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Alexandra Reinwarth

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Umschlagabbildung: iStockphoto

Satz: HJR, Jürgen Echter, Landsberg am Lech

Druck: Books on Demand GmbH, Norderstedt

Printed in Germany

ISBN E-Book (PDF) 978-3-86415-270-2

ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-86415-291-7

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INHALT

Einleitung

Eine Bestandsaufnahme

Bodystreet

Outdoor Circuit

Pilates

Pole Dance

Step

Power Plate

Cycling

Nordic Walking

Aqua-Fitness

Personal Trainer

Zumba

Yoga

Krav Maga

Volleyball

Hot Iron

Pasternak & ich

Im Stall

Fazit

Nachwörtchen

EINLEITUNG

Kennen Sie das auch, dass sich plötzlich alle Freundinnen bei einem Yogakurs anmelden oder damit anfangen durch den Park zu rennen, bis die Birne rot ist? Sogar meine Mutter rafft sich auf und geht jetzt mit Skistöcken spazieren. Nein, spazieren geht man ja nicht mehr, sie geht walken. (Ich hatte zunächst »stalken« verstanden, was einen hübschen Moment der Verwirrung hervorbrachte.)

Ich habe den Eindruck, dass mein komplettes Umfeld eine magische Grenze überschritten hat, hinter der man automatisch anfängt, etwas »für sich zu tun«. Nur ich bummle immer noch VOR dieser Grenze herum.

Obwohl ich natürlich weiß, dass Bewegung guttut. Das ist eine Weisheit, die habe ich irgendwo hinter Spinat hat gar nicht so viel Eisen abgespeichert. Bis vor Kurzem hatte sie aber nicht die geringste Auswirkung auf mein Leben, im Gegenteil: Joggern, die mir während eines Spaziergangs keuchend entgegenkamen, begegnete ich mit einer Mischung aus Igno- sowie Arroganz, während ich an den Spruch eines befreundeten Orthopäden dachte: »Sehr schön, alles neue Knie-Patienten.«

Aber irgendetwas hat sich doch verändert. Eine leise Stimme in meinem Kopf flüstert mir zu: »Mach dich nur lustig über das rote Gesicht der Joggerin, aber das Rot wird wieder abklingen – deine Orangenhaut jedoch …« So geht das in einer Tour.

Meine Abneigung gegen sportliche Aktivitäten hat sich vermischt mit einem schlechten Gewissen, besagter Orangenhaut und unzähligen Werbespots, in denen gut gelaunte Frauen in knappen Spaghetti-Träger-T-Shirts und noch knapperen Shorts durch den Park laufen. Diese (unschöne) Mischung ist nicht ohne Wirkung geblieben: Ich bemerke einen steten Sinneswandel.

Ich möchte mir auch etwas Gutes tun, mehr noch, mein Leben soll irgendwie besser, gesünder, fitter, jünger, knackiger und Yogurette-artiger werden.

Erste Auswirkungen habe ich im Supermarkt bemerkt, da kaufe ich nämlich seit geraumer Zeit in der Bio-Abteilung ein. Außerdem falle ich neuerdings auf unverschämt teure Kosmetikprodukte herein, die mir versprechen, mich innerhalb von zwei Wochen gesünder, fitter, jünger, knackiger und Yogurette-artiger zu machen. Kürzlich erwischte ich mich sogar dabei, wie ich FREIWILLIG, statt mit der Rolltreppe zu fahren, die Treppe genommen habe.

Vielleicht sind Sie ja eines dieser durchtrainierten Hühner und machen morgens auf dem Balkon erst mal Ihre Gymnastik-Shanti-Übungen, dann wird Sie das nicht weiter verwundern, aber für mich ist das relativ neu.

Vermutlich ging diese Veränderung einher mit einigen sehr leichten, aber auch sehr untrüglichen Zeichen dafür, dass mein Körper nicht für immer der einer Mittdreißigerin sein wird, sondern tatsächlich einem Alterungsprozess unterworfen ist. An und für sich ist das natürlich kein Problem, welche aufgeklärte, moderne Frau hat heute schon noch Probleme damit, älter zu werden – aber kann man dabei nicht wenigstens jung und umwerfend aussehen? Seit ich mich mit dieser Problematik herumschlage und meinen Freundes- und Bekanntenkreis großzügig daran teilhaben lasse, bekomme ich die verschiedensten Empfehlungen und Ratschläge. Ich sehe mich einer unendlich großen Palette von Möglichkeiten gegenüber, mich selbst zu quälen. So scheint es mir zumindest. Die geneigten Berater schwören alle, ihr Fritzchen-Futzi-Kurs mache »total Spaß« und sei sowieso das Beste, was es gibt. Alles andere könne ich praktisch vergessen. Wenn ich dann kurz davor bin, mich für den Fritzchen-Futzi-Kurs anzumelden, versichert mir prompt der Nächste, dass der einzig wahre, weil ganzheitliche Weg zu einem fitteren Ich in der Franz-Fetzi-Methode liegt. »Totaler Blödsinn«, sagt meine Freundin Jana und drückt mir eine Frauenzeitschrift in die Hand: Jetzt herausgefunden: Die Franz-Fetzi-Methode hat gar nicht so viel Eisen! Kurzum: Der Markt rund um mein neues Lebensgefühl ist breit gefächert und vollkommen verwirrend. In solchen Situationen hilft nur eins: alles ausprobieren. Also habe ich einen verwegenen Plan gefasst:

Ich werde alle möglichen und unmöglichen Methoden, Praktiken, Lehren und Techniken ausprobieren, die mir ein gesünderes, fitteres, jüngeres, knackigeres und Yogurette-artigeres Ich versprechen. Punkt für Punkt. Das wird bestimmt lustig. Für Sie wahrscheinlich etwas mehr als für mich.

Sehr zu meinem Bedauern entdecke ich während meiner Vorab-Recherche keine einzige Fitnessmethode, die sich mit etwas Nougatschokolade vom Sofa aus praktizieren lässt. Im Gegenteil, das meiste klingt grässlich anstrengend. Wenn ich ehrlich bin, mache ich mir jetzt schon in die Hosen.

EINE BESTANDSAUFNAHME

Ich bin der größte Bewegungsmuffel der Welt.

Die ideale Voraussetzung, um ein Buch über Fitness zu schreiben, oder? Meine Erfahrungen mit körperlicher Ertüchtigung beschränken sich auf die Sportarten, die von Weitem so aussehen, als müsste man sich dabei nicht allzu sehr anstrengen. Skifahren zum Beispiel: Auf Brettern einen Berg hinunterrutschen und danach zum Kaiserschmarrn-Essen einkehren kommt meinem Verständnis von Sport ziemlich nahe.

Reitstunden hatte ich auch mal, das war naheliegend, da muss man nicht mal selbst laufen, sondern kann sich tragen lassen. Aber dann war es so wie mit vielen anderen Sportarten: Es sieht eben nur leicht aus. Wenn Sie auch mal Inlineskates hatten, wissen Sie, was ich meine. Das sieht bei den Yogurette-Mädels so aus, als wäre es ein müheloses Dahingleiten. In Wahrheit strumpelt man mit rotem Kopf und rudernden Armen leicht vornübergebeugt vorwärts wie RoboCop. Aber wehe, man kommt doch mal in Fahrt, dann muss man sich zum Bremsen um den nächsten Ampelmast wickeln, und spätestens nach zehn Minuten auf den Dingern läuft man danach wie John Wayne, so weh tun die Oberschenkel. Nein, sportlich ist das nicht.

Auch das Schwimmen war für mich eine einzige Enttäuschung: Ein paar wenige Versuche im örtlichen Schwimmbad offenbarten, dass die vermeintliche Schwerelosigkeit im Wasser zwar prinzipiell ein Vorteil ist, weil man das eigene Gewicht nicht herumschleppen muss, dafür muss man es durch das Wasser schieben. Gut, Wasser hat nicht so viel Widerstand wie zum Beispiel Kartoffelbrei, trotzdem kommt man bei der Schwimmerei außer Puste. Und wenn der eigene Schweinehund dann auch noch eher einem Bernhardiner ähnelt als einem Chihuahua, dann sitzt man (also gut: ich) nach dem dritten Schwimmbadbesuch trotz bester Vorsätze gemütlich im warmen Sprudelbad und lässt sich die Dellen aus den Oberschenkeln blubbern, statt 1000 Meter zu kraulen.

Aber es ist nicht so, dass ich völlig unsportlich wäre: Ich kenne jede Menge Leute, die Sport machen. Regelmäßig.

Diejenigen, die dabei vor Begeisterung sprühen, finde ich allerdings immer etwas befremdlich. Andi und Netti zum Beispiel, die klettern wie wahnsinnig an den Wochenenden die Berge hoch. Obwohl da Straßen raufführen. Ich bin mal mitgefahren und habe mich in eins ihrer Klettergurtsysteme einschnallen lassen. Ich bin den Fels hochgekraxelt und es war auch irgendwie nicht ganz, ganz schlimm, eine prima Aussicht und alles. Aber als wir oben waren, sagte Andi: »Na? Ist das nicht schön hier oben?« Und ich dachte mir: Schon schön. Ein toller Platz, um ein Picknick zu machen – UND WENN WIR MIT DEM AUTO GEFAHREN WÄREN, HÄTTEN WIR AUCH EINS MITNEHMEN KÖNNEN! Aber die Leute sind eben unterschiedlich.

Ob es erblich bedingt ist, dass man gerne Sport macht oder nicht? So, wie man braune oder eben blonde Haare hat? Oder ist das Erziehungssache und die kleinen Knirpse, die von ihren joggenden Vätern in Sportbuggys herumgefahren werden, sind die Sportskanonen von morgen? Möglich, sagen amerikanische Wissenschaftler. Die haben in einem Experiment herausgefunden, dass körperliche Fitness durchaus vererbt werden kann. Also selbst erworbene Sportlichkeit kann an Nachkommen weitergegeben werden. Erstaunlich, oder? Das ist ja so, als ob man Fremdsprachenkenntnisse vererben könnte. Zumindest bei Ratten ist das so (das mit der Sportlichkeit, nicht das mit den Fremdsprachen). In einem Versuch mit zwei genetisch identischen Rattenfamilien wurde die eine zu Bewegung angehalten, die andere durfte bräsig dem Nichtstun frönen. Die Rattenkinder der sportlichen Nager waren, ohne dass sie selbst trainiert hätten, deutlich ausdauernder als die Nachkommen der Faulenzer-Ratten. Der Grund dafür ist, dass die Kinder der Sportsratzen mit größeren Herzen und Lungen auf die Welt kamen und auch die Muskeln besser durchblutet waren.1 Hätte meine Mutter mehr Sport getrieben, wäre ich vermutlich heute mehr Yogurette und weniger Snickers. Die Eltern sind also schuld, das geht eigentlich immer, oder?

»Von wegen«, weist mich meine Mutter zurecht, als ich sie beim nächsten Besuch zum traditionellen Sonntagsbrunch auf ihr Versäumnis hinweise. »Eine größere Lunge hätte dir als Baby wenig genutzt, du warst so faul, dass uns der Kinderarzt mit dir zur Krankengymnastik geschickt hat. Du hast dich nicht hingesetzt, an keinem Möbel hochgezogen, du bist noch nicht mal gekrabbelt oder gerobbt. Hätte ich nicht eines Tages ein Croissant in der Hand gehabt, das du haben wolltest, hättest du vermutlich nie Laufen gelernt. Und zu dem Zeitpunkt warst du schon fast zwei Jahre alt!«

»Das ist aber nun echt schon eine Zeit her«, maule ich halbherzig zurück und erinnere mich an meine Babyfotos, auf denen ich allesamt aussehe wie ein sehr, sehr kleiner Franz Josef Strauß in Strumpfhosen.

Inzwischen sehe ich, Gott sei Dank, ü-ber-haupt nicht mehr aus wie Franz Josef Strauß. Das hat sich ganz gut rausgewachsen. Es ist zwar kein Supermodel aus mir geworden, aber im Großen und Ganzen passt alles. Gut, es gäbe da ein paar Dinge, die ich schon gerne ändern würde, aber das versaut mir jetzt auch nicht das Leben. Und schon gar nicht die Pasta bei meinem Lieblingsitaliener. Damit Sie eine Vorstellung haben, ich bin eher so mittel: durchschnittlich groß, total normal schwer und meine Haare sind auch noch – braun. Ich bin sozusagen das Beige unter den Farben, die 39 unter den Schuhgrößen. Entgegen der Meinung der Modebranche, die 36 als eine ernst zu nehmende Kleidergröße verkaufen will (ich meine, wer soll so was anziehen, ein Fötus?), bin ich der Ansicht, dass ein bisschen Kurven am Weib sehr hübsch aussehen. Vorausgesetzt, sie sind an den richtigen Stellen. Und da haben wir schon das erste Problem: Eine Kurve am Bauch zum Beispiel ist eindeutig eine falsche Stelle. Eine einfache Umverteilung wäre schön. Können Sie sich an die Plonsters erinnern? Diese drei bunten Knetgummifiguren aus der Sesamstraße, die sich in alles Mögliche verwandeln konnten? Die musste man nur in die richtige Form drücken. So in etwa habe ich mir das vorgestellt. Mit etwas Glück passe ich sogar auch wieder in die Jeans, die seit Jahren ganz oben, ganz hinten im Schrank liegen …

Ziel Nummer 1:

Meinen Körper in die richtige Form bringen

Ich sehe an mir herunter und stelle mir vor, wie das aussehen wird, wenn ich erst mal die Fitness-Queen bin. Ein kurzer Blick über die Schulter lässt die Hoffnung keimen, dass der Hintern dann auch ein bisschen kleiner wird. Mehr Apfel statt Birne. Ich kneife hinein und setze sofort den Zusatzartikel auf:

Ergänzung zu Ziel Nummer 1:

Meinen Körper in die richtige Konsistenz bringen

Um beim Obst-Vergleich zu bleiben: Mehr knackig statt reif. Das wird bestimmt auch L. freuen, fällt mir da ein. L. ist der Mann an meiner Seite und damit Sie keinen falschen Eindruck bekommen: Er ist keine treibende Kraft hinter meinem Fitnessprojekt, so eine Sorte Mann ist er nicht. Die kommen ja direkt hinter denen, die ihren Frauen zum Geburtstag eine Schönheits-OP schenken, oder? Nein, L. ist da eher pragmatisch. Wie pragmatisch, kann ich Ihnen anhand eines Schwanks aus unserem Intimleben verdeutlichen: Als ich jüngst in unserem Schlafzimmer den Bleistift-test2 gemacht habe und mit Sorge feststellte, dass ich inzwischen zum Neon-Marker-Test übergehen könnte, fragte ich ihn:

»Gefällt dir das überhaupt noch, wenn der Busen jetzt so nach unten wandert?« Worauf L. mir liebevoll in die Augen sah und sagte: »Mir wird dein Busen immer gefallen, egal wohin die Reise geht.« Was soll ich sagen – er ist toll.

Ich habe dieses Projekt aber nicht nur wegen einer schnöden Traumfigur gestartet. Es ist auch so, dass ich bei körperlicher Anstrengung immer öfter merke: Das ging schon mal leichter. Dem Bus hinterherrennen zum Beispiel. Die Treppen in den dritten Stock hochgehen oder, das ist ganz neu: Ich komme, wenn ich die Beine durchgedrückt halte, mit meinen Fingerspitzen nicht mehr an meine Zehen. Zumindest nicht, ohne sehr laut zu jammern.

»Kunststück«, sagt meine beste Freundin Jana, als ich ihr am Telefon meine neueste Erkenntnis mitteile, »dann gehst du eben rechtzeitig zum Bus und wickelst deine Finger nicht um deine Zehen. Wozu soll das überhaupt gut sein?«

»Damit ich die Installation eines Lifta-Treppenlifts noch etwas hinauszögern kann«, antworte ich. Jana ist von Anfang an gegen das Projekt und sie lässt es sich deutlich anmerken.

Also:

Ziel Nummer 2:

Mehr körperliche Fitness

Wenn ich es recht überlege, ist dieses Projekt wirklich überfällig. Wenn ich morgens mit Rückenschmerzen aufwache, nehme ich das schon als so gegeben hin, als wären sie mir angeboren, und das sind sie definitiv nicht. Während ich das hier aufschreibe, bemerke ich auch wieder diesen unangenehmen Schmerz im Nacken. Alle, die ihre Zeit hauptsächlich am Computer verbringen, wissen, wovon ich spreche: dieses fiese Ziehen, das von der Aufhängung des Kopfes über die Schultern bis zur Mitte des Rückens reicht und sich anfühlt, als wäre man 90 Jahre alt und hätte die Nacht in einem zugigen Treppenhaus verbracht. Und wenn man dann den Kopf kreisen lässt, knackt es.

Sofort bessere ich aus:

Viel mehr körperliche Fitness

Damit geht einher:

Ziel Nummer 3:

Gesünder sein

Was Dinge wie den Lifta-Treppenlift, Schlaganfälle und Herzinfarkte hoffentlich in weite Ferne rückt.

Aber nicht nur meinen zukünftigen Traumkörper will ich modellieren, auch mein Hirn soll – fitter werden. Es ist nicht so, dass ich eine geistige Nullnummer wäre, und ich mache mir auch keine Sorgen um meinen IQ, aber ich wünschte, ich wäre oft etwas konzentrierter, etwas wacher, etwas klarer, etwas ruhiger und würde nicht so viel vergessen.

Ziel Nummer 4:

Einen klareren Kopf bekommen

Irgendwo zwischen diesen Zielen ist auch das Ich-wäre-gerne-Yogurette-artiger versteckt: diese schwammige Vorstellung, dass ich besser gelaunt bin und mir kurze Jogginghosen stehen, dass der Sommer nie zu Ende geht und man guten Freunden ein Küss chen gibt.

Wie genau dies alles zu erreichen ist, darüber herrscht Uneinigkeit. Ständig gibt es neue wissenschaftliche Erkenntnisse oder Berichte von Leuten, die mal wieder »das einzig Wahre« gefunden haben, woraufhin sofort jemand anderes genau dies als gefährliche Spinnerei bezeichnet und auf den neuen, lustigerweise ebenfalls einzig wahren Trend aus Amerika verweist. Es ist ein Grauen. Eine passende Sportart oder die richtigen Körperübungen zu finden ist ungefähr so, wie ein Rezept für Erdbeerkuchen zu suchen: Alle wissen etwas, die meisten wissen es besser und Vanillepudding unter die Erdbeeren oder nicht wird zum Glaubenskrieg und im Endeffekt bleibt einem nur, herauszufinden, was einem selbst besser schmeckt. Wenn man nicht immer alles selber macht, echt …

BODYSTREET

Es gibt ein Argument, das Bodystreet sofort zu meiner ersten Wahl werden lässt und neben dem alle anderen Fitnessmethoden extrem unattraktiv aussehen. Das Super-Duper-Argument lautet:

20 Minuten Training im Monat reichen!

Das entspricht etwa 8-mal 45 Minuten herkömmlichem Krafttraining.

Das ist genau die Aussage, auf die ich immer gewartet habe. Wenn man keine Sportskanone ist und vor allem noch keinen Sport gefunden hat, der so viel Spaß macht, dass man ihn freiwillig betreibt, ist das doch ideal! Wenn ich mich schon anstrengen muss, dann bitte so wenig wie möglich!

In meinem bisherigen Leben, das muss ich zugeben, hat das Sowenig-wie-möglich-Prinzip eher mäßige Erfolge gebracht. Genauer gesagt: gar keine. Ich wurde nicht schlank im Schlaf, die Ananaspillen, mit denen man ohne Diät 15 Kilo in 15 Tagen verlieren sollte, schmälerten ausschließlich meinen Geldbeutel (den dafür sehr erfolgreich) und trotz verschiedener Cremes, die nach vier Wochen eine Verjüngung, Straffung und Glättung meiner Haut inklusive Faltenreduktion bewirken sollten, sehe ich genauso aus wie immer – und nicht zehn Jahre jünger. Ich weiß, wie ich vor zehn Jahren ausgesehen habe, liebe Kosmetikindustrie.

Ich würde gerne sagen, dass ich etwas daraus gelernt habe und inzwischen viel schlauer bin. Ich bin es nicht. Gut, die Ananaspillen kommen mir nicht mehr ins Haus,3 aber wenn ich ein Plakat für die neuesten Dragees aus Amerika mit Himpelchen-und-Pimpelchen-Extrakt in der Apotheke sehe, die mir versichern, ich könnte durch sie in zehn Tagen aussehen wie Angelina Jolie, das wäre von führenden Wissenschaftlern eindeutig erwiesen, dann komme ich doch in Versuchung. Da hilft es, wenn man in diesem Moment nicht allein ist. Vor sich selbst wie ein kompletter Idiot dastehen, das ist noch relativ problemlos zu verdrängen (»Natürlich glaube ich nicht daran! Ich hatte nur 30 Euro zu viel im Geldbeutel!«), aber vor jemand anderem fällt einem das doch deutlich schwerer.

Es ist ein Trugschluss zu denken, nur wir Frauen fielen auf vollkommen unhaltbare Versprechungen herein. Das merkte ich das erste Mal, als L. mit einem Buch nach Hause kam, das ihm versprach, er könne nur mithilfe von Konzentration und Gedankenkraft stinkreich werden. Seitdem steht es Ananaspillen (ich) gegen Geld-Ratgeber (L.) eins zu eins.

Wahrscheinlich ist jeder schon mal auf eine dieser »Abkürzungen« hereingefallen. Die Idee ist ja auch zu verlockend: den Erfolg anstrengender und langer Arbeit genießen – ohne die lange und anstrengende Arbeit vorab. Das Prinzip erstreckt sich über alle Themenbereiche:

Warum wir trotzdem sehenden Auges immer wieder auf die Masche hereinfallen, ist leicht erklärt:

Die Vorstellung, wie unendlich fantastisch es wäre, sollte eine der angepriesenen Methoden tatsächlich funktionieren, fegt jeden Funken Verstand vom Tisch. Man darf aber auch nicht zu kritisch sein: Hätten wir vor einiger Zeit die Versprechen

oder

mit einer abwertenden Handbewegung vom Tisch gefegt, das Rad und die wunderbare Geschirrspülmaschine wären nie erfunden worden. Aber was wird Bodystreet nun sein? Mehr die Ananaspille des Sports oder die Erfindung des Rads auf dem Fitnesssektor? Ich melde mich für ein Probetraining an.

Als L. an diesem Abend in der Tomatensoße für die Spaghetti rührt, lasse ich ihn an meinen neuen Erkenntnissen teilhaben.

»Ich werde diesen Montag übrigens 8-mal 45 Minuten Krafttraining machen … und zwar in 20 Minuten.«

L. unterbricht kurz das Rühren. »Tatsächlich?«, fragt er und legt den Kopf schief. »Und wie stellst du das an?«

Ich verschränke die Arme und sehe ihn triumphierend an: »EMS!« Woraufhin L. den Kopf noch etwas schiefer legt und die Augenbrauen nach oben zieht: »PMS?« Der sollte sich auch mal wieder die Ohren waschen. »Nein. E-MS. Nicht P-MS.«

»Hätte mich auch wirklich gewundert«, nickt L. und rührt wieder in der Soße. »Und was heißt EMS?«

Ich zucke mit den Schultern. »Das ist eine neue Methode, die sie bei Bodystreet anbieten, irgendwas mit Effizienz wahrscheinlich.«

Weit gefehlt.

L. lassen, im Gegensatz zu mir, unbefriedigende Informationen keine Ruhe, und so stellt er nach dem Abendessen den Laptop auf den Küchentisch, während ich uns einen Espresso aufsetze.

»Oh«, höre ich ihn sagen, und als ich mit den Tassen komme, grinst er mich über beide Ohren an.

»Das E in EMS kommt nicht von Effizienz«, sagt mein Mister Superschlau und grinst weiter.

»Sondern?«

»Von Elektrisch

»Ach du Scheiße.«

Wir klicken uns durch die Webseite von www.bodystreet.com und L. hat leider recht: Ich habe ein Probetraining ausgemacht, bei dem ich unter Strom gesetzt werde. Hervorragend.

Passiert Ihnen das auch, dass manchmal völlig unkontrolliert Szenen aus Kinofilmen vor Ihrem inneren Auge erscheinen? Und haben Sie auch diesen Film gesehen, bei dem jemand auf einem altmodischen elektrischen Stuhl zu Tode kommen soll und der Schwamm unter seinem Helm wird nicht richtig nass gemacht? So viel zu den Bildern in meinem Kopf, wenn jemand das Wort »elektrisch« sagt.

»Kommst du mit?«, frage ich L., aber der schüttelt bedauernd den Kopf. »Ich habe leider keine Zeit«, und muss dann wieder grinsen: »Auch wenn ich mir das Spektakel ungern entgehen lasse.«

Am nächsten Tag versuche ich es bei Jana: »Bist du eine Freundin oder bist du keine Freundin?« Jana seufzt mir ins Ohr: »Was muss ich tun?« Ich erzähle ihr von der tollen neuen Trainingsmethode, mit der man bis zu 18-mal höhere Trainingseffekte als mit herkömmlichem Fitnessstudio-Training erzielen kann. »Und wie machen die das?«, fragt meine misstrauische Freundin. »Da werden die Muskeln ganz toll stimuliert«, nuschle ich ins Telefon, aber Jana speist man nicht so leicht ab.

»Wie?«

Es hilft nichts, ich muss Jana erzählen, was ich inzwischen weiß: »Es ist eine Art Ganzkörpertraining unter Reizstrom. Der Strom verstärkt die Muskelkontraktionen und darum ist es viel effektiver als ein normales Training.«

»Du spinnst«, sagt Jana, und ich werte das als Absage.

Mit einem leicht flauen Gefühl im Bauch mache ich mich an einem schönen Morgen auf den Weg zur nächsten Bodystreet-Filiale. Bodystreet ist ein Franchise-Unternehmen. An 66 Standorten in Deutschland und Österreich stehen Mikro-Fitnessstudios, die das spezielle Training anbieten (und sie expandieren weiter). Das Studio ist, wie alle Filialen, klein. Ein ebenerdiger, verglaster Raum, in dem nur ein Empfangstresen steht, zwei gleiche Geräte, die aussehen wie Standfahrräder ohne Sattel, eine kleine, stylishe Sitzgruppe und am Ende ein paar Umkleidekabinen. »Hallo?« Etwas verunsichert stehe ich vor dem Tresen.

»Hallo!«, strahlt mich ein durchtrainierter junger Mann an. »Ich bin Kilian.« Geht doch ganz gut los, denke ich. Wir setzen uns in die Sitzecke und ich fühle mich sofort wohler. Mit hübschen jungen Männern in Sitzecken lümmeln, das kann ich. Fehlt nur noch ein Cocktail. Einer, maximal zwei Kunden werden hier gleichzeitig betreut, ich habe Kilian also ganz für mich. Statt einem Cocktail holt Kilian einen Fragebogen. Wie groß ich bin? Wie viel ich wiegen würde? Wie mein Blutdruck so wäre? Meine Problemzonen? Das sind dann doch Fragen, die sich erheblich von den Fragen einer Kneipenbekanntschaft unterscheiden. Nach dem Gesundheitscheck drückt mir Kilian schwarze Shorts und ein schwarzes T-Shirt in die Hand und schickt mich in die Umkleidekabine. Ich muss mich komplett ausziehen, auch Unterhose und BH. (Ich erspare Ihnen jetzt einen weiteren Vergleich mit meinen Kneipenbekanntschaften.)

Es gibt Frauen, die sehen in kurzen Hosen und hautengen Shirts ohne BH gut aus. Nur so viel: Ich gehöre nicht dazu. Ich sehe darin aus, wie die liebe Jana es einmal so treffend beschrieb: wie ein ausgestopfter Strumpf. Hätte ich das mit den kurzen Hosen gewusst, hätte ich mir heute Morgen auch definitiv die Beine rasiert. »So«, strahlt mich Kilian an als wäre nichts, »dann wollen wir dich mal ausstaffieren.« – »Toll«, strahle ich zurück und verfluche das Fitnessprojekt. Ich bekomme eine Weste angelegt, an der rote und schwarze Kabel hängen, außerdem bekomme ich Gurte an Arme und Beine geschnallt und einen etwas breiteren Gurt um den Po. Alles wird vor dem Anlegen mit einer Sprühflasche befeuchtet. Mein »elektrischer Tod« wird schon mal nicht an der trockenen Ausstattung scheitern, so viel ist klar. Verschnallt und verkabelt sehe ich mich am Ende des Raumes im Spiegel: Mit ein bisschen Kunstblut könnte ich glatt als Statist bei Hellraiser durchgehen.

Kilian geleitet mich zu den beiden Geräten am Fenster. Das wird ja immer besser: Ich mache mich hier nicht nur als verkabelter, ausgestopfter Strumpf zum Affen, ich mache das auch noch in einem Schaufenster. Der Moment ist gekommen: Der Monster-Stecker von meiner Weste, an dem alle Kabel zusammenlaufen, wird mit dem Monsterstecker des Geräts zusammengesteckt. Zu meiner Überraschung macht es nicht BBBBRRRZZZZZZ und es stehen mir auch nicht, wie im Comic, alle Haare zu Berge, sondern es passiert: nichts. Kilian dreht an irgendwelchen Rädchen, an denen er die Stromstärke regulieren kann, und zeigt mir einen Balken aus Leuchtfeldern auf dem Display des Gerätes: Leuchtet es blau, ist Pause, also für vier Sekunden kein Strom und somit gut. Anschließend geht das Licht aus: Es fließt vier Sekunden lang niederfrequenter Reizstrom – schlecht. Das wechselt sich dann 20 Minuten lang ab. Mein reizender Kilian steht vor mir und zeigt mir die korrekte Ausgangshaltung: leicht in der Hocke wie über einer Toilette, auf die man sich nicht setzen will, und mit verschränkten Händen warte ich auf die erste Stromsequenz. »Jetzt die Muskeln anspannen«, sagt Kilian, und da ist er, der Strom. Halleluja! So heftig habe ich mir das dann doch nicht vorgestellt. Das bitzelt nicht nur ein klein wenig, das fühlt sich an wie ein Waldameisen-Haufen, inwendig. Gott sei Dank ist es relativ schnell vorbei, nach vier Sekunden ist Pause. Leider dauert die aber auch nur vier Sekunden. In den Pausen zeigt mir Kilian die verschiedenen Übungen, die ich nachmachen muss, was sehr gut ist, weil ich mich sonst nur darauf konzentrieren würde, dass gleich wieder Saft durch mich hindurchfließt und meine Muskeln damit zum Durchdrehen bringt. Über 90 Prozent der Körpermuskulatur wird durch so ein Training erreicht. Zum Vergleich: Wer mit Hanteln trainiert oder ein anderes Krafttraining macht (und auch eine Ahnung hat, wie man das richtig macht), erreicht allerhöchstens 70 Prozent. Ätsch, denke ich, und schon macht es wieder BBBRRRRZZZZZ! Verflucht auch. Alle paar Sekunden ändert Kilian meine Trainingsposition. Abfahrtshocke, ein Bein nach hinten strecken oder nur eine Drehung: Die Übungsabfolge an sich ist nicht kompliziert.

Ich trainiere so auch die Tiefenmuskulatur, erzählt Kilian nebenbei, die man mit normalem Krafttraining schon gar nicht erreicht. Wo habe ich »Tiefenmuskulatur« schon mal gehört? Und guckt eigentlich jemand durchs Schaufenster? Ehrlich gesagt: Es ist mir scheißegal, ich habe hier zu tun. Obwohl ich mich kaum bewege, komme ich allmählich außer Puste und schwitze. »Das Tolle ist auch, dass sämtliche Muskelfasern zur gleichen Zeit aktiv werden«, höre ich Kilian, während ich mit genau jenen aktiven Muskelfasern kämpfe. Und es ist noch nicht entschieden, wer gewinnt. Es sind erst 15 von 20 Minuten vergangen, aber ich für meinen Teil bin fertig mit Trainieren. Mit Sport generell. Kilian merkt, dass meine Motivation unter den Gefrierpunkt sinkt, und sagt lauter Sätze, die mit »Nur noch …« anfangen.

»Nur noch zwei Mal!« – »Nur noch drei Sekunden!«

Ganz ehrlich: Stünde er nicht dort, sondern bliebe ich mir selbst überlassen, mein Schweinehund wäre schon längst über alle Berge und täte, was er sonst so tut: Eis essen gehen, ein Buch lesen, solche Dinge. Kilian steht aber dort und hilft mir über die letzten Minuten und ich habe in keinem Moment den Eindruck, er wüsste nicht, was er da tut. Kein Wunder: Über 5000 Kunden hat er schon betreut, erzählt er mir später. »Da merkt man schon, ob jemand an seinem Limit ist oder ob da noch was geht.« Er ist außerdem, wie alle Trainer von Bodystreet, nicht nur vom Unternehmen selbst ausgebildet, sondern kommt aus dem sportlichen Bereich. Kilian selbst ist Fitnessökonom – gucken Sie nicht so, ich wusste auch nicht, dass es das gibt.

Wie funktioniert es?

Wenn wir einen Muskel anspannen, um etwas hochzuheben zum Beispiel, sendet unser Hirn über das Zentralnervensystem einen elektrischen Impuls an den betreffenden Muskel. Diese elektrische Stimulation lässt den Muskel die Bewegung ausführen. EMS (Elektrische Muskelstimulation) aktiviert diese Nerv-Muskel-Autobahn direkt und viel stärker, als man das ohne Hilfe selbst könnte. Ein Krafttraining von außen, sozusagen. Die Effizienz von EMS-Training rührt daher, dass sich gezielt die für Kraft notwendigen Typ-II-Muskelfasern ansprechen lassen und dass sämtliche Muskelfasern zur gleichen Zeit aktiviert werden.

Was kostet es?

Ein Probetraining kostet 19,90 Euro. Im Jahresabo kostet jedes weitere Training ebenfalls ca. 20 Euro.

Aufwand

Überschaubar. Gut, man muss erst mal zum nächsten Studio hinkommen und auch wieder nach Hause, aber man braucht ansonsten keinerlei Ausstattung, noch nicht mal Turnschuhe.

Für wen?

Für alle, die nicht schwanger oder krank sind, Herzprobleme haben oder einen Herzschrittmacher ihr Eigen nennen, der sich aufgrund des Stroms vielleicht verwirren lassen könnte. Besonders geeignet für Sportler, die sich verbessern wollen, und Leute, die schon laufen oder schwimmen, da mit EMS Kraft trainiert wird und nicht die Ausdauer, was für die Fitness nur die Hälfte der Miete ist. Elektrostimulation wird außerdem als Therapieform eingesetzt, wenn Muskeln nach Unfällen zum Beispiel nicht mehr willkürlich bewegt werden können.

Wer macht denn so was?

Mehr Frauen als Männer, das Verhältnis ist ca. 60 zu 40.

Vorteile

Nachteile

»Und? Machst du das jetzt öfter? Und darf ich dann mal durchs Fenster gucken?« Das hat mir gerade noch gefehlt. »Nein und nein.« L. sieht mich enttäuscht an. »Und warum nicht?« Ja, warum eigentlich nicht? »Ich weiß nicht«, druckse ich etwas herum, »irgendwie habe ich mir das ganz anders vorgestellt.«