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Enno Stahl

Die Idioten

SuKuLTuR

2012

Sie sitzen an einem schlichten Holztisch, sie bedienen sich linkisch des Bestecks, die Bewegungen ihrer Glieder wirken ungeschlacht. Auf manchen Gesichtern hat sich ein verstörter Ausdruck eingegraben, bis hin zur Grimasse, und es riecht etwas streng.

Man möchte Luft hinein lassen, aber die Fenster sind mit Vorhängeschlössern versehen, dahinter Gitter. Ein Tischgespräch findet nicht statt, alle speisen stumm, ihre Motorik ist stark verlangsamt. Der Raum ist karg möbliert, die Wände anstaltsweiß, zu essen gibt es Linseneintopf wie jeden Donnerstag, dazu Brötchen.

Sie sitzen um den Tisch, löffeln die Suppe, der Abend wird lang werden, immerhin schaltet man jetzt das Radio an, eine leichte, buchstäblich sedierende Tanzmusik erklingt, sicher möchte manch einer aufstehen und sich im Takt der Melodien wiegen, sicher möchte manch einer lieber gehen, für immer weg gehen, aber nach dem Essen ist Tablettenausgabe, und danach will keiner tanzen, keiner gehen. Sie wollen statt dessen lieber apathisch in den Ecken lungern und sich selbst beschäftigen, sich den Gedanken widmen, die sie denken mögen, den Bildern hingeben, die ihr poröses Hirn produziert.

Was denken die Idioten? Was sehen sie? Ist es eine Wüste? Ist es eine kahle surreale Landschaft, monochrome Fläche, soweit der Blick reicht, ein stumpfes Graugrün, ohne jegliche Erhebung, blanke Fläche, kein Fels, keine Bodenwelle, nichts? Sind das ihre Bilder? Bilder wie ein gleichbleibend hoher, sirrender Ton?