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»Hunde haben Herrchen, Katzen haben Personal!«
Ralf Schmitz muss es ja wissen, denn seit 23 Jahren lebt er mit seiner Katze Minka zusammen. Wie WG-tauglich seine Mieze ist, davon erzählt der beliebte Comedian in seinem Buch: Was tun, wenn die Katze aufs Klo muss, sich den Magen verrenkt, in die Pubertät kommt, das Liebesleben empfindlich stört oder an Alzheimer leidet? »Schmitz' Katze« ist pickepackevoll mit witzigen Anekdoten, hilfreichen Tipps und lustigen Gags, bei denen nicht nur Katzenfreunde auf ihre Kosten kommen!

Ralf Schmitz, Jahrgang 1974, war nach Schauspiel-, Gesangs- und klassischer Tanzausbildung bis 2002 festes Ensemblemitglied des Bonner »Springmaus«-Improvisationstheaters. 2003 wurde er für die Sketch-Comedy »Die Dreisten Drei« entdeckt. Seine Auftritte bei »Genial daneben« und der preisgekrönten »Schil- lerstraße« machten ihn in ganz Deutschland populär. »Schmitz

komm raus!« hieß das erste Soloprogramm wie auch die erste eigene TV-Show. Zahlreiche Auszeichnungen folgten (unter an- derem »Deutscher Comedy Preis«). Viele kennen ihn als Spre- cher aus den Kinofilmen »Der kleine Eisbär«, »Ab durch die He- cke« und »Oh, wie schön ist Panama« oder als Sänger (»Shaun das Schaf«). In Otto Waalkes' Erfolgsfilmen »Sieben Zwerge – Männer allein im Wald« (2004) und »7 Zwerge – der Wald ist nicht genug« (2006) sahen ihn Millionen Kinobesucher als Zwerg Sunny. Ralf Schmitz ist regelmäßig in TV-Shows zu sehen und tourt mit seinen Bühnenprogrammen durch Deutschland, Österreich und die Schweiz.

Unsere Adresse im Internet : www.fischerverlage.de

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Ralf Schmitz

SCHMITZ´ KATZE

Hunde haben Herrchen,

Katzen haben Personal

Fischer Taschenbuch Verlag

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15. Auflage: Oktober 2010

Veröffentlicht im Fischer Taschenbuch Verlag,
einem Unternehmen der S. Fischer Verlag GmbH,
Frankfurt am Main, Oktober 2008

© S.Fischer Verlag GmbH, Frankfurt am Main 2008
Autor: Ralf Schmitz (www.schmitz.tv)
Kontakt: www.hpr.de
Mitarbeit: Sonja Schönemann, Melanie Fahnert
Zeichnungen: Kai Pannen, Martin Simons, Ralf Schmitz
Fotografien: siehe Anhang (Bildnachweis)
Gesamtherstellung: CPI Clausen & Bosse, Leck
eBook Produktion: book2look Publishing
Printed in Germany
ISBN 978-3-10-402275

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INHALT

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Vorwort

20

Wenn die Katze kommt

45

Was man alles falsch machen kann

64

Katze ante portas

87

Die Teenagerkatze

103

Katzen-Macken

114

Alles für die Katz

125

Die Katze unterwegs

147

Was Katzen alles können

162

Was Katzen so machen

191

Kranke Katzen

211

Mit Katzen und mit Frauen leben

221

Hunde und Katzen

240

Von Katzen lernen

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243

Der Katzentest – Sind Sie reif für eine Katze?

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10 Gebote für den Katzenbesitzer

10 Gebote für die Katze

254

Schlusswort

260

Dankeschön

261

Kleines Fotoalbum

268

Anhang

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Für Minka

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VORWORT

»Du gehst ja ab wie Schmitz' Katze.«
Wissen Sie, wie oft ich diesen Satz in meinem Leben schon gehört habe? Das können Sie sich gar nicht vorstellen. Ich habe auch irgendwann aufgehört zu zählen. Aber es stimmt ja. Ob es das allerdings war, was mich dazu gebracht hat, dieses Buch zu schreiben ... ich weiß es ehrlich gesagt nicht.

Es gibt in meinem Leben so viele Berührungspunkte mit diesem Tier, dass ich manchmal glaube, ich wusste sogar noch eher, dass ich mal mit so einem Pelzbällchen zusammenleben werde, bevor mir klar war, Schauspieler oder Komiker werden zu wol- len. Und das war auch schon sehr früh.

Meine erste Rolle spielte ich im Kindergarten. Ich scheuchte eine nicht gerade kleine Menge Mädchen, als Pferde verkleidet, durch die Manege – durch unsere Turnhalle – und war der Zir- kusdirektor. Kein Witz. Ich hatte einen viel zu großen Zylinder auf, der mir immer ins Gesicht rutschte, eine Peitsche in der Hand ... Ach wissen Sie was, ich zeige es Ihnen besser, sonst glauben Sie mir eh nicht . . .

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Meine Mutter hat dieses Foto gemacht.
Ich hab keine Ahnung, wofür die Schelle war.

So. Ich habe es Ihnen ja gesagt: Ich war ein kleiner »Futzemann«, wie mein Vater mich immer genannt hat, was im Rheinland, glaube ich, ein recht gängiger Kosename ist. Manchmal sagt er das heute noch zu mir. Als wir beim 50. Hochzeitstag von Onkel Fred und Tante Lilo waren, zum Beispiel.

»Papa!«
»Früher hat dich das nie gestört.«
»Das ist dreißig Jahre her, Vater ...«
Ich sage dann gerne Vater, das klingt erwachsener.

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Auch hier hat meine Mutter das Foto geschossen.

Meinen ersten Kontakt mit einer Katze hatte ich allerdings vor meinem Karrierestart, und zwar ziemlich genau im Alter von drei Jahren, 1981 ... aua – Minka hat mich gebissen – ... also gut, 1977. Glauben Sie auch nicht?
Bitte schön ...

Ich hoffe, dass jetzt im Verlauf des Buches nicht ständig an mei- nen Aussagen gezweifelt wird. Alle, wirklich alle Geschichten sind bis auf die letzte Silbe wahr. Aua!
Dieses Foto entstand im Urlaub in Österreich. Ich kann mich nicht im Entferntesten an diesen Urlaub erinnern, bis auf den Augenblick, als ich diese Katze auf dem Arm hatte. Es war der schönste Moment in meinem Leben. Das sieht man auch, wie ich finde. Ich strahle über beide Backen, Verzeihung, Wangen. Allerdings hielt diese Freude nur kurz. Ich kann mich nämlich

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auch noch gut daran erinnern, dass mich diese doofe Katze un-mittelbar danach kratzte, sich tierisch wehrte und schließlich auf den Boden sprang. Das Bluten meiner kleinen Ärmchen war nicht das Problem – bei dieser einen Verletzung sollte es im wei-teren Verlauf meines Zusammenlebens mit Katzen nicht blei- ben. Nein, die Enttäuschung, dass die Katze mich DOCH nicht mochte, machte mich fertig. Einem kleinen Jungen kann man nicht erklären, dass er beim Festhalten vielleicht ein bisschen zu doll gedrückt hat und die Katze so keine Luft mehr bekommen hatte. Ich war maßlos enttäuscht. Sie hatte doch so schön ge-schnurrt, mir an meinen Fingerchen die Leberwurst weggeleckt und mich so süß angemaunzt. Wir waren doch FREUNDE!

Diese Erfahrung war einschneidend. Sie charakterisiert die vielschichtige Beziehung und den langen, gemeinsamen Weg in großer Liebe wie auch Zerrissenheit zwischen Herrchen und Katze. Oder eben Katze und Personal. Wer hier wen besitzt, ist nämlich noch lange nicht raus und nicht so klar, wie sich das Nicht- oder Noch-nicht-Katzen-Besitzer vorstellen.

Natürlich kann es auch sein, dass mich meine zweite Theater- rolle – ja, ich war damals schon schwer im Geschäft – dazu ge- bracht hat, Katzen so unglaublich lustig, faszinierend und toll zu finden und mir dann irgendwann tatsächlich eine zuzulegen. Ich bin mir heute ziemlich sicher: Mit dieser Rolle sind die Wei- chen für die beiden wichtigsten Ziele in meinem Leben gestellt worden. Ab diesem Moment wollte ich eine Katze haben und Schauspieler werden.
Ich spielte damals den Katzenkater in einer Schultheater-gruppe und ... also, jetzt gehen Sie mir aber langsam auf die Ner- ven! Das ist jetzt das letzte Mal, okay? Also, bitte ...

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Das hier war Onkel Fred. Deswegen fehlt auch die Hälfte auf dem Foto.
Sorry.

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Der Vorhang geht auf.
»Schnarch . . . schnarch . . . schnarch . . . « Aufwachen.
»Huch! Miau. Ich bin der Katzenkater. Ich bin sehr alt. Ich schlafe meistens.«

Das war der allererste Text, den ich überhaupt jemals auf einer Bühne gesprochen habe (der Zirkusdirektor hatte nichts zu sa- gen). Das ist doch bezeichnend, oder? Da muss man doch 'nen Katzen-Knacks fürs Leben kriegen. Jetzt, wo ich das schreibe, fällt mir das übrigens erst so richtig auf ... Moment, auf die Er-kenntnis hin mache ich mir jetzt erst mal 'ne Tasse grünen Tee.

Wieder da.

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Dieses Foto hat meine Mutter nicht nur gemacht, sondern auch zurecht-
geschnitten. Seit wir uns kennen, seit nunmehr 33 Jahren, versuche ich
meiner Mutter das abzugewöhnen. Erfolglos. Dieses Foto ist im Original
circa einen Meter mal achtzig Zentimeter groß und hing bei ihr im Büro an
der Pinnwand. Ich glaube, oberhalb auf dem Bild war jemand zu sehen, den
sie nicht mehr mochte. Fragen Sie nicht. Ich weiß nicht mehr wer.

Das Stück hieß ›Die feuerrote Friederike‹ von Christine Nöst-linger, und ich spielte den Kater der Heldin. Dieser Katzenkater führte durch das Stück, sozusagen als Sprecher oder Conféren-cier, hatte aber auch in den Szenen einiges zu tun. Ich war also das Bindeglied zwischen den Zuschauern und dem Stück. Ich musste auf die Einwürfe des Publikums reagieren und ... HIMMEL!!!
Man ist doch immer wieder baff, WIE früh die Würfel fallen. Ich war damals wohl schon so etwas wie 'ne Impro-Katze! So, also ICH habe keine Fragen mehr.

Sie gucken so misstrauisch! Ich sehe schon, ein letzter Beweis ist noch fällig. Dass ich meine Katze wirklich schon so früh bekom-men habe, dass sie wirklich schon so alt ist, wie ich immer be-

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haupte. Sie haben ein Recht darauf. Ich sehe es ein. Wenn nicht in meinem Katzenbuch, wo dann?

Die Leute fragen mich immer, wie ich das denn gemacht habe, dass die Katze so alt geworden ist, und zuerst habe ich immer geantwortet: »Keine Ahnung.« Sie weiß eben einfach nicht, wann Schluss ist. Wie Johannes Heesters. Vielleicht hat ihr aber auch einfach keiner gesagt, dass man als Katze gefälligst höchs- tens 17 oder 18 Jahre alt wird. Jopi sagt ja auch keiner was.

Mir fällt gerade ein Zitat aus ›Alice im Wunderland‹ von Lewis Carroll wieder ein. Alice hat von einem Zauberpilz gegessen und wird immer größer: »Schon«, sagte die Haselmaus, »aber ich wachse auf eine vernünftige Art und Weise und nicht in einem derart lächerlichen Ausmaß.«

Minka ist 23 Jahre alt. Ist doch auch ein bisschen ein lächerliches Ausmaß, oder? Finde ich aber natürlich klasse! Immer wenn ich mit ihr zum Tierarzt fahre, dann kann der das überhaupt nicht glauben. Bei ihm heißt sie nur Methusalem. Oder Jopi.
Mit der Jopi-Begründung wollen die Leute und Freunde sich aber nie zufriedengeben und bohren immer weiter: »Wie? Das kann doch gar nicht sein!« – »Da muss es doch einen Geheim- tipp geben.«

Nein! Gibt es nicht. Aber ich bin dazu übergegangen Fol- gendes zu sagen: »Liebe und gutes Futter.«
Das sage ich immer. Und es funktioniert. Ist natürlich völliger Quatsch, ich liebe meine Katze – auch wenn Sie das gleich beim Lesen des Buches vielleicht ab und zu in Frage stellen werden –, aber ob das gereicht hat, sie so alt werden zu lassen . . .? Nun ja, denken Sie das ruhig, gefällt mir auch ganz gut, und vielleicht, ja vielleicht stimmt es ja doch! Kommen Sie aber später nicht heulend zu mir angekrochen, weil das mit Ihrer Katze nicht ge- klappt hat.

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Ich hatte in meinem ganzen Leben nur EINE Katze. Minka! Die kurze Liaison im Österreich-Urlaub kann man nicht mitzählen. Wir kannten uns ja kaum.
Minka und ich sind durch dick und dünn gegangen. Sie hat mitgekriegt, wie ich größer wurde, wie ich mich zum ersten Mal verliebt habe – sehr unglücklich leider, aber das muss wohl so sein –, wie das Telefon erfunden wurde, die Bilder laufen lernten
... Quatsch!

Minka war immer an meiner Seite, in jeder Situation meines Le-bens, und ich habe so viel mit ihr erlebt, dass ein Buch eigentlich gar nicht ausreicht, um all das aufzuschreiben, was zu erzählen wäre.

Trotz all dieser Erlebnisse mit meiner Katze will ich hier aber auch Raum geben für die Anekdoten und Verrücktheiten, die ich bei anderen Katzenbesitzern – bei der Ex-Freundin, mei- ner Schwester, Familie Rettig, Wiebke und Roger und und und – miterleben durfte. Ich glaube mittlerweile, dass JEDER eine Katze hat oder zumindest mal hatte. Und man lacht. Man lacht so endlos viel mit und über diese Tiere, dass ich sicher einen Teil meines eher positiven Gemütes auf das Zusammenleben mit meiner verrückten Katze zurückführen kann. Und dafür bin ich ihr unendlich dankbar.

So, jetzt aber los ...

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WENN DIE KATZE KOMMT

Wie ich zu meiner Katze kam

Als ich so circa acht Jahre alt war, beschloss meine Mutter, dass ich eine Katze bekommen sollte. Ob sie deswegen auf die Idee kam, weil sie mal wieder etwas mehr Ruhe haben wollte – ich hatte damals tausend Ideen in der Minute –, oder ob es deshalb war, weil sie selber gerne eine haben wollte, das kann ich rück-wirkend nicht mehr beurteilen. Wenn man sie heute danach fragt, ist man eh nach circa drei Sekunden in der üblichen Ge-schichte : »Früher war ja alles ganz anders . . . Weißt du noch als Tante Therese gestorben ist?«

Also, meine Mutter beschloss: Ich bekomme eine Katze. Und ich fand die Idee auch ganz gut. Und je näher der Termin rückte, an dem wir ein Pelztier aus dem Tierheim retten wollten – so sah ich das damals –, desto aufgeregter wurde ich. An Schlaf war eine Woche vorher schon gar nicht mehr zu denken, geschweige denn an Schule, Freunde oder Nahrungsaufnahme. Kurz gesagt, ich drehte fast durch.*

*

Wussten Sie eigentlich, ...

dass Kindern zwischen 6 und 16 Jahren Katzen und Hunde
viel wichtiger sind als zum Beispiel Computerspiele?

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Mein Gehirn hatte wegen Vorfreude-Überlastung geschlos- sen. An die Woche vor dem Tag X kann ich mich deshalb heute absolut nicht mehr erinnern, nur daran, dass wir irgendwann, für mich wie aus heiterem Himmel, vor der Tür des Tierheims standen und klingelten.

Ich fand es großartig. Gleich sah ich Hunderte von süßen, kleinen Wollknäuelchen, durchs Gesicht schlabbernde Hunde- babys, maunzende Nassnasen . . . Gleich, gleich . . .! Die Tür ging auf, ich stürmte rein, und – was für ein Gestank! Tierheime rie- chen, vor allem beim ersten Besuch, nicht besonders einladend, zumal gerade, als wir eintraten, ein großer Dalmatiner vor uns in den Eingang kotzte. Und ein Dalmatiner kann 'ne Menge kotzen, gerade aus der Perspektive eines Achtjährigen, der dem Ding knapp bis zur Schulter reicht.

»Kommen Sie doch rein. Guten Tag«, sagte Frau Frank, die Leiterin des Heims, Typ Fräulein Rottenmeier aus ›Heidi‹, wäh- rend sie uns entgegenkam. Das Ganze muss wohl ein einschnei- dendes Erlebnis für mich gewesen sein, denn an ihren Namen kann ich mich heute noch ganz deutlich erinnern. Ich kann mir sonst ja noch nicht mal den Namen meines Onkels aus dem Westerwald merken. Der, der einem immer die Luft abdrückt, wenn er einen umarmt. Aber ich schweife ab . . . Oh Gott, ich werde wie meine Mutter.

»Ich bekomme heute eine Katze«, sagte ich und freute mich jetzt schon wieder ein bisschen mehr. Der erste Schock war überwunden. Da kotzte der Dalmatiner ein zweites Mal. Dieses Mal während eine Assistentin ihn gerade aus dem Zimmer tra- gen wollte. Sie hatte ihn unter dem Bauch gepackt und hochge- hoben, was wohl keine so gute Idee gewesen war.

Kurz danach kamen wir an Zimmern für ausgewachsene Hunde, Hundebabys, Papageien (mein Gott sind die laut! Und alle wir- ken irgendwie ständig angepisst), Meerschweinchen (rasend

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langweilig) vorbei und traten schließlich in das für Katzenbabys ein. Süüüß! Alle!!!! Die! Nein, die!! NEIN, DIE!!!!!!!!!! Es war hoff- nungslos. Alle kleinen Dinger, eins süßer als das andere, krab- belten auf mir herum. Meine Mutter freute sich, die Tierheim-leiterin auch. Ich hätte nur blind die Hand ausstrecken müssen und wir hätten alle nach Hause gehen können. Doch dann sagte Fräulein Rottenmeier mit so einem professionellen Zittern in der Stimme etwas Verhängnisvolles.
»Nebenan haben wir auch Katzen, die schon etwas älter sind. Die will aber keiner.«

Nun muss ich an dieser Stelle erwähnen, dass ich damals ge- rade auf dem Selbstlosigkeitstrip war, hatte ich im Kino doch ›Das letzte Einhorn‹ gesehen, und nun wollte ich unbedingt auch die alten, abgemagerten, ausgemergelten Geschöpfe ohne Beine und Ohren sehen. Meine Mutter fand das beispielhaft. Noch.

Wir gingen nach nebenan, und als ich den Raum betrat, rannte auf einem Umlauf an der Wand, etwa auf der damaligen Höhe meines Kopfes, eine fast ausgewachsene, getigerte Katze auf mich zu und maunzte mich an. So laut und so frech, dass ich mich total erschrocken habe. Minka! – das heißt, damals ja noch »Messalina«. Sie hatte Beine und Ohren, war aber frisch operiert, auf der Seite wegen der Sterilisation komplett rasiert, spindeldürr, und hatte einen Ausdruck in den Augen, der sagte: »Was soll das hier? Was stehst du noch rum? Nimm mich gefäl- ligst mit, du Arsch!«

Tja, ich verstand sie, sie verstand mich. Meine Mutter brab- belte noch so etwas wie »Die Katze sucht den Menschen aus und nicht der Mensch die Katze«, und im nächsten Augenblick saßen wir auch schon im Auto: Ich mit meiner hässlichen Mes- salina auf dem Schoß – auf das Namensdesaster komme ich gleich noch zu sprechen –, während Fräulein Rottenmeier – ich meine, die »Tierheimleiterin« – uns aufgeregt und glücklich nachwinkte.

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Minka pinkelte mir auf den Schoß. Autofahren findet sie bis heute scheiße. Aber ich leg mittlerweile was drunter.
Tja, jetzt war ich Herrchen.

Die Namensfindung

Wir wissen alle, wie entscheidend die richtige Vergabe eines Na- mens sein kann. Wir sind alle schon mal einem Karl-Heinz be- gegnet oder einem Ernst-August, vielleicht sogar einem Hans- Wurst ... – Verzeihung –, und wir haben feststellen dürfen, dass die Klischees ja irgendwo herkommen müssen. Ausnahmen bestätigen natürlich wie immer die Regel, liebe Leser. Ich heiße immerhin Schmitz, ich muss es wissen.

Mit diesem Wissen, das ich damals schon hatte, standen wir dann vor der Namensgebung meiner Katze. Ihr Noch-Name, der ihr im Tierheim gegeben worden war, lautete Messalina. Den fand ich eigentlich ganz schön, aber meine Mutter war dage- gen.
Was sollte denn aus einer Messalina werden ? Eine Prinzessin auf der Erbse? Eine egozentrische Despotin, die nur macht, was ihr gefällt und der man dann als Personal den Haushalt führen darf ?
Als ob die Namensänderung daran etwas geändert hätte. Aber jetzt weiß ich auch, woher ich diesen Namenstick habe.
Wie sie denn dann auf Ralf gekommen wäre, wollte ich wis- sen.

»Tja, äh ... das habe ich mir ... das war, weil ... den hat dein Vater ausgesucht.«
Stimmte nicht.
»Dann weil ... wegen ... das kommt von Raphael, dem Engel. Mein kleines Engelchen.«
So hatte sie mich noch nie genannt. Das Thema war aber da- mit abgehakt. Mütter.

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Messalina sollte einen anderen Namen bekommen. Wir über-legten. Muschi schlug ich vor. Ich wusste, es war was Versautes, aber was genau, war mir noch nicht klar. Natürlich kam das nie-mals in Frage, es machte nur so einen unglaublichen Spaß, die Gesichter der Erwachsenen zu beobachten, wenn man so was sagte.
Ich schlug immer mehr Namen vor, die mir einfielen. Ich ging das ganze Alphabet durch.
Amber. Fiel sofort durch. Ebenso wie Amy oder Angelina. Anouschka, Arielle oder Babsy. Beatrix, Beauty, Becky, Belina, Bella- donna, Belle, Bijou und Bunny.

Und wir waren erst bei B!

Auch Camilla, Carmen, Casablanca, Cassandra, Cassiopeja, Ceci- lia, Celeste, Celia, Celina, Chantal, Charisma, Chiquita, Cinderella, Cindy, Cleopatra, Daisy, Dalia, Dana, Daphne, Desdemona, Desiree, Destiny, Doofmann – ich wollte nur sehen, ob Sie aufpassen –, Ebony, Fanny, Fantasia, Fatima, Fay, Felicitas, Felina, Fortuna waren eine Katastrophe.

Können Sie noch?

Weder so schöne Namen wie Geisha, Gina, Ginger, Gipsy, Gloria, Heather, Hexe, Holly, Honey-Bee, Hope, Jackie, Jade noch Jolie oder Josephine konnten meine Mutter erweichen.

Ich war erst acht, möchte ich an dieser Stelle erwähnen!

Zu Kalahari, Katsinah, Kikki, Kimberly, Kyra, Laila, Lara, Lilly, Li- lofee, Lisa, Lucy, Luna, Lupina, Maggie, Mandy, Marga, Mayflower, Melissa, Melody, Mermaid, Misery, Miss, Missy, Misty, Momo, Mona, Moon, Morea oder Morgaine konnte ich sie auch NICHT überre- den.

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Erst als ich bei Minka ankam, da blitzte was in ihren Augen.
Gott sei's gepriesen!

Warum die Katze, obwohl sie ja eigentlich meine war, so heißen sollte, wie es meine Mutter wollte, weiß ich bis heute nicht. Ist aber auch nicht so wichtig. Wichtig war nur, dass wir endlich diesen verfi ... – äh, den Ausdruck kannte ich damals ja noch nicht – jedenfalls bald einen neuen Namen finden mussten, sonst würde die Katze vorher noch an Altersschwäche sterben. Ohne Namen. Aber es war ja so weit. Der Name war gefunden:

Minka

Meine Mutter überzeugte das Argument, dass Minka wohl ein russischer Kosename oder eine russische liebenswürdige Be- zeichnung für eine Katze sei. Ich habe das nie nachgeprüft. Falls es nicht stimmt, sagen Sie es bitte nicht meiner Mutter. Ich än- dere den Namen jetzt jedenfalls nicht mehr.

Gott sei Dank war bei M Schluss gewesen.
So ersparten wir uns Nadina, Nancy, Naomi, Nasty, Nelly, Nena, Nenee, Neomi, Nicky, Nightingale, Nighty, Nina, Ninotschka, Nishy, Ohura, Olga, Olivia, Ophelia, Ornella, Paloma, Paradise, Patricia, Patty, Peaches, Peachy, Peggy-Sue, Penelope, Piroschka, Polly, Pretty, Princess, Priscilla, Rachel, Regan, Romance, Romantica, Ronja, Rose,

Roxana, Roxy, Samantha, Sassy, Sayonara, Scarlet, Scully, Semira- mis, Serafina, Serina, Shalimar, Sheherazade, Sheila, Shiva, Snow- bird, Starlett, Stella, Sue, Sulaika, Summer, Sunflower, Sunny, Ta- mara, Tamy, Tapsy, Tara, Teresa, Tessa, Tiffany, Tiffy, Trixi, Twiggy, Valentine, Vanessa, Venezia, Venus, Vera, Vicky, Victoria, Viola, Vio- let, Violetta, Virgin, Virginia, Voilá, Wanda, Wilma, Winnie, Win- terflower, Witch, Woman, Wynona, Wyomie, Xena, Yasmin, Yolanda, Yvette, Zarah, Za Za und vor allem Zeleste.

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Ich war eigentlich eh die ganze Zeit einfach nur für Katze ge- wesen. Ich hatte das bei ›Columbo‹ im Fernsehen gesehen, der seinen Hund ebenfalls bloß »Hund« nannte. Perfekt. Lustig und problemlos.

Nein, meine Katze sollte ab sofort Minka heißen.

Und ich nenne sie doch Katze. Seit über zwanzig Jahren. Heim- lich. Wenn ich sie mit »Minka« gerufen habe, dann war klar, dass sie was ausgefressen hatte. Katzen kommen eh nie, wenn man sie ruft, aber dann kam sie erst recht nicht. Warum ich in der Vergangenheit schreibe? Ach, das können Sie ja noch nicht wissen. Meine Katze ist mittlerweile so alt, dass sie nun taub ist. Minka hört nichts mehr. Deswegen ist das mit dem Namen eigentlich auch völlig egal. Besser Sie lesen dieses Kapitel erst gar nicht.

Aber falls Sie mal einen Namen für Ihre neue Katze brauchen, wissen Sie ja jetzt, wo Sie nachschlagen können.

Katzen liegen überall rum

Minka war aus dem Gröbsten raus. Ich noch nicht. Katzenleben verlaufen ja anders als die von Menschen, gerade in den ersten Jahren. Wenn wir fünf Jahre alt sind, ist so eine Katze ja bereits um die vierzig, also schon erwachsen.
Überträgt man das rückwärts, dann war Minka, als wir sie be- kamen, mit nicht mal einem Jahr quasi so alt wie ich. (Für die, die genau aufpassen: Sie war damals schon zu alt und ein biss- chen zu unansehnlich für das süße Babyzimmer im Tierheim gewesen.) Und Kinder brauchen viel Aufmerksamkeit. Und Kat- zen erst recht. Und beides zusammen? Sie machen sich keine Vorstellung.
Ich war damals aber mit ungefähr neun Jahren selber noch

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ein Kind. So genau können wir das nicht mehr rekapitulieren. Wir versuchen es zwar jedes Mal auf Geburtstagen, Hochzeiten und Beerdigungen – dann eben, wenn man für so was Überflüs- siges Zeit hat –, aber wir kommen nicht drauf. Wie das immer so ist, streiten wir uns ein bisschen, alle haben recht, und zum Schluss einigen wir uns, dass ich zwischen acht und zehn Jahre alt gewesen sein muss. So ungefähr. Eher neun. Achteinhalb. Oder so.

Minka, oder Katze, war eine quirlige Natur. Aber das will man ja auch, das erwartet man ja von so einem Geschöpf. Nur dass diese Dinger das IMMER sind, das hatten wir alle unterschätzt. Schlafen, Essen, Anziehen, Staubsaugen, Fernsehgucken, Lesen ... Das alles war gar nicht mehr oder nur noch eingeschränkt möglich.
Aber das war noch nicht mal das größte Problem. Wir hatten keinen Stress, weil immer mit ihr gespielt werden musste. Nein, Katzen liegen einfach überall rum! Frech. Und gehen auch nicht weg. Katzen sind nicht einfach nur egozentrisch: Sie haben's er-funden!

Es war mir in der zweiten oder dritten Klasse – man könnte jetzt wieder anfangen zu streiten – nicht möglich meine Haus-aufgaben zu machen, weil Minka ständig auf meinen Schreib-tisch gesprungen ist und sich auf meine Hefte gelegt hat, wäh-rend ich gearbeitet habe. Ich gebe Ihnen mal ein Beispiel, wie meine Buchstabenreihen damals ausgesehen haben ...

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Und das war noch nicht alles, worauf sie gelegen hat ...

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Auf dem nächsten Bild ist eine Katze versteckt. Beziehungs-weise da war mal eine Katze auf dem Bild. Wo, meinen Sie, könnte das gewesen sein ...?

Richtig.
Katzen suchen sich immer den gemütlichsten und weichsten Platz aus. Und da liegen sie dann stundenlang. Auch wenn der Platz aus dem einzigen Stück dichtem Rasen besteht, das auf der ganzen vertrockneten Wiese zu finden ist.
Dieses Foto hier ist übrigens bei einem Ausflug entstanden, aber darauf komme ich später nochmal kurz zu sprechen. Minka war nämlich eigentlich eine reine Hauskatze. Raten Sie mal, wer das so wollte? Richtig. Mama.

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Minka liegt aber gerne auch woanders einfach so rum. Am liebs-ten da, wo die Sonne in die Wohnung scheint ...

Mir ist mal ein kleines Missgeschick passiert: Ich wollte für meinen erwarteten Besuch Kaffee machen. Nun weiß vielleicht der ein oder andere, dass ich Teetrinker bin. Grünteetrinker, um genau zu sein. Aus diesem Grund fehlt mir die Erfahrung mit der Zubereitung von Kaffee. Nun wollte ich aber meinen Be- such überraschen, der natürlich mit einem furchtbaren Gebräu rechnete. Ich hatte mir überlegt, jetzt so richtig auf die Kacke zu hauen. Ich habe frischen Kaffee zum Selbermahlen gekauft. Dummerweise ist mir beim Öffnen die Tüte gerissen und die ganzen Bohnen verteilten sich überall auf dem Fußboden, dem Tisch ...

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... und natürlich auf meiner Katze, die völlig unerlaubt mal wie-der auf dem Tisch herumlag.

Meinen Sie, die hätte sich auch nur einen Zentimeter bewegt? Mitnichten und Neffen! – Fünf Euro in die Kalauerkasse –, die ist schön liegen geblieben, hat noch nicht mal aufgeblickt, sondern weitergepennt.*
Ich habe dann extra nur die Bohnen um sie herum weggemacht und die, die auf ihr drauflagen, schön an ihrem Platz gelassen. Als sie dann nach 'ner Stunde aufgestanden ist, musste ich den Boden nochmal saugen.
Und außerdem gab's am Ende doch für alle grünen Tee.

*

Wussten Sie eigentlich, ...

dass Katzen, um sich beim Dösen mit geöffneten Augen vor
störendem Licht schützen zu können, ein drittes Augenlid haben?

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Das härteste Beispiel aber dafür, dass Katzen überall rumliegen und einfach nicht weggehen, möchte ich Ihnen auch nicht vor-enthalten.
Als ich etwas älter war und meine erste eigene Wohnung hatte – Minka ist natürlich mit umgezogen –, da habe ich mir mal zwei Spiegeleier gebraten ... Sie ahnen, worauf ich hinauswill ? Sie glauben es nicht? Dann schauen Sie mal hier ...

Noch Fragen ?

Nichts, aber auch wirklich gar nichts kann diese Stubentiger aus der Ruhe bringen, wenn sie keinen Bock haben. Und im nächs-ten Augenblick ist plötzlich wieder Action angesagt. Genau das mag ich.

Wie man übrigens sonst noch zu einer Katze kommen kann

Die meisten Leute haben ja schon so eine Art »Grund«, weshalb sie sich eine Katze anschaffen.
Man ist zum Beispiel frisch vom Partner getrennt, und die Wohnung ist auf einmal unglaublich leer. Keiner mehr da, der

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nervt, wenn das Essen nicht rechtzeitig fertig ist, der faul im Bett liegt, wenn man völlig fertig von der Arbeit kommt, der einfach überall Haare verliert... . Und so kommen dann die meisten Frauen zu ihren Katzen – weil ihnen all das wahnsinnig fehlt.

Männer hingegen, zumindest die alleinstehenden, kommen meistens über Umwege zu ihren Katzen: zum Beispiel weil die blendend aussehende Nachbarin einen neuen Lover hat, der aber leider allergisch auf Katzenhaare reagiert. Da muss das heißgeliebte Tier natürlich zu jemandem, den es schon kennt und bei dem es sich wohlfühlt und bei dem die bisherige Besit- zerin von Zeit zu Zeit mal nach dem Rechten sehen kann. Und weil man(n) nichts dagegen hat, wenn die blendend aussehende Nachbarin öfter mal vorbeikommt, um ihre Katze zu besuchen, hört man(n) sich plötzlich »sehr gerne« sagen und ist somit – ZACKBUMMS – zu einem Haustier gekommen.*

Bevor hier jetzt aber der Eindruck entsteht, Katzen würden einzig und allein als »Mensch- oder Partnerersatz« in deutsche Wohnungen geholt werden: Das will ich nicht behaupten. Auf keinen Fall. Niemals!
Allerdings ziehen in sechzig Prozent aller Fälle Katzen ir- gendwo ein, weil dort kurz zuvor ein Mensch ausgezogen ist
– meist ein männlicher Mensch.

Weitere zwanzig Prozent sind Pärchen, die dem Irrglauben verfallen sind, eine Katze wäre weniger anstrengend als ein Kind (ich lach mich tot!), zwölf Prozent ist die Katze zugelaufen und wegen des leckeren Futters geblieben, sechs Prozent sind verrückte Ausnahmen wie ich – und die restlichen zwei Prozent kommen völlig unverhofft zu ihrer Katze.

*

Wussten Sie eigentlich, ...

dass ein Fünftel aller Katzenbesitzer durch Zufall
zu ihrem Haustier kommen?

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