschung. Laut Verfassung hätte Morales entweder über 50 Prozent der Stimmen erreichen müssen, um den ersten Wahlgang zu gewinnen, oder über 40 Prozent und mindestens 10 Prozent Vorsprung vor dem nächsten Kandidaten. Kurz vor Ende der Auszählung, als Morales diese 10 Prozent Vorsprung nicht hatte, wurden die Übertragungen der Auszählung unterbrochen – angeblich wegen eines Computerproblems. Und als sie Stunden später wieder übertragen wurden, da hatte Morales plötzlich die nötigen 10 Prozent Vorsprung.

Das war mehr als verdächtig und deutete auf eine Wahlfälschung durch Morales hin. Daraufhin eskalierten die Proteste im Land, die westlichen Länder prangerten die Wahlergebnisse an und forderten Neuwahlen. Morales reagierte, indem er sich an die OAS wandte, damit diese eine internationale Neuauszählung durchführen konnte. Doch das Ergebnis wurde nicht abgewartet.

Der Oberkommandierende der bolivianischen Streitkräfte, Williams Kaliman, und der Polizeichef, Vladimir Yuri Calderón, forderten Morales vorher zum Rücktritt auf. Es ist wenig überraschend, dass beide engste Kontakte zu den USA unterhalten8. Kaliman war von 2013 bis 2016 in Washington an der bolivianischen Botschaft tätig, und Calderón ist in gemeinsame Programme mit dem FBI eingebunden.

Die Auszählung der Stimmen durch die OAS war problematisch, weil bei den Unruhen auch Wahllokale angegriffen und dabei Stimmzettel vernichtet wurden. Und die Untersuchung des fraglichen Servers hatte Fragen aufgeworfen, weil dort merkwürdige Programme gefunden wurden.

Hat Morales also die Wahl gefälscht?

Es waren wohl eher die USA, denn im „prophetischen“ Artikel vom 8. Oktober, aus dem ich die drei Phasen der Putschvorbereitungen zitiert habe, konnte man Folgendes lesen. Ich übersetze es wörtlich.

Beginn der Übersetzung:

ES IST NICHT WICHTIG, WER WÄHLT, SONDERN WICHTIG IST, WER DIE STIMMEN AUSZÄHLT.

Parallel dazu fand im Juli ein privates Treffen zwischen Jaime Antonio Alarcén Daza, Ivén Arias und anderen Mitgliedern der Bürgerkomitees statt, bei dem vereinbart wurde, „Maschinen für die schnelle Stimmenauszählung“ für die kommende Präsidentschaftswahl zu erwerben, um die Wahlergebnisse manipulieren zu können.

Diese Maschinen würden insgesamt 300.000 Dollar kosten. Die US-Botschaft und die Vertretung der Europäischen Union im Land würden zur Finanzierung des Kaufs beitragen, die Mittel würden sie über die Jubileo-Foundation und die Evangelische Kirche bereitstellen. Für dieses Ziel haben sie mehr als 800.000 Dollar gesammelt, mit denen auch die Leute, die an der schnellen Auszählung der Stimmen teilnehmen würden, bezahlt würden.

Die Absicht dahinter ist, die Maschinen in jedem niedergelassenen Wahlvorstand zu platzieren und durch die Bürgerkomitees und ihre Berichterstattung (durch Personen, die im Voraus für dieses Manöver geschult wurden) während des gesamten Wahltages die Medienberichterstattung zu organisieren. Die Bevölkerung sollte aufgefordert werden, dieses System der Stimmenauszählung als Möglichkeit zur Überwachung der Ergebnisse anzuerkennen, ohne das Oberste Wahlgericht einzuschalten.

In dieser Phase wird die „Union Juvenil Cruceista“ (Anm. d. Übers.: eine militante, rechtsextremistische Gruppierung aus Santa Cruz) eine Schlüsselrolle spielen, die Kriminelle rekrutiert hatte, um nach der Veröffentlichung der endgültigen Wahlergebnisse als Speerspitze eine grundlegende Rolle bei Konfrontationen und gewalttätigen Aktionen gegen die staatlichen Institutionen zu spielen.

Juan Martin Delgado, Mitglied dieser Jugendorganisation, ist für die Organisation der gewalttätigen Aktivitäten verantwortlich. Er zählt auch auf die Unterstützung des Bolivianers Luis Fernando Camacho, Präsident des Bürgerkomitees von Santa Cruz, der wiederum Hinweise und Ratschläge von US-Regierungsmitarbeiter Rolf A. Olson erhält.

(…)

Diese Strategie, die von der US-Botschaft in Bolivien geleitet und finanziert wird, sieht auch den Aufruf zu einem unbefristeten Generalstreik vor dem Wahltag, verdeckte Operationen, Diskreditierungs- und Desinformationskampagnen und andere Arten von Sabotage vor, um Gewalt zu erzeugen und den Wahlprozess zu delegitimieren.

Ende der Übersetzung

Wenn also tatsächlich kurzfristig Hardware für die Stimmenauszählung mit westlichem Geld im Westen angeschafft worden ist, muss man kein Hellseher sein, um zu vermuten, dass dabei auch Schadprogramme installiert wurden, die bei der Auszählung für das Chaos sorgen konnten, das es dann ja tatsächlich am Wahltag gegeben hat.

Das ist der neue Trick der Regime-Change-Spezialisten in Washington: Sie behaupten nicht nur, es habe eine Wahlfälschung gegeben, sie organisieren sie zur Sicherheit gleich selbst, um sie der Regierung in die Schuhe schieben zu können.

Übrigens gab es schon drei Tage nach der Wahl Meldungen darüber, dass die „Union Juvenil Cruceista“ den von ihr mobilisierten Demonstranten ein Handgeld für die Teilnahme an Demonstrationen gegeben hatte, und denen, die ein Wahllokal in Santa Cruz angezündet haben, wurden sogar fast 200 Dollar pro Nase bezahlt9. Im Entwicklungsland Bolivien ist das fast ein Drittel eines Monatslohns. Sie können ja einmal raten, wo das Geld dafür wohl hergekommen sein mag.

Morales hatte versucht, mit der Opposition zu verhandeln und sogar Neuwahlen angeboten. Doch die Opposition handelte exakt so, wie im „prophetischen“ Artikel vom 8. Oktober vorhergesagt, indem sie jeden Kompromiss ablehnte, und auch die „Bürgerkomitees“ spielten ihre Rolle. Im Spiegel konnte man lesen10:

„Die Opposition wies unterdessen einen Aufruf von Amtsinhaber Evo Morales zum Dialog zurück. Sein Rivale bei der Präsidentschaftswahl, Carlos Mesa, sagte mit Blick auf Morales und dessen Regierung, es gebe ‚nichts zu verhandeln‘. Auch eine weitere Oppositionspartei schlug das Gesprächsangebot aus. Die einflussreichen Bürgerkomitees, die die Proteste maßgeblich organisieren, schloss der Präsident zuvor ausdrücklich von seinem Angebot aus.“

Als Morales dann am 10. November unter dem enormen Druck von Militär und Polizei seinen Rücktritt verkündete, stürmten die Demonstranten auch gleich die Staatssender, die pro-Morales waren, woraufhin diese den Sendebetrieb für Tage einstellten. Die Massenmedien waren damit in der Hand der Putschisten, die von den verbliebenen privaten Medien unterstützt werden.

Der Spiegel machte nach dem Rücktritt von Morales seiner Aufgabe als Verkünder der US-Propaganda dann auch alle Ehre und erklärte seinen Lesern, warum der Rücktritt eines Staatspräsidenten nach Drohungen des Militärs trotzdem kein Putsch sei11.

„Wenn das Militär einen demokratisch gewählten Präsidenten vorzeitig zum Rücktritt drängt wie jetzt in Bolivien, nennt man das normalerweise einen Putsch. Doch was ist, wenn eine Volksbewegung den Sturz des Präsidenten unterstützt, weil er seine jüngste Wiederwahl einer Manipulation an den Urnen verdankt?“

Morales, der ein Vertreter der indianischen Ureinwohner ist, fand Schutz bei den Koka-Bauern, die seine wichtigsten Unterstützer sind, bevor er schließlich nach einigem Hin und Her nach Mexiko ausgeflogen werden konnte. Mexiko hatte sich bereiterklärt, ihn aufzunehmen, was sich jedoch schwierig gestaltete, da einige Länder das Auftanken oder auch den Überflug des Flugzeuges untersagten. Spätestens hier ist der Druck zu sehen, den die USA ganz offen in der Sache ausgeübt haben. Man wollte Morales nicht nur absetzen – im „Idealfall“ wäre er auch gelyncht worden, um seine Rückkehr ein für alle Mal zu verhindern.

Morales gab danach Reuters ein Interview, in dem er berichtete, dass die USA angeboten hätten, ihn auszufliegen12. Doch er vermutete, dass er von den USA in diesem Fall direkt nach Guantanamo transportiert worden wäre.

Nachdem Morales außer Landes war, arbeiteten die USA nach dem üblichen Schema. In Bolivien eskalierte die Gewalt weiter, und wer war laut Washington daran schuld? Natürlich die Russen!

Senator Marco Rubio, der auch in den veröffentlichten Gesprächen zur Vorbereitung des Putsches immer wieder als führender Strippenzieher erwähnt wird, twitterte13:

Wer sich dafür interessiert, wie Putin Desinformation als Instrument der Außenpolitik einsetzt, sollte die aktuelle Berichterstattung über Bolivien anschauen

1. Sie erstellen Fake News

2. Sie verbreiten es über ein riesiges Netzwerk von Outlets & Social-Media-Akteuren

3. Desinformation wird in den Mainstream-Medien widergespiegelt“

Interessanterweise gab es den Hinweis auf die bösen Russen nicht einmal in Bolivien selbst, aber in Washington ist es wohl ein Reflex, Russland für alles verantwortlich machen zu wollen. Dabei haben wir gesehen, dass es genau umgekehrt ist und dass eine Bot-Armee der Putschisten in sozialen Netzwerken aktiv werden sollte. Und tatsächlich gab es keine massive Kampagne für Morales im Netz, sondern gegen ihn. Der Journalist Ben Norton hat wohl als Erster darauf aufmerksam gemacht14:

„Es gibt Tausende offensichtlicher Bot-Konten, die jeden trollen, der über den rechten Putsch in Bolivien twittert

Sie verbreiten Propaganda auf Englisch, ihre Kontonamen sind oft nur Namen und Nummern und sie wurden erst im November erstellt

Hier läuft eine große Operation“

Und er wurde getrollt, woraufhin er schrieb15:

„Dieses Gefühl, wenn man über die rechten Bolivien-Putsch-Bots twittert … und einige derselben Bots, deren gefälschte Konten buchstäblich gestern eingerichtet wurden, ankommen und behaupten, dass sie keine Bots sind.“

Und es ging weiter16:

„Hahaha noch ein weiterer bolivianischer Putsch-Bot-Account, der nur 4 Tweets hat, greift mich an.

Er wurde vor 3 Stunden eingerichtet und er folgt 1 Person: dem rechtsextremen bolivianischen Putschführer Camacho.

Die Pro-Putsch-Bot-Desinformationskampagne ist so offensichtlich.“

Das Medienunternehmen Redfish fasste Beispiele dafür in einem Videoclip zusammen17:

„Warum versuchen Bots, die Leute davon zu überzeugen, dass es in Bolivien keinen Putsch gibt?

Wenn Sie ‚An die Freunde überall, in Bolivien gab es KEINEN PUTSCH‘ in die Suchleiste eingeben, gibt es Hunderte von gefälschten Konten, die die gleiche Nachricht auf Englisch verfassen.“

Während also Bots in sozialen Medien behaupten, es gäbe keinen Putsch, gab es in Bolivien einen Machtwechsel. Im Spiegel kann man dazu lesen18:

„Die Senatorin Jeanine Añez hatte sich am vergangenen Dienstag zur Interimspräsidentin des südamerikanischen Landes erklärt. ‚Ich werde alle nötigen Maßnahmen ergreifen, um das Land zu befrieden‘, sagte sie. Zuvor waren zwei Versuche des Senats und der Abgeordnetenkammer gescheitert, eine Beschlussfähigkeit festzustellen, da nicht genug Parlamentarier anwesend waren.“

Was der Spiegel hier in einem Nebensatz abhandelt, ist ein weiterer und lupenreiner Beleg für einen Putsch. Die Bestätigung ihrer Ernennung durch das Parlament hat nicht stattgefunden, sie ist also nicht nach den Regeln der Verfassung, sondern durch den gewaltsamen Putsch ins Amt gekommen. Aber das Wort „Putsch“ vermeiden die deutschen Medien und Politiker im Falle von Bolivien.

Bei den Unruhen im Zuge des Putsches in Bolivien sind Dutzende Menschen gestorben und über 700 verletzt worden. Es wird jedoch keine Untersuchungen oder ein Nachspiel haben, denn die neue Regierung hat die Sicherheitskräfte von jeder Verantwortung für Gewaltanwendung gegen Demonstranten freigesprochen.

Das haben die Sicherheitskräfte als Freibrief verstanden, erst recht mit aller Härte gegen die Anhänger von Morales vorzugehen.

Dieses Muster, die eigenen Leute für Gewaltanwendung beim Putsch freizusprechen, sieht man bei Putschen immer wieder. Nach dem Maidan war es zum Beispiel eine der ersten Amtshandlungen der Maidan-Regierung von Ministerpräsident Jazenjuk, allen Demonstranten, die während des Maidan randaliert oder Polizisten angegriffen hatten, eine Amnestie zu geben.

Die neue Regierung konnte dann gar nicht schnell genug auf einen kompromisslosen US-Kurs einschwenken. So hat die Regierung nicht nur im Innern hart durchgegriffen, sondern ist auch außenpolitisch voll aus US-Kurs geschwenkt. Die neue Regierung hat Guaidó in Venezuela als Präsidenten anerkannt und die diplomatischen Beziehungen zu Venezuela und Kuba abgebrochen.


4 https://de.statista.com/statistik/daten/studie/979746/umfrage/durchschnittlicher-preis-von-lithium-weltweit/

5 https://www.pressebox.de/pressemitteilung/aci-systems-gmbh/Bolivien-waehlt-ACI-Systems-als-strategischen-Partner-fuer-die-Industrialisierung-von-Lithiumvorkommen/boxid/906614

6 https://www.tercerainformacion.es/articulo/internacional/2019/11/11/bolivia-filtran-audios-de-lideres-opositores-llamando-a-un-golpe-de-estado-contra-evo-morales

7 https://bbackdoors.wordpress.com/2019/10/08/us-hands-against-bolivia-part-i/

8 https://thegrayzone.com/2019/11/13/bolivian-coup-plotters-school-of-the-americas-fbi-police-programs/

9 https://www.telesurenglish.net/opinion/Its-Now-or-Never-Bolivian-Elite-Destroying-the-Country-20191107-0023.html

10 https://www.spiegel.de/politik/ausland/bolivien-proteste-gegen-evo-morales-demonstranten-besetzen-staatssendern-a-1295746.html

11 https://www.spiegel.de/politik/ausland/a-1295829.html

12 https://www.reuters.com/article/us-bolivia-election-morales-us/morales-says-the-u-s-offered-him-plane-to-leave-bolivia-idUSKBN1XP23W

13 https://twitter.com/marcorubio/status/1194241278546006016

14 https://twitter.com/BenjaminNorton/status/1193715544949694464

15 https://twitter.com/BenjaminNorton/status/1193720821858127873

16 https://twitter.com/BenjaminNorton/status/1193749498129989632

17 https://twitter.com/redfishstream/status/1194261063115722752

18 https://www.spiegel.de/politik/ausland/boliviens-uebergangspraesidentin-jeanine-anez-droht-evo-morales-a-1296820.html