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Die wilden Hamster. Krümel auf großer Tour

DIE WILDEN HAMSTER

Krümel auf großer Tour (Band 1)

Achtung, Wieselgefahr! (Band 2)

Rettet das Schlüsselblumental! (Band 3)

Freunde in Not (Band 4)

Alex Fielding ist Teil eines Teams, das gemeinsam die Geschichten über Die wilden Hamster entwickelt. Heute lebt Fielding zusammen mit der Familie und fünf Hamstern, die alle in Die wilden Hamster einen Auftritt haben, in einem abgelegenen alten Bauernhaus in Hampshire.

Helge Vogt wollte als Kind Paläontologe werden. Irgendwann wurde ihm klar, dass er die Dinosaurier und Monster lieber zeichnet. Seine aktuelle Comicserie Alisik wurde schon mehrfach ausgezeichnet. Mehr Infos auf: www.trickwelt.com

Mein besonderer Dank gilt Claire Baker
Für Jamie, in Liebe und Dankbarkeit

1. Kapitel

Krümel lag auf dem Rücken und schnarchte leise. Die kurzen Beine hatte er von sich gestreckt, der flauschige, weiche Bauch zeigte nach oben. Mit einem Schnaufen wurde er wach und öffnete langsam eines seiner dunklen Augen. Schnell machte er es wieder zu und schnüffelte, dass die weißen Barthaare zuckten.

»Mmmhh!« Er seufzte, rollte sich herum und rieb sich mit den Pfoten übers Gesicht. Dann streckte er den Kopf aus dem warmen Stroh und schnüffelte noch einmal. »Nüsse, Samen und Beeren, lecker!«

Vogelgezwitscher drang wie Musik an seine Ohren, während er aus dem Bau huschte. Hamster in allen Farben und Größen rannten über die Lichtung und begrüßten ihn freundlich.

»Hallo!«, rief Krümel und hüpfte um die zartgelben Blumen herum, die auf das samtgrüne Gras getupft waren. »Wer spielt mit mir?«

»Was willst du denn spielen?« Mit einem Rums streckte sich ein kugelrunder Hamster neben Krümel aus und knuffte ihn dabei unsanft in die Seite. »Du hast schon wieder im Schlaf geredet, Brüderchen«, sagte Walnuss und lachte.

Krümel blinzelte ins grelle Licht der Zoohandlung, gähnte und schnupperte erneut. Der muffige Geruch nach Hamsterstreu stieg ihm in die Nase. Er trippelte hin und her und sah zu, wie kleine Wolken aus Sägespänen durch die Metallstäbe seines Käfigs wehten.

»Ich hab wohl geträumt«, sagte er. »Was hab ich denn …«

»Geträumt? Ach, Krümel, dafür ist keine Zeit!«, fuhr Mümmel quiekend dazwischen und wuselte geschäftig von einem Haufen Papierschnipsel zu ihren Brüdern herüber. Sie schlug die Pfoten vors Gesicht: »Hast du die Menschen auch gehört, Walnuss?«

Walnuss nickte und stellte ein Ohr auf. »Ich hab sie noch nicht gesehen, aber das Geräusch bei den Aquarien stammt eindeutig von menschlichen Pfoten.« Er streckte die Nase in die Luft. »Ja, sie kommen in unsere Richtung, ganz sicher!« Damit preschte er in die hintere Käfigecke.

»Oh nein, bloß nicht!«, rief Mümmel und blickte nervös um sich. »Du setzt keinen Fuß aufs Laufrad, bevor wir nicht den Käfig aufgeräumt haben! Krümel – du hilfst mir mit unserem Lager! Und Walnuss – du räumst die Körner da weg! Ihr wisst doch, dass Menschen keine unordentlichen Hamster mögen. Beeilt euch!«

»Noch nicht mal, wenn sie so niedlich sind wie ich?«, neckte Walnuss sie, setzte sich auf die Hinterpfoten und streckte ihr seinen flauschigen braun-weißen Bauch entgegen. Aber Mümmel starrte ihn nur wütend an, bis er die Vorderpfoten wieder herunternahm und davonflitzte.

Die Papierschnipsel sahen immer noch ziemlich verknittert aus, obwohl er sich wirklich Mühe gegeben hatte, dachte Krümel. Er hoffte nur, dass Mümmel es nicht bemerkte. Dann lief er zum Futternapf und stopfte sich ein paar knusprige Nüsse in die Backentasche. Das vertraute Geräusch menschlicher Pfoten kam näher, und er sah ein Mädchen, das von den quiekenden Meerschweinchen hinten in der Ecke zu den knabbernden Kaninchen ging. Sie hatte ein Büschel langes, sandfarbenes Fell auf dem Kopf und auf der Nase trug sie ein Paar lustige, durchsichtige Spiegel, die er schon bei anderen Menschen gesehen hatte. Das Mädchen schaute zu, wie die Kätzchen versuchten, ihren eigenen Schwanz zu fangen, und blieb danach vor den wedelnden Hundewelpen stehen. Dabei machte sie die ganze Zeit lustige Geräusche, die wie »Oohh« und »Aahh« klangen.

»Wer braucht schon einen Schwanz zum Wedeln«, dachte Krümel und schielte zu seinem eigenen kleinen Stummelschwänzchen. Er sah, wie sich Walnuss die letzten Körner in die Backentasche stopfte und dann ins Laufrad sprang. Schneller und schneller lief er, bis nur noch ein verschwommener braun-weißer Fleck zu erkennen war. Krümel hatte nie verstanden, was daran so toll sein sollte – egal, wie schnell man rannte, man kam doch nicht vom Fleck. Aber Walnuss war sich sicher, dass es den Menschen gefiel.

Ich weiß genau, wohin ich rennen würde, wenn ich die Chance dazu hätte – und ich würde nicht anhalten, bis ich da wäre.

»Schneller, Walnuss, schneller«, feuerte Mümmel ihn an, und das Laufrad drehte sich wirbelnd im Kreis. »Zeig ihnen, was du kannst!« Mümmel war noch immer mit ihrem Lager beschäftigt, rupfte und zerrte die Papierstreifen hierhin und dorthin.

Krümel schüttelte den Kopf und fragte sich, ob es wohl einen Käfig gab, der ordentlich genug für seine pingelige große Schwester war.

Er sah an sich herunter und klaubte ein paar Späne aus seinem eigenen wolligen mausbraunen Pelz. Immer blieben Späne oder Stroh darin hängen, sein Fell war längst nicht so seidig und glänzend wie das seiner fünf größeren Geschwister. Zwei Schwestern und ein Bruder waren schon von Menschen adoptiert worden, einer nach dem anderen waren sie verschwunden, sogar seine Mutter. Krümel schloss die Augen und dachte daran, wie weich ihr graues Fell sich angefühlt hatte. Vielleicht wurde sie jetzt gerade von einem Menschen gestreichelt. Krümel versuchte sich das vorzustellen. Er wusste, wie weich und pelzig Walnuss und Mümmel waren. Aber Menschen? Die hatten schließlich nur auf dem Kopf Fell! Krümel rollte sich zusammen und fand es fast ein bisschen schade, dass er nie wissen würde, wie es sich anfühlte, von einem Menschen gestreichelt zu werden.

Mach dir keine Sorgen, Krümel, die Menschen finden kleine Hamster besonders niedlich, hatte seine Schwester Knöpfchen zu ihm gesagt, bevor sie adoptiert wurde, und ihn dabei sanft mit der Nase gestupst. Doch Krümel wusste es besser, schließlich lebte er lange genug im Zoogeschäft. Bisher waren es nie die mageren, kleinen Tiere gewesen, die die Menschen sich ausgesucht hatten. Krümel schüttelte sich. Auf einmal stand ihm die blumenübersäte Wiese aus seinem Traum wieder vor Augen. Er wollte sowieso nicht adoptiert werden. Dann würde er nur in einem anderen Käfig landen, auf einem anderen Regal, mit niemand anderem an seiner Seite als einem fremden Menschen. So wollte er nicht leben – es musste doch etwas geben, das aufregender war, viel, viel aufregender!

Krümel schloss die Augen und dachte an die Geschichten, die seine Mutter ihnen immer erzählt hatte.

»Hört gut zu, meine Kleinen.« So hatte sie immer begonnen und alle ihre sechs Kinder der Reihe nach angeschaut. »Stellt euch einen Ort vor, an dem es wunderbar duftet und die Vögel die ganze Zeit zwitschern, wo ihr nie allein seid und immer genug zu fressen habt. Wo wilde Hamster in weichen Nestern schlafen und auf saftigem Gras herumtollen. Stellt euch den wunderbarsten Ort der Welt vor – das ist das Schlüsselblumental!«

Krümels Brüder und Schwestern hatten das für eine Gutenachtgeschichte gehalten, aber er glaubte bestimmt, dass es diesen Ort gab. Er war sich bis in die Bartspitzen sicher und hatte nun sogar angefangen, davon zu träumen. Krümel sah das Tal vor sich, wo er im saftigen Gras Körner aufsammelte, sich in einem weichen Nest zufrieden zusammenrollte …

»Ihr einfältigen Hamster!« Zum zweiten Mal an diesem Tag wurden Krümels Träumereien von einer krächzenden Stimme unterbrochen. Sie kam aus dem angrenzenden Käfig. »Wie könnt ihr euch nur wünschen, bei irgendwelchen dummen Menschen zu landen?«

»Ach, griesgrämiger alter Graubart, sag doch so was nicht!«, rief Mümmel, die endlich das Lager zurechtgezupft hatte und zu Krümel hinüberhuschte.

Auch Walnuss trippelte zu ihnen, noch ganz außer Atem vom Laufrad. Die drei steckten ihre Köpfe durch die Gitterstäbe an der Käfigseite und blickten mit glänzenden Augen zu Graubart hinüber. Der älteste Hamster im ganzen Zoogeschäft blinzelte müde zurück.

»Wenn man adoptiert wird, schläft man auf viel weicherem Stroh und bekommt viel besseres Essen – und man wird den ganzen Tag gestreichelt«, fuhr Mümmel mit einem Seufzer fort.

Graubart schnaubte verächtlich und sein abgewetztes graubraunes Fell sträubte sich. »Wenn ich noch so jung wäre wie ihr, würde ich die Pfoten in die Hand nehmen und von hier verschwinden«, sagte er, und seine ausgefransten Barthaare zitterten. »Ich bin den Menschen schon einmal davongelaufen und ich würde es jederzeit wieder tun. Vor allem, wenn ich die Chance hätte, ins Schlüsselblumental zu gelangen.«

»Du bist doch nur sauer, weil dich die Menschen hierher zurückgebracht haben«, sagte Walnuss und zog einen Sonnenblumenkern aus seiner Backentasche.

»Genau«, stimmte Mümmel ihm zu. »Wenn du sie nicht in den Finger gebissen hättest, würdest du jetzt im größten Luxus leben und nicht für alle Zeiten im Zoogeschäft bleiben müssen. Das geschieht dir ganz recht.«

Graubart schnaubte noch verächtlicher, doch Walnuss und Mümmel waren schon wieder zu Laufrad und Lager zurückgerannt und hofften weiter darauf, eines Tages von Menschen adoptiert zu werden. Nur Krümel war stehen geblieben und sah den alten Hamster aufmerksam an.

»Graubart«, sagte er, »erzählst du mir noch ein bisschen vom Schlüsselblumental?«

Der alte Hamster schloss die Augen. »Ach, Krümel«, sagte er verträumt. »Vom Schlüsselblumental kann ich dir wunderbare Dinge erzählen …«

Aber noch bevor er loslegen konnte, wehte der vertraute Geruch nach Menschen zu ihnen hinüber. Graubart riss die Augen wieder auf. Krümel folgte seinem Blick und sah, dass Graubart in die runden blauen Augen eines Mädchens starrte. Sie verzog ihr Gesicht und betrachtete den alten Hamster prüfend. Dann drückte sie ihre Nase so dicht an die Gitterstäbe von Krümels eigenem Käfig, dass der erschrocken zurücksprang. Ihre Nase war so nah, dass er hätte hineinbeißen können, wenn er gewollt hätte. Sandfarbene Locken bewegten sich sanft hin und her und fielen durch die Gitterstäbe. Krümel wunderte sich immer wieder, dass einige Menschen so langes Fell hatten. Er hätte zu gern gewusst, wie es sich anfühlte, doch er traute sich nicht, näher heranzugehen. Stattdessen stand er vollkommen still und zuckte nur leicht mit der Schnauze. Das Mädchen roch irgendwie komisch, genau wie alle Menschen.

Rums! Krümel fuhr erschrocken zusammen, als etwas gegen das Fenster der Zoohandlung knallte. Sofort erhob sich ein aufgeregtes Kreischen und Zetern der Papageien und Wellensittiche. Dazu kam ein vielstimmiges Miauen und Bellen sowie das ängstliche Klopfen aufgeregter Kaninchen. Am meisten jedoch erschreckte Krümel das Geschrei des Mädchens und er stolperte in den Futternapf, sodass die Kerne in alle Richtungen flogen. Oh nein, dachte er, das gibt Ärger … Doch als er zu Mümmel hinüberschielte, sah er, dass sie zitterte und genauso erschrocken war wie er.

»Du lieber Himmel, was ist nur passiert?«, japste sie und presste die Pfoten vor die Brust. Krümel streckte den Kopf so weit vor, wie er konnte, um nachzusehen.

»Ich glaube, es war ein Vogel.« Er hatte einen Blick auf einen grauen Vogel erhascht, der zusammengesunken auf dem Fußweg vor der Zoohandlung lag. »Sieht so aus, als sei er direkt gegen die Scheibe geflogen.«

»Wie furchtbar. Kannst du was erkennen, Krümel? Wird er es überstehen?«, fragte Walnuss und hüpfte nervös auf und ab.

»Die Frau vom Zoogeschäft ist da und kümmert sich um ihn«, antwortete Krümel. Er spähte nach draußen und beobachtete, wie die Frau zu dem verletzten Vogel lief und ihn aufhob. Sie trug ihn nach drinnen, legte ihn sanft auf der Theke ab und untersuchte die Flügel. Der Vogel bewegte sich nicht, und Krümel bekam Angst, dass er den Sturz doch nicht überstanden hatte.

»Oh nein, wie schrecklich!«, rief Mümmel. »Ich hoffe, das heißt nicht, dass heute niemand mehr adoptiert wird.«

Krümel machte sich mehr Sorgen um den Vogel. Der hatte sich immer noch nicht bewegt und die Frau legte ihn jetzt in einen leeren Käfig neben den Hamstern.

»Ich hoffe, es macht ihm nichts aus, hier festzusitzen«, flüsterte Krümel und schlich näher heran, um ihn sich genauer anzusehen.

Ein Schwall unbekannter Gerüche stieg ihm in die Nase. Er setzte sich auf die Hinterbeine, schloss die Augen und atmete so tief ein, wie er konnte. Der Vogel roch ganz fremd, weder nach feuchten Sägespänen noch nach staubigem Trockenfutter oder nach Papierschnipseln. Krümel zitterte vor Aufregung. Der Vogel roch ganz und gar nicht nach Zoohandlung, er roch nach Abenteuer. Vielleicht sogar nach dem Schlüsselblumental! Krümel konnte es kaum erwarten, dass der Vogel aufwachte, damit er ihn danach fragen konnte. Er war ganz grau, nur die Federn auf seinem Kopf glänzten und schimmerten in Grün und Lila.

Es dauerte nicht lange, bis Krümel hörte, dass die Frau zurückkam. Er, Walnuss und Mümmel sahen mit weit aufgerissenen Augen zu, wie sie ein kleines weißes Schild an ihren Käfig klemmte.

»Ein weißes Papierdings«, quiekte Walnuss und raste quer durch den Käfig ans Gitter. »Ihr wisst, was das bedeutet, oder? Einer von uns soll adoptiert werden. Vielleicht sogar wir alle drei. Endlich will uns jemand haben.«

»Das wäre wunderbar!«, rief Mümmel.

Nur Krümel sagte nichts. Wenn einer von uns adoptiert wird, dann Mümmel oder Walnuss, dachte er. Eines ist sicher – ich bestimmt nicht.

Ihm wurde schwer ums Herz. Er wollte ja gar nicht zu den Menschen, aber er wollte auch nicht allein hier zurückbleiben. Immer wenn eines seiner Geschwister mitgenommen worden war, war ihm der Käfig danach viel einsamer vorgekommen.

Es ist nur eine Frage der Zeit, bis die beiden auch weg sind, dachte Krümel traurig, und dann bin ich ganz allein.

2. Kapitel

Als die Frau gegangen war, streckte sich Mümmel so hoch sie konnte und schnupperte an dem Papier.

»Du kannst doch nicht riechen, was darauf steht«, sagte Krümel und lachte. Mümmel stupste ihn freundschaftlich an und japste ein schnelles »’tschuldigung«, als sie merkte, dass sie ihn aus Versehen umgeworfen hatte.

»Ich wünsche mir so sehr, dass wir alle drei adoptiert werden! Interessiert dich das denn gar nicht?« Mümmel half Krümel wieder auf die Beine und kuschelte sich an ihn. Doch Krümel zuckte nur die Schultern.

»Mich will bestimmt niemand haben«, sagte er. »Aber das macht nichts. Ich hab ja immer noch Graubart.«

»Red keinen Unsinn! Du wirst bestimmt auch noch adoptiert«, sagte Walnuss und hüpfte aufgeregt von einem Bein auf das andere, bevor er sich an Krümels andere Seite legte. Zwischen seinen beiden größeren Geschwistern eingeklemmt, kam sich Krümel noch kleiner vor als sonst. Er drehte den Kopf hin und her und steckte schließlich die Nase durch die Gitterstäbe. Ob ich wohl für immer hierbleibe?