Russisch Roulette

 

Ein Lisa Becker Kurzkrimi

 

von Falko Rademacher

 

© 2015 by Falko Rademacher, 13597 Berlin

 

Personen und Handlung des Romans sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen wären rein zufällig.

 

www.falkorademacher.de

 

twitter: @FalkoRademacher

 

 

Bisher erschienen von Falko Rademacher

 

 

Ein Wesley Tucker Thriller

 

Die Pergamon-Affäre (amazon publishing, 2015)

 

 

 

Ein Philip Eckstein Thriller

 

Ein Koffer voll Blut

Der Ami im Leichensack

 

 

 

Ein Lisa Becker Krimi

 

Halbe Leichen

Schöne Leichen

Der Vampir von Berlin

Schizo

 

 

 

Ein Lisa Becker Kurzkrimi

 

Der Dreißigjährige, der aus dem Fenster fiel und starb

Der Ruf der Katze

Russisch Roulette

 

Inhalt

 

Tod an der Wuhle

Klein-Moskau

Boris

Tatjana

Ein Schuss im Halbdunkeln

Epilog

 

Tod an der Wuhle

 

Wer nicht in Berlin lebt, kennt von den Flüssen der Stadt nur Spree und Havel. Es gibt aber noch ein paar Nebenflüsschen, die Beachtung verdienen. Da wäre die Dahme, die aus Brandenburg kommend in die Spree hineinplätschert. Pankow verdankt der Panke seinen Namen, einem Rinnsal, das in der Besiedlungsgeschichte Berlins in erster Linie als Abflussrohr diente. Und man sollte auch nicht die Wuhle vergessen. Sie fließt hauptsächlich durch die Bezirke Marzahn und Köpenick im Osten der Stadt. Die Wuhle gibt einem leicht rabiaten Fanclub des FC Union seinen Namen, dem Wuhlesyndikat. Davon abgesehen erfüllt sie keine erkennbare Funktion. Sie ist kein besonderer Fluss, wenn wir ehrlich sind, hat aber so ihre Höhepunkte. Zum Beispiel fließt die Wuhle auch durch den Garten des wiedergewonnenen Mondes, den größten chinesischen Garten Europas. Sehr hübsch.

Sogar noch hübscher als die Leiche, die eines Tages am Ufer gefunden wurde.

„Dimitri Kirov, Alter 17 Jahre“, stellte Fabian Zonk seiner Partnerin Lisa Becker den Toten vor. „Gefunden vor zwei Stunden von einer Gruppe Nordic Walker.“

„Das ist mal was anderes als die ewigen Jogger“, brummte Lisa und schlürfte von ihrem Papp-Cappuccino. „Das sind doch die Witzfiguren mit den Skistöcken, oder?“

„Dieselben“, bestätigte Fabian und nickte in Richtung der vier Frauen mittleren Alters, die es sich in einem der Bereitschaftswagen bequem gemacht hatten. Um die beiden Hauptkommissare des Berliner LKA 1 tummelte sich ein Dutzend staatlicher Pensionsanwärter: Die Hälfte in Uniform, die andere Hälfte in den schneeweißen Kluften von Spurensicherung und Gerichtsmedizin. Lisa und Fabian waren die einzigen, die aussahen wie normale Menschen. Sie und der Tote.

„Siebzehn?“ Lisa seufzte. „Die jüngste Leiche, die ich je gesehen habe.“

Sie betrachtete den jungen Mann und wurde noch trauriger. Er war eine erfreuliche Erscheinung gewesen, dieser Dimitri Kirov. Das konnte man durchaus noch sehen, auch wenn ihm jetzt eine Kugel im Gehirn steckte und ein wenig Blut aus dem Eintrittsloch herausgesickert war, nur getrocknet und verklebt mit dem Gras am Ufer des kleinen Flusses. Sie befanden sich mitten in der Marzahner Pampa. Der Bereich war umgeben von Büschen und Bäumen, aber dennoch konnte man in jeder Himmelsrichtung den leicht futuresken und alles andere als leicht bizarren Anblick der mächtigen Plattenbau-Hochhäuser genießen, für die der Stadtteil berüchtigt war.

„Klassischer Selbstmord, würde ich behaupten“, behauptete Fabian und wies auf den Revolver in der Hand des Toten. „Jedenfalls sagt Lamprecht, dass alles drauf hinweist: Einschusswinkel, Schmauchspuren, die Handlage der Waffe.“

„Wo ist Lamprecht?“ fragte Lisa und sah sich nach dem Chef der Gerichtsmedizin um.

„Ist schon wieder weitergezogen. In Reinickendorf hat ein Hell’s Angel einem Bandido mit ’ner Axt die Rübe gespalten.“

„Wird auch echt nie langweilig in unserem Dörfchen, wa?“

„Wo warst du so lange lange? Ich bin schon eine Stunde hier.“

„Das ist hier Marzahn, das ist von Kreuzberg aus quasi eine andere Klimazone.“

„Ich wohne in Spandau, das entspricht einer Weltreise.“

„Wenn wir zusammenleben würden, könnten wir immer zu zweit zur Arbeit fahren“, sagte Lisa mit schiefem Blick. „Aber anscheinend wäre das eine unerträgliche Beschneidung deiner Freiheit.“

„Lisa...“

„Nach fast drei Jahren.“

„Schau...“

„Was?“

Fabian stockte. „Äh... nichts, eigentlich.“

„Du bist auch nicht mehr so eine Sahneschnitte wie früher, Sportsfreund“, meinte Lisa.

„Das bin ich sehr wohl“, gab Fabian selbstbewusst zurück und gab ihr einen Kuss, was er sonst nie bei der Arbeit tat.

Ja, das ist er, grummelte Lisa innerlich. Vermutlich kann ich das bald nicht mehr über mich sagen, wie’s aussieht.

 

Klein-Moskau