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Markus Berger – Stechapfel und Engelstrompete

Ein halluzinogenes Schwesternpaar

Mit einem Vorwort von Christian Rätsch

Aus der Reihe:

Die Nachtschattengewächse – Eine faszinierende Pflanzenfamilie

Hrsg. von Roger Liggenstorfer und Christian Rätsch

Bereits veröffentlichte Titel:

Wolf-Dieter Storl: Götterpflanze Bilsenkraut (2000)

Christian Rätsch: Schamanenpflanze Tabak Band I (2002)

Christian Rätsch: Schamanenpflanze Tabak Band II (2003)

Patricia F. Ochsner: Hexensalben & Nachtschattengewächse (2003)

Weitere geplante Titel:

Claudia Müller-Ebeling, Christian Rätsch: Zauberpflanze Alraune

Erwin Bauereiß, Die Tollkirsche - Königin der dunklen Wälder

Nachtschattengewächse als Schnupfpulver

Nachtschattengewächse in Nahrung und Medizin

u.a.m.

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Die erste botanisch exakte Darstellung aus dem Kräuterbuch (1543) von Leonardt FUCHS (1501 – 1566), einem der so genannten »Väter der Botanik«.

Markus Berger

Stechapfel und Engelstrompete

Ein halluzinogenes Schwesternpaar

Mit einem Vorwort von Christian Rätsch

Impressum

Verlegt durch

NACHTSCHATTEN VERLAG AG

Kronengasse 11

CH - 4502 Solothurn

www.nachtschatten.ch

info@nachtschatten.ch

© 2003 Nachtschatten Verlag AG

© 2003 Markus Berger

© 2003 Claudia Müller-Ebeling und Christian Rätsch »Squash Blossom-Ketten« (Erstabdruck)

© der Fotos bei den jeweiligen Fotografen, wenn nicht anderes vermerkt von Christian Rätsch.

Layout: Janine Warmbier

Umschlaggestaltung: Janine Warmbier

unter Verwendung von einem Foto von Claudia Müller-Ebeling

Mitte links: »Altes Weib (=Hexe) im Kampf mit dem Teufel« (Holzschnitt, 16. Jh.)

Foto (U4): Unmatta Bhairab (siehe Seite 31 und 61), Foto: Christian Rätsch

Lektorat: Conny Schönfeld; Freiburg i. Br.

Herstellung: WB-Druck GmbH & Co.; Rieden

Printed in Germany

ISBN 3-03788-108-9
eISBN 978-3-03788-212-2

Botanische Schreibweise beruht auf:

HELMUT GENAUST, Etymologisches Wörterbuch der botanischen Pflanzennamen, 3. Auflage, Basel usw.: Birkhäuser, 1996.

Alle Rechte der Verbreitung durch Funk, Fernsehen, fotomechanische Wiedergabe, Tonträger jeder Art, elektronische Medien und auszugsweiser Nachdruck sind vorbehalten.

Inhalt

Vorwort oder ein Anfang …

Vorwort oder ein Anfang … von Christian Rätsch

Vorwort des Autors

Danksagung und Widmung

Zum Geleit

Botanik

Familien der Datura und Brugmansia

Datura spp.

Brugmansia spp.

Exkurs: Das Datura-Blatt mikroskopisch betrachtet

Pflege

Pflege Datura spp.

Pflege Brugmansia spp.

Schädlinge und Krankheiten

Vermehrung

Vermehrung der Datura durch Aussaat

Vermehrung der Datura durch Stecklinge

Vermehrung der Brugmansia durch Aussaat

Vermehrung der Brugmansia durch Stecklinge

Exkurs: Zucht der Brugmansia

Geschichte

Über die Verwandtschaft von Datura und Brugmansia

Farbtafeln

Vorkommen und Gebrauch

Asien

Afrika

Amerika

Australien

Europa

Datura und Brugmansia in der Medizin

Verwendung in der Volksmedizin und Heilkunde

Verwendung in der Schulmedizin

Verwendung in der Homöopathie

Datura und Brugmansia als Aphrodisiakum

Squash Blossom-Ketten
Claudia Müller-Ebeling und Christian Rätsch

Kürbisblüten oder Stechäpfel – Die Entschlüsselung eines indianischen Symbols

Die so genannten Squash Blossom-Ketten

Anklänge an das Naja-Motiv

Die formale Entwicklung der Ketten

Die Geschichte der Deutung

Der Wandel eines Symbols

Die Wurzel des Ornaments im Amulett

Die kulturelle Bedeutung der Datura bei den Navajo

Über die Beziehung der Datura zur Winde

Chemie

Allgemeine Grundlagen

Die Tropanalkaloide

Nachweis durch Drogenscreening

Verwendung

Rauchen

Essen

Trinken

Sonstige Applikationsformen

Klassische psychoaktive Zusammenstellungen

Exkurs: Brugmansia und Ayahuasca

Wirkungen

Physische Wirkungen

Psychische Wirkungen

Erfahrungen

Gefahren und Gegenmittel

Intoxikation und Therapie

Kontraindikationen

Stechapfel und Engelstrompete in der Presse

Sonstiges

Rechtslage

Datura im Alltag

Literatur

Datura im Märchen

Grafik und Bildende Kunst

Musik

Sonstiges

Berauschte Tiere: Die Schwärmer und der Stechapfel

Anhang

Telefonnummern für den Notfall

Bezugsquellen & Infos

Bibliographie

Periodika

Ressourcen im Internet

 

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Von den welschen Schlutten un den Stechenden öpffeln haben wir noch kein sondere erfahrung / darumb wir auf diß mal von jrer würckung nichts künden anzeygen. Diweil es aber schöne gewechß seind / habend wirs nit wöllen überschreiten / auff das wir den andern ursach geben nachzudencken was derselbigen würckung weren. Leonhart Fuchs, New Kreutterbuch 1544

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Leonhart Fuchs, Holzschnitt aus FUCHS 1543

Vorwort oder ein Anfang …

»Im Daturarausch tanzen und fliegen die Menschen. Völker in allen Erdteilen, nehmen Stechapfel zu sich, um den Wahnsinn zu erzeugen. Sie lassen die Kinder davon essen, die ihnen Gold an der Stelle anzeigen, wo sie berauscht niedersinken. Datura verführt Frauen, weissagt, läßt in die Zukunft sehen...«
(SCHENK 1948)

Ein Buch über Stechäpfel und Engelstrompeten zu schreiben erfordert mindestens genauso viel Mut, wie die Einnahme dieser Nachtschattengewächse. Markus Berger hatte den Mut. Und dafür dürfen wir dankbar sein. Denn sein Buch bietet eine Fülle wertvoller Informationen, die auf wissenschaftlichen Grundlagen, Forschungen und eigenen Erfahrungen basieren.

Informationen sind wichtig, sehr wichtig sogar, gerade wenn es um die »ach so gefährlichen« Stechäpfel und Engelstrompeten geht. Geistern sie in unserer Zeit doch immer mal wieder durch die sensationsheischende Tagespresse und Hochglanz-Magazinwelten. Sie werden multimedial verteufelt, dämonisiert, zur Schreckgespinsten degradiert – »Larvengesichter mit den Nachtschattenaugen« (JÜNGER).

Sie sind ein beliebter Sündenbock, eine Zielscheibe des Naturhasses und eine Projektionsfläche oberflächlicher Banalitäten.

Stechäpfel und Engelstrompeten gehören seit deren erster Erwähnung bei Leonhart FUCHS (1543) zu den beliebtesten Zierpflanzen in europäischen Gärten. Sie verzaubern nicht nur durch ihre Blütenpracht, sondern betören auch durch ihr verführerisches Parfüm. Sie sind Nachtdufter und verströmen ihren »göttlichen Duft« geradezu wollüstig in die lauen Sommernächte. Sie erzeugen echte Sommernachtsträume.

»Der Einfluß der Droge ist ambivalent; sie wirkt sowohl auf die Aktion wie auf die Kontemplation: auf den Willen wie auf die Anschauung. Diese beiden Kräfte, die sich auszuschließen scheinen, werden oft durch dasselbe Mittel hervorgerufen, wie jeder weiß, der einmal eine zechende Gesellschaft beobachtet hat.«
(JÜNGER 1980: 18)

Aber: Wer diese Pflanzen einnimmt um sich anzutörnen, wird sein blaues Wunder erleben, einen Ausflug in den Wahnsinn, ein Aufstieg in die eigene Hölle. In allen schamanischen Kulturen, sofern sie noch nicht dem monotheistischen Ausrottungsprogramm, das im 2. Psalm so herrlich besungen wird, zum Opfer gefallen sind, warnen die Schamanen und Schamaninnen, die Kräuterkundler und Vegetalistas (das sind keine Vegetarier!). Der Pflanzengeist ist zu mächtig für einen unvorbereiteten Menschen. Er verträgt keine Späße, mag keine Partys, und reagiert auf Dummheit ziemlich allergisch.

Richtig angewandt können Stechäpfel und Engelstrompeten zu angenehmen, erwünschten Wirkungen führen. Wer aber weiß schon, was richtig ist? Wo sind unsere Schamanen geblieben, die dem Suchenden mit Rat und Tat zur Seite stehen? – Sie sind leider ausgerottet worden! Aber die Pflanzen haben überlebt. Auch die Menschen, aber leider nur die mehr oder weniger Unkundigen.

Dafür wurden die Pflanzen den frühneuzeitlichen Botanikern überlassen, den »Vätern der Botanik«, den heimischen Kräutlern und Wurzelseppen, den Pharmazeuten und Chemikern, und den Psychonauten. Der Stechapfel ist ein echtes deutsches, genauer gesagt deutschsprachiges Thema, angefangen bei Fuchs.

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Brugmansia gelb

Annäherungen an den Stechapfel

»Mexikos Erde verdanken wir eine Reihe titanischer Varianten; der Boden ist urträchtig. Der Truthahn, der Mais, die Sonnenblume … Die Nachtschatten fallen durch Riesenknollen und -früchte auf. Ein Grund für Pyramiden und Cäsaren, Adler und Schlange, Zauberer und Wahrsager, Hexen und Giftmischer …«
(JÜNGER 1980: 43)

Die Maya nennen den Stechapfel xtohk’uh, »Wesen in Richtung der Götter«; die Spanier nannten dasselbe Gewächs Yerba del diablo, »Kraut des Teufels«. Bei den Maya ist die Richtung der Götter ambivalent, weder »gut« noch »böse«, denn dieser künstliche Dualismus hat keinen Platz in einem schamanischen, polytheistischen Kosmos. Will heißen, es kommt darauf an, was der Mensch mit diesem Göttergewächs anstellt, ob es ihm nützt oder schadet. Die monotheistischen Konquistadoren hatten es da einfacher; sie erklärten alle Götter der Maya zu Teufeln, machten sie böse, und nannten die heilige Datura schlicht »Kraut des Teufels«. Wer es nimmt, egal was er damit erlebt, erliegt den Einflüsterungen Satanas. Deswegen ist die Datura Gift für den monotheistischen Geist.

»Die Typen mit den großen Pupillen erregen bald Mißtrauen.«
(JÜNGER 1980: 285)

Kein Wunder also, dass der Stechapfel als »Hexenkraut« im guten Alten Europa angesehen wurde. Die Zunft der Ärzte trug dazu in besonders perfider Form bei. Sie überlegten sich, welche Drogen wohl in den ruchbaren »Hexensalben« gewesen waren. Aufgrund ihrer Kenntnis oder Einschätzung der Datura kamen sie zu der Überzeugung, dass der Stechapfel der Hauptbestandteil der Salbe gewesen sein müsse, denn nur er könne eine totenähnliche Lethargie mit wollüstigen Träumen verursachen. Was die Medici nicht bemerkt haben, ist, dass der Stechapfel in Europa gar keine heimische Pflanze war … Annahme statt Wissen; was für’ne Welt!

»Das Wissen beginnt die alten Zeiten und Räume zu beleben; das sind Beschwörungen.« (JÜNGER 1980: 347)

Unser Wissen über die Stechäpfel und Engelstrompeten ist zwar schon recht reichhaltig, aber doch oft nur fragmentarisch, nebulös, nachtschattig. Aber die Forschung, die unser Wissen vergrößert, erweitert, vertieft, auch in Glücksmomenten neue Erkenntnisse erzwingt, ist keine Lehre mit Abschluss, kein Studium mit Promotion, sie ist ein überindividueller Prozess, ein kollektives Abenteuer, genährt von Wagemutigen, Abenteurern, echten Forschern, deren Erfahrungen uns bereichern. Die forscherische Tat allein ist, was uns unser Wissen schaft. Die Forschung ist immer am Anfang. Denn sie definiert sich gerade dadurch, dass sie kein Ende hat …

Dem heranreifenden Autor Markus Berger, einem Erkenntnissuchenden, vom Forschertrieb Ergriffenen, ist es gelungen, ein wunderbar knapp und übersichtliches Glanzlicht auf die Wogen des Meeres unseres Wissens zu werfen.

Christian Rätsch

Im wonnigen Mai 2003

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»Stechapfel mit Herz«:
Stechapfelfrucht (Datura stramonium var. ferox), fotographiert in der Oase San Pedro de Atacama, Nordchile.

 

Vorwort des Autors

»Ich werde dich gleich auffressen, du!
... Ich bin der Tiger von Tabasco!«
»Nein das bist du nicht, sag lieber deinen Namen!«
»Dann bin ich doch ein Leoncito?«1
»Nein, das bist du auch nicht. Du bist wieder betrunken von deinen
verdammten Indianerkräutern ... Pack dich!«
»Na, wenn nicht, dann nicht ... Verzeihen Sie die Belästigung!«
(nach REKO 1938)2

Nachtschattengewächse sind modern, nicht nur weil sie legal sind. Schamanische Zaubergewächse gewinnen in dieser Zeit immer mehr an Bedeutung. Nicht nur die Anhänger verschiedener kultureller Strömungen wie Psychedelic/Goa, Hip Hop oder esoterisch/religiös Suchende und kopflose Teenager, die mal wieder ein Wochenende ohne Cannabis zu überbrücken haben, suchen die ultimative Trance- oder Rausch-Erfahrung in der Welt der Solanaceen. Gerade in dieser Zeit, in der nur allzu häufig mit dem neuen Modewort »Schamane« umhergeworfen wird und Beamte und Hausmütterchen sich nach einem Wochenendseminar als »Schamanenheiler« bezeichnen, wird die Einnahme entheogener Pflanzen plötzlich auch für andere Schichten interessant. Allerdings ist es für selbst ernannte »Neo-Schamanen«, aber auch für ernsthafte Psychonauten vergleichsweise schwierig, an Pflanzen, wie Mandragora (Alraune) oder Hyoscyamus (Bilsenkraut) zu kommen.

Atropa (Tollkirsche), Datura (Stechapfel) und Brugmansia (Engelstrompete) hingegen sind in unseren Gefilden allerorten verfügbar und leicht zu identifizieren.

Um die beiden letztgenannten, Stechapfel und Engelstrompete, geht es in diesem Buch. Die Pflanzen der beiden Gattungen erfreuen sich zunehmender Beliebtheit, vermutlich weil sie einfach zu beschaffen und hochpotent halluzinogen sind.

Aber warum gleich zwei Gattungen in einem Buch? Nun, Brugmansia ist eine der Datura nahe verwandte Pflanze. Lange Zeit wurden die Engelstrompeten botanisch-nomenklatorisch unter der Gattung Datura (Baumdatura) geführt und auch heute noch sind Engelstrompeten größtenteils unter diesem Namen erhältlich.

Die verschiedenen Stechapfel- und Engelstrompeten-Arten gibt es von Mai bis August oder September im Gartencenter, beim Nachbarn auf dem Hof oder – im Falle von Datura stramonium – sogar im Wald. Allerdings sind Stechapfel und Engelstrompete aufgrund ihres Alkaloidgehalts zu den gefährlichsten geistbewegenden Gewächsen zu zählen. Die Einnahme dieser Pflanzen ist außerordentlich gefährlich! Der nicht sachgemäße, also nicht-schamanische Umgang mit allen Arten dieser Gattungen ist im schlimmsten Fall lebensbedrohlich. Die kopflose, unwissende Einnahme irgendwelcher Pflanzenteile endet nicht selten in einem komatösen Zustand, mit irreversibler Geisteskrankheit oder sogar dem Tod.

Vor diesem Hintergrund ist dieses Buch längst überfällig, zumal es speziell zu diesen Pflanzen bislang keine eigene Literatur gibt. Ich möchte den Leser keinesfalls ermuntern, machtvolle Schamanen-Entheogene zu konsumieren. Solcherlei Werkzeuge der Erkenntnis gehören in die Hände von erfahrenen Profis. Wichtig ist mir, objektiv und sachlich über alle Aspekte dieser interessanten Psychoaktiva aufzuklären. Der potenzielle Konsument sollte wissen, auf welcherlei Kraut er sich einlässt und welchen möglichen Gefahren er sich aussetzt.

An dieser Stelle möchte ich ein mit schönem Understatement ausgestattetes Zitat von HERMAN DE VRIES (die permanente Kleinschrift ist künstlerischer Natur) anführen:

»dieses jahr sind in frankreich drei jugendliche, die datura probierten, daran gestorben. ein fall von gebrauch ohne kenntnis der wirkung und aus einer kulturellen situation heraus, die die pflanze nicht ehrt, sondern konsumiert. von so einem geschehen könnte man lernen, es unserem erfahrungsschatz hinzufügen, aber nein, jetzt werden in frankreich die asthmazigaretten, die datura enthalten, gesetzlich verboten (patel). wir werden überall gegen die natur geschützt. wer schützt uns aber gegen das stetige schmalerwerden unseres erfahrungsraums? was die natur uns zu bieten hat, steht uns als urmenschliches grundrecht zu!«3

Ich selbst habe von 1994 bis heute eine Reihe gut vorbereiteter Selbstversuche durchgeführt und dabei einschlägige Erfahrungen mit der starken psychedelischen Wirkung der Pflanzenfamilien gemacht. Außerdem habe ich viele junge Menschen (und deren Angehörige) sehen müssen, welche aufgrund ihres schlechten Informationsstandes oder ihrer Gier nach dem High, so manche böse Erfahrung durchleben mussten. Desinformation, also Unwissenheit, ist sehr gefährlich. Der Terminus »Bio-Droge«, der immer wieder im Zusammenhang mit Stechapfel und Engelstrompete aufgewärmt wird, zeugt von einem unfassbaren Informationsdefizit. Was soll das sein, eine Bio-Droge? Gehören dann nicht auch Cannabis, Ritualkakteen oder Psilocybinpilze in diese Klasse? Gemeint sind wohl legale, nicht ins Betäubungsmittelgesetz aufgenommene Rauschpflanzen, die jedermann besorgen und innerhalb des gesetzlichen Rahmens konsumieren darf. Dies an sich ist auch ein debattierenswertes Thema. Kann es sein, dass beispielsweise Hanf verboten, hochtoxische Pflanzen wie Datura, Brugmansia oder Atropa aber keinerlei Kontrolle unterliegen? Der Umgang mit diesen Pflanzen kann wirklich gefährlich sein! Was natürlich kein Grund ist, diese zu illegalisieren. Alles kann irgendwie gefährlich sein. Nur weil man in Wasser ertrinken oder weil Feuer eine ungemein zerstörerische Kraft entfalten kann, kam noch niemand auf die Idee, diese beiden Elemente verbieten zu wollen.

Die Erklärungen der Einnahmetechniken in diesem Buch sind nicht als Anleitung zum Selbstversuch bestimmt, sondern verstehen sich als ethnologische Information – in einigen Kulturen wurden und werden Datura und Brugmansia rituell und medizinisch verwendet. Es soll nochmals ausdrücklich darauf hingewiesen sein, dass jede unbedarfte Einnahme der besprochenen Pflanzen höchste Risiken in sich birgt! Dieses Büchlein versteht sich als Kollektion, als Sammelwerk. Ich präsentiere dem Leser das gesammelte Wissen rund um den Stechapfel und die Engelstrompete, mitunter auch längere Textpassagen aus schwer erhältlicher, oftmals alter Literatur, die von erheblicher Relevanz sind.

Bei aller Vielfalt an Literatur zu den psychoaktiven, entheogenen Gewächsen und Substanzen mangelt es doch an Lesestoff, welcher die interessanten Nachtschattenpflanzen wie Stechapfel und Engelstrompete, Tollkirsche, Bilsenkraut oder Alraune spezifisch behandelt und in eigenen Büchern darstellt. Die Werke der Reihe »Die Nachtschattengewächse – Eine faszinierende Pflanzenfamilie« beheben diesen bibliographischen Mangel.

Ich wünsche mir für die Zukunft, für die Menschheit und für diesen Planeten, dass irgendwann alle Lebewesen legal, also wirklich frei sein werden, und dass das kollektive Bewusstsein unserer Art doch noch zum Positiven transformiert, obgleich das momentan nun wirklich nicht so aussieht. Ich wünsche mir, dass die Entheogene endlich ihren Platz und den dazugehörigen Stellenwert innerhalb einer jeden Kultur erhalten, dass die Menschen sie nicht missbrauchen und dass der Irrsinn des weltweiten War-On-Drugs bald ein friedvolles Ende findet.

Markus Berger

Bad Wildungen, Solothurn, Basel & Hamburg im Frühjahr 2003

 

Danksagung

(deren Aufzählungsfolge überhaupt nichts zu sagen hat)

Im Rahmen der Erstellung dieses Büchleins durfte ich auf die Unterstützung, Archive, Ressourcen und Meinungen vieler lieber Menschen bauen.

Mein aufrichtiger und mit tiefer Liebe verbundener Dank gilt Albert Hofmann, meinem Verleger Roger Liggenstorfer, Christian Rätsch und Claudia Müller-Ebeling, Ernesto Blume, Werner Pieper, Jochen Gartz, Wolfgang Bauer sowie meiner Frau Bianca, meinem Sohn Mirko und natürlich meinen lieben Eltern.

Außerdem danke und grüße ich für ihre Freundschaft und Kollegialität Hartwin Rohde von Entheogene Blätter, Jonathan Ott, Sergius Golowin, Mathias Bröckers, Klaudia Kolks und Alex Ochse vom Treibhaus Kassel, Winni Fleckner, Sonja Kohak, Kaya Piechota und das gesamte grow!-Team, die komplette Cañamo-Crew aus Spanien (hi, Almudena, Ernesto and Moiséz!), Mike Barten und die Hanfblatt-Redaktion, Dennis Lindner von Grass Times und Yerba, Werner Graf und das Hanf-Journal-Team, Slava Olchevski und sein Salvia divinorum Magazine, Claus Baldauf und die DrugStore-Redaktion, Willi Blaser und die Swiss Hemp Times, Sven Schendekehl und sein Legalize it!-Magazin, Mark Hoffmann vom Entheos-Mag, Jan Sennema von Soft Secrets/Highlife NL, Die Mädels und Jungs vom TripZine USA, Dieter und Andrea Hagenbach und ihre GaiaMedia-Stiftung, Monika Meyer von der Junkfurter Ballergazette sowie David Aardvaark und K. Trout von The Entheogen Review.

Last BUT NOT least drücke und grüße ich Agnes Tschudin, Jon Hanna, Ulrich Holbein, Hans Cousto, Wolfgang Sterneck, Janine Warmbier, Claude Steiner, Joachim Eul, Howard Marks, Hans-Hinrich Taeger, Bert Marco Schuldes, Frank Fuchs, Edzard Klapp, Tilmann Holzer, Jörg Happe, Raymond Martin, Erwin Bauereiß und Joe Wein, welche meinen verschiedenen Vorhaben der letzten Zeit unterstützenden Aufschwung gewährten. Für die unglaublichen Massen an wertvoller, rarer und wichtiger Literatur, ohne die dieses Buch gar nicht hätte entstehen können, danke ich insbesondere Christian Rätsch.

Seid alle umarmt!

Widmung

Ich widme dieses Büchlein allen wahren Psychonauten dieser Erde – Menschen, denen das Geld noch nicht den Geist verdorben hat, Suchenden, Innenweltreisenden, Friedenschaffern, Aufklärern, insbesondere den Weltveränderern Anita und Albert Hofmann, die durch ihre Arbeit ein Leben wie meines überhaupt erst möglich gemacht haben, Christian Rätsch, der mich (ohne es zu wissen) 1989 erstmals mit seinen Büchern unendlich angeturnt und mir bei der Fertigstellung dieses Buches wie kein anderer geholfen hat, den Psychedelik-Visionären Terence McKenna und Tim Leary (in Memoriam) sowie meinem geliebten Sohn Mirko, der vielleicht – wenn die Rebellion ihn nicht auf andere Wege leitet – meine Arbeit fortführen wird.

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Ausschnitt aus dem Gemälde »Xichimilco I« von Christian Rätsch.

 

Zum Geleit

Der Mythos von der Datura
Ein Huichol-Märchen (Mexiko)

Nur zehn Tage nachdem Kauymali die Sonne gezähmt und die Seuche durch seine Gesänge und Tänze hatte verschwinden lassen, machte ein böser Schamane, Kieli Tewiali, das Volk verrückt, damit es für seine eigenen falschen Gesänge zahle.

Durch das Prasseln des Feuers sagte Tatevali dem Kauymali, dass keine großen Unglücksfälle auf das Volk zukommen würden, solange seine eigenen Gesänge wieder gesungen würden. So hat die Seuche noch einmal die Welt überfallen. Dann hat Kauymali gesungen. Er trug dabei seinen Schamanenhut mit den Rasseln der Klapperschlange. So ist es ihm gelungen, sich der Teaka, einen sehr heiligen Stein, der die Leute krank machte, zu bemächtigen. Die Teaka ist ins Feuer gelegt worden. Die Tiere sind mit Kräutern eingerieben worden, damit sie gereinigt wurden. Das verdorbene Kraut ist dann verbrannt worden.

Obwohl der Datura-Mann die ulu-tuweli gemacht hatte, ließ sich Kauymali nicht erschrecken. Es gelang ihm, diese Pfeile zu nehmen und sie gegen die Tiere und gegen das Korn zu schießen, obwohl der Datura-Mann den vier Richtungen der Erde den Blumenstaub der Datura geschenkt hatte.

Mit einem Zauberlied hat Tatevali dem Kauymali befohlen, dass er den bösen Schamanen, Kieli Tewiali, fange und ihm das Ohr und die große Zehe abschneide, damit er einen Teil seines Blutes haben könnte. Dies war die Strafe, die der Datura-Mann für seine Hexerei erhielt.

Danach hat er dem Kauymali befohlen, dass er den bösen Schamanen festbinde und ihn zum Feuer in den Tempel bringe. Dann befahl er, dass Kauymali den Datura-Mann verbrennen und an einem weit entfernten Ort begraben solle. Als dies geschah, fiel ein Stein, der am Platz seines Herzens war, aus der Brust der verbrannten Leiche des Zauberers heraus. Obwohl die Sonne die mächtigen Götter des Meeres fürchtete, entschloss sie sich, dem Datura-Mann zu helfen. Und dieser versprach der Sonne, dass er ihr in ihrem Kampf gegen die Götter des Regens helfen würde. So hat die Sonne den Datura-Mann wiedererweckt und seine Natur weniger böse gemacht. Sie gab ihm eine rancheria; diese lag in der Nähe des Meeres, dort, wo es fünf Felsen gibt. Dort wuchs die Datura. Der böse Schamane hat ein Stückchen davon genommen, und von diesem Moment an konnte er den Peyote nicht mehr anrühren. Er hat Tänze in der gleichen Art vorbereitet, wie sie noch heute bei den Huichol ausgeführt werden. Danach begann er mit der Ausübung der schwarzen Magie, die von einigen bösen Huichol-Leuten noch ausgeübt wird.

Die großen Götter des Meeres haben dem Datura-Mann ein weibliches Gürteltier geschickt, und es ist seine Frau geworden. Diese war zuvor eine Gottheit des Meeres gewesen, aber die Götter des Meeres haben sie in ein Gürteltier verwandelt, damit sie bei dem Datura-Mann, der eher böse als gut war, leben würde. Das Gürteltier hat das Zuckerrohr der Huichol gegessen. Die ersten Male hat es sie gegessen, um danach die Samen in die vier Richtungen auszustreuen. Es ist ihm auch befohlen worden, dass es die Raupen und Insektenlarven esse. Das Gürteltier hat noch heute diese Angewohnheit.

Mythe der Zuni – Wie die Datura entstand

In alten Zeiten lebten ein Junge und ein Mädchen (der Name des Jungen lautete A’neglakya und der Name des Mädchens war A’neglakyatsi’tsa), Bruder und Schwester, im Inneren der Erde. Aber sie kamen oft auf die Erde und durchwanderten sie. Sie beobachteten alles ganz genau und erzählten ihrer Mutter, was sie gesehen und gehört hatten. Dieses ständige Gerede gefiel den Göttlichen (den Zwillingssöhnen des Sonnenvaters) gar nicht. Als die Göttlichen den Jungen und das Mädchen einmal trafen, fragten sie sie: »Wie geht es euch?«

Bruder und Schwester antworteten: »Wir sind glücklich!« (Manchmal erschienen A’neglakya und A’neglakyatsi’tsa auf der Erde als alte Leute).

Sie erzählten den Göttlichen, wie sie jemanden zum Einschlafen bringen, ihn Geister sehen lassen und jemanden herumwandern lassen können, der sehen kann, wo ein Diebstahl geschehen ist.

Nach diesem Treffen beschlossen die Göttlichen, dass A’neglakya und A’neglakyatsi’tsa zuviel wissen und dass sie von der Welt verbannt werden müssten. So ließen die Göttlichen Bruder und Schwester für immer von der Erde verschwinden. An der Stelle aber, wo sie verschwunden waren, wuchsen Blumen – genau solche Blumen, wie sie sie am Kopf getragen hatten, als sie die Erde besucht haben.

Die Göttlichen nannten die Pflanze nach dem Namen des Jungen A’neglakya. Die erste Pflanze hatte viele Kinder, die sich über die ganze Welt verteilten. Einige Blüten sind gelb gefärbt, einige blau, einige rot, einige sind ganz weiß – die Farben, die zu den vier Himmelsrichtungen gehören.4

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Der Shipibo-Schamane Guillermo Arévalo bewundert in einem Hamburger Garten die Dreifachblüte von Datura metel f. pleniflora. Er kennt den Stechapfel als halluzinogenen Ayahuasca-Zusatz.

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Stechapfel (Datura stramonium var. tatula) als Wildpflanze bei Sebastopol, Nordkalifornien, USA 10/96.

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Datura stramonium var. tatula.

1   Leoncito = Löwenjunges

2   Dieses Gespräch aus REKOS »Magische Gifte« findet zwischen einem ›Berauschten‹ und einem ›Polizeiarzt‹ statt. Der Dialog wurde ebenfalls in RÖMPP ET SCHURZ 1972 wiedergegeben.

3   HERMAN DE VRIES, heilige bäume, bilsenkraut und bildzeitung, in: GOTTWALD et RÄTSCH 2000: 49

4   Nach STEVENSON 1915, zitiert in RÄTSCH 1998: 199

Botanik

Familien der Datura und Brugmansia

Datura SPP. – Stechapfel

»Im Stechapfel finden sich (…) Signaturen, die mit den stacheligen
Samenkapseln in Beziehung gesetzt werden wollen: Die weißen
Blüten deuten eine Wirkung auf Gehirn und Nerven an, die
eigentümliche Symmetrie hat etwas Verrücktes in sich, und die
anthropomorphe Gestalt der Samenkapsel, die an einen Kopf
zwischen erhobenen Armen erinnert, zeigt den mächtigen
Pflanzengeist an.«
(RIPPE et al. 2001: 177)5

Pflanzen der Gattung Datura gehören zur Familie der Nachtschattengewächse (Solanaceae), Unterfamilie Solanoideae, Tribus Datureae. Datura ist ein einjähriges, selbstfertiles Gewächs. Selbstfertil, also selbstfruchtbar, sind Pflanzen, die zur Fortpflanzung keiner Fremdbestäubung bedürfen, beispielsweise durch ein Insekt, sondern sich in der Blüte selbst befruchten.

Bekannte Arten der Gattung Datura sind:

Datura ceratocaula ORTEGA

Synonyme: Datura macrocaulis ROTH, Apemon crassicaule RAF., Datura sinuata SESSÉ et MOC., Ceratocaulis ceratocaula ORTEGA, Ceratocaulus daturoides SPACH.

Trivialnamen:Tlapatl, Torna Loco (verrückt machende Pflanze)

Verbreitungsgebiet:Zentralmexiko (Estado de México, Oaxaca, Querétaro)

Beschreibung:Diese Datura fällt komplett aus dem Rahmen, der durch ihre Artgenossen bestimmt ist. Datura ceratocaula ist nämlich eine rankende Wasserpflanze mit glatter, seitlich wachsender, dornenloser Frucht. Sie trägt eine weiße Blüte und bildet schwarzen, nierenförmigen Samen aus.

CHRISTIAN RÄTSCH und FRAY BERNARDINO DE SAHAGUN zitieren eine aztekische Beschreibung der Datura ceratocaula, die sich bestens zur Darstellung dieser Pflanze eignet:

»Es ist klein und rund, blau, grünhäutig, breitblättrig. Und es blüht weiß. Seine Frucht ist glatt, sein Samen schwarz, übelriechend. Es fügt einem Schaden zu, nimmt einem den Appetit, macht einen toll, berauscht einen.