gabal-E-book.jpg
Inhaltsverzeichnis
Vorwort der Herausgeberin
Sabine Asgodom
So bringen Sie sich und andere zum Aufblühen
Moritz Bald
Gesund und fit am Arbeitsplatz – Denkanstöße für mehr »Soul@Work«
Dr. med. Eckart von Hirschhausen
HUMOR HILFT HEILEN: Leicht ist schwer – ein paar Grundideen
Dr. Ulrich Hocke
Belebende Ansteckung. Psychosoziale Kompetenz durch emotionale Resonanzerfahrung
Christian Jäger
»Besser ohne Angst« …
Walter Kohl
Über die Macht und Ohnmacht unserer Gefühle
Dr. Florian Langenscheidt
Macht Arbeit glücklich?
Heidi Lensing
Die Psychische Gefährdungsbeurteilung: Sinnvolles Muss mit viel Potenzial
Katharina Maehrlein
Achtsamkeit als Schlüssel zur Resilienz
Heinz Meloth
Du bist, was du denkst … Denke groß – sonst bleibst du klein!
Beate Pracht
Wunderwerk Herz. Oder: Welche Bedeutung das Herz für beruflichen Erfolg und ein glückliches Leben hat
Peter Reimer
Beschleunigung/Entschleunigung – erste Schritte zu einem gesünderen Lebenstempo
Dr. med. Sabine Schonert-Hirz (»Dr. Stress«)
Die Wahrheit über Burn-out im Arbeitsleben
Michaela Stach
Echte Partizipation erwünscht! Mit 9 Impulsen der systemischen Moderation zu tragfähigen Lösungen und ehrlichem Commitment im Team
Achim Wiedemann
Du bist jeden Tag im Krieg
Michaela Wiedemann
Ganzheitlich mit Herz und Seele
Harald Winkler
Tiefgründigkeit schafft Vitalität und Excellence
Impressum

Vorwort der Herausgeberin

Liebe Leserin, lieber Leser,

herzlich willkommen bei Soul@Work! Ich freue mich sehr über Ihr Interesse!

Rund zehn Prozent aller Ausfalltage in der deutschen Wirtschaft gehen mittlerweile auf das Konto seelischer Belastung. Angstzustände und Depressionen sind die vierthäufigste Krankheit am Arbeitsplatz und werden nach EU-Schätzungen in 15 Jahren in den Industriestaaten auf Platz zwei vorgerückt sein. Seelenleiden stehen als Ursache von Frühverrentung an erster Stelle. Während körperliche Erkrankungen aber eher als Normalität akzeptiert sind, stehen wir Menschen mit psychischen Erkrankungen, Angstzuständen, Suchterkrankungen und zunächst schwer einzuordnenden Verhaltensauffälligkeiten oft noch immer hilflos gegenüber.

Wir wollen dazu beitragen, dass Menschen so »stark wie Bambus« werden und ihre eigene innere Kraft entfalten, damit sie in der Lage sind, Belastungen am Arbeitsplatz gesund zu meistern, und ihre Kollegen und Mitarbeiter darin unterstützen können. Neben dem Aufbau von persönlichen Kompetenzen zur Entwicklung von mehr Widerstandsfähigkeit jedes Einzelnen müssen außerdem geeignete Rahmenbedingungen in Wirtschaft und Gesellschaft geschaffen werden. Dazu braucht es praxistaugliche Konzepte, die an die modernen Herausforderungen angepasst sind.

Viel zu oft werden Gesundheitsförderer in Unternehmen stiefmütterlich behandelt und sind statusmäßig noch unterhalb der Personalabteilung angesiedelt, die ebenfalls nicht ernst genommen und in strategische Entscheidungen zu wenig einbezogen wird. Personalern und externen Beratern wird oft wenig Wertschätzung entgegengebracht: Die einen müssen häufig ohnmächtig zuschauen, wie ihre Funktion lediglich darauf reduziert wird, die besten Leute zu möglichst niedrigen Kosten zu besorgen, die anderen sollen in immer kürzeren Formaten am Kern der Persönlichkeit arbeiten und utopische Ergebnisse erzielen.

Die Fähigkeit, Mitarbeiter gesund führen zu können, setzt Wissen über den dazu geeigneten Führungsstil voraus! Führungskräfte – meist selbst stark unter Druck – brauchen Unterstützung dabei, ihre Kompetenzen in diesem Bereich auszubauen, um einen gesundheitsförderlichen Führungsstil zu entwickeln, der sowohl die eigene als auch die Gesundheit der Mitarbeiter im Fokus hat. Dazu muss gesundes Führen offiziell in den Zielekatalog jeder Führungskraft aufgenommen und entsprechend beurteilt und vergütet werden. Maßnahmen zur Förderung seelischer Gesundheit und Lebensqualität sind eben nicht, wie vielerorts gehandhabt, nur »nice to have«, sondern existenziell notwendig, um die Wettbewerbsfähigkeit und den wirtschaftlichen Erfolg in Unternehmen sicherzustellen. Nur wer sich für die Gesunderhaltung der Mitarbeiter engagiert, wird als attraktiver Arbeitgeber wahrgenommen und kann Fachkräfte langfristig an sich binden und neue Leistungsträger anziehen.

Daher setzen wir uns für präventive Maßnahmen ein, die schon zu einem Zeitpunkt durchgeführt werden, wenn es den Menschen im Unternehmen noch gut geht, und nicht erst, nachdem alle »strategisch wirklich wichtigen« Punkte auf der Agenda abgearbeitet wurden. Außerdem plädieren wir für die Durchführung von unterstützenden Interventionen für Mitarbeiter, die von Arbeitsplatzverlusten, aber auch Umstrukturierungen, Standortverlagerungen, großen Changeprojekten oder Ähnlichem betroffen sind.

In jedem Unternehmen arbeiten psychisch Erkrankte und Menschen, die stark belastet sind. Wir möchten einen Beitrag dazu leisten, dass der Umgang untereinander unbeschwerter und gelassener wird. Dazu müssen psychische Erkrankungen enttabuisiert werden, indem sie nicht mehr »totgeschwiegen«, sondern öffentlich besprochen werden, damit auch in der Breite mehr solides Wissen über die Chancen und Limitierungen in der Zusammenarbeit mit Erkrankten entsteht.

2012 habe ich deshalb die Initiative »Stark wie Bambus« zur Förderung psychischer Gesundheit am Arbeitsplatz und deren Kernveranstaltung, den Soul@Work-Kongress, ins Leben gerufen. In 2014 und 2015 jeweils im März mit großem Erfolg und mit rund je 350 Teilnehmern durchgeführt, wurde das Thema im Kloster Eberbach in Eltville je einen Tag lang aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet. Den Kongress flankierende Aktivitäten wie beispielsweise die Herausgabe des Soul@Work-Themenbandes, Soul@Work Backstage, Soul@Work Social Care und Beratungsangebote zum Thema sollen geeignete Konzepte möglichst weit verbreiten.

Als Beitrag zur Verbreitung des Soul@Work-Ideenguts liegt jetzt dieser Themenband vor Ihnen: 17 der Kongress-Akteure, allesamt renommierte Experten aus Wirtschaft und Coaching, stellen in 17 Artikeln ihre erprobten Strategien, Tendenzen, Konzepte und innovativen Ansätze zur Prävention von psychischen Erkrankungen und für mehr Lebensqualität und Zufriedenheit am Arbeitsplatz vor.

Mögen Ihnen die zahlreichen praxistauglichen Tipps und erprobten Handlungsleitfäden nützlich sein und zum Erhalt Ihrer seelischen Gesundheit und der Ihrer Mitarbeiter beitragen!

Mögen Sie täglich mindestens einen Grund für ein zufriedenes Lächeln und ein stolzes Gefühl an Ihrem Arbeitsplatz finden!

Ich freue mich darauf, Sie beim nächsten Soul@Work-Kongress zu treffen, und wünsche Ihnen bis dahin eine gute Zeit.

Auf bald mit herzlichen Grüßen

Katharina Maehrlein

Taunusstein, Dezember 2015

01_Signatur.jpg
titelei.jpg

So bringen Sie sich und andere zum Aufblühen

Warum strahlt der eine Lebensfreude und Leistungslust aus und der andere Stress und Arbeitsfrust? Es liegt an fünf Punkten, die dafür sorgen, dass Menschen von innen strahlen und es schaffen, Spannungen abzubauen, Vorgesetzte, Mitarbeiter und Kunden in gute Laune zu versetzen und eine gedeihliche Atmosphäre zu erzeugen. Wie das geht, haben amerikanische Wissenschaftler entschlüsselt. Was verhilft Menschen zu einem solchen »geglückten Leben«: positive Emotionen, das Wissen um die eigenen Stärken, einen Sinn im Tun sehen, den Flow genießen und gute Beziehungen aufbauen und pflegen.

In der Psychologie gibt es heute zwei Richtungen. Die eine, die traditionelle und von den meisten Psychologen praktizierte Richtung, nennt sich schlicht »Psychologie«. Als Kern ihres gesellschaftlichen Auftrages sieht sie, Menschen, die seelisch leiden oder psychisch erkrankt sind, beizustehen und sie – ähnlich wie Ärzte es auf körperlichem Gebiet tun – nach Möglichkeit von ihren Leiden zu heilen.

Einem, der sich hier gut auskennt, dem US-amerikanischen Psychologie-Professor Martin E. Seligman, war das irgendwann nicht mehr genug. In den Neunzigerjahren begann der Wissenschaftler die Psychologie zu revolutionieren: Nicht mehr nur die negativen Seiten des Lebens sollten von der Psychologie erforscht werden, sondern auch die positiven. Nicht nur um die Schwächen der Menschen sollten sich die Psychologen kümmern, sondern auch um ihre Stärken. Das war die Geburtsstunde der Positiven Psychologie.

Seligmans Kernsatz dabei heißt: »Ich glaube nicht, dass du übermäßig viel Mühe darin investieren solltest, deine schwachen Seiten zu korrigieren. Im Gegenteil, ich glaube, dass der größte Erfolg im Leben und die tiefste emotionale Befriedigung daraus resultiert, dass du deine Signaturstärken entwickelst und einsetzt.« Signaturstärken sind also die Stärken, die einen Menschen unverwechselbar machen, wie eben seine Unterschrift. Die Positive Psychologie kann heute mit guter Präzision sagen, was die Fröhlichen froh macht, die Starken widerstandsfähig gegen Leiden werden lässt und was die Zufriedenen mit sich und ihrem persönlichen Schicksal versöhnt. Sie erforscht, wie Menschen, wie Gruppen und wie Institutionen aufblühen. Das harmlos klingende Wörtchen »aufblühen« bedeutet, dass die Positive Psychologie erforscht, welche Lebensumstände, welche Maßnahmen und welche Entwicklungen dazu führen, dass Menschen mit mehr Lebensfreude am Leben teilnehmen können. Den Anfang dazu hat übrigens eine Frau gemacht: die Psychologie-Professorin Barbara Fredrickson.

Die fünf Faktoren, die Menschen zum Aufblühen bringen:

1. Das Wissen um die eigenen Stärken

2. Positive Emotionen erzeugen

3. Den Sinn im Tun erkennen

4. Dinge um ihrer selbst willen tun

5. Gute Beziehungen zu anderen Menschen haben

Und jetzt wird es spannend. Diese fünf Aspekte, die uns zum Aufblühen bringen, decken sich zum größten Teil mit den Vorstellungen von Frauen, was glücklich macht. Und damit, was Frauen für den Erfolg von Unternehmen und das Glück von Familien tun. Dieses Wissen nützt übrigens auch Männern, im Beruf und im Privatleben. Es hilft ihnen, das Verhalten von Frauen besser zu verstehen.

03_Asgodom.jpg

Foto: fotolia

In über 20 Jahren Arbeit als Trainerin, Rednerin und Coach mit Frauen habe ich folgende Beobachtungen gemacht:

Sabine Asgodom

02_Asgodom.jpg

hat als Journalistin, Trainerin, Coach, Autorin, Speaker und Unternehmerin einen einzigartigen Stil aus Gelassenheit und Humor entwickelt. In mehr als 30 Büchern mit einer Millionenauflage hat sie Trends aufgegriffen und Maßstäbe gesetzt. Als Unternehmerin hat sie selbst erfolgreiche Firmen gegründet, darunter Asgodom Live und die Asgodom-Coach-Akademie GmbH.

www.sabine-asgodom.de

1. Das Wissen um die eigenen Stärken

Die meisten Frauen wollen im Beruf ihre Stärken einbringen, ihre Talente leben und Anerkennung für ihre Arbeit bekommen. Ja, Frauen brauchen mehr positive Rückmeldungen als Männer. Denn viele Frauen haben eine vielleicht karrieremäßig hemmende, aber ansonsten sympathische Eigenschaft: Sie haben Selbstzweifel. Ihnen fehlt meist die Überheblichkeit des »Klar schaffe ich das«. Frauen brauchen mehr als Männer die kleinen Rückmeldungen »Super Leistung«, »Guter Brief«, »Du siehst toll aus«, »Hat lecker geschmeckt« … Sie beziehen ihr Selbstbewusstsein auch durch die Wahrnehmung anderer. Die Frage ist, ob es nicht besser wäre, wenn sie unabhängig vom Urteil anderer wären. Ja, kann sein. Aber der Mensch spiegelt sich eben auch im Auge der anderen.

Ein wichtiges Wort für ambitionierte Frauen ist dabei »Authentizität«, sie arbeiten gern und viel, aber sie wollen sich für den Erfolg nicht verbiegen. Sie wollen echt sein können, sie sind nicht bereit, für den Erfolg ihre Persönlichkeit zu verstecken. Sie wollen das Leben leben, mit allen Varianten. Sicher wollen das viele Männer auch, aber bei Frauen-Seminaren ist das nicht auch, sondern immer ein Thema.

Noch ein Wort zum Unterschied Männer/Frauen. Ich rede von einer Mehrheit in beiden Geschlechtern. (Mein Mann verbittet sich übrigens, dass ich ihn in eine »Männer-Kiste« zusammen mit Lothar Matthäus, dem Papst und Berlusconi stecke.) Aber er bestätigt mir nach acht Jahren begleitender Frauen-Erfahrungen auch, dass es sehr wohl unterschiedliches Verhalten der Geschlechter gibt.

2. Positive Emotionen erzeugen

Frauen schaffen positive Emotionen. Die viel belächelte »Wohlfühl-Atmosphäre«, für die meistens Frauen sorgen: die Kekse auf dem Besprechungstisch, die Blumen am Arbeitsplatz, das freundliche Lächeln, das lustige Poster an der Wand, das bestätigende Nicken, während andere sprechen – das alles ist »typisch weiblich« (ja, es gibt auch Männer, die diese weibliche Seite leben). Was oft bespöttelt wird (»Mutti macht’s sich wieder nett«), ist eine Grundlage dafür, dass Menschen aufblühen können, sprich kreativ sein können.

Frauen schaffen die Atmosphäre, in der Menschen kreativ werden können. Und kreativ werden Menschen, wenn Stress abgebaut und gute Gefühle ermöglicht werden. Viele männliche Chefs haben mir bestätigt, dass die Stimmung in einer Konferenz, in der Frauen anwesend sind, ergebnisfördernder ist, als wenn keine Frau dabei ist. Oder wie mir mal ein Vorstandsvorsitzender in einem Interview gesagt hat: »Wir brauchen mehr Frauen in Führungspositionen, coole Fuzzis haben wir schon genug.«

Also kein Wunder, dass eine Frau als Erste die Frage gestellt hat: »Wofür gibt es positive Emotionen?« Lange vor Martin Seligman hat die Wissenschaftlerin Barbara Fredrickson als erste Psychologin diese Frage untersucht. Wofür es negative Gefühle gibt, das wusste man schon länger: als Warnung vor Gefahren. Angst, Vorsicht, Scheu (und Schnell-weglaufen-Können), das waren gute Helfer der ersten Zweibeiner, um nicht vom Säbelzahntiger gefressen zu werden. Aber bis vor wenigen Jahrzehnten wusste die Wissenschaft nicht zu erklären, wofür der Mensch gute Gefühle hat wie Liebe, Zuneigung, Neugier, Wohlfühlen.

Barbara Fredrickson hat die Antwort erforscht: Positive Emotionen schaffen Raum für Kreativität. Wann kommen Sie auf gute Gedanken? Wenn Sie im Stress sind – oder wenn Sie entspannt spazieren gehen, duschen, blöd vor sich hingucken? Sehen Sie! Stress macht blöd, fasse ich gern die Forschung von Barbara Fredrickson zusammen. Entspannung schafft Raum für Ideen und Lösungen. Heißt: Schaffe eine gute Atmosphäre, und die Menschen um dich herum können auf kreative Ideen kommen.

3. Den Sinn im Tun erkennen

Menschen können aufblühen, wenn sie einen Sinn in dem sehen, was sie machen. Sprich, wenn man weiß, wofür man etwas tut, dann ist auch die nötige Motivation vorhanden. Nach meiner Erfahrung können Männer besser »dienen«, sie befolgen Anweisungen. Frauen fragen viel öfter nach dem Sinn. Sie maulen übrigens auch wesentlich öfter über Entscheidungen, die getroffen worden sind. Ich habe mal einen Vortrag vor Steuerberatern gehalten, fast ausschließlich Männer. Ich habe sie für eine Übung gebeten, sich gerade hinzusetzen. Es machte »schlack« und sie saßen da wie eine Eins. Ich traute meinen Augen nicht. Bei einem überwiegend weiblichen Publikum braucht es Minuten, bis sich auch die letzte Frau bequemt hat, sich gerade hinzusetzen: »Na, dann tu ich ihr halt den Gefallen.« Viele Chefs und Chefinnen berichten, wie schwer es ist, ein Frauenteam zu führen. Ja, glaube ich gern, Frauen kann man nichts befehlen, man muss sie überzeugen.

»Wer ein Warum zu leben hat, kann viele Wie ertragen« heißt für jede Einzelne, dass sie imstande ist, mehr zu leisten, wenn sie einen Sinn dahinter spürt. Eine berufstätige Mutter von drei Kindern schafft Dinge, die ein Single manchmal nur mit Staunen beobachtet: »Wie du das schaffst!?« Wer sich selbstständig macht, kann Wochenenden durcharbeiten ohne auszubrennen, sie weiß, wofür. Wer sich in ein altes Bauernhaus verliebt hat, schuftet Stunden um Stunden, um es wohnlich zu machen, »Also, was ihr da leistet!« Wer Führungskraft werden will, ist bereit, sich weit über das gewöhnliche Maß zu engagieren. Was Sinn macht, ist keine Belastung. Die Sinnhaftigkeit unseres Tuns bestimmt also, ob wir das Gefühl haben, ein geglücktes Leben zu führen. Wer also einen Sinn im Tun erkennt, dem schmeckt der Erfolg besonders süß!

4. Dinge um ihrer selbst willen tun

Bestimmt kennen Sie den Ausdruck »Flow«. Und Sie haben den Flow garantiert schon erlebt (vielleicht beim Bücherlesen, wo die Zeit verfliegt und wir alles um uns herum vergessen). Flow beschreibt den Zustand des Versunkenseins, in dem wir konzentriert wie in Trance etwas tun, ohne auf die Uhr zu schauen. Mihály Csíkszentmihályi, der amerikanische Psychologe, der den Begriff »Flow« geprägt hat, hat ihn bei Künstlern beobachtet, die über ihre Kunst die Zeit vergessen.

Ich habe neulich selbst einmal wieder so eine Erfahrung gemacht. Ich habe bei dem Künstler und Coach Peter Bannert einen Workshop an meiner Coach-Akademie mitgemacht, in dem wir unsere Zukunftsvision als Collage darstellen konnten. Wir haben zwei Stunden intensiv gearbeitet, in der Gruppe von 20 Leuten hat niemand geredet, jeder war auf seine eigene Arbeit konzentriert, wir waren wie in Trance. Und die aus Zeitschriften ausgeschnittenen Bilder, die Farben und die Worte haben uns »gefunden«. Jedenfalls hatte jeder von uns am Schluss sein Zukunftsbild. Keiner von uns hatte bewusst überlegt, es war uns »zugeflo(w)gen«. Und wir hatten keine Vorstellung, wie viel Zeit inzwischen vergangen war.

Seligman berichtet davon, dass zum geglückten Leben diese Erfahrung gehört, dass Menschen etwas um der Sache selbst willen tun. Glückliche Menschen machen etwas, weil sie es tun wollen: egal, ob Schuhe verkaufen oder ein Bild malen. Egal, ob die Sockenschublade aufräumen oder eine Dissertation schreiben. Egal, ob Querflöte üben oder Kinder unterrichten. Egal, ob sie ein fünfgängiges Menü kochen oder die Ablage machen. Wenn sie es aus innerem Antrieb tun, dann erreichen sie dieses Gefühl des Flow, den man nicht mit Geld oder Titeln, nicht mit Komplimenten oder Antreiben erzwingen kann. Ich nenne diese Einstellung zum Tun Hingabe. Hingabe heißt: Tun, was man liebt. Und auch: Lieben, was man tut.

Ist Ihnen etwas aufgefallen? Flow-Erlebnisse geschehen ohne Ziel. Sie machen einfach nur Spaß, beziehungsweise sie ziehen uns magisch an. Die Wissenschaftler der Positiven Psychologie haben festgestellt, dass nicht die Spitzenleistungen Menschen glücklich machen, die honoriert werden und für gesellschaftliche Anerkennung sorgen, sondern dass die Menschen glücklich sind, die etwas tun, weil sie es tun wollen. Deshalb ist es so wichtig, dass Menschen am richtigen Arbeitsplatz sind mit den Aufgaben, für die sie prädestiniert sind!

5. Gute Beziehungen zu anderen Menschen haben

Frauen gelten als das soziale Geschlecht. Sie halten den Kontakt zu ihrer Familie – und zu seiner. Sie verabreden Treffen mit Freunden und Nachbarn. Sie kennen die Lehrer ihrer Kinder und die Namen ihrer Freunde. Die Positive Psychologie stellt eindeutig fest: Dieser Punkt ist der allerwichtigste für ein geglücktes Leben. Ein hoch geachteter amerikanischer Psychologe, der 2012 verstorbene Professor an der University of Michigan, Dr. Christopher Peterson, pflegte auf die Frage, was Menschen brauchen, mit drei Wörtern zu antworten: »Other people matter.« Es kommt auf die anderen Menschen an.

Die gute Nachricht in allem ist: Wir selbst können dafür sorgen, dass wir ein »geglücktes Leben« führen. Natürlich sind wir Teil von Systemen, in der Familie, in der Nachbarschaft, in der Arbeit. Natürlich beeinflussen Handlungen anderer unser Leben, unsere Stimmung. Aber letztendlich zählt, was die Schriftstellerin Ami Tan in einem Satz zusammengefasst hat: »Wenn du dein Schicksal nicht ändern kannst, dann ändere deine Einstellung.«

Nutze die Chancen aufzublühen. Und nutze die Chancen, anderen dabei zu helfen.

Über den unten stehenden Link können Sie sich einen Videomitschnitt des Soul@Work-Vortrags von Sabine Asgodom ansehen:

asgodom.soulatwork-kongress.de

Moritz Bald

04_Bald.jpg

studiert in Jena den Masterstudiengang Psychologie in Arbeit, Bildung und Gesellschaft. 2015 wurde er für seinen Videobeitrag »Gesund und fit am Arbeitsplatz – 7 Thesen zu Soul@Work«, der auch die Grundlage für diesen Beitrag bildet, mit dem Soul@Work Challenge Award für die Generation Y ausgezeichnet. Weitere Interessensgebiete von Moritz Bald finden Sie auf angewandtepsychologie.wordpress.com.

Gesund und fit am Arbeitsplatz – Denkanstöße für mehr »Soul@Work«

Auf die eine oder andere Weise beschäftigen Sie sich alle vermutlich mit Gesundheit am Arbeitsplatz. Sei es, weil Sie möchten, dass Ihre eigene Arbeit Ihrer körperlichen und psychischen Gesundheit eher guttut, als dass sie schadet, oder sei es, weil Sie in beruflicher Funktion für die Gesundheit anderer Personen mit verantwortlich sind. Mit meinem Beitrag möchte ich einen Rahmen schaffen, der helfen kann, sich dem Thema gedanklich zu nähern und gute Lösungen für sich selbst und die eigene Arbeit zu finden.

In den vier ersten Denkanstößen geht es mir zunächst darum, ein genaueres Bild von menschlichen Prozessen zu zeichnen.

1. Was beeinflusst unser Verhalten?

2. Welche Aspekte des Menschen spielen beim Thema Gesundheit eine Rolle?

3. Ist Work-Life-Balance der Schlüssel zu einem erfüllten Leben?

4. Was können wir für unsere Gesundheit und Leistungsfähigkeit tun?

Die beiden letzten Denkanstöße sind zwei persönliche Antworten auf die Frage: Worauf kommt es für mehr Soul@Work und ein gedeihlicheres Miteinander wirklich an?

1. Gegenseitiges Verständnis

2. Mehr Lebenswert (in) der Arbeit

1. Was beeinflusst unser Verhalten?

Gesundheitsbezogene Entscheidungen beinhalten immer die Beeinflussung menschlichen Verhaltens. Nehmen wir für den Weg zur Arbeit das Fahrrad oder das Auto? Wie können wir das Kantinenkonzept unseres Unternehmens so gestalten, dass das neue Angebot auch wirklich angenommen wird? Wer einen Einfluss auf menschliches Verhalten haben will, muss es zunächst verstehen. Von Kurt Lewin (1951), einem der bedeutendsten »Väter« der modernen Psychologie, stammt ein Gedanke, der für das Verständnis von menschlichem Verhalten unabdingbar ist: Menschliches Verhalten ist immer eine Funktion von Person und Umwelt. Beide Einflussgrößen, also das, was wir als Person mitbringen (unsere körperlichen, geistigen und seelischen Voraussetzungen wie z.B. unsere Gesundheit oder frühere Erfahrungen und Lernprozesse), und unsere Umwelt (Arbeitsumfeld, Mitmenschen, aber auch Dinge und räumliche Gegebenheiten) wirken sich auf menschliches Verhalten aus und beeinflussen sich gegenseitig. Das bedeutet zweierlei: Zum einen erinnert es daran, dass wir menschliches Verhalten nur verstehen können, wenn wir beide Faktoren berücksichtigen und uns nicht einseitig auf das eine oder das andere fokussieren. Zum anderen ist es wichtig für unser Verständnis von Individualität: Ein Arbeitsumfeld, das mich zu Höchstleistungen anspornt, muss auf eine andere Person noch lange nicht die gleiche Wirkung haben. Mein erster Denkanstoß lautet deshalb:

Betrachten Sie innere und äußere Faktoren – Personen und ihre Umwelt – immer gemeinsam.

05_Bald.jpg

2. Welche Aspekte des Menschen spielen beim Thema Gesundheit eine Rolle?

Anlässlich der Ausschreibung der Soul@Work Challenge 2015 war eine der Leitfragen auf der Kongresshomepage: »Kennen Sie ein Beispiel, wo Menschen mit ›Leib & Seele‹ bei der Arbeit sind und Soul nach Ihrer Meinung schon auf vorbildliche Art und Weise in Arbeitsprozesse integriert ist?« Hier wird deutlich, dass Gesundheit und Leistungsfähigkeit sowohl von seelischen als auch von leiblichen Faktoren abhängen.

Die Frage nach dem Verhältnis von Leib und Seele beschäftigt die Menschen seit Jahrtausenden und war immer fester Bestandteil philosophischer wie religiöser, heutzutage auch natur- und humanwissenschaftlicher Diskurse. Geist und Seele sind allerdings nicht Synonyme für ein und dasselbe. Das Wort Seele geht in seiner Bedeutung über unser Denken, unsere Emotionen und sonstigen geistigen Prozesse hinaus. Seele meint hier jede Erfahrung von Spiritualität, von Sinnhaftigkeit oder tief in uns verwurzelten Werten. Diese Erfahrungen mögen sich wiederum in Gefühlen oder auch körperlichen Erfahrungen ausdrücken, bleiben aber doch eine eigenständige Dimension menschlichen Seins.

Wenn wir uns mit Fragen rund um Gesundheit im Arbeitskontext befassen, ist es hilfreich, körperliche, geistige und seelische Vorgänge gemeinsam zu betrachten. Denn diese drei Dimensionen machen den Menschen aus und beeinflussen sich in vielfältiger Art und Weise gegenseitig. Körper, Geist und Seele sind für das Funktionieren der jeweils anderen Bestandteile fundamental. Sei es, dass die Art und Weise, wie wir denken und fühlen, diverse körperliche Gebrechen beeinflusst, seien es die Auswirkungen von Ernährung, Entspannung oder ausreichend Schlaf darauf, inwiefern ein Mensch geistig fit bleibt und körperlich »rundläuft«, oder die körperlich wie geistig unterstützende Wirkung von Glaube und Werten. Die Vorstellung dieser Dreiteilung lässt sich in unserer westlichen Geistesgeschichte genauso aufzeigen wie in anderen Denk- und Heiltraditionen wie der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) oder dem indischen Ayurveda. Mein zweiter Denkanstoß lautet deshalb:

Körper, Geist und Seele bilden eine Einheit.

06_Bald.jpg

Die enge Verbindung zwischen Körper, Geist und Seele wird schon seit dem ersten Soul@Work-Kongress deutlich. Um nur drei Beispiele zu nennen: Pater Anselm Grün, Redner auf dem Kongress 2014 und Autor im ersten Soul@Work-Sammelband 2015, verkörpert in besonderer Weise die Wichtigkeit von Spiritualität in der Arbeitswelt.1

In der Arbeit von Dr. Eckart von Hirschhausens Stiftung »Humor hilft heilen«, die in seiner Person auf dem Kongress 2015 mit einem Soul@Work-Award geehrt wurde, wird die Wichtigkeit von Emotionen für die körperliche Genesung deutlich. Davon, dass das, was wir unserem Körper zuführen, auch den Geist beeinflussen kann, konnten sich die Besucher des Kongresses 2015 beim Brainfood-Catering der Firma Healture (Compass Group) und dem Vortrag von Prof. Dr. med. Jörg Spitz zum Einfluss von »Brainfood« auf die Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter selbst überzeugen.

3. Ist Work-Life-Balance der Schlüssel zu einem erfüllten Leben?

Es ist für jeden von uns eine Aufgabe, die verschiedenen Bestandteile des eigenen Lebens auszubalancieren. Obwohl Schlagwörter wie »Work-Life-Balance« in aller Munde sind, ist es nicht immer leicht, ein Gleichgewicht zwischen den verschiedenen Bereichen des Lebens zu finden. Oft bleibt das ungute Gefühl, dass man einen Bereich des Lebens vernachlässigt hat.

Hier können wir uns zwei Dinge vor Augen führen. Erstens: Zeit bleibt eine begrenzte und vor allem eine kostbare Ressource. Die Zeit, die für einen Bereich des Lebens aufgewendet wird, fehlt für die anderen Bereiche. So hilfreich die organisatorischen und technologischen Kniffe, die es uns erleichtern sollen, ein volles Arbeitsleben mit Familien- und Sozialleben zu vereinbaren, im Einzelnen auch sein mögen, sie können es nicht ersetzen, konkreten Bereichen unseres Lebens wirklich Zeit zuzuwenden. Auch die Arbeitspsychologie bestätigt inzwischen die einfache Rechnung: Je mehr wir arbeiten, desto eher entstehen in den anderen Bereichen des Lebens Konflikte (Jacobshagen, Amstad, Semmer & Kuster, 2005).

Zweitens: »Wenn also alle Menschen ein Recht auf dich haben, dann sei auch du selbst ein Mensch, der ein Recht auf sich hat.« Bernhard von Clairvaux schrieb diesen Satz schon im 12. Jahrhundert an einen Schüler und Freund – den damaligen Papst Eugen III. Er sorgte sich wegen dessen »zahlreichen Beschäftigungen« um ihn.

Die Vorstellung eines Menschen, der sich zuallererst um alle anderen Menschen und alle Aufgaben kümmert und dabei selber viel zu kurz kommt, kommt vielen von uns möglicherweise allzu bekannt vor. Von Clairvaux fragt seinen Freund im weiteren Verlauf des Briefes: »Wer aber mit sich selbst schlecht umgeht, wem kann er gut sein?« und kommt schließlich zu dem zentralen Satz: »Gönne dich dir selbst!« Dieser Gedanke fehlt im Work-Life-Balance-Modell (dessen angenommener Gegensatz zwischen Arbeit und Leben ohnehin fragwürdig scheint) völlig. Psychologen der Technischen Universität Dresden (Grisslich, Proske & Körndle, 2012) haben genau diesen Gedanken in ein dreidimensionales »Life-Balance«-Modell einfließen lassen. Nach dem Konzept der britischen Forscherin Emma Roberts haben sie zu den Dimensionen »Arbeit« und »Soziales« noch eine dritte Dimension hinzugefügt: »Me-Time« – Zeit für sich selbst. In diesem Sinne:

Zeit bleibt eines der wertvollsten Geschenke – auch für uns selbst.

08_Bald.jpg

4. Was können wir für unsere Gesundheit und Leistungsfähigkeit tun?

Wenn wir uns der Frage zuwenden, was wirklich hilft, was also Menschen geistig und körperlich gesund sein oder werden lässt, gibt es zwei grundsätzliche Antworten. Zum einen ist es an sich kein Geheimnis, was die Grundlagen für ein gesundes Leben sind – es sind diejenigen Ratschläge, die uns auch ein umfassend gebildeter und kluger Arzt geben könnte:

»Achten Sie auf:

– genügend Schlaf,

– regelmäßige Pausen,

– eine ausgeglichene Ernährung,

– auf körperlichen

– und seelischen Ausgleich,

– und nutzen Sie Ihr soziales Netz!«

Tatsächlich wird die Bedeutung dieser Bereiche von der Gesundheitsforschung bestätigt,2 weshalb ein umfassendes betriebliches Gesundheitsmanagement sie auch berücksichtigen sollte. Auch für sich können Sie überprüfen, was Sie im Alltag aus jedem dieser Bereiche für sich selbst tun. Gesundheitsmanagement oder auch die Pflege der eigenen Gesundheit können Zweifel aufkommen lassen. Tue ich genug? Tue ich das Richtige? Durch den Vergleich mit anderen Personen oder das stetig wachsende Angebot an Gesundheitsdienstleistungen werden diese Zweifel genährt. Tatsächlich ist die Umsetzung aber eine individuelle Angelegenheit.

Wie der Psychologe Howard S. Friedman es ausdrückt, ist »das, was eine Person sich selbst heilen lässt, für jeden Menschen individuell etwas anderes« (Friedman, Schustack & Rindermann, 2004). Auf die Ratschläge unseres »guten Hausarztes« übertragen wäre das zum Beispiel die individuelle Ernährung – das, was für eine Person nährend und gesunderhaltend ist, muss so noch lange nicht auf eine andere Person übertragbar sein. Hier zeigt sich auch die Bedeutung des Lewin’schen Grundsatzes, immer Person und Umwelt gemeinsam zu betrachten. Wie bei der Ernährung verhält es sich auch bei seelischem Ausgleich. Jeder Mensch braucht eine Form von seelischem Ausgleich, ob dieser aber durch Autogenes Training, durch Musikhören oder durch einfache Kontemplation geschieht, ist nicht entscheidend.

Was für Einzelpersonen gilt, lässt sich natürlich auch auf Teams oder ganze Unternehmen übertragen: Während beispielsweise angeleitete Entspannung in der Mittagspause für manche Gruppen genau das Richtige sein kann, muss das so noch lange nicht für alle Gruppen gelten. Eine Festlegung auf einen bestimmten Ansatz ist hier nicht nötig – es gibt viele verschiedene Möglichkeiten, für jeden der sechs Bereiche. Mein vierter Denkanstoß lautet deshalb:

Es gibt Ansätze, von denen viele Personen profitieren – die konkrete Umsetzung bleibt individuell.

/09_Bald.jpg

5. Gegenseitiges Verständnis

Wir verbringen zu viel Zeit im Umgang mit anderen Menschen, als dass wir es uns – und anderen – unnötig schwer machen müssten. Missverständnisse kommen vor, egal, ob im privaten oder im beruflichen Kontext; das Wort Missverständnis beinhaltet schon, dass Verständnis eigentlich möglich wäre. Die tatsächlichen Gründe für das Verhalten unserer Mitmenschen sind uns oftmals einfach nicht klar. Wüssten wir z.B., dass der Kollege bis 3 Uhr morgens von seinem kranken Kind wachgehalten wurde, würden wir sein Gähnen während des Meetings nicht als fehlende Motivation oder gar als Unfreundlichkeit deuten. Er ist einfach nur müde und mit seinen Gedanken gerade ganz woanders.

So unterschiedlich unser persönlicher Hintergrund sein mag, sind es doch oft ganz simple Gründe, weshalb wir uns in manchen Situationen nicht so verhalten können oder wollen, wie es vielleicht angebracht wäre. Abraham Maslow (1943) zufolge sind unsere Bedürfnisse hierarchisch aufgebaut. Im Grundsatz bedeutet das, dass die Bedürfnisse höherer Rangordnung, wie etwa das Bedürfnis nach Wertschätzung oder das Bedürfnis nach Selbstaktualisierung (seine Fähigkeiten zur Entfaltung zu bringen), erst relevant werden, wenn grundlegende Bedürfnisse wie das nach Sicherheit oder körperliche Bedürfnisse wie Hunger befriedigt sind. Wie Bertolt Brecht (1928) es in seiner Dreigroschenoper schreibt: »Erst kommt das Fressen, dann die Moral.« Natürlich bedeutet dies nicht, dass uns auf einmal alle höheren Motive egal sind, nur weil die grundlegenderen Bedürfnisse kurzfristig nicht erfüllt sind.

Was wir aus dem hierarchischen Aufbau aber lernen können: In der Realität sind die Erklärungen für menschliches Verhalten oftmals erstaunlich simpel.

10_Bald.jpg

Zurück zu unserem Beispiel: Nach einer besseren Nacht oder wenn sein Kind wieder gesund ist, wird der eben beschriebene Kollege sich wieder ganz anders verhalten. Ein anderes Beispiel: Wenn unser Vorgesetzter in Gedanken nur noch beim Mittagessen ist, weil eine Pause seit einigen Stunden überfällig ist, kann das Gespräch zu einem späteren Zeitpunkt deutlich fruchtbarer sein. Dieser Denkanstoß ist auch ein Aufruf zu einer einfachen Faustregel: Wir sollten bis zum Beweis des Gegenteils davon ausgehen, dass unsere Mitmenschen für ihr Tun gute Beweggründe haben.

Dieser Gedanke bringt es mit sich, dass wir selbst uns auch bemühen sollten, unserem Umfeld die Gelegenheit zu geben, unser Verhalten einzuordnen. Die Voraussetzung dafür ist natürlich Selbstreflexion und eine gewisse Offenheit: »Seien Sie mir nicht böse, wenn ich heute etwas abwesend wirke, die Situation mit meiner Mutter belastet mich doch mehr als erwartet.« Der Faustregel zu folgen, kann sicher einige Missverständnisse ausräumen und das Miteinander im beruflichen wie auch im privaten Kontext für alle Seiten angenehmer machen.

Wie wichtig Verständnis im Arbeitskontext ist, zeigt sich auch beim Vergleich unterschiedlicher Generationen. Insgesamt haben jüngere und ältere Beschäftigte bei wirklich zentralen Fragen mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede (Zok, Pigorsch & Weirauch, 2014)3 – trotzdem wissen beide Gruppen oft wenig übereinander und schätzen sich oftmals falsch ein. Wenn also ein jüngerer Arbeitnehmer sich seines Weges noch nicht so sicher ist, hilft es für das Verständnis vielleicht, sich seiner eigenen »Umwege« zu erinnern. Wenn der jüngere Arbeitnehmer sich innerlich über den älteren Kollegen, der das neue Office-Programm nicht so schnell verinnerlicht wie er selbst, ärgert, könnte es helfen, sich daran zu erinnern, dass er mit den entsprechenden Programmen aufgewachsen ist – sein Kollege nicht. Mein fünfter Denkanstoß lautet deshalb:

Verständnis für die Situation und die Bedürfnisse anderer sind im Zusammenleben unerlässlich.

6. Mehr Lebenswert (in) der Arbeit

Die meisten Menschen haben ein gespaltenes Verhältnis zur Arbeit. Kurt Lewin spricht 1920 von »zwei Gesichtern« der Arbeit (Ulich, 2011): Zum einen kann sie Mühe und Last bedeuten, eine Notwendigkeit, um die Grundlage zum Leben zu schaffen. Auf der anderen Seite kann Arbeit aber auch sinnstiftend und in höchstem Maße befriedigend sein – Soul@Work könnte hier also für eine beseelte Arbeit stehen. Genau das beschreibt Lewin als »Lebenswert der Arbeit«.

Aus diesem Lebenswert der Arbeit folgt ein zutiefst menschliches Bedürfnis, tätig zu sein, selbst wenn es nicht notwendig wäre, zu arbeiten, und die eigene Arbeit auch wirklich gut zu machen, selbst wenn keine äußeren Zwänge dazu bestehen. Dieses Potenzial steckt nach Lewin in jeder Art von Arbeit, »ob sie schwer oder leicht, reich oder monoton ist«. Jede Arbeit, die wir täglich verrichten, sei es Erwerbsarbeit, Hausarbeit oder eine völlig andere Tätigkeit, kann diese Sinnhaftigkeit, diese Seele, enthalten. Es kann sogar befriedigend sein, eine an sich monotone Arbeit zu verrichten, einfach nur, weil wir ernst gemeinte Wertschätzung dafür erhalten oder weil uns genau diese Arbeit (und sei es das Reparieren des fünf Jahre alten Lochers) genau jetzt motiviert – prüfen Sie ruhig einmal, ob es Ihnen schon einmal so ergangen ist. Mein letzter Denkanstoß lautet deshalb:

Erhalten oder schaffen Sie mehr Lebenswert in der Arbeit – für sich und Ihre Mitmenschen.

11_Bald.jpg

Alle Abbildungen: © Moritz Bald 2015