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Ashley Carrington

Für immer und eine Nacht

Roman

hockebooks

20

Bereits nach wenigen Tagen machte es oberflächlich den Eindruck, als wäre Harriet nie weggewesen, und schon gar nicht für mehr als zwei Jahre. Sie nahm das Heft im Haushalt am Morgen nach ihrer Rückkehr wieder fest in die Hand und führte scheinbar nahtlos dort ihr gemeinsames Leben mit Daniel fort, wo sie es verlassen hatte. Johannes, der für einige Wochen nach Kimberley kam, um an Daniels vierzigstem Geburtstag teilzunehmen, stellte keine Fragen und begrüßte Harriet so unbefangen, als hätte es keine Trennung von so langer Dauer gegeben. Dasselbe galt für Sidney, der ebenfalls pünktlich zum Ehrentag seines Freundes eintraf und sich freute, Harriet an Daniels Seite wiederzusehen. Und sogar Alice verkniff sich jede bissige Bemerkung, obwohl es ihr nicht gerade leichtfiel. Doch sie hatte mittlerweile genug eigene häusliche Probleme, mit denen sie nicht fertig wurde, als dass sie gewagt hätte, über Harriets Rückkehr und Daniels Gutmütigkeit herzuziehen, wie sie es sonst wohl getan hätte. Denn erst vor wenigen Monaten hatte ihre Tochter Deborah, die für ihre vierzehneinhalb Jahre schon sehr frühreif war, mit dem jungen Dompteur eines gastierenden Zirkus’ durchzubrennen versucht. Und mit ihrem Sohn Edward, der in den letzten Jahren ein starkes Stottern entwickelt hatte und mit dreizehn noch immer das Bett nässte, kam sie genauso wenig klar. Zudem hegte sie den Verdacht, dass Sidney sich eine Mätresse hielt, wenn er während der parlamentarischen Sitzungsperiode monatelang in Kapstadt weilte. Ein Verdacht, der gerechtfertigt war, wie Daniel wusste. Denn Sidney hatte ihm in einer schwachen Stunde nach reichlichem Alkoholkonsum gebeichtet, dass er eine Liaison mit einer jungen Schauspielerin habe, die in Kapstadt für ihre recht frivolen Rollen bekannt war. Diese Kümmernisse und ihr wachsendes Gefühl der Unzufriedenheit mit ihrem Leben hatten in Alices Gesicht Spuren in Form von tiefen Linien und einer verhärteten Mundpartie hinterlassen. Daniels Geburtstag, mit dessen Ausrichtung sich Harriet viel Mühe machte, verlief in fröhlicher Harmonie und Ausgelassenheit, und Harriet wurde ihrer Rolle als Gastgeberin mit großer Übersicht, Kompetenz und Charme mehr als gerecht. Wer mit den intimen Details, die zuerst zur Zerrüttung der Ehe und später zur Trennung geführt hatten, nicht vertraut war – und das waren die meisten aus Daniels Freundes- und Bekanntenkreis nicht –, der hielt die Beziehung zwischen Harriet und Daniel für die einer völlig normalen Ehe, die im Laufe der Jahre vielleicht ein wenig Glanz verloren, aber sonst bestens intakt war.

Manchmal hatte selbst Daniel den Eindruck, als hätte sich das Rad der Zeit um viele Jahre zurückgedreht und sie wieder an den Beginn ihrer Ehe zurückversetzt, kurz bevor der Unfall passiert war. Und doch stimmte es nicht, denn alles war anders. Harriet hatte sich sehr verändert, ihre Interessen und Bedürfnisse, ja ihr ganzes Wesen. Ihre einstige Flatterhaftigkeit und Neigung zu oberflächlichen Vergnügungen waren einem ruhigen Ernst und einer reifen Gelassenheit gewichen. Sie konnte sich an Dingen erfreuen, die sie früher nicht einmal registriert hatte. Und wenn sie auch nicht gerade ein zurückgezogenes Leben führte, so nahm sie doch nicht den Kontakt mit ihren alten Freundinnen auf, die sich noch immer nur für den netten Klatsch und die neueste Mode aus Europa interessierten. Zwar engagierte sie sich wieder in Wohltätigkeitskomitees, aber es ging ihr nun nicht mehr darum, den Vorsitz einzunehmen, sondern um die Sache, der sich die Organisation verschrieben hatte. Sie zeigte zudem auch ein reges Interesse an den politischen und geschäftlichen Entwicklungen.

Als Daniel eines Abends sein Erstaunen darüber zum Ausdruck brachte, wie gut sie über den fortschreitenden Prozess der Amalgamation unter dem Druck von De Beers unterrichtet war, sagte sie mit einem stolzen Lächeln. »Ich hatte in Onkel Henry einen ausgezeichneten Lehrmeister und habe mit seiner Hilfe viel von dem nachgeholt, was ich eigentlich schon Jahre früher hätte wissen können. Wie dumm ich war, Politik und Finanzgeschäfte für langweiligen Kram zu halten.«

Harriet hatte sich auch in anderen, scheinbar weniger wichtigen Dingen stark gewandelt. So schlief sie nicht mehr bis in die Puppen, sondern stand früh auf, um gemeinsam mit ihm zu frühstücken. Und abends, wenn er spät von der Arbeit nach Hause kam, fand sie Zeit, um sich anzuhören, was er zu erzählen hatte, und von ihren Aktivitäten des Tages zu berichten.

Aber es war nicht so, dass sie sich ihm aufdrängte oder gar in die Rolle der unterwürfigen, reumütigen Büßerin geschlüpft wäre. Sie hielt sich zurück, war jedoch da, wenn er zu erkennen gab, dass ihm an ihrer Gesellschaft gelegen war – sei es zu Hause, bei Theaterbesuchen, Veranstaltungen der örtlichen Sportclubs oder offiziellen Anlässen, wenn beispielsweise die Direktoren von De Beers mit ihren Frauen zusammenkamen. Sie freute sich, wenn er sie fragte, ob sie Lust habe, ihn hierhin oder dorthin zu begleiten. Doch von sich aus schlug sie derartige gemeinsame Unternehmungen nicht vor.

Daniel hatte oft das Gefühl, dass sie auf ein Zeichen von ihm wartete, aber doch nicht Geduld und Hoffnung verlor, als immer mehr Monate ins Land gingen, ohne dass er den Schritt zu einer endgültigen Versöhnung machte.

Er konnte es einfach nicht. Der Weg zu seinem Herzen war von zu vielen bitteren Enttäuschungen, von unverarbeitetem Groll und Wunden versperrt. Es gelang ihm einfach nicht, zu verzeihen und zu vergessen, was sie getan hatte. Es bedrückte ihn selbst, doch er vermochte nicht über seinen Schatten zu springen. Es war gut so, wie das Zusammenleben zwischen ihnen war. Mehr konnte er ihr nicht geben.

Zudem beanspruchten ihn im folgenden Jahr neue Aufgaben, mit denen er bei De Beers betraut wurde. Cecil Rhodes hatte sich endlich dazu durchgerungen, dem Druck seiner Geschäftspartner nachzugeben und am Rand tätig zu werden. Im Februar 1887 wurde die Gold Fields of South Africa Limited gegründet, mit einem Startkapital von hundertfünfundzwanzigtausend Pfund, das innerhalb von wenigen Jahren auf eineinviertel Millionen erhöht werden sollte. Dass Rhodes mit seinem Engagement am Rand ein gutes Jahr gewartet und sozusagen den Startschuss, dem andere große Investoren gefolgt waren, verpasst hatte, brachte erhebliche organisatorische wie finanzielle Nachteile mit sich, mit denen sich Daniel zusammen mit Rhodes’ Partner Charles Rudd viele Tage und Nächte herumschlagen musste. Die Gold Fields of South Africa Limited sollte es deshalb niemals schaffen, die Konkurrenz am Rand zu überflügeln und jene Vormachtstellung einzunehmen, die Rhodes auf dem Gebiet der Diamantenförderung in Kimberley errungen hatte und die De Beers das langersehnte Monopol bringen sollte. Dennoch gelang es ihr, sich mit enormem Aufwand immerhin in die vorderste Reihe der mächtigsten Minengesellschaften im wachsenden Johannesburg einzureihen.

Als es im Wettstreit zwischen Barney Barnato und Cecil Rhodes hinsichtlich der Übernahme der noch immer mächtigen French Company in die letzte und alles entscheidende Runde ging, sollte Daniel mit nach Europa reisen, um bei Rothschild und anderen europäischen Finanzhäusern an den Verhandlungen um ein Finanzdarlehen in Höhe von über drei Millionen Pfund teilzunehmen. Doch Daniel entschied sich gegen die Reise, die ihn unter Umständen mehrere Monate außer Landes geführt hätte. Der Gedanke, gerade jetzt so lange von Harriet getrennt zu sein, spielte dabei eine entscheidende Rolle, auch wenn er es vor ihr verheimlichte.

An einem Morgen im Mai kam Sidney, der schon auf gepackten Koffern saß, da in einer Woche das Parlament in Kapstadt wieder zusammentrat, zu Daniel ins Büro. Sein Ausdruck war betroffen.

»Sorgen, Sidney?«

»Ich habe gerade ein Telegramm aus Johannesburg erhalten.«

Daniel zog die Augenbrauen hoch. »Mal wieder Ärger mit der Gold Fields Limited

Sidney schüttelte den Kopf. »Nein, Byron ist tot.«

Seine Bestürzung war stärker als alles andere, was Daniel für Byron empfunden hatte. Sie überraschte ihn selbst am meisten. »Mein Gott, wie ist das passiert?«

»Du weißt, er war an einer kleinen, aber recht profitablen Minengesellschaft am Rand beteiligt.«

Daniel nickte.

»Es hat in einem der Schächte ein Unglück gegeben, und Byron war zufällig in der Mine und hat sich an den Rettungsarbeiten beteiligt. Dabei war es zu einem zweiten Einsturz gekommen. Er ist vom Gestein erschlagen worden«, teilte Sidney ihm mit.

Daniel schwieg betroffen und dachte, dass es Byron ähnlich sah, für andere sein Leben aufs Spiel zu setzen. Was immer er ihm persönlich vorzuwerfen hatte, so hatte Byron doch seine großartigen Seiten gehabt.

»Sie bringen seine Leiche nach Kimberley«, brach Sidney das Schweigen. »Byron wird übermorgen auf dem West End Cemetery begraben. Er hat es in seinem Testament so bestimmt. Ich werde daher erst nach der Beerdigung abreisen. Kommst du auch?«

Daniel sah ihn an und nickte dann. »Das bin ich ihm schuldig. Einem Toten habe ich nichts nachzutragen.«

Als Daniel Harriet von Byrons Tod und Beerdigung berichtete, sah sie ihm stumm ins Gesicht und wandte dann den Blick ab. »Ich möchte, dass du mit zur Beerdigung kommst«, sagte Daniel.

»Wenn es dein Wunsch ist, Daniel«, erwiderte sie mit leiser Stimme.

Er nickte nur und ging in sein Zimmer.

Am Tag der Beisetzung fand sich eine große Trauergemeinde auf dem Friedhof ein. Daniel und Harriet hielten sich etwas abseits. Sie hatten an diesem Morgen nur wenige Worte miteinander gewechselt. Merkwürdigerweise fühlte sich Daniel seiner Frau an diesem Tag näher als an irgendeinem anderen Tag seit ihrer Rückkehr.

Byrons Beerdigung ging ihm sehr nahe. Als er ans Grab trat und eine Schaufel rotbrauner Erde auf den Sarg warf, dachte er an jenen weit zurückliegenden Tag, als er und Byron der Farmerswitwe die Dampfmaschine abgekauft und ihre Vaal River Salvage Company gegründet hatten.

»Du weinst ja«, sagte Harriet mit bewegter Stimme, als sie in der Kutsche saßen und in die Stadt zurückfuhren, und legte ihre Hand auf seine.

Er richtete den Blick weiterhin starr aus dem Fenster, ergriff jedoch ihre Hand und hielt sie, bis die Kutsche vor ihrem Haus angelangt war.

Wenige Wochen darauf, als in England die Sommerferien der Colleges begonnen hatten, traf Lionel in Kimberley ein. Er war gewachsen und ein junger Mann von fast achtzehn Jahren. Daniel hatte ihm sporadisch geschrieben und ihn über alles unterrichtet, was das Royal Diamond betraf, das sich unter der Führung von Richard Calderon noch immer als eine der ersten Adressen in Kimberley behauptete.

Lionel wohnte bei Daniel im Haus, und wenn er sich auch weiterhin standhaft weigerte, mit Johannes zusammenzukommen, so ließ er doch erkennen, dass er die Rolle, die Julian Jakes im Leben seiner Mutter gespielt hatte, mittlerweile mit anderen, kritischen Augen sah.

Daniel wusste von Johannes, dass Florence, wo immer sie sich versteckt hielt, ihrem Sohn mehrfach geschrieben, aber nie eine Antwort von ihm erhalten hatte. Er drängte Lionel, ihr endlich zu schreiben.

Am Tag seiner Abreise überreichte Lionel Daniel am Bahnhof einen Brief. »Für meine Mutter«, sagte er fast schroff. »Du wirst wissen, wie du ihn ihr zukommen lassen kannst.«

Daniel steckte ihn mit dem Gefühl ein, einen großen Sieg errungen zu haben. Das Schweigen war gebrochen, ein Anfang gemacht. »Wirst du zurückkommen und das Hotel übernehmen, wenn du deine Ausbildung abgeschlossen hast?«

»Zurückkommen werde ich mit Sicherheit. Ich bin kein Engländer, sondern Afrikaner, und dies ist meine Heimat. Aber was das Hotel betrifft, so weiß ich es noch nicht. Mir bleibt noch Zeit genug, um darüber nachzudenken.«

»Tu mir den Gefallen, etwas öfter als alle acht, neun Monate und etwas mehr als dünne zehn Zeilen zu schreiben«, bat ihn Daniel zum Abschied.

Ein flüchtiges Lächeln vertrieb für einen kurzen Moment den ernsten Ausdruck auf dem Gesicht seines Patenkindes. »Ich werde auch darüber nachdenken.«

Daniel erwiderte das Lächeln. »Das reicht mir. Gute Reise, Lionel.«

Lionel drückte ihm die Hand und stieg in den Zug.

Am selben Tag sprach Daniel mit Johannes. Als dieser von Lionels Brief an Florence hörte, gab er einen Stoßseufzer dankbarer Erleichterung von sich.

»Meinst du nicht, dass es langsam an der Zeit ist, mir zu sagen, wo du Florence versteckt hältst, Johannes?«

»Möchtest du ihr Lionels Brief persönlich übergeben?«, fragte Johannes zurück.

»Mein Gott, natürlich! Wie gern möchte ich Florence wiedersehen. Ich habe es sowieso nicht als gerecht empfunden, dass du mir nie eine Gelegenheit dazu gegeben hast, und jetzt sind schon über zwei Jahre vergangen, seit du sie aus der Stadt geschmuggelt hast.«

»Es war besser so, glaube mir.«

»Bringst du mich zu ihr?«

»Wir reisen nach Kapstadt, wann immer du dich von deiner Arbeit loseisen kannst«, bot sein Freund ihm an.

»Wie wäre es mit morgen?«

21

»Ich werde Schwester Felizitas sagen, dass Sie hier sind, Mister Lundquist. Wenn Sie einen Augenblick warten würden. Es wird nicht lange dauern.« Die Äbtissin, eine kleine Person von kräftiger Gestalt mit einem verblüffend klaren, durchgeistigten Gesicht, lächelte ihn freundlich an.

Daniel war in Gegenwart dieser kleinen Person, die jedoch eine verstörend große innere Ruhe und Güte ausstrahlte, so beklommen zumute, dass er nur ein »Danke« herausbrachte.

Die Äbtissin nickte ihm lächelnd zu, faltete die Hände unter dem Kreuz, das ihr an einer langen Lederschnur über dem schwarzen Habit um den Hals hing, und kehrte auf dem schmalen Kiesweg zum Klostergebäude zurück.

Hierhin hatte Johannes also Florence gebracht, in das Kloster der Barmherzigen Schwestern Jesu, das einige Meilen außerhalb von Kapstadt lag, umgeben von Obstgärten und Weinbergen. Kein Wunder, dass die Fahndung der Polizei nach ihr ergebnislos geblieben war. Wer hätte sie auch schon bei Nonnen vermutet.

Daniel nahm auf der einfachen Holzbank Platz, die von zwei blühenden Hibiskussträuchern eingerahmt wurde. Ein herrlicher Mimosenbaum, der in voller Blütenpracht stand, beherrschte die Mitte des kleinen rückwärtigen Klostergartens. Die Nachmittagssonne schaffte noch so eben den Sprung über die hohen Mauern und brachte die gelben Blüten vor dem Hintergrund des dunkelgrünen Blattkleides zum Leuchten.

Eine eigenartige Stille lag über dem Kloster. Allein das Zwitschern der Vögel, das Summen der Insekten und das Rascheln der Blätter im milden Wind sowie das Gackern einiger Hühner, das von der anderen Seite des Klostergebäudes gedämpft zu ihm in den abgeschiedenen Garten drang, waren zu hören. Aus dem Gebäude selbst war jedoch kein Laut zu vernehmen. Daniel fühlte sich in eine Oase tiefen Friedens versetzt, die ihn unwillkürlich an die Jahre erinnerte, die er mit Molefe auf dem Kutschbock seines Ochsengespanns verbracht hatte, als sie oft tagelang über das weite afrikanische veld gezogen waren, ohne einer anderen Menschenseele zu begegnen. Konnte es wirklich sein, dass seit jener Zeit schon fast zwanzig Jahre vergangen waren?

»Florence hat die ganzen Jahre hier in diesem Kloster verbracht?«, hatte er Johannes ungläubig gefragt, als dieser ihn vor wenigen Minuten vor der Pforte abgesetzt hatte.

»Ja, und sie hat das Gelände nicht einmal verlassen.«

»Aber sie kann doch nicht für den Rest ihres Lebens hier bleiben, oder?«

»Am besten fragst du sie das selbst.«

»Kommst du nicht mit, Johannes?«

»Die Regeln des Ordens geben ihr nicht viel Zeit für private Besucher. Ich spare mir meine Zeit lieber für eine andere Gelegenheit auf. Heute sollst du Florence für dich allein haben. Ich warte in der Kutsche auf dich. Bestell ihr einen lieben Gruß von mir.«

»Florence in einem Kloster, mein Gott!«

Daniel wusste noch immer nicht, was er davon halten sollte, als Florence durch die Tür, hinter der die Äbtissin vor wenigen Minuten im Haus verschwunden war, zu ihm in den Garten trat. Er hätte sie kaum wiedererkannt, wenn er ihr an einem anderen Ort begegnet und nicht darauf vorbereitet gewesen wäre, sie im schwarzen Habit der Ordensschwester zu sehen. Die weiße Haube verbarg ihr Haar völlig und ließ nur ein schmales Oval von ihrem Gesicht frei.

Er sprang von der Bank auf und lief ihr entgegen. »Florence! Endlich sehe ich dich wieder!«, rief er und schloss sie voller Freude und Rührung in seine Arme.

Sie lächelte ihn an. »O Daniel, ich freue mich auch, dich zu sehen. Doch eine Florence gibt es nicht mehr«, sagte sie mit sanfter Stimme. »Ich heiße jetzt Schwester Felizitas, und das ist mehr als nur ein neuer Name. Ich habe ein neues Leben begonnen.«

Ihre Antwort verwirrte ihn. »Felizitas ist ein schöner Name, doch Florence gefällt mir besser.«

Sie lächelte verständnisvoll. »Ich kann verstehen, dass du dich erst daran gewöhnen musst, denn ich weiß von Johannes, dass er dir bisher verschwiegen hat, wo ich mich seit meiner entsetzlichen Tat aufhalte. Aber den Namen Felizitas habe ich nach langer Selbstprüfung mit Bedacht gewählt. Felizitas war zur Zeit der Christenverfolgung in Karthago eine junge Frau, die erst im Kerker getauft wurde. Man drängte sie, von ihrem christlichen Glauben abzulassen, und stellte ihr einen gnädigen Tod in Aussicht. Doch sie blieb standhaft und nahm den schrecklichen Tod in der Arena, wo wilde Tiere über sie und andere Christen herfielen, auf sich.«

Daniel verzog das Gesicht. »Bitte versteh es nicht als Anmaßung, aber mir wäre lieber, du würdest dir nicht gerade eine Märtyrerin zum Vorbild nehmen. Denn was immer du auch getan hast, so hast du es doch nicht verdient, dass du dich nun selbst zu einem Sühneleben hinter Klostermauern verdammst.«

Sie schüttelte leicht den Kopf, ohne ihr stilles Lächeln zu verlieren. »Ich habe mich nicht selbst verdammt. Gewiss, die Schuld, die ich auf mich geladen habe, werde ich niemals loswerden. Aber dies hier ist nicht mein selbstgewählter Kerker, sondern mir ist ganz unverdient die Gnade zuteil geworden, hinter diesen Mauern die wahre Freiheit gefunden zu haben.«

»Freiheit?« Daniel sah sie skeptisch an.

»Lass uns ein wenig durch den Garten gehen«, schlug sie vor, und sie folgten dem Rundweg. »Hast du schon mal Bilder des heiligen Abtes Antonius gesehen?«

»Nein. Weshalb fragst du?«

»Auf diesen Bildern findet man stets viele kleine Teufel, die ihm beizukommen versuchen«, erzählte Florence scheinbar ohne jeden Zusammenhang. »Solch ein Bild ist wie ein Gleichnis, das das Leben eines jeden von uns beschreibt. Die Dämonen, die hinter uns her sind, tragen viele Namen: Lieblosigkeit, Geld, Macht, Sinneslust, Gewalt und vieles andere mehr. Und diese Dämonen, mit denen wir uns abgeben, ja denen wir uns sogar freiwillig ausliefern, höhlen im Laufe des Lebens unser Herz aus und machen es hart, ohne dass wir uns dessen bewusst werden.«

»Es gibt nun mal gewisse Zwänge«, wandte Daniel ein.

Sie lachte leise auf. »Ja, das reden wir uns gerne ein, weil wir dann leichter mit unserer Lieblosigkeit und unserem Egoismus leben können. Wie oft habe ich mir früher eingeredet, dass es nur zum Besten meines Kindes ist, wenn ich all meine Energie drauf verwende, ein erstklassiges Hotel in Kimberley zu haben. Ein paar Jahre noch, und dann werde ich mehr Zeit für ihn haben. Opfer müssen nun mal sein, wenn man vorankommen und etwas schaffen will. Nur nicht zimperlich sein. Lionel wird mir eines Tages dankbar sein, was ich als alleinstehende Frau erreicht und ihm hinterlassen habe. Dieses und ähnliches habe ich mir eingeredet, von Jahr zu Jahr. Es waren nichts als Selbsttäuschungen und Entschuldigungen für all das, was ich unterlassen habe, weil mir die Erfüllung meiner ehrgeizigen Pläne wichtiger als alles andere war. In Wirklichkeit war ich Lionel nicht nur eine miserable Mutter, sondern ich habe auch mich um mein Glück betrogen, das ich hätte haben können.«

Ein unbehagliches Gefühl beschlich Daniel. Ihm war, als hätte ihre Beschreibung streckenweise auch Gültigkeit für sein Leben. »Im Nachhinein ist man immer klüger. Wir alle machen Fehler. Das ist nun mal der Lauf der Dinge.«

»Der Lauf der Dinge«, wiederholte sie nachdenklich. »Schaffen wir uns den denn nicht selbst? Die Entscheidungen, die wir gestern getroffen haben, bestimmen das Morgen und Übermorgen. Mit unseren gestrigen Antworten auf Fragen haben wir uns selbst unerbittliche Fesseln für die Zukunft angelegt. Nein, wir können uns nicht mit Schicksal und Zwängen herausreden, Daniel. Ich jedenfalls weiß, dass ich mir mit meinem unerbittlichen Streben nach Erfolg, Macht und Besitztümern um jeden Preis meinen ganz eigenen Kerker gebaut habe.«

»Du gehst sehr hart mit dir und uns ins Gericht«, erwiderte Daniel.

»Ich halte nicht Gericht. Daniel, denn das steht mir am allerwenigsten zu. Ich sage nur, was ich erkannt habe. Spät, aber doch glücklicherweise nicht zu spät.« Sie machte eine kurze Pause. »Ich habe Angst gehabt, Angst vor so vielen Dingen – wieder verletzt zu werden, mit meinem Leben nicht klarzukommen, es nicht wie andere zu etwas zu bringen, ja auch später dann Angst davor, Lionel mit Julian teilen zu müssen. Und aus dieser Angst heraus, die ich einmal fälschlicherweise für Ehrgeiz und Willenskraft gehalten habe, habe ich ein Leben geführt, das ich eigentlich gar nicht war. Es war ein unechtes Leben.«

»Ach, Florence …«

»Nein, es stimmt«, fiel sie ihm mit sanftem Nachdruck ins Wort. »Ist es nicht bezeichnend, dass wir im Kreis unserer Familie, in unseren Beziehungen zu Vätern und Müttern und Geschwistern, nicht nur Segnungen, sondern auch die größten Ängste erleben und unsere tiefsten Wunden erfahren, die wir dann mit ins eigenständige Dasein nehmen, um im Zusammenleben mit Menschen, die nicht von unserem Blut sind, auf eine Heilung dieser Wunden zu hoffen? Doch manche Wunden und Ängste gehen so tief, dass wir nie davon geheilt werden.«

Daniel dachte an ihren Sohn, und er musste innerlich eingestehen, dass Florence etwas sehr Wahres gesagt hatte. Lionel würde vielleicht niemals verwinden, dass Florence nie Zeit für ihn gehabt, ihm seinen Vater all die Jahre verschwiegen und Julian dann auch noch getötet hatte.

»Wir alle tragen im Leben unsere Wunden davon«, seufzte er.

»Und die schlimmsten fügen wir uns in unserer blinden Besessenheit nach weltlichen Gütern selbst zu«, erklärte sie. »Warum tun wir das bloß, statt uns unseres kurzen irdischen Daseins bewusst zu werden und es mit einem Sinn zu erfüllen, der sich nicht an oberflächlichen Werten orientiert. Für die eigenen Sünden ist man wohl leider blind. Aber nun erzähl mir, wie es dir geht, Daniel. Ich habe genug von mir geredet.«

Er berichtete ihr von seinem Leben und dass es De Beers gelungen war, beim Machtpoker um die French Company den Sieg davonzutragen. Barney Barnato hatte sich geschlagen gegeben und würde zukünftig als Direktor auf Lebenszeit von De Beers und mit einem großen Aktienpaket ein mächtiger Partner von Cecil Rhodes sein. Aber während er ihr noch davon erzählte, beschlich ihn das beklemmende Gefühl, wie unwichtig das alles doch war und wie wenig es ihn selbst mit Freude erfüllte. Er konnte auf eine steile Karriere zurücksehen und hatte mehr erreicht, als er sich jemals hätte träumen lassen. Doch sein persönliches Glück war dabei auf der Strecke geblieben. So vieles, was Florence zuvor gesagt hatte, traf auch auf sein Leben zu, wenn er ehrlich war.

Er bemerkte, dass Florence ihm gar nicht mehr richtig zuhörte, sondern einen Vogel beobachtete, der im Licht der Nachmittagssonne auf einem wippenden Ast des Mimosenbaumes saß und sein Gefieder putzte. Ihr versonnenes Lächeln strahlte einen derartigen inneren Frieden aus, dass es ihn fast neidisch machte. Diese Frau im schwarzen Schwesternhabit war nicht mehr die Florence, die er einmal gekannt hatte.

»Ich habe einen Brief von Lionel für dich.«

Sie sah ihn mit einem tiefen Leuchten in den Augen an. »Gelobt sei Gott! Er hat meine Gebete erhört.«

Er gab ihr den Brief. »Ich weiß nicht, was er dir geschrieben hat.«

Sie drückte ihn an die Brust, wo ihr schlichtes Kreuz hing. »Das ist nicht wichtig, Daniel. Wichtig ist allein, dass er mir geschrieben hat. Und ich bete zu Gott, dass er mir eines Tages verzeihen wird, was ich ihm angetan habe, und dass ich ihn einmal wiedersehen darf.«

»Du willst wirklich hierbleiben?«, fragte Daniel, dem es schwerfiel, sich mit dem Gedanken abzufinden, dass Florence ihr Leben als Nonne zu beschließen beabsichtigte.

Sie lächelte ihn an, und wieder sprach aus ihren Augen und Gesichtszügen Glück und Ruhe von einer verinnerlichten Tiefe, wie sie ihm nur noch bei ihrer Äbtissin begegnet war. »Es war nicht leichtfertig dahergeredet, als ich vorhin zu dir sagte, dass ich hinter diesen Mauern nicht einen Platz selbstauferlegter Sühne, sondern meine Freiheit gefunden habe – eine Freiheit, wie ich sie in all den Jahren zuvor nie auch nur annähernd so erlebt habe. Nicht jeder ist dafür geschaffen, doch ich bin es, wie ich erkannt habe. Nächstes Jahr werde ich das ewige Gelübde ablegen. Der Glaube und die Berufung zu diesem Leben sind ein Geschenk, und es wird mir immer ein Wunder sein, dass es gerade mir zuteil geworden ist, die ich es doch am wenigsten verdient habe. Ich habe Blut vergossen, auch viel Herzblut, und anderen nicht verziehen. Und nicht verzeihen zu können war wohl meine größte Sünde. Mein Herz war verhärtet. Doch ich bin mit einer zweiten Chance gesegnet worden. Jeder Mensch hat eine zweite Chance in seinem Leben verdient, was immer er getan hat. Nur wird sie nicht jedem gewährt, weil unsere Hartherzigkeit größer ist als die Stärke des Verzeihens.«

Eine Glocke erklang.

»Ich muss jetzt gehen, Daniel. Die Glocke ruft zu den Offizien, unseren Chorgebeten«, sagte Florence mit schon entrücktem Lächeln.

Daniel umarmte sie. »Du fehlst uns allen schrecklich, Florence… Schwester Felizitas.«

Sie küsste ihn auf die Wange. »Ich bin euch nicht wirklich fern, Daniel. Viele Menschen, die tagtäglich miteinander leben, sind sich viel ferner, als wir es sind. Ich bin in meinen Gebeten unzertrennlich bei euch. Gottes reichen Segen«, sagte sie, berührte flüchtig und doch liebevoll seine Wange und eilte ins Haus.

Daniel fühlte sich wie benommen, als er den Garten durch die hintere Pforte verließ und zu Johannes in die Kutsche stieg. Sein Freund stellte ihm keine Fragen, denn er ahnte, wie sehr ihn die Begegnung mit Florence verstört hatte. In tiefem Schweigen fuhren sie nach Kapstadt zurück.

22

Es war schon sehr spät am Abend, als Daniel nach sechs Tagen wieder in Kimberley eintraf. Er übergab sein Gepäck einem Kutscher, verzichtete jedoch darauf, selbst einzusteigen, sondern machte sich zu Fuß auf den Weg vom Bahnhof nach Hause. Er war müde von der langen Reise und doch voll innerer Unruhe. »Ist meine Frau bereits zu Bett gegangen?«, fragte er, als er ins Haus trat und Rose Briggs in dem Augenblick die Treppe herunterkam.

»Sie hat sich ausgezogen und fürs Bett fertiggemacht, aber ich glaube nicht, dass sie schon das Licht gelöscht hat. Wie ich sie kenne, wird sie noch lesen, Mister Lundquist«, teilte ihm die Zofe mit, die schon auf die Fünfzig zuging und das einnehmende Wesen einer ruhigen, nachsichtigen Mutter besaß.

»Danke, Rose«, sagte Daniel, wünschte ihr eine gute Nacht und begab sich nach oben zu seiner Frau.

Harriet lag nicht mit einem Buch im Bett, sondern saß in ihrem dünnen Musselinnachthemd an ihrem Sekretär und schrieb einen Brief.

»Störe ich?«

»Um Gottes willen, nein!«, sagte Harriet und legte schnell den Federhalter aus der Hand. »Komm nur herein. Meinen Brief an Onkel Henry kann ich auch morgen noch beenden. Schön, dass du wieder zurück bist.«

Als er sie im Licht der Sekretärleuchte in ihrem dünnen Gewand und mit ausgekämmtem Haar sitzen sah, kam ihm schmerzlicher denn je zu Bewusstsein, wie sehr er sie noch immer liebte.

Ohne Hast griff sie nach ihrem Morgenmantel, der über der Lehne ihres Polsterstuhls hing, und zog ihn über. Dabei fragte sie: »Wie war es in Kapstadt? Sind deine Geschäfte erfolgreich verlaufen.«

Daniel nickte. »Ja, sehr.« Johannes hatte ihn gebeten, keinem von Florence und ihrem Aufenthaltsort zu erzählen, auch nicht Harriet. Er lebte noch immer in der Sorge, dass durch einen dummen Zufall der Polizei zu Ohren kommen könnte, wo sich Florence befand. Eine Sorge, die Daniel nicht ganz teilte, aber respektierte.

»Das freut mich.«

Daniel wusste nicht, wie er das, was er auf dem Herzen hatte, ansprechen sollte. »Es tut mir leid, Harriet«, sagte er dann bedrückt.

Verwundert und ein wenig ängstlich sah sie ihn an. »Was tut dir leid?«

Er machte eine vage, hilflose Geste. »So vieles, dass ich gar nicht weiß, wo ich beginnen soll. Es tut mir leid, dass alles so gekommen ist … mit uns, Harriet. Ich glaube, ich bin sehr hartherzig gewesen.«

»Du und hartherzig?«, fragte sie mit einem halb gequälten, halb hoffnungsvollen Lächeln. »Nein, das stimmt nicht. Wenn jemand hartherzig war, dann bin ich das gewesen. Daniel, ich wollte schon seit Langem mit dir darüber reden, doch ich habe einfach nicht den Mut gefunden.«

»Ja, weil ich dich nicht dazu ermutigt habe«, erwiderte er schuldbewusst. Seit er Florence verlassen hatte, waren ihm ihre Worte über die Hartherzigkeit und die zweite Chance, die jeder Mensch verdiente, nicht mehr aus dem Sinn gegangen. Fast ununterbrochen hatte er darüber nachgedacht und war zu dem Entschluss gekommen, dass es an der Zeit war, sich mit Harriet ohne Wenn und Aber zu versöhnen.

»Das habe ich verstanden«, sagte Harriet und blickte auf ihre Hände, die sie in den Schoß gelegt hatte. »Ich selbst habe lange gebraucht, um mir über mein Tun und meine Gefühle Klarheit zu verschaffen, Daniel. In England habe ich viel Zeit gehabt, darüber nachzusinnen. Der Unfall damals war weder die Schuld meines Vaters, wie ich immer behauptet habe, noch deine. Nein, warte, lass mich ausreden«, bat sie ihn, als er zu einer Erwiderung ansetzte.

Er schwieg abwartend.

»Es war ganz allein meine Schuld«, fuhr Harriet fort und berichtete, wie es wirklich zu dem Unfall gekommen war. »Als ich dann im Krankenhaus zu mir kam und begriff, dass ich nicht nur unser Kind verloren hatte und nie wieder schwanger werden konnte, sondern auch meinen Vater getötet hatte, da wollte ich es einfach nicht wahrhaben, dass ich für all das Schreckliche verantwortlich war. Mit dieser Schuld zu leben war mir unmöglich, und da habe ich jemanden gesucht, den ich für alles verantwortlich machen konnte – und das warst du. Ich habe meine eigene Schuld mit aller Macht verdrängt und auf dich übertragen. Damit glaubte ich, leben zu können. Und je mehr wir uns dabei entfremdeten, desto mehr fühlte ich mich in meiner Schuldzuweisung bestätigt. Ich wollte einfach, dass du mich nicht mehr liebst, sondern hasst und mich verstößt. Allein deshalb habe ich auch Byron verführt. Er hat mich immer wieder abgewiesen, doch ich habe ihm so lange zugesetzt, bis er endlich schwach geworden ist. Dabei ging es mir nicht um eine Liebesaffäre, sondern um meine persönliche Rache. Er hat dich geliebt, Daniel. Und ich habe ihn benutzt, um mich durch ihn an dir zu rächen und einen endgültigen Bruch zwischen uns herbeizuführen. Mir ist das damals natürlich nicht bewusst gewesen, weil ich jeden Gedanken in dieser Richtung zwanghaft ausgesperrt und unterdrückt habe. Doch in England, wo ich dich mit jedem Monat schmerzlicher vermisst habe, konnte ich der Wahrheit nicht länger ausweichen. Nach und nach ist mir klargeworden, was ich dir und Byron angetan und wie sehr ich mich durch mein Verhalten nach dem Unfall in eine noch größere Schuld verstrickt habe. Ich kann dir nicht sagen, wie verabscheuungswürdig ich mich gefühlt habe, als mir all das aufgegangen ist. Es gab eine Zeit, da wollte ich einfach nicht mehr leben, weil es mir sinnlos erschien. Das Kostbarste, was ich hatte, nämlich unsere Liebe, hatte ich verspielt, weil mir die Kraft gefehlt hatte, zu meiner Schuld zu stehen und damit zu leben. Und dennoch erlosch die Hoffnung, dass du mir eines Tages verzeihen würdest, nie ganz in mir, obwohl ich doch jedes Recht darauf längst verwirkt hatte.«

Daniel sah, dass sie Tränen in den Augen hatte. »Was hat Recht im Zusammenhang mit Liebe und Verzeihen zu suchen, Harriet?«, erwiderte er mit belegter Stimme. »Ich hätte verhindern können, was geschehen ist, wenn ich nur mehr Geduld und Verständnis gehabt hätte. Aber all das ist nicht mehr von Bedeutung. Es ist vorbei.«

Sie hob den Kopf und kämpfte mit den Tränen. »Du verzeihst mir?«

Er sah sie an und spürte, wie auch seine Augen feucht wurden. »Ich liebe dich, Harriet. Ich habe nie aufgehört, dich zu lieben.«

Zögernd erhob sie sich vom Stuhl. »Ich … ich weiß nicht, was ich sagen soll«, erwiderte sie mit erstickter Stimme. »Es … es ist zu schön …« Überwältigt von ihren Empfindungen, brachte sie kein weiteres Wort heraus.

Er trat zu ihr und berührte sie zaghaft an der Schulter. »Lassen wir endlich die Vergangenheit und mit ihr unsere gemeinsamen Fehler ruhen, Harriet. Wir haben schon zu viele Jahre dadurch vergeudet, dass wir einander und uns selbst nicht verzeihen konnten«, sagte er und nahm sie in seine Arme.

»Und du meinst, wir … wir könnten noch einmal von vorn beginnen?«

Er strich ihr zärtlich und mit einem unsäglichen Gefühl des Glücks, das nur jemand zu ermessen vermochte, der es einmal empfunden und dann schon für verloren gehalten hatte, über das Haar. »Nicht von vorn, aber doch neu und viel bewusster. Wenn man sich liebt, ist alles möglich, mein Liebling«, sagte er, und unter Tränen gaben sie sich den ersten Kuss, der nicht nur ihre Lippen vereinte, sondern auch ihr Leben.

Er hatte es zu großem Reichtum und Macht gebracht. Doch die größte und alles bezwingende Macht der Welt, neben der alles andere an Bedeutung verlor, das wurde ihm in diesem Moment bewusst wie nie zuvor, war die Liebe – und würde es immer bleiben.

Nachwort und Danksagung

Die Niederschrift eines solch umfangreichen historischen Romans bedeutet für den Autor eine scheinbar endlose monatelange und insbesondere einsame Reise durch ein fremdes Land. Da heißt es tiefe Täler der Selbstzweifel und der Erschöpfung zu durchstehen und auf den gelegentlichen Gipfeln der Euphorie die Balance nicht zu verlieren. Und wie in den wunderbaren, faszinierenden Ländern des südlichen Afrika selbst, so erstreckt sich, kaum dass man eine Ebene von unermesslicher Weite durchquert und eine Bergkette erklommen hat, vor einem eine neue Ebene bis an den fernen Horizont, leer und weit und ebenso verlockend wie erschreckend.

Doch keine Reise, auch nicht die am Schreibtisch eines Schriftstellers historischer Romane, hat ohne gründliche Vorbereitung und Hilfe von Experten Aussicht auf Erfolg. Dass ich auf diesem langen Treck des Schreibens nicht ohne Orientierung blieb und mich in die bewegte Kolonialgeschichte sowie die Gefühle und Gedankenwelt der damaligen Siedler und Farmer hineinversetzen konnte, verdanke ich der intensiven Unterstützung von einer Vielzahl von schwarzen wie weißen Afrikanern aus den verschiedensten sozialen Schichten. Archivare, Professoren, Farmer und Safariführer haben mir auf meinen Recherchenreisen durch Südafrika, Zimbabwe (das frühere Rhodesien) und Botswana bereitwillig viele Stunden und manchmal auch viele Tage geopfert, um meine unzähligen Fragen zu beantworten sowie Bücher und Karten aus Archiven herauszusuchen oder mir ihre Familiengeschichte zu erzählen.

Alle zu nennen, die zum Gelingen meiner Arbeit beigetragen haben, würde den mir zur Verfügung stehenden Platz bei Weitem sprengen. Einigen bin ich jedoch zu sehr zu Dank verpflichtet, als dass ich ihre Namen ungenannt lassen könnte.

Mich auf langen, unvergesslichen Pirschgängen in der Waldsavanne am Okavango-Delta und am Rand der Kalahari mit der afrikanischen Wildnis und ihrem Tierreichtum vertraut gemacht zu haben, ist das Verdienst des Safariführers Willy Zingg (Botswana). Ian Milne vom Krüger National Park vertiefte als Zoologe meine Kenntnisse über afrikanische Wildnis, Ökosystem und Tierverhalten.

Margaret und Douglas McMaster in Ladysmith (Natal) ließen uns an der bewegten Geschichte ihrer Vorfahren teilnehmen, die vor hundertsiebzig Jahren nach Südafrika kamen und mir in Bruchstücken Modell für manche meiner Romanfiguren gestanden haben.

Mary und Peter Terry von Highgrove House bei Whitriver (Eastern Transvaal) machten mir nicht nur das Geschenk ihrer unvergleichlichen Gastfreundschaft, sondern gaben mir großzügig Einblick in ihr Leben als Kleinhoteliers, Farmer und weiße Südafrikaner, die auf einen gewaltlosen Machtwechsel und ein friedliches Miteinander von Schwarz und Weiß hoffen.

Als Schriftsteller historischer Romane, der auf umfangreiches Hintergrundmaterial angewiesen ist, gilt mein Dank insbesondere den Archivaren und Bibliothekarinnen, deren Geduld und hilfreiche Anteilnahme unerschöpflich waren und die mich mit vielen tausend Fotokopien von alten Aufzeichnungen, Tagebüchern, Abhandlungen und Karten versorgt haben.

Strange Library of Africana/Johannesburg: Irene Brendle, Ian Grinkler, Moses Baloyi, Eric Itzkin

Siege Museum/Ladysmith: Elizabeth Spiret

Albany Museum/Grahamstown: Direktor B. Wilmot, Marijke Cosser, Fleur Way-Jones, Gerard Corsane

South African Library/Kapstadt: Arlene Fanarof, Tom Behnisch

McGregor Museum/Kimberley: Fiona Barbour

Africana Library/Kimberley: Mary Brits.

De Beers Archiv/Kimberley: Dr. Moonyean Buys, Brenda Feder

Großzügige Hilfe und wertvolle Informationen verdanke ich auch dem Minen- und Diamantenexperten Dennis Knox in Kimberley wie auch Thys und Alminda Grobler sowie Johann und Ingrid Swanepoel in Ladysmith. Ein besonderer Dank gilt dem südafrikanischen Gesandten Johan Paul Schutte für seine Unterstützung.

Sie alle und viele andere haben es möglich gemacht, dass ich schreibend zu dieser langen Reise aufbrechen konnte.

Ashley Carrington

Palm Coast, Florida

Weitere Titel von Ashley Carrington bei hockebooks

Unter dem Jacaranabaum

978-3-943824-30-8

Diese Familiengeschichte beginnt im Jahr 1908, als Moira Mayfield mit ihrer Mutter ins australische Hinterland umsiedeln muss. Nur widerwillig gewährt ihnen ihre Tante Unterschlupf und Moira, die davon träumt Malerin zu werden, fühlt sich unerwünscht. Wann immer es geht, streunt sie in der Weite des Buschlands umher. Trost und einen kreativen Rückzugsort findet die sensible Moira unter der mächtigen Krone eines Jacarandabaums. Dem schüchternen Adrian Flynn dient der Baum ebenfalls als Zuflucht. Hier beginnt mit einem ersten Kuss die zaghafte Liebesgeschichte, die Moira schließlich bis nach Sydney und Melbourne führt. Doch der Jacarandabaum lässt sie niemals ganz los ... eine Familiengeschichte fürs Herz!

 

Flammende Steppe

978-3-943824-18-6

Südafrika zur Zeit des Burenkrieges: Lena van Rissek wächst Ende des 19. Jahrhunderts in der Provinz Transvaal auf Leeuwenhof, der Farm ihrer Eltern, auf. Eigentlich soll die älteste Tochter von Stefanus van Rissek den Nachbarssohn Fabricius Bloem heiraten, sie fühlt sich aber viel mehr zu ihrem Halbbruder Julian hingezogen. Auch der Einzelgänger ist innerlich zerrissen wegen seiner Zuneigung zu Lena.

Doch mit dem Auftauchen des britischen Lieutenants Lionel Faulkner werden Lenas Gefühle auf eine harte Probe gestellt: Eigentlich müsste sie ihn verachten, schließlich gehört er zu den verhassten Engländern. Lena findet dennoch nach und nach immer mehr Gefallen an dem jungen Offizier. Schließlich bricht der Burenkrieg aus. Bitteres Elend beherrscht den Alltag von Lena und ihrer Familie. Und die beiden Liebsten der jungen Farmerstochter kämpfen auf verschiedenen Seiten …

 

Küste der Verheißung

978-3-943824-97-1

England, zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Der junge Patrick O’Brien und seine Gefährtin Abigail Dixon müssen ihre Heimat verlassen. Denn der ehemalige Wildhüter und das 13jährige Mädchen haben zu lange schon Freier und Zuhälter hereingelegt, auch von einem Lord werden sie gejagt. In Südafrika wollen die beiden als Siedler einen Neuanfang in der Freiheit wagen. Doch in der Fremde trennen sich die Wege des ungleichen Paares, denn Patrick tritt einer Gruppe gesetzesloser Elfenbeinjäger bei. Abigail verliert seine Spur. Doch sie will Patrick, der sie in England beschützte, nicht vergessen. Aus tiefstem Herzen hofft Abigail, ihn eines Tages wiederzusehen …

Eine große Auswanderersaga aus dem Bestsellerkosmos von Ashley Carrington – angesiedelt im England und Südafrika zu Beginn des 19. Jahrhunderts.

 

Jahreszeiten der Liebe

978-3-95751-088-4

Ein fesselnder Liebesroman von Rainer M. Schröder alias Ashley Carrington: Daniela Stern steht mit ihren 37 Jahren mitten im Leben: Sie ist eine erfolgreiche Geschäftsfrau im Showbusiness, charmant, attraktiv und wohlhabend. Mit ihrem Liebhaber, dem Maler Christian Hendrick, verbindet sie eine leidenschaftliche Beziehung. Doch mit einem Mal ist plötzlich alles anders: Als man ihr und ihrem Aufnahmestudio »Stardust Studios« einen Versicherungsbetrug anhängen will, gerät ihre Welt aus den Fugen. Daniela muss um das kämpfen, was sie sich mühevoll aufgebaut hat, und sich gleichzeitig Dämonen aus ihrer Vergangenheit stellen, die sie immer wieder aufs Neue in ihren Albträumen heimsuchen.

 

Verlockendes Land

978-3-95751-089-1

Hendrik McAlister, der jüngste Sohn eines Krämers im südafrikanischen Grahamstown, erträgt die ständige Unterdrückung und Tyrannei seiner älteren Brüder nicht mehr und verlässt nach einem erbitterten Streit sein Elternhaus. Am Fuße der Snow Mountains begegnet er dem alten, eigenbrötlerischen Burenfarmer Hermanus. Mit vereinten Kräften bringt Hendrik dessen heruntergekommenen Hof wieder auf Vordermann. Dabei gewinnt er nicht nur Hermanus’ Respekt, sondern auch den der Buren, die sich von der britischen Regierung am Kap zunehmend unterdrückt fühlen. Als Hendrik sich in die Farmerstochter Franziska van Wyken verliebt, steht das Glück der beiden unter keinem guten Stern, denn Franziskas Familie versucht alles, um ihre Liebe zu verhindern. Hat der Zwist zwischen Hendrik und Franziskas Familie etwas damit zu tun? Die Ereignisse überschlagen sich, als die Buren Hendrik auch noch in eines ihrer großen Geheimnisse einweihen: Sie wollen die Kolonie verlassen und der Bürde der britischen Besatzung entkommen.

 

Die Rose von Kimberley

978-3-95751-091-4

Südafrika am Ende des 19. Jahrhunderts: Die 19jährige Rose Brandon macht sich aus ihrer wohlbehüteten Heimat in England auf ins südafrikanische Kimberley, um dort ihrem verwitweten Vater nach einem Herzanfall zur Seite zu stehen. Doch bevor sie in der Diamantstadt ankommt, lernt sie auf ihrer Reise den charmanten und gut aussehenden Richald Hamilton kennen, zu dem sie sich schnell hingezogen fühlt. Ihr Vater merkt, dass es mit ihm bald zu Ende gehen wird und hat indessen ganz andere Pläne: Um seine Tochter in guten Händen zu wissen, möchte er Rose mit Lawrence Gladstone, seinem jungen Geschäftspartner verheiraten. Rose muss sich zwischen beiden Männern entscheiden, und die Zeit läuft ihr davon, denn ihrem Vater geht es immer schlechter.

 

Fluss der Träume

978-3-95751-092-1

Ein großer Roman voll Liebe, Hass und Intrigen aus der Feder von Ashley Carrington. Daphne Davenport liegen im Boston des 19. Jahrhunderts die Söhne der vermögendsten Geschäftsleute zu Füßen, ihre Familie lebt im Wohlstand, die Zukunft scheint sorgenfrei. Bis ein heimtückischer Geschäftspartner ihres Vater die Familie in den Ruin treibt. In der Provinzstadt Bath am Kennebec Ricer versucht ihr Vater eine neue Existenz für die Familie aufzubauen. Wo ihre Mutter und ihre Schwester den vergangenen Tagen nachtrauern, nimmt Daphne ihr Leben selbst in die Hände. Sie findet neue Freunde und neue Aufgaben, doch die Vergangenheit holt sie ein und fordert unerbittlich ihren Tribut..

 

Insel im blauen Strom

978-3-95751-093-8

Ein großer Roman voll dunkler Familiengeheimnisse, Schuld und Hass, aber auch voll Hoffnung und der Kraft der wahren Liebe: Selbst als erfolgreiche Schriftstellerin bleibt Emily Forester der Heimat ihrer Kindheit, der Prince Edward Island im St.-Lorenz-Strom, treu. Hier bekommt sie als Zehnjährige ein Tagebuch geschenkt, mit dem sie ihre Begeisterung fürs Schreiben entdeckt, aber hier lernt sie auch die Schattenseiten des Lebens kennen: das komplizierte Verhältnis zu ihrer unglücklichen Schwester und das ernüchternde Ende ihrer ersten großen Liebe. Gefangen in einer leidenschaftslosen Ehe mit einem Geistlichen schreibt Emily fernab des Stroms ihren ersten Roman, doch der sittenstrenge Reverend verbrennt das Manuskript. Als Emily bei einem Besuch auf der Insel nach zehn Jahren ihre Jugendliebe wieder trifft, droht ihr Leben aus den Fugen zu geraten.

Der Autor

Ashley Carrington
Ashley Carrington

Mit einer Gesamtauflage in Deutschland von fast sechs Millionen zählt Rainer M. Schröder alias Ashley Carrington zu den erfolgreichsten deutschsprachigen Schriftstellern von Jugendbüchern sowie historischen Gesellschaftsromanen für Erwachsene. Letztere erscheinen seit 1984 unter seinem zweiten, im Pass eingetragenen Namen Ashley Carrington im Knaur Verlag. Seinem unter diesem Pseudonym verfassten Roman Unter dem Jacarandabaum wurde die besondere Auszeichnung zuteil, von der Bundeszentrale für politische Bildung in der Broschüre »Das 20. Jahrhundert in 100 Romanen« (Stiftung Lesen/Leseempfehlungen Nr. 112) zu den 100 lesenswerten Romane der Weltliteratur des 20. Jahrhunderts gezählt zu werden. Rainer M. Schröder lebt an der Atlantikküste von Florida.

Dedicated to
Mary and Peter Terry,
Highgrove House, Kiepersol, Eastern Transvaal.
Thank you for an unforgettable time
in your mountain-top paradise!

Teil 1:
Griqualand

1

Zwölf Ochsen zogen den klobigen Planwagen über die weite Ebene im sonnendurchglühten Herzen des südlichen Afrika. Rotbrauner Staub stieg unter den Hufen der dahintrottenden Tiere auf. Die massigen Schädel mit den mächtigen Gehörnen hielten sie gesenkt, als duckten sie sich unter der Dezemberhitze, die wie eine unsichtbare Last über der ausgedörrten Halbwüste lag.

Auf dem primitiven Kutschbock, der aus einer breiten Holzkiste mit einer alten Decke als Polster bestand, saß ein junger Mann von einundzwanzig Jahren. Sein Name war Daniel Lundquist, und obwohl er unter der heißen Sonne Afrikas zur Welt gekommen war und keine andere Heimat kannte als das veld, wie die Buren die freie Natur nannten, hieß er bei vielen doch nur »Der Schwede«.

Er war von hochgewachsener, breitschultriger Gestalt und hatte von seinem schwedischen Vater das gelockte blonde Haar und die markanten Gesichtszüge geerbt, deren Vorzüge nicht so sehr in ihrer Schönheit als in ihrer Einfachheit und Klarheit lagen. Von seiner Mutter, einer burischen Farmerstochter aus Grahamstown am Great Fish River, hatte er die bernsteinbraunen Augen und das entwaffnende Lächeln, das einem unkomplizierten und prinzipiell zuversichtlichen Wesen entsprang. Über der muskulösen, sonnengebräunten Brust trug er eine Jacke aus Antilopenfell. Aus demselben strapazierfähigen Material war auch seine speckige Hose. Sein Gesicht, das vom täglichen Leben unter freiem Himmel bei Wind und Wetter gezeichnet war und um die Augen schon einen Kranz winziger Fältchen aufwies, schützte ein Lederhut mit breiter Krempe vor der sengenden Kraft der Sonne. Anders als die meisten Buren, die in seinem Alter darauf versessen waren, sich einen Bart wachsen zu lassen, griff er täglich zu Rasierseife und Rasiermesser. Wie lästig die morgendliche Prozedur manchmal auch war, erschien sie ihm doch als das kleinere Übel.

Daniel Lundquist verdiente sich seinen bescheidenen Lebensunterhalt als fahrender Händler und setzte damit die Tradition seiner verstorbenen Eltern fort, die östlich des Limpopo River im moskitoverseuchten Lowveld vom Gelbfieber dahingerafft worden waren. Drei Jahre lag der Tod seiner Eltern zurück, und seitdem zog er, nur von seinem schwarzen Gefährten Molefe vom Stamm der Khoikhoi begleitet, in unregelmäßigen Bahnen zwischen dem Limpopo River im Nordosten und dem Orange River im Südwesten hin und her. Für einen Vogel, der sich in die Lüfte erheben und geradewegs seinem Ziel entgegenfliegen konnte, lagen gute achthundert Meilen zwischen diesen beiden großen Flüssen, in deren Grenzen sich die freien Burenrepubliken Transvaal und Orange Freistaat gebildet hatten. Für einen smouse, einen fahrenden Händler, der mit einem schwerfälligen Ochsenwagen, auch Feldschoner genannt, zu abgelegenen Farmen und Bantustämmen unterwegs war, addierten sich die gewundenen Wegstrecken jedoch schnell zu einer doppelten Länge. Deshalb geschah es nicht selten, dass er ein dreiviertel Jahr und mehr benötigte, um von einem Fluss zum anderen zu kommen.

Bechuanaland