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Über dieses Buch:

Ist es die schönste Zeit des Jahres – oder der Beginn eines Marathons, bei dem man mit hängender Zunge kurz vor dem Ziel zusammenbricht? Saskia ist wild entschlossen, das perfekte Weihnachtsfest auszurichten. Sie will basteln, backen und dekorieren, bis der letzte Zimtstern jodelt und die Wohnung sich in ein kuscheliges Winter-Wunderland verwandelt. Ihre Tochter wird sie lieben, ihr Mann bewundern und die anderen Mütter beneiden: halleluja! Also stürzt sich Saskia mit viel Elan in die Vorbereitungen – und befindet sich plötzlich im freien Fall …

Eine turbulente Komödie für alle, die noch nicht vergessen haben, worauf es im Leben wirklich ankommt!

Über die Autorin:

Kirsten Rick wurde 1969 in Hamburg geboren und wuchs in einem kleinen Dorf in der Nähe auf. Sie studierte Angewandte Kulturwissenschaften in Lüneburg und arbeitet seitdem, da sie laut eigener Aussage »nichts Vernünftiges gelernt hat«, als Redakteurin für verschiedene Zeitschriften und als freie Journalistin. Kirsten Rick lebt mit ihrem Mann und ihren beiden Töchtern im Hamburg am Hafen.

Bei dotbooks veröffentlichte Kirsten Rick bereits die Romane »Schlüsselfertig« und »Frischluftkur« – die auch als Sammelband erhältlich sind – sowie die Kurzgeschichtensammlung »Ernas kleines Weihnachtswunder« und die Novelle »Maria räumt auf«.

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Originalausgabe Dezember 2014

Copyright © 2014 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Nicola Bernhart Feines Grafikdesign, München, unter Verwendung eines Bildmotivs von Fotolia.com/Rouz

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH

ISBN 978-3-95824-032-2

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Kirsten Rick

Ausgestochen!

Eine Plätzchengeschichte

dotbooks.

Markt und Straßen stehn verlassen,

still erleuchtet jedes Haus.

Sinnend geh ich durch die Gassen,

alles sieht so festlich aus.

An den Fenstern haben Frauen

buntes Spielzeug fromm geschmückt,

tausend Kindlein stehn und schauen,

sind so wunderstill beglückt.

Joseph von Eichendorff

27. November

Liebe Eltern,

für unseren diesjährigen Adventsbasar am letzten Schultag vor den Weihnachtsferien möchten wir Sie bitten, ein paar selbstgebackene Plätzchen beizusteuern.

Vielen Dank und herzliche Grüße,

Eva Brandt, Klasse 2c

Saskia betrachtet den leicht zerknitterten Recyclingpapier-Zettel, den sie heute Morgen aus dem Schulranzen ihrer Tochter Ann-Sophie gezogen hat. Die tägliche Inspektion, die dezent durchgeführt wird, um das Kind in seiner natürlichen Entwicklung nicht zu beeinträchtigen, fördert neben gelegentlichen Mitteilungen der Schule regelmäßig Erstaunliches zutage. Manchmal hat Saskia den Verdacht, ihre Tochter plaziert die Fundstücke dort bewusst, um ihrer Mutter Rätsel aufzugeben, von den im Hausaufgabenheft getrockneten Blättern über die tote Biene, die in einem Überraschungsei ihre letzte Ruhe gefunden hat, bis hin zu den gelben Plastikfädchen, die darauf hindeuten, dass die Barbie-Puppe einer Mitschülerin nun einen modischen Kurzhaarschnitt trägt.

Doch heute ist Saskia alarmiert. Ein »Brand-Brief«, so nennen die beiden Klassenvertreterinnen der »Gazellen-Klasse« die knappen Schreiben der Klassenlehrerin. Der jungen und unbedarften Klassenlehrerin, da sind sich Saskia und ihre Co-Amtsinhaberin Philomena einig. Frau Brandt sieht alles ein bisschen lässig, meinen die gewählten Vertreterinnen der Elternschaft.

Nachdem Ann-Sophie mit einem Kuss und einem Pausenbrot an die Nachbarin übergeben ist, die in dieser Woche die Kinder zur Schule begleitet, greift Saskia zum Smartphone und ruft Philomena an.

»Fahr doch!«, brüllt Philomena ihr entgegen.

»Wohin?«, wundert sich Saskia.

»Ach, du bist es. Ich bin schon unterwegs.«

Saskia wirft einen Blick auf die Uhr. Es ist doch noch recht früh am Tag, es sei denn, man bringt seinen Nachwuchs zur Schule, aber das lässt Philomena stets ihren Gatten erledigen. Dafür ist sie unermüdlich, wenn es darum geht, anstehende Besorgungen zu erledigen, und unerschütterlich der Meinung, dass man stets mit dem Auto in die Innenstadt fahren muss. Da gibt es zwar nie Parkplätze, aber deswegen fahre ich zeitig, sagt sie dazu mit einer Überzeugung, der man wenig entgegensetzen kann.

»Hast du schon die Ranzenpost gesehen?« Saskia schüttelt sich, als sie das Wort ausspricht. Ranzenpost – das klingt schon so … ranzig.

»Ja, das ist wieder unheimlich unkonkret!« Philomena schlägt sofort den ihr eigenen leicht atemlosen, leicht empörten Ton an. »Ein paar Plätzchen – wie viele sollen das überhaupt sein? Und es ist gar kein Rückmeldezettel dabei! Hat dieser kleine Torben nicht eine Lebensmittelunverträglichkeit? Was war es noch, Gluten, Fruchtzucker, Laktose …«

Saskia ist versucht, die Gegenfrage zu stellen, welches der Kinder in Ann-Sophies Klasse überhaupt alles essen kann, schluckt diese aber schnell hinunter.

»So etwas muss doch viel exakter geplant werden«, ereifert sich Philomena weiter. »Warum fragt sie uns denn nicht vorher?«

Saskia ist zufrieden. Genau das hat sie auch gedacht. Deshalb schaltet sie jetzt eine Stufe höher: »Was soll das überhaupt für ein Adventsbasar sein? Hoffentlich nicht schon wieder so eine tranige Veranstaltung wie im letzten Jahr. Das war ja gar nichts! Weißt du was, ich schreibe Frau Brandt mal eine Mail. Dich nehme ich mit in cc, die Schuldirektorin vielleicht auch.«

»Hervorragend! Und dann setzen wir uns mal gemütlich bei einem Tee zusammen und besprechen das alles. Ich muss auflegen, hier ist gerade ein Parkplatz vor dem süßen Laden, wo sie diese bezaubernden kleinen selbstgerechten Dinge verkaufen.«

»Diese … was?«, fragt Saskia erstaunt.

»Diese bezaubernden kleinen selbstgemachten Dinge«, wiederholt Philomena, die es gewohnt ist, alles zwei- bis dreimal zu erklären und dabei nie die Ruhe zu verlieren. »Perfekt für den Adventskalender. Meine Charlotte soll dieses Jahr so richtig staunen können. Ich hab ja schon fast alles, aber es fehlt doch noch so der letzte Schliff.« Philomenas Auto piept schrill. Saskia weiß, was das bedeutet: Ihre Freundin parkt rückwärts ein und ignoriert wie üblich die Abstandswarnung, da sie selbst nicht besonders entspannt darauf reagiert, wenn ihr etwas mehrfach erklärt oder angesagt wird. Es knirscht unschön metallisch. »Tschüss, danke, dass du die Mail schreibst, ciao!« Und aufgelegt.

Auweia.

Ja.

Der Adventskalender.

Saskia ist da noch nicht so weit. Genau genommen hat sie erst ein paar wunderhübsche Do-it-yourself-Ideen in ein paar Wohn-Design-Blogs betrachtet. Den aus leeren Milchtüten, die zu kleinen Häusern umgearbeitet wurden, fand sie ganz entzückend. Aber woher sollte sie spontan 24 leere Milchtüten besorgen? Vielleicht könnte sie einen Vorrat anlegen und den Inhalt einfrieren. Aber eingefrorene Milch? Und hatte sie überhaupt so viele Tupperdosen im Haus?

Der Adventskalender mit den weißen Päckchen am großen, knorrigen Ast hatte so etwas Dramatisches, Archaisches und würde sich perfekt über dem Esstisch machen. Die Frage ist nur, wie sie an diesen Ast kommen soll. In der kleinen Grünanlage um die Ecke sind die Bäume eher von schmächtigem Wuchs. Vielleicht könnte sie Jörg bitten, sich darum zu kümmern. Schließlich hat er »Ja« zu ihr gesagt und kurze Zeit später Ann-Sophie gezeugt. Das gibt ihm eine gewisse Beteiligungspflicht, findet Saskia. Andererseits hat Jörg immer sehr viel zu tun und kommt stets spät nach Hause. Konnte man ihn da noch in den Stadtpark schicken?

Vielleicht sollte sie sich doch besser an diese Kreuzstich-Arbeit setzen? Sticken ist ja wieder in, und die Anleitung sah nicht so schwierig aus. Außerdem würde ein solcher Kalender an die Sitten lang vergangener Zeiten erinnern. Zugegeben, Saskias Mutter hatte nie gestickt und die Großmutter auch nicht, aber bei der Urgroßmutter konnte man sich nicht sicher sein. Und vermutlich war es für Ann-Sophie wichtig, auch zu diesem Teil ihres Familienerbes einen emotionalen Zugang zu bekommen. Sticken also. Ist das eigentlich zeitaufwendig? Vielleicht könnte sie im Büro …

Nein, Saskia verwirft diesen Gedanken. Sticken geht da nicht. Höchstens mal ein paar Mails schreiben, das fällt nicht weiter auf. Die Kolleginnen haben alle keine Kinder. Die wissen ja gar nicht, was Weihnachten ist. Was das bedeutet! Diese entrückte Zeit, die glänzenden Kinderaugen, diese heimelige Gemütlichkeit … Es sollte Mütter geben, die sich nach den Zeiten zurücksehnten, in denen ihre Kinder noch ganz klein waren. Saskia gehörte nicht dazu. In den ersten zwei Jahren ihres Lebens hatte Ann-Sophie den leuchtenden und funkelnden Baum kaum zur Kenntnis genommen. Die liebevolle Dekoration der Wohnung motivierte sie eher zum Versuch, sie sich in den Mund zu stecken, statt sie ehrfürchtig zu bestaunen. Zum Glück hatte sich dies mit zunehmendem Alter geändert. Und Saskia hat eingesehen, dass sporadisch verteiltes Obst und diverse Schokoladenweihnachtsmänner das Kind auch nur unnütz in Versuchung führen. Aber das ist jetzt auch egal. Fest steht: Das ganze Jahr über freut sich Saskia schon darauf. Weihnachten!

Eigentlich müsste natürlich noch das Esszimmer neu gestrichen werden. Und wenn nur endlich das neue Sofa geliefert würde! Seit Wochen wartet sie schon darauf, ach was, seit Monaten. Im September hatte sie es bestellt, da wird man ja wohl erwarten können, dass die endlich mal in die Puschen kommen. Sie selber hockt ja auch nicht den ganzen Tag faul auf ebenjenem noch nicht gelieferten Sofa. Nein, sie muss ständig in Bewegung bleiben. Für Ann-Sophie beispielsweise. Und jetzt natürlich, um Weihnachten vorzubereiten. Damit es schön wird. Es wird einem schließlich nichts geschenkt!

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