Kaila Kerr

Straight to the Heart

Astro-Quickie: Schütze

Knaur e-books

Inhaltsübersicht

Über Kaila Kerr

Kaila Kerr erblickte als Pseudonym erst vor Kurzem das Licht der Welt.

Hinter diesem Künstlernamen steht eine Autorin, die bereits namenhafte Veröffentlichungen aufzuweisen hat, sich als Kaila Kerr jedoch in neue Gefilde wagt.

Impressum

© 2015 der E-Book-Ausgabe feelings – *emotional eBooks

Ein Imprint der Verlagsgruppe Droemer Knaur GmbH & Co. KG, München.

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit
Genehmigung des Verlags wiedergegeben werden.

Redaktion: Barbara Reibl

Covergestaltung: ZERO Werbeagentur, München

Coverabbildung: © FinePic®, München

ISBN 978-3-426-43382-9

 

 

 

 

Tageshoroskop:

Schütze (Er): Sie wird heute mit einem lauten, aber amourösen Knall in ihr Leben treten.

Jungfrau (Sie): Ihr technisches Verständnis wird am heutigen Tag von einem Adonis auf Herz und Nieren geprüft.

 

 

 

 

Ich sitze vor den Scherben meines Daseins. Strahlender Sonnenschein, wundervoll blauer Himmel über mir, Blumen, die sich im seichten Wind des Sommers bewegen, Gräser, die duften, als gäbe es kein Morgen.

Und ich hocke vor den Überresten meiner Emma. Mein heiß geliebtes altes Mädchen, mein himmelblauer Traum auf vier Rädern. Mein Mädchen ist gerade kaltblütig von einem SUV getötet worden. Sie ist vollkommen demoliert, und aus ihrem Heck tropft Blut. Und der Fahrer steht da im Sonnenlicht und redet sich um Kopf und Kragen. Natürlich ist er schuld, was glaubt er denn. Mein Mädchen ist nicht zu übersehen. Jeder hat sich umgedreht, wenn meine 2 CV Fourgonnette über die Straße röhrte. Für viele war dieser Kastenwagen eine Kindheitserinnerung, für mich war sie mein Leben. »Geht es Ihnen gut?«, fragt mich einer, der aussieht wie ein Sanitäter. Ich nicke traurig. Mir geht es gut, aber Emma …

»Es tut mir leid.« Ein Schatten fällt auf mich, aber ich sehe nicht hoch, kann meinen Blick nicht von ihren jämmerlichen Überresten abwenden. Als würde Emma gegen die Kontaktaufnahme durch den anderen Fahrer protestieren, lässt sie lautstark ihren linken Kotflügel fallen. »Der Abschleppwagen kommt gleich«, meldet sich die Stimme ziemlich kleinlaut erneut, aber ich ignoriere sie geflissentlich. Das geht doch nicht, denke ich, dass der so einfach zur Tagesordnung übergehen will. Abschleppwagen, wofür hält der sich? Hier ist ein Trauerzug gerade angemessen. »Wissen Sie eigentlich, was Sie angerichtet haben?«, frage ich leise, und nun sehe ich auf. Erkennen kann ich gerade so eine männliche, sehr schlanke, aber muskulöse Person, denn sein Körper schiebt sich wie der Mond vor die Sonne, und die Korona blendet mich so sehr, dass ich sein Gesicht nicht erkennen kann. Will ich auch ehrlich gesagt nicht. Will man einem Mörder ins Gesicht sehen? »Es tut mir leid«, wiederholt er, »ich habe Sie einfach nicht gesehen.«

»Klar, wer mit hundert Sachen rückwärts aus einer Einfahrt rauscht, dann noch sein Telefon am Ohr hat, KANN andere Leute auch nicht sehen.« Ich bin so sauer auf diesen Killer, und das kann er ruhig hören. Und irgendwie bin ich auch sauer auf mich. Hätte ich doch bloß auf sie gehört. Aber »hätte, wäre, wenn« zu sagen ist jetzt ungefähr so sinnlos wie gegen eine Wand zu reden. Trotzdem bleibt der fahle Beigeschmack, dass sie heute – ausgerechnet heute – recht behalten sollte. Und als ob ich ihr damit das Stichwort für ihren Auftritt gegeben hätte, taucht sie auf. Traurig, verweint, aber irgendwie doch wie immer – bunt und lustig. Mit orangefarbenen leuchtenden Haaren. Meine beste Freundin Laila-Luna. Wenn sie auftaucht, schwingt eine besondere Sphäre in ihren Bewegungen mit, die ihrem Erscheinen das gewisse Etwas verleiht. »Oh nein«, jammert sie schon von Weitem, als sie an den Überresten meines Autos vorbeigeht, immer wieder wischt sie sich eine Träne aus den Augenwinkeln, und ich weiß nicht, ob es der Tatsache geschuldet ist, dass sie mit ihrem Horoskop von heute Morgen ausnahmsweise mal ins Schwarze getroffen hat und ausgerechnet diese Vorhersage es war, sie also mit Schuldgefühlen zu kämpfen hat, oder ob es tatsächlich die kläglichen Überreste von Emma sind, die sie weinen lassen.

»Mia«, seufzt sie leise, kommt auf mich zu, schiebt den männlichen Schatten energisch zur Seite und nimmt mich in den Arm. Es tut gut, auch wenn ich weiß, welches seltsame Bild wir jetzt abgeben. Laila-Luna ist drei Köpfe kleiner als ich, und sie reicht mir gerade bis zum Bauch. Ihre bunte Kleidung verstärkt den Eindruck eines bunten Zwergs, der aus einem Spielzeugladen geflohen ist, die Glöckchen an ihren Ohrringen komplettieren das Bild. Aber es tut gut, dass sie da ist. »Diagnose«, fragt sie mich, als sie mich loslässt und auf Emma zugeht. »Klinisch tot«, sage ich so fest, wie es mir möglich ist.

»Das glaube ich nicht«, meldet sich die männliche Stimme, und Laila-Luna dreht sich so abrupt um, dass ihre Glöckchen tatsächlich läuten. Sie reißt die Augen auf und erstarrt. »Darf ich vorstellen«, sage ich zu ihr, »der Mörder.« Ihre Lippen bewegen sich, Worte kommen heraus, aber ich kann nicht verstehen, was sie meint, und außerdem bin ich etwas erstaunt darüber, dass sie mit starrem Blick an mir vorbeisieht und wohl gerade den Schock ihres Lebens durchlebt. »Laila?«, spreche ich sie an und versuche sie aus ihrer Starre zu locken. »Alles in Ordnung?« Sie schüttelt den Kopf, starrt weiter an mir vorbei, und ihr Mund bewegt sich weiter, stößt immer noch lautlose Worte aus.

Also gut, denke ich, dreh dich mal um, und versuch herauszubekommen, warum das Mädchen so erschüttert ist. Der »Mörder« steht neben mir, lächelt peinlich berührt und kratzt sich hinter seinem linken Ohr. So weit. So gut. So niedlich. Er ist groß und muskulös, dunkelhaarig, schmales Gesicht, dunkle Augen. Erster Eindruck: sexy. Aber immer noch ein »Mörder«. Das habe ich im Hinterkopf. »Mia«, meldet sich Laila, die jetzt wohl ihre Stimme und Fähigkeit zur Bewegung wiedergefunden hat, »darf ich dir Samual Baumann vorstellen?« Ich sehe sie verständnislos an. Es klingelt irgendwo in meinem Hirn bei diesem Namen, ja, aber mehr auch nicht. Und dieses Klingeln wird von der Sorge um Laila übertüncht. Meine beste Freundin ist ein wenig verrückt. Ja. Sie kann einem mit ihrem Astrologie-Tick tierisch auf die Nerven gehen, auch wenn sie es wirklich gut meint. Aber eine solche Reaktion habe ich bei ihr noch nie erlebt, und das, obwohl ich sie seit unserer gemeinsamen Schulzeit kenne. »Der Fernseh-Astrologe«, klärt sie mich auf. Jetzt dämmert es mir, und ganz hinten in meinem Kopf erscheint ein kleines Lämpchen mit der Aufschrift »Aha«.

»Der mit der beneidenswert hohen Trefferquote?« Sie nickt und ist beinahe beschämt, dass ich es so verächtlich ausspreche. Ich verschränke meine Arme vor der Brust und sehe Baumann provozierend an. »Haben Sie heute Morgen vorausgesehen, dass Sie zum Mörder werden?« Ich wende mich ab, höre gerade noch den empörten, aber erstickten Ausruf Lailas. Ist mir egal, ob du vor Ehrfurcht stirbst, denke ich wütend. Der hat meine Emma gekillt.

»Wenn ich noch mal auf den klinischen Tod zu sprechen kommen dürfte«, macht sich Baumann bemerkbar, und ich drehe mich herum. »Ich möchte betonen, dass es mir wirklich und wahrhaftig leidtut. Und ich möchte Ihnen anbieten, sämtliche Kosten, die eine Rückführung ins Leben der alten Dame fördern können, zu übernehmen.«

»Das ist ja wohl das Mindeste«, empöre ich mich, und er hebt abwiegelnd die Hände.

»Ich meine, das, was über die Versicherung hinausgeht, und ich denke, das wird einiges sein.« Er reicht mir seine Karte, und unsere Finger berühren sich kurz. Ganz kurz. Es fühlt sich beinahe so an wie der Schlag, den ich beim Aufprall bekommen habe. Nur besser.

***

»Warum warst du so garstig?«, fragt Laila mich, als wir später in unserer gemeinsamen Wohnung zusammen sitzen, um mit einem ihrer selbst gemixten Tees zur Ruhe zu kommen. »Garstig?«, hake ich nach, und sie weicht meinem Blick aus.

»Du weißt doch, was er für ein genialer Mensch ist«, sagt sie kleinlaut.