ich habs

Cover

Ralph Caspers

Ich hab´s dir ja gesagt

Mutters tollste Sprüche


Edel eBooks

Alle in diesem Buch gemachten Angaben
sind von Herzen gut gemeint,
aber dennoch ohne Gewähr
und gänzlich unverbindlich.

1 Ich hab's dir ja gesagt!

Stimmt. Meistens.

Eine der wichtigsten Aufgaben, die Eltern haben, ist: Regeln aufstellen. Eine der wichtigsten Aufgaben, die Kinder haben, ist: nicht darauf hören. Im Lauf der Evolution hat wohl kein Geschöpf der Welt die Hier-rein-da-raus-Strategie so perfektioniert wie Kinder. Was prasselt da nicht auf einen jungen Menschen ein: Im Schwimmbad nicht rennen! Immer die Schnürsenkel zubinden! Nicht auf Bonbons beißen! Nimm die Hände aus den Taschen! Im Auto nicht lesen, sonst wird dir schlecht! Es endet meistens im Zahnarzt-Wartezimmer, wo man mit verstauchten Handgelenken und vollgekotzter Hose darauf wartet, dass die rausgebrochenen Füllungen ausgebessert werden, während die Eltern einem zuraunen: «Ich hab’s dir ja gesagt!»

Das stimmt fast immer. Die Eltern haben es gesagt. Tausendmal. Aber junge Menschen hören gewisse Dinge einfach nicht. Versunken in ihr Tun, in das Spiel oder eine faszinierende Tätigkeit (beispielsweise auf dem Sofa liegen, Musik hören und SMS schreiben), umgibt sie eine Art unsichtbare Schutzhülle. Die schirmt sie ab vor Störungen wie «Nach dem Klo und vor dem Essen: Hände waschen nicht vergessen!» oder «Keine toten Tiere anfassen!». Dieses Ausblenden der Wirklichkeit ist sogar wichtig für die Entwicklung, haben Erziehungswissenschaftler festgestellt. Wie soll man sonst in Ruhe heranreifen?

Es ist für Eltern natürlich lästig, ihre guten Ratschläge tausendmal ablassen zu müssen. Das kann man verstehen, da sollte man Mitleid haben. So ist es dann kein Wunder, dass manchmal auch eine abwertende Hochnäsigkeit in dem Spruch steckt. Gedanklich gefolgt von einem: «Du wolltest ja nicht auf mich hören. Selbst schuld.» Da liegt man am Boden, weil man mal nicht auf seine Eltern gehört hat, und dann wird auch noch nachgetreten. Beim Fußball wäre das grob unsportliches Verhalten.

Wie soll man da reagieren? Man kann seinen Eltern ja schlecht die Rote Karte zeigen. Ist das Kind schon in den Brunnen gefallen und die Eltern rufen ihren Satz hinunter, dann nimmt ein einfaches «Stimmt!» den Wind aus den elterlichen Segeln. Wenn man sich abenteuerlustig fühlt, kann man noch ein «Manche Erfahrungen muss ich eben selbst machen» hinterherschieben. Und auch ein wagemutiges «Entwicklungspsychologisch gesehen sind Lernprozesse ohne eigene Erfahrungen ja so gut wie ausgeschlossen» sollte die Eltern kurz innehalten lassen. Wenn man dann noch ein lässiges «Ich sag nur: Primärerfahrung» folgen lässt, ist sicher schnell Schluss mit der elterlichen Besserwisserei.

Dann halten einem Eltern nicht immer vor, dass einem durch das viele Fernsehen und Computerspielen (die berühmtesten Sekundärerfahrungen) wichtige direkte Erfahrungen aus erster Hand (das sind die Primärerfahrungen) fehlen. Natürlich weiß man aus Computerspielen, dass man großen Affen, die mit Tonnen um sich werfen, besser aus dem Weg geht. Aber richtig begreifen tut man es erst, wenn man dem Schulrowdy gegenübersteht, der sich mit beiden Fäusten rhythmisch gegen die Brust klopfend zum Angriff bereit macht. (Das ist übrigens eine Primärerfahrung, auf die ich gerne verzichtet hätte. Und auf das blaue Auge auch.)

Im täglichen Kampf der Generationen (Uh, wie reißerisch!) ist dieses Buch – genau wie sein Vorgänger «Scheiße sagt man nicht!» – hoffentlich eine willkommene Inspiration für Eltern und eine hilfreiche Argumentationshilfe für Kinder. Damit man in allen Situationen, in denen man kurz vor oder nach dem Sammeln einer wichtigen Erfahrung noch einen Spruch von seinen Eltern reingewürgt bekommt, fundiert und auf den Punkt antworten kann. Entweder, wie falsch die Eltern liegen – oder um allwissend mit den tatsächlichen Fakten zum Spruch zu überraschen. (Nach dem Motto: «Und wusstest du eigentlich, dass ...»)

In diesem Sinne wünschen wir viele schöne Stunden mit diesen Elternsprüchen zum Nachtreten und Nachschlagen.

2 Spinat macht stark.

Stimmt nicht.

Klar, jeder hätte gern so dicke Muskeln wie der Seemann Popeye! (Also, jeder Junge jedenfalls – bei Mädchen sähe das vielleicht ein bisschen komisch aus. Aber so stark wie Pippi Langstrumpf zu sein, wäre ihnen wahrscheinlich auch ganz recht. Obwohl Pippi nie Spinat gegessen hat, glaube ich.)

Popeye braucht nur eine Dose Spinat einzuwerfen, schon ist er unbesiegbar. Blöd bloß, dass Popeye eine Comicfigur ist. Es gibt in diesem Zusammenhang auch noch einige andere Verhaltensweisen, die man nicht nachahmen sollte: Wie Superman zu fliegen versuchen ist ganz ungesund. Und ohne Hose aus dem Haus zu gehen wie Donald Duck, der sich nur nach dem Duschen schamhaft ein Handtuch um die Hüften wickelt, könnte sich auch als problematisch erweisen. Ähnlich ist es mit dem Starkwerden: Popeye, Spinat, Muskeln – klappt. Ich, Spinat, Muskeln – klappt nicht. So einfach ist das.

Aber wie kam es denn überhaupt zu diesem Gerücht? Immerhin sollen Kinder ja schon seit Generationen brav ihren Spinat aufessen, um «groß und stark» zu werden. Und tatsächlich verzehren die Deutschen kein Tiefkühlgemüse so oft wie Spinat. Diese Erfolgsgeschichte begann vor etwa hundert Jahren. Damals wollten Wissenschaftler herausgefunden haben, dass Spinat haufenweise Eisen enthält. Bei der Gelegenheit: Was ist eigentlich Eisen, und was nützt es uns? Eisen ist ein Metall. Seine Freunde nennen es gerne auch Fe – das ist die chemische Bezeichnung. Und obwohl Fe so klingt wie der Name eines zarten Mädchens, kann Eisen ganz schön hart und schmerzhaft sein. Jeder, dem schon mal eine Pfanne aus Gusseisen auf den Fuß gefallen ist, weiß, wovon ich rede. In der richtigen Menge und Zusammensetzung aber ist Eisen für den Körper ein lebenswichtiges Spurenelement. Es sorgt unter anderem dafür, dass unser Blut Sauerstoff speichern und transportieren kann. Einfach gesagt ist Eisen stark und hart und gut für den Körper. Da braucht man nur eins und eins zusammenzuzählen, und schon landet man bei einem spinatverschlingenden Seemann mit riesigen Muskeln.

Schade nur, dass die ganze Geschichte auf ein bis zwei Irrtümern beruht. Denn damals hat der Schweizer Wissenschaftler Gustav von Bunge den Eisengehalt von getrocknetem Spinat gemessen – von Spinatpulver. Da frischer Spinat aber zu etwa 90 Prozent aus Wasser besteht, müsste man davon fast zehnmal so viel essen, bis man den Eisengehalt von getrocknetem Spinat erreicht.

Eine andere Variante der Geschichte besagt, dass sich eine Sekretärin im Forschungslabor einfach vertippt hat. So wurde durch einen Kommafehler aus dem Spinat ein Power-Gemüse, das auf 100 Gramm 30 Milligramm Eisen enthält.

In Wahrheit sind es nicht 30, sondern nur drei Milligramm. Und das ist nichts Besonderes. Es gibt viele Lebensmittel, die diese Menge Eisen schaffen. Rindfleisch zum Beispiel enthält mehr Eisen als Spinat, Leberwurst etwa doppelt so viel, und sogar Weißbrot oder Pommes sind gleichauf. Aber besonders viel Eisen steckt ausgerechnet in – kleiner Tusch – Schokolade! Der Eisengehalt einer Tafel Schokolade ist mehr als doppelt so hoch wie der von der gleichen Menge Spinat! (Jaha, ich hab’s immer schon geahnt, dass Schokolade nicht ganz ungesund sein kann.)

Schade nur, dass man auch von Schokolade keine dicken Muskeln bekommt, sondern allerhöchstens einen dicken Bauch.

3 Spinatreste darf man nicht aufwärmen,
sonst stirbt man.

Stimmt nicht.

Da wir ja jetzt alle wissen, dass Spinat bei weitem nicht so stark macht, wie uns die Comic- und die Gemüseindustrie weismachen wollen, wundert es natürlich niemanden mehr, dass oft viel vom Spinat übrig bleibt. Meine Oma hat meiner Mutter beigebracht, diese Reste wegzuwerfen. Denn würde man sie wieder aufwärmen und den Kindern ein zweites Mal zum Essen servieren, dann fielen sie auf der Stelle tot um. (Die Kinder, nicht die Reste.)

Interessanterweise hielt sich meine Mutter nicht immer an die Regeln ihrer Mutter – auch wenn sie das heutzutage nie zugeben würde. Doch zum Glück wird Spinat nicht automatisch zu Gift, wenn man ihn aufwärmt. Sonst könnte ich diese Zeilen gar nicht schreiben, so oft, wie bei uns alter Spinat wieder warm gemacht wurde.

Im Spinat gibt es bestimmte Salze, die werden Nitrate genannt. Wenn man Spinat aufwärmt oder zu lange warm stehen lässt (ich spreche hier von mehreren Tagen), dann bilden sich Keime, die die Nitrate in Nitrite umwandeln. Nur ein Buchstabe Unterschied, aber: Oho! Denn Nitrite können vor allem für Babys sehr gefährlich werden. Wenn nämlich zu viele Nitrite im Körper sind – und das passiert bei kleinen Körpern schneller als bei großen –, kann das Blut keinen Sauerstoff mehr transportieren, und man erstickt praktisch von innen.

Im Klartext heißt das: Wenn man Spinatreste nicht lange warm hält, sondern schnell abkühlt und sie am nächsten Tag wieder heiß macht, ist das völlig ungefährlich.

4 Viele Köche verderben den Brei.

Stimmt.

Es ist kaum zu glauben, aber wir alle essen Brei. Jeden Tag. Nur Brei und sonst nichts anderes. (Also abgesehen von all den Lesern, die hin und wieder vergessen zu kauen und ihre Brötchen in einem Stück runterschlucken.)

Und das bringt uns direkt zu einem kleinen Versuch, der allerdings für Menschen mit kurzer Aufmerksamkeitsspanne sehr schwierig werden wird. Alles, was man für diesen Versuch braucht, sind ein paar Scheiben Brot. Kann auch gerne Vollkornbrot sein. Einfach abbeißen und kauen.

Schön weiterkauen.

Kauen, kauen, kauen.

Nicht runterschlucken.

Und nicht mit vollem Mund lesen. (Äh, nein, diese Elternregel hieß anders ...) Immer weiterkauen.

Brot enthält übrigens Stärke. Das ist ein Stoff, der in vielen Pflanzen vorkommt und der für uns Menschen ziemlich wichtig ist. Stärke ist nämlich ein Grundnahrungsmittel.

Und? Ist aus dem Brot inzwischen Brei geworden? Prima. Und wie schmeckt der Brei? Die Chancen stehen gut, dass der Brei überraschenderweise viel süßer ist als das Brot. Das liegt daran, dass die Verdauung schon im Mund beginnt. Wenn man nämlich Brot zerkaut und mit Spucke mischt, dann sorgt ein Enzym mit Namen Ptyalin im Speichel dafür, dass die Stärke gespalten wird. Dabei entsteht Zucker. Der Geschmack wird dadurch süßer, und das Brot lässt sich so besser verdauen. Der Brotbrei kann jetzt getrost heruntergeschluckt werden.

Damit wäre die Behauptung von oben bewiesen: Egal, was wir essen, wir schlucken es meistens als Brei hinunter. Schmeckt auch ganz in Ordnung.

Jetzt kommt ein weiterer Versuch. Wer das Buch in der Straßenbahn oder im Bus auf dem Weg zur Schule oder zur Arbeit liest, hat Glück, denn für diesen Versuch braucht man mindestens drei weitere Personen.

Einfach wieder ein Stück vom Brot abbeißen und kauen. So lange kauen, bis das Brot schön breiig ist. Dann aber den Brotbrei nicht herunterschlucken, sondern weitergeben an den Menschen, der gerade neben einem sitzt oder steht.

Der soll auch ein bisschen auf dem Brotbrei rumkauen und ihn schön mit Spucke vermischen. Und dann soll er den Brei an den Nächsten weitergeben. Der macht das Gleiche – er vermischt den Brei von seinem Vorkauer mit seiner eigenen Spucke und gibt den wahrscheinlich inzwischen schon sehr flüssigen Brei wieder weiter. Und auch die vierte Person leistet ihren Beitrag – zerkauen und einspeicheln – und gibt den Brei wieder zurück an den verehrten Leser dieser Zeilen.

Und? Schmeckt der Brotbrei immer noch so schön süß wie beim ersten Versuch? Bestimmt nicht. Bestimmt schmeckt der Brei eklig, abstoßend, verdorben. (Hatte ich erwähnt, dass es sich bei diesem Versuch nur um ein Gedankenexperiment handelt? Nein? Oh, das tut mir leid.) Wenn viele Menschen an einer Sache arbeiten, wird sie meistens nicht so, wie man sich das gewünscht hat. Nichts anderes bedeutet der Elternspruch «Viele Köche verderben den Brei». Dem einen ist der Brei zu süß, dem anderen nicht fruchtig genug. Und so müssen Kompromisse eingegangen werden, die am Ende dazu führen können, dass der Brei keinem mehr schmeckt. Was kann man dagegen machen? Dazu lohnt es sich vielleicht, einen Bück in eine Restaurantküche zu werfen.

Denn wenn viele Köche den Brei verderben, wie kann es dann erfolgreiche Restaurants geben mit großen Küchen, in denen viele Köche arbeiten? Die Antwort ist einfach: Es gibt einen Chef, der das Sagen hat – den Chefkoch, auch Chef de Cuisine genannt. (Das wird «Scheff dö Kwisien» ausgesprochen.) Er bestimmt unter anderem, was eingekauft wird und was auf die Karte kommt. Der Chef hat einen Stellvertreter, den Sous-Chef («Ssuh-Scheff»). Dem wiederum sind viele Chefs de Partie («Scheffs dö Partie») unterstellt. Je nach Größe der Küche erledigen sie die eigentliche Kocharbeit, oder aber sie haben unter sich noch die Demichefs de Partie («Dömischeffs dö Partie») – das sind die Stellvertreter, und die Commis de Cuisine («Kohmmi dö Kwisien») – die Jungköche.

Damit sich die ganzen Köche nicht in die Quere kommen, haben die Chefs de Partie unterschiedliche Aufgabenbereiche. Der eine kümmert sich nur um Kaltspeisen – das ist der Gardemanger («Gardehmongschee»), ein anderer nur um die Suppen – das ist der Potagier («Pohtaschjieh»), wieder ein anderer nur um Fisch – das ist der Poissonnier («Puassonjieh») – oder um Gebratenes – das ist der Rötisseur («Rottissöhr»). Ein Koch ist zuständig für Soßen – der Saucier («Sohssjieh»), einer für Beilagen – der Entremetier («Ontrömetjieh»), und um meinen Lieblingsbereich, den Nachtisch, kümmert sich der Pâtissier («Pahtissjieh»).

Und wer jetzt Hunger auf Brei bekommen hat, darf gerne eine Pause vom Lesen machen.

5 Kuchenteig und frisches Brot essen
macht Bauchweh.

Stimmt nicht ganz.

Wenn früher bei uns zu Hause Kuchen gebacken wurde, habe ich immer am liebsten den rohen Teig genascht. Am allerliebsten hätte ich die Rührschüssel komplett leer gemacht! Aber das durfte ich leider nie. Ist doch komisch, da will man mal Bauchweh kriegen, und dann soll man nicht ... Wäre doch eine tolle Gelegenheit für ein sattes elterliches «Ich hab’s dir ja gesagt!» gewesen. (Heutzutage backe ich manchmal Kuchen, nur um mich am rohen Teig satt zu essen. Meine Kuchen sind deshalb immer ziemlich klein.)

Wer im Kindergarten gut aufgepasst hat, weiß, dass Backen ziemlich einfach ist:

Backe, backe, Kuchen,

Der Bäcker hat gerufen!

Wer will guten Kuchen backen,

Der muss haben sieben Sachen:

Eier und Schmalz,

Butter und Salz,

Milch und Mehl,

Safran macht den Kuchen gehl!

Statt Schmalz nimmt man heutzutage Butter oder Margarine. Und Safran, mit dem man früher den Kuchen leuchtend gelb (auf Altdeutsch: «gehl») färbte, lässt man meistens weg.

Dafür aber kommt inzwischen üblicherweise ein Backtriebmittel in den Teig, weil der Kuchen sonst fest wie Früchtebrot wird. Das kann zum Beispiel Hefe oder Backpulver sein. Hefe und Backpulver stellen Kohlendioxid her. Das ist ein Gas – man kann es an den Blasen im Teig erkennen –, das den Teig schön locker und luftig werden lässt. Isst man vom frischen, ungebackenen Teig, dann kommt auch Backtriebmittel in den Magen. Und produziert dort weiter Kohlendioxid. Das ist dann so, als hätte man ganz viel Sprudelwasser getrunken. Davon kann man Blähungen und Bauchschmerzen bekommen.

Es gibt allerdings einen anderen, besseren Grund, keinen frischen Teig zu essen: die Eier. Auf Eierschalen können Krankheitserreger sitzen, zum Beispiel Salmonellen. Die sterben erst durch die Hitze im Backofen. Im rohen Teig aber sind sie noch drin, und deshalb kann man davon krank werden (und wie bei fast jeder anständigen Krankheit gehört Bauchweh mit dazu).

Bei frischgebackenem Brot ist es anders. Denn das ist ja schon gebacken. Hefe und Backpulver stellen bei Ofenhitze die Arbeit ein – sonst würde das Brot im Brotkorb sich ja über Nacht verdoppeln. Das wäre ganz schön unheimlich. Nur Menschen mit einem sehr empfindlichen Magen bekommen von frischem Brot Bauchschmerzen. Das liegt aber nur daran, dass frisches Brot so lecker duftet und schmeckt. Deshalb stopft man sich viel zu viel davon viel zu schnell rein. Und kaut dabei noch nicht mal richtig, sondern würgt es einfach nur begeistert runter. Ich zum Beispiel kann eine ganze Scheibe frisches Brot in weniger als einer halben Minute runterschlingen. Aber auf altem Brot kaue ich viel länger herum, weil es ja erst mal weich werden muss. Das dauert dann bei mir so um die zwei Minuten – viermal länger.

Wenn in meinem Magen jedoch ein kaum gekauter Riesenklumpen frisches Brot landet, mit ganz wenig Speichel, dann muss die Magenmuskulatur kräftig arbeiten. Und das verursacht Dehnungsschmerzen. Das besser vorgekaute und eingespeichelte ältere Brot muss nicht so stark bearbeitet werden, deshalb kriegt man davon keine Bauchschmerzen.

Apropos altes Brot: Vor ungefähr siebzig Jahren gab es sogar ein Brotgesetz, in dem stand, dass Brot erst einen Tag nach der Herstellung verkauft werden durfte. Denn damals war Nahrung knapp und musste möglichst lange reichen. An älterem Brot kaut man länger herum, und man isst auch weniger davon. Also brauchte man weniger, um sich satt zu fühlen.

Ungesund aber ist frischgebackenes Brot nicht. Sonst dürfte man ja auch keine Brötchen und keine warme Pizza essen. Und kriegt man von denen etwa Bauchweh? Eben!

Allerdings können manche Leute aus zwei anderen Gründen doch Brot-Bauchschmerzen kriegen. Erstens enthalten Brote manchmal in ganz geringen Mengen Stoffe, gegen die jemand allergisch ist. Wird zum Beispiel beim Bäcker erst ein Nussbrot aufgeschnitten, dann ein Graubrot, können an dem Graubrot trotzdem Nusskrümel kleben. Wer gegen Nüsse allergisch ist, kriegt dann Bauchschmerzen oder Ausschlag. Und: In den Randschichten des Getreides, die im Vollkornbrot mitverarbeitet werden, sitzen Stoffe, die mit Zucker zusammen im Darm zu gären beginnen. Einige wenige Menschen haben deshalb Probleme mit Marmelade, Honig oder Nougatcreme auf Vollkornbrot.

Übrigens: Ein reines Märchen ist die Behauptung, dunkles Brot sei gesünder als helles. Oft ist es nur mit Malz gefärbt. Nur wo «Vollkorn» draufsteht, ist auch Vollkorn drin, und das ist auch wirklich gesünder. Und hilft auf die Dauer sogar gegen Bauchschmerzen, weil es die Verdauung anregt.

Und jetzt entschuldigt mich bitte für ein paar Stunden – ich fühle das dringende Verlangen nach frischem Kuchen in mir aufquellen.

6 Bonbons nicht zerbeißen,
sonst gehen die Zähne kaputt.

Stimmt nicht ganz.

Bonbons sind nämlich nicht nur sehr lecker, sondern auch verdammt hart. Es würde ja auch keiner glauben, man könnte Steine zerbeißen, ohne dass dabei die Zähne leiden.

Mit einem besonderen Gerät kann man messen, wie hart Zähne und Bonbons sind. Dazu wird ein Zahn – oder auch ein Bonbon – in das Messgerät gespannt, dann drückt ein Kolben auf den Zahn – oder das Bonbon –, bis der Zahn – oder das Bonbon – zerbricht. Hinterher kann man ablesen, bei welchem Druck das geschehen ist.

Ein Bonbon platzt bei etwa 265 Newton. 1 Newton übt ungefähr so viel Druck aus wie 100 Gramm, 265 Newton sind also in etwa so viel, als ob man 26,5 Kilo nur auf dieses eine kleine Bonbon stellt. Das ist ungefähr so viel, wie ein Grundschulkind wiegt. Das kann jeder also leicht ausprobieren: Bonbon auf den Boden legen – drauftreten – kaputt!

Nun sind unsere Zähne ganz schön hart. Härter als ein Bonbon, möchte man meinen. Zahnwurzel und Zahnbein nicht, die stecken im Zahnfleisch. Aber die Zahnkrone ist vom Zahnschmelz umgeben, und der gehört zum Härtesten, was der menschliche Körper herstellen kann. Aber es gibt Zähne, die schon mal repariert wurden, die also eine Füllung haben. Diese Füllungen werden auch Plomben genannt. Zähne mit Plomben drin sind nicht mehr so fest, weil die Zahnwände bei ihnen dünner sind. Bei Leuten, die viele Bonbons essen, kommt das am häufigsten vor, ist ja klar.

Und viele Zähne haben auch ganz kleine Beschädigungen, die man nicht so leicht sehen kann. Solche winzigen Risse können zum Beispiel entstehen, wenn man erst etwas ganz Kaltes und gleich danach etwas Warmes gegessen hat. Der Zahnschmelz kann dadurch aufplatzen. Wenn man einen Eiswürfel aus dem Eisfach nimmt und direkt in etwas wärmeres Wasser legt, passiert dasselbe. Er knackst laut und bekommt Risse.

Solche Zähne, die nicht mehr ganz so stabil sind, können leichter zerbrechen als gesunde.

Schon ein ganz normaler Zahn ohne Füllung zerbricht in der Härtemessmaschine bei etwa 250 Newton. Die Maschine braucht also sogar ein bisschen weniger Kraft, um den Zahn zu zerbrechen, als für das Bonbon. Oder umgekehrt: Der Zahn, mit dem wir das Experiment durchgeführt haben, hielt nicht mal so viel aus wie das Bonbon.

Nun kann sicher jeder nachvollziehen, dass ich mir nicht noch extra Zähne ziehen lassen wollte, um noch mehr davon zu zermalmen. Obwohl meine eigenen bestimmt total hart sind von dem ganzen Spinat, den ich als Kind gegessen habe ... (Ist nur ein Scherz. Spinat lässt weder Muskeln noch Zähne hart werden.) Jedenfalls können gesunde Zähne ungefähr genauso leicht (oder schwer) kaputtbrechen wie ein Bonbon. Das Risiko, dass die Zähne platzen, und nicht das Bonbon, wenn man kräftig draufbeißt, ist also sehr hoch! Und wenn man nicht mehr so viele kerngesunde Zähne im Mund hat, sondern schon ein paar mit Füllungen, ist das Risiko noch viel größer.

Aber Gott sei Dank gibt es ja Auswege: Bonbons lutschen und auf der Zunge zergehen lassen – dann hat man auch länger was von ihnen. Oder weiche Kaubonbons. Die nennt man zwar Plombenzieher, aber das muss heutzutage nichts mehr bedeuten – bei den ganzen Fortschritten, die in den letzten Jahrzehnten in der Medizin und der Klebetechnologie gemacht worden sind ...

7 Trocken Brot macht Wangen rot.

Stimmt.

Denn Brot enthält reichlich Vitamine, Mineralstoffe und Spurenelemente. Buchstäblich rote Wangen macht es, weil auch Eisen drin ist. Und Eisen braucht man für die roten Blutkörperchen. Wer an Eisenmangel leidet, hat oft eine viel blassere Haut.

Außerdem muss man trockenes Brot besser kauen als frisches. Das ist Training für die Kiefermuskeln. Die werden dann besser vom leuchtend roten Lebenssaft durchblutet und beginnen zu strahlen.

Rote Wangen stehen ja für Gesundheit und Vitalität schlechthin. Und tatsächlich kann man feststellen, dass eine spezielle Brot-Diät zum Wohlbefinden beiträgt. Heute zahlen manche Menschen hohe Gebühren, um eine solche Diät in teuren Kliniken machen zu dürfen. Denn diese supereinfache Ernährung hilft gegen Zivilisationskrankheiten wie Diabetes, Übergewicht und Stoffwechselprobleme. Früher bekamen dagegen nur Gefangene «Wasser und Brot» – und natürlich rote Wangen.

Vielleicht ist so das Staunen zu erklären, das in diesem Spruch mitschwingt. Denn die Gefangenen früher kriegten natürlich kein frisches, leckeres Brot, sondern nur die alten Kanten. Und trotzdem sahen manche Insassen erstaunlich gesund und lebendig aus. Da stellten die Gefängniswärter wohl überrascht fest: Trocken Brot macht Wangen rot!

8 Du müsstest mal richtig Hunger leiden.

Stimmt nicht.

Gemeint ist damit: Sei doch nicht so undankbar! Oder: Du weißt gar nicht zu schätzen, wie gut du es hast!

Und das stimmt oft sogar. Aber aus demselben Grund, aus dem wir manchmal übersehen, wie toll es läuft, bringt es auch wenig, im Elend zu leben.

Natürlich ist es richtig und sinnvoll, sich immer wieder klarzumachen, wie gut es einem geht. Jedenfalls wenn es einem gutgeht. Wenn nicht, sollte man sich das auch klarmachen – und dann versuchen, etwas dagegen zu unternehmen.

Der Hungerspruch stammt von Generationen, die selbst Hunger gelitten haben. In den Kriegs- und Nachkriegszeiten gab es viel zu wenig zu essen, und die allermeisten Menschen hungerten. Und viele Jahrhunderte lang wechselten sich Krieg und Frieden in Europa ab. Dass seit gut fünfzig Jahren kein großer Krieg den Kontinent erschüttert hat, ist geschichtlich eine Sensation. Es führt aber auch dazu, dass mittlerweile schon zwei Generationen den Mangel nicht erlebt haben.

Nun ist es aber so, dass man sich eben einfach an Dinge gewöhnt. An Zufriedenheit, Geborgenheit, Sicherheit. Einmal Hunger zu leiden bringt daher sowieso nichts. Wirklich einprägen kann sich eine solche Situation nur, wenn sie lange anhält und man sich eben an den Hunger gewöhnt. Dann wird er zum Vergleichsmaßstab. Und das wünscht man ja nicht mal seinem ärgsten Feind. (Na ja, dem vielleicht schon, aber sonst keinem.)

Jemandem aber Hunger zu wünschen, damit er oder sie das Sattsein zu schätzen weiß, ist also nicht wirklich sinnlos, aber gemein. Es ist, als sollte man sich mit dem Hammer auf den Daumen hauen, weil es so schön ist, wenn der Schmerz nachlässt. Doppelt fies ist der Satz, weil immer mehr junge Menschen in Deutschland in Armut leben. Mittlerweile ist fast jedes siebte Kind betroffen und jeder fünfte Jugendliche. Die meisten von ihnen bekommen vielleicht genug zu essen, können aber am sozialen Miteinander nicht teilhaben: Schwimmbad, Kino, MP3-Player – kommt alles nicht in Frage! Oft ist es dann auch noch so, dass die Eltern so sehr mit ihren eigenen Problemen beschäftigt sind, dass sie gar keine Zeit für ihren Nachwuchs haben.

Undankbar zu sein ist natürlich nicht richtig. Aber Undankbarkeit derart gedankenlos entgegenzutreten, ist genauso falsch.

9 Nach Cola kann man nicht einschlafen.

Stimmt.

Kommt allerdings auf die Menge und vor allem auf die Cola-Marke an.

Wach bleibt man angeblich, weil in Cola Koffein drin ist. Genau wie in Kaffee übrigens. Die meisten gängigen Cola-Sorten enthalten zehn Milligramm Koffein pro 100 Milliliter Cola (das ist ein kleines Glas voll). Ein Restaurant-Glas enthält etwa 300 Milliliter, Flaschen gibt’s zwischen einem halben Liter (500 Milliliter) und zwei Litern (2000 Millilitern). Und wer gar in einem Fastfoodbereich unendlich oft nachfüllen darf, muss selbst mitrechnen. Jedenfalls kann da eine ganze Menge Koffein zusammenkommen.

Bei Erwachsenen zeigen sich ab 150 bis 200 Milligramm Koffein erste Wirkungen. Aufmerksamkeit und Konzentrationsfähigkeit werden erhöht, das Lernen fällt leichter, Ermüdungserscheinungen nehmen ab. Nun ist das aber wie beim Tierarzt. Für einen dicken Bernhardiner braucht man mehr Betäubungsmittel als für Nachbars Mini-Kätzchen. Und so ist die Wirkung des Koffeins eben auch abhängig vom Körpergewicht.

Nehmen wir mal an, ein Erwachsener wiegt mindestens 60 Kilo (die meisten bringen allerdings deutlich mehr auf die Waage). Und ein junger Mensch ist vielleicht nur halb so schwer. Dann braucht der auch nur halb so viel Koffein, damit es wach hält.

Wenn es bei Erwachsenen also ab 150 Milligramm losgeht, dann kann man bei jungen Menschen ab 75 Milligramm mit dem Einsetzen der Wirkung rechnen – das entspricht 750 Millilitern Cola. Ein großes Glas zum Abendessen ändert also nichts, zwei Gläser können aber schon wach halten.

Aber das ist noch nicht kompliziert genug: Erstens reagiert jeder Mensch anders auf solche Stoffe. Außerdem kann man sich an sie gewöhnen. Manche Erwachsenen trinken zum Beispiel zehn Tassen Kaffee am Tag – mehr als einen Liter. Und in einem Liter Kaffee sind schon über 300 Milligramm Koffein. Trotzdem hält das Gebräu sie nicht wach, weil der Körper sich daran gewöhnt hat. Oder weil derjenige einfach nicht so stark auf Koffein reagiert. Andere werden schon nach einer Tasse ganz nervös und zittrig. Auch das gibt’s, und denen geht es natürlich mit einem Glas Cola ähnlich.

Zweitens gibt es Cola-Sorten, zum Beispiel afri-cola oder fritz-kola, in denen sich die höchstens erlaubten 25 Milligramm Koffein pro 100 Milliliter Cola finden. Das ist viel mehr Koffein als in Coca-Cola oder Pepsi mit ihren zehn Milligramm pro 100 Milliliter. Genauer gesagt, zweieinhalbmal mehr. Um nicht die halbe Nacht wach zu liegen, sollte man von diesen vollgepackten Cola-Sorten also auch zweieinhalbmal weniger trinken. Anders gesagt: Schon ein normal großes Glas afri-cola kann einen normalgewichtigen Jugendlichen um den Schlaf bringen!

Noch lustiger wird es mit Energy-Drinks wie Red Bull, die enthalten 30 Milligramm Koffein oder mehr pro 100 Milliliter. Sie sollen ja auch wach halten. Aber besser als zwei verzweifelte Dosen Red Bull um Mitternacht wirkt es natürlich, rechtzeitig mit dem Lernen für die Klausur am nächsten Morgen anzufangen.

Bewährt hat es sich, den persönlichen Wachhalt-Effekt von Cola unter elterlicher Aufsicht mal im Urlaub zu testen. Trinkt der Nachwuchs dort die Literflasche leer und liegt trotzdem eine halbe Stunde später schnarchend in der Koje, verlaufen alle weiteren Diskussionen zum Thema deutlich entspannter. Hält einen die Brause aber wirklich bis zum Morgengrauen wach, so haben die wenigsten von sich aus Lust, das Experiment in der Schulzeit zu wiederholen. Manche Menschen bekommen übrigens von zu viel Cola Verdauungsbeschwerden. Ungeklärt sind die Ursachen: Ist der Süßstoff schuld, der gärende Zucker, die Menge der Flüssigkeit (weil man vielleicht mehr Cola trinkt als Wasser)? Oft hilft es jedenfalls, weniger Cola zu trinken.