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Ashley Carrington

Françoise –
Die Frau mit dem zweiten Gesicht

Erzählung

hockebooks

1

Die schwache Morgensonne verbarg sich hinter hoch aufgetürmten bleigrauen Gewitterwolken. Es goss in Strömen, und ein böiger Wind peitschte die Regenschauer über die zu dieser frühen Morgenstunde kaum befahrene Landstraße, die vom Starnberger See nach München führte.

Françoise Corelli hatte die Scheinwerfer ihres englischen Sportwagens eingeschaltet und hielt das Steuer so fest umklammert, dass die Knöchel ihrer Finger weiß hervortraten. Ihr Blick war starr auf die Straße gerichtet. Kalter Schweiß stand auf ihrer Stirn, und ihr Atem war schnell und flach.

Plötzlich verschwamm die Straße vor ihren Augen. Hastig fuhr sie sich über die Augen, blinzelte und versuchte mit aller Kraft, sich zu konzentrieren, was ihr von Minute zu Minute schwerer fiel. Auf den Schwächeanfall und den Schweißausbruch folgte einige Momente später ein Schüttelfrost. Und schnell stellte Françoise die Heizung höher.

»Nur noch ein paar Kilometer«, murmelte sie vor sich hin. »Mein Gott, das werde ich doch noch schaffen!«

Da tauchte eine langgestreckte Linkskurve vor ihr auf. Im Licht der Scheinwerfer sah sie die riesige Wasserlache, die einen Großteil der Kurve bedeckte. Instinktiv erkannte sie die Gefahr und trat auf die Bremse. Doch es war schon zu spät.

Das Auto raste in die Pfütze. Die Reifen griffen nicht mehr. Françoise verlor die Kontrolle über ihren Sportwagen.

Aquaplaning!, schoss es ihr entsetzt durch den Kopf, als der Wagen ihren Lenkbewegungen nicht mehr folgte.

Es ging alles sehr schnell. Doch Françoise erlebte die folgenden Sekunden wie im Zeitlupentempo. Mit weit aufgerissenen Augen sah sie, wie der Wagen auf das Hindernis am Straßenrand zuschoss, doch sie konnte nichts tun, um diesen Aufprall zu verhindern.

Der Wagen krachte mit dem Heck gegen die Leitplanke. Das Reißen und Bersten von Blech und das Splittern von Glas übertönten ihren gellenden Schrei.

Françoise wurde in dem Gurt hin und her geschleudert, als das Auto von der Leitplanke abprallte, sich mehrmals um sich selbst drehte und dann von der Straße abkam.

Der schon übel zugerichtete Sportwagen brach durch die Büsche am Straßenrand und knallte schließlich gegen einen Baum.

Françoise Corelli spürte einen jähen stechenden Schmerz in der Brust, als der Gurt ihren vorschnellenden Oberkörper zurückhielt. Dann schlug sie mit dem Kopf gegen den Rahmen der Fahrertür.

Sie roch ausströmendes Benzin. Und die letzten Gedanken, die ihr durch den Kopf jagten, bevor tiefschwarze Nacht sie umhüllte, waren: Die brennende Zigarette! Das ist das Ende! Endlich! Es wird wenigstens schnell gehen, und ich werde nichts spüren. Besser so zu sterben als auf die andere Art … Und dann erschlaffte sie in dem Gurt.

Robert Hansen, dreißig Jahre alt und Innenarchitekt von Beruf, wollte an diesem Morgen früh im Büro sein. Doch das Schicksal bestimmte es anders.

Er befand sich mit seinem BMW knapp zweihundert Meter hinter dem englischen Sportwagen, der ihn vor Kurzem überholt hatte.

Mit Entsetzen verfolgte Robert Hansen den schweren Unfall. Es gelang ihm, noch rechtzeitig abzubremsen und herunterzuschalten. Mit schrecklicher Deutlichkeit hörte er, wie der Sportwagen gegen den Baum prallte, und das grauenhafte Geräusch verursachte ihm Übelkeit.

Hansen überlegte nicht lange, was er tun sollte. Jetzt zählte jede Sekunde … falls jemand den Aufprall überlebt hatte.

Er lenkte den BMW an den Straßenrand, stoppte jäh ab, schaltete die Warnblinkanlage ein und sprang hinaus in den heftigen Regen. Sein Herz hämmerte wild. Würde er überhaupt noch helfen können?

Er war nass bis auf die Haut, als er das Wrack erreichte. Der Wagen war mit der rechten Seite gegen den Baum geprallt. Es war ein schrecklicher Anblick.

Hansen glaubte schon nicht mehr daran, jemand lebend vorzufinden, als er ein leises Stöhnen hörte.

Er lief um den Wagen herum und sah einen Kopf und einen Arm scheinbar leblos aus dem Seitenfenster an der Fahrerseite heraushängen. Als er hastig nähertrat, erkannte er, dass es sich um eine blonde Frau handelte. Und sie lebte noch.

Robert drückte sie sanft in den Sitz zurück und suchte dann nach dem Gurtverschluss. Schließlich fand er das Schloss und drückte den Knopf.

Schwieriger war es, die Frau aus dem Wrack zu befreien. Er zerrte an der Tür, doch sie klemmte. Und wieder hörte er die Verunglückte stöhnen.

»Ich hole Sie raus, keine Sorge. Bleiben Sie ganz ruhig!«, sagte er, während er sich verzweifelt abmühte, die Tür aufzubekommen.

Dann stieg ihm plötzlich Benzingeruch in die Nase. Auslaufendes Benzin! Man brauchte nicht viel Phantasie, um sich auszumalen, was das bedeutete. Hansen verdoppelte seine Anstrengungen. Mit aller Kraft stemmte er sich gegen die Karosserie und riss am Türgriff, und auf einmal gab die Tür nach.

Die Frau fiel ihm förmlich in die Arme. Normalerweise hätte er sie sanft ins Gras gleiten lassen müssen. Aber für lange Untersuchungen der Schwere ihrer Verletzungen hatte er jetzt nicht die Zeit. Er musste sie und sich selbst in Sicherheit bringen.

Und so trug Robert Hansen die Verletzte vom Baum fort, während der Wind ihm Regenschauer ins Gesicht peitschte. Er hatte sich noch keine zwanzig Meter vom Wrack entfernt, als das Benzin Feuer fing und der Tank mit einem lauten Knall explodierte. Eine grelle Stichflamme hüllte den zusammengestauchten Sportwagen ein und leckte hoch in den nassgrauen Morgenhimmel. Mit einem flauen Gefühl im Magen starrte Robert in die lodernden Flammen. Wäre der Tank eine halbe Minute eher in die Luft geflogen …

Er dachte diesen Gedanken besser nicht zu Ende. Außerdem wurde seine Aufmerksamkeit vom Feuer abgelenkt. Die Frau begann, sich in seinen Armen zu regen. Der Explosionsknall hatte sie aus ihrer Bewusstlosigkeit gerissen.

Françoise schlug die Augen auf und sah ihn mit einem verstörten Blick an. »Die Zigarette – und das Benzin! Es wird schnell gehen, nicht wahr?«, sagte sie mit schmerzverzerrtem Gesicht.

»Ganz ruhig«, redete Robert Hansen tröstend auf sie ein und strich ihr die nassen blonden Haarsträhnen aus dem Gesicht, das ihn vom ersten Moment an eigentümlich berührt hatte. »Es ist alles in Ordnung. Sie sind in Sicherheit.«

Der verstörte Ausdruck wich langsam aus ihren braunen Augen. Doch als ihr Blick auf die Flammen fiel, schrie sie entsetzt auf, und ihre Hand krallte sich in Roberts Arm.

»O Gott!«, stammelte sie. »Bringen Sie mich bitte weg von hier! Bitte!«

Robert lächelte sie beruhigend an. »So schnell geht das nicht. Erst müssen wir sehen, wie schwer Sie verletzt sind.«

Françoise biss sich auf die Lippen und nickte.

»Haben Sie Schmerzen?«

»Es … es geht«, antwortete sie mit zitternder Stimme.

»Bewegen Sie Ihre Arme und Beine. Jedes einzeln. Aber ganz vorsichtig!«, ermahnte er sie. »Wenn Sie Schmerzen haben, bleiben Sie still liegen.«

Sie tat, was er gesagt hatte. Und es erschien ihm wie ein Wunder, als er feststellte, dass sie sich nichts gebrochen hatte. Zumindest hatte sie sich keine schweren Verletzungen zugezogen, vermutlich dank des Sicherheitsgurts. Schmerzen hatte sie nur in der rechten Seite, möglicherweise durch eine gebrochene oder auch angeknackste Rippe. Aber auch damit war nicht zu spaßen.

»Ich … habe … wohl noch mal Glück gehabt, nicht wahr?«, hauchte Françoise, als Hansen sie zu seinem Wagen trug.

»Das kann man wohl sagen. Sie müssen ein ganzes Dutzend Schutzengel gehabt haben. Aber dennoch sollten Sie vorsichtig sein und sich möglichst nicht bewegen. Sie könnten innere Verletzungen haben. Ich werde Sie ins nächste Krankenhaus bringen. Soviel ich weiß, ist schon zwei Kilometer weiter …«

Françoise ließ ihn nicht ausreden. »Nein!«, stieß sie hervor.

»Mein Gott, Sie müssen ins Krankenhaus. Das steht völlig außer Frage!«, rief Robert und ließ den Motor an.

Ihr Körper versteifte sich, und ein furchtsamer Ausdruck trat auf ihr bleiches Gesicht. »Nein!«, wiederholte sie mit Nachdruck und zuckte sofort vor Schmerzen zusammen. Es war ganz offensichtlich, dass ihr das Sprechen wehtat. Dennoch redete sie beschwörend, fast schon hysterisch auf Robert ein. »Nicht ins nächste Krankenhaus! … Das können Sie nicht tun! Auf keinen Fall! Bitte nicht!«

»Ja, aber Sie sind doch verletzt«, wandte Robert verständnislos ein. »Ich muss …«

»Bringen Sie mich in die Privatklinik Corelli!«, fiel sie ihm keuchend ins Wort. »Privatklinik Corelli! Nirgendwo anders hin, verstehen Sie? Sie dürfen mich nirgendwo anders hinbringen … oder ich springe aus dem Wagen. Ich schwöre, das werde ich tun.«

Ihr Ausdruck erschreckte ihn.

»Es ist unvernünftig. Ich weiß nicht, weshalb Sie darauf bestehen«, sagte er etwas ungehalten.

»Bitte!«

»Gut, ich bringe Sie dahin. Aber auf Ihre eigene Verantwortung«, sagte er und fuhr sanft an.

»Danke!«, murmelte sie mit schwacher Stimme und fiel nach hinten in die Sitzpolster zurück. Sie schloss die Augen und versank in düsteres, schmerzerfülltes Schweigen, nachdem sie ihm die Adresse der Privatklinik Corelli genannt hatte. Hansen sprach die Frau während der Fahrt mehrmals an, weil er die verspätet einsetzende Schockwirkung fürchtete. Er wollte sie ablenken, doch sie murmelte immer wieder nur: »Corelli! Privatklinik Corelli!« Es klang wie eine Beschwörungsformel.

2

Eine hübsche rothaarige Schwester führte Robert Hansen in ein teuer eingerichtetes Wartezimmer, dessen Fenster zum weitläufigen Park hinausgingen. Von ihr erfuhr er, dass Françoise Corelli die Frau von Professor Corelli war. Und jetzt verstand er natürlich die Bitte, sie unbedingt hierher zu bringen.

»Möchten Sie einen Kaffee?«, fragte die Schwester aufmerksam. »Und ein Handtuch?«

Robert lächelte gequält. »Danke. Beides wäre mir äußerst willkommen.« Er fühlte sich in den nassen Kleidern schrecklich, wollte die Klinik jedoch nicht eher verlassen, bevor er erfahren hatte, wie es um Françoise stand.

Wenig später kehrte die Schwester mit einem großen Badetuch und dem Kaffee zurück. »Es wird etwas dauern, bis der Herr Professor Zeit für Sie hat«, sagte sie entschuldigend und ließ ihn allein.

Robert trocknete sich so gut es ging ab und schlürfte dann voller Genuss den heißen Kaffee. Er musste lange warten. Endlich öffnete sich die Tür, und ein hochgewachsener, fast hager zu nennender Mann mit grauen Schläfen und einem scharfgeschnittenen Gesicht trat mit energischen Schritten ins Zimmer. Er trug einen weißen Ärztekittel und war trotz seiner schon grauen Haare an den Schläfen nicht älter als Anfang vierzig. Es war ohne Zweifel Professor Corelli. Robert war überrascht, wie jung der Professor trotz seiner Position noch war. Er musste außerordentlich ehrgeizig sein.

»Sie waren es, der meine Frau hierher in die Klinik gebracht hat?«, fragte der Professor ohne Umschweife.

Robert war klar, dass er keinen berauschenden Anblick mit seinen durchnässten Kleidern bot. Was ihn aber überraschte, war der fast grobe Ton des Mannes. »Ja, sie hat wirklich großes Glück gehabt, dass …«, begann er freundlich.

Professor Corelli schnitt ihm das Wort ab. »Erzählen Sie von Anfang an. Ich möchte alles wissen. Jede Einzelheit!«

Das war keine Bitte, das war ein Befehl, der keinen Widerspruch zuließ. Robert war im ersten Augenblick perplex. Die Art, wie Corelli mit ihm umsprang, gefiel ihm nicht. Ganz und gar nicht!

Doch er schluckte seinen Ärger hinunter und berichtete so genau wie möglich von dem Unfall.

Corelli steckte sich eine Zigarette an und rauchte nervös. Dabei ließ er Robert nicht einen Moment aus den Augen.

»Ihre Frau muss wahrhaftig einen Schutzengel gehabt haben«, schloss Robert seinen Bericht.

»Das war doch bestimmt nicht alles, oder?«, fragte er schroff.

»Ich verstehe nicht, worauf Sie hinauswollen«, antwortete Robert so gelassen, wie es ihm unter diesen Umständen möglich war. »Was ich von dem Unfall weiß, habe ich Ihnen erzählt. Jetzt würde ich gerne von Ihnen hören, was die Untersuchung ergeben hat.«

»Zwei angebrochene Rippen, mehrere Prellungen und Hautabschürfungen. Nichts von Bedeutung«, erklärte Corelli kühl, als handelte es sich bei Françoise um eine x-beliebige Patientin. »Aber kommen wir zum Thema zurück. Was haben Sie mit meiner Frau gesprochen, und was hat sie Ihnen erzählt?«

Robert sah ihn verständnislos an. »Ich verstehe Ihre Frage nicht ganz«, sagte er mit nun deutlicher Verärgerung in der Stimme.

Corelli bedachte ihn mit einem durchdringenden Blick aus seinen klaren, kalten Augen. »Sie werden doch mit meiner Frau gesprochen haben, oder? Also, was hat sie Ihnen erzählt? Ich habe Ihnen doch gesagt, dass ich alles wissen will! Jede Einzelheit!«

Jetzt reichte es Robert. »Sie vergreifen sich entschieden im Ton, Herr Corelli!« Ganz bewusst verzichtete er auf die Anrede Professor. »Sie scheinen sich, verdammt noch mal, nicht bewusst zu sein, dass ich Ihrer Frau das Leben gerettet habe! Ich erwarte keine Lobeshymnen, aber Ihr Ton gefällt mir nicht! Guten Tag! … Und schönen Dank für den Kaffee, den Ihre Schwester mir gebracht hat. Das war das einzig Angenehme in diesem Haus!«

Von der nächsten Telefonzelle aus rief Hansen im Büro an und teilte seinem Chef mit, dass an diesem Vormittag nicht mehr mit ihm zu rechnen sei. Dann fuhr er nach Hause. Und während der Fahrt beschäftigte ihn die Frage, vor was Françoise solche Angst gehabt hatte und was Professor Corellis merkwürdige Fragen wohl zu bedeuten hatten.

Am nächsten Vormittag konnte sich Robert Hansen in seinem Büro nur schwer auf die Arbeit, die erledigt werden musste, konzentrieren. Immer wieder schweiften seine Gedanken zu Françoise ab. Er hatte ihr gestern noch einen Blumenstrauß und eine Karte mit baldigen Genesungswünschen in die Klinik geschickt.

Er hätte sie gern wiedergesehen. Und es war nicht nur Neugier, die diesen Wunsch in ihm geweckt hatte. Es war da ein anderes Gefühl in ihm, das er jedoch bewusst zu verdrängen suchte.

Robert schob die Entwürfe für die Einrichtung eines Clubhauses von sich und seufzte, ohne sich dessen bewusst zu werden.

In diesem Augenblick trat sein Chef Kurt Mallmer ins Büro. »Wie kommst du voran?«, erkundigte er sich.

»Die Zeit wird knapp«, gestand Robert, der ein sehr freundschaftliches Verhältnis zu seinem Chef hatte.

»Du kannst diese Clubhaus-Sache vorerst vergessen. Kellermann wird sich darum kümmern«, sagte Kurt Mallmer.

Erstaunt blickte Robert auf. »Aber warum denn das? Bist du vielleicht …«

Mallmer fiel ihm lachend ins Wort. »Nein, keine Sorge. Deine Arbeit ist immer erstklassig. Aber ich habe hier einen neuen dicken Auftrag, der genauso eilt.«

»Schön und gut. Doch warum gibst du diesen neuen Auftrag nicht Kellermann?«, wollte Robert wissen.

Mallmer lächelte fein. »Weil der Auftraggeber darauf besteht, dass du die Sache übernimmst, du und kein anderer. Machst du es nicht, platzt der Kontrakt.«

Robert Hansen war nun völlig überrascht. »Das ist wohl ein Witz! … Wer ist denn dieser Auftraggeber?«

Mallmer blickte auf den Zettel, den er in der Hand hielt. »Er erwartet dich heute um 16 Uhr. Es ist Professor Corelli.«

»Ach, das ist ja interessant.« Robert erhob sich, trat an eines der großen Panoramafenster und blickte auf die Straße. Françoise Corelli! Noch heute würde er sie wiedersehen. Was beunruhigte ihn bei diesem Gedanken?

3

Unruhig wälzte sich Françoise auf dem breiten französischen Bett hin und her. Ihre blonden, sanft gelockten Haare waren schweißnass, und ihr Gesicht hatte eine fahle, kranke Blässe. Schmerzwellen jagten durch ihren Körper. Sie krümmte sich und grub die Finger in das zerwühlte Laken.

»O Gott, wann hört das endlich auf!«, stöhnte sie verzweifelt. Minuten später ebbten die Schmerzen ab und machten einer bleiernen Schwere Platz.

Apathisch starrte Françoise mit leeren Augen zur Decke hinauf. Die Vorhänge vor dem großen, bodenlangen Fenster, das zur Terrasse der Villa hinausführte, waren zugezogen. Und die warme Nachmittagssonne dieses Junitags drang nur gedämpft durch den schweren Dekorationsstoff ins Zimmer.

Françoise wusste nicht, wie lange sie schon fast regungslos dagelegen hatte, als es plötzlich an der Schlafzimmertür klopfte. Sie drehte nicht einmal den Kopf, als die Tür geöffnet wurde und Gottfried Küppers ins Zimmer trat. Er war ein muskulöser Mann Mitte dreißig von gedrungener Gestalt und mit einem militärisch kurzen Haarschnitt. Unter buschigen Brauen ruhten zwei höchst wachsame graue Augen.

Offiziell war Gottfried Küppers im Haus der Corellis als Fahrer und Butler angestellt. Doch das entsprach nicht ganz den Tatsachen, wie Françoise nur zu genau wusste. Küppers war der engste Vertraute ihres Mannes. Es war ihr ein Rätsel, wie ihr Mann an ihn gekommen war. Sie wusste nur, dass sie den Kerl hasste. Bisher war es ihr jedoch gelungen, ihre Gefühle vor ihm zu verbergen, denn es war nicht ratsam, sich mit Küppers anzulegen. Und sosehr sie ihn auch verabscheute – sie brauchte ihn.

»Geht es besser?«, erkundigte sich Küppers mit einem etwas spöttischen Lächeln.

»Lass mich in Ruhe!«, sagte Françoise matt.

Gottfried Küppers setzte sich auf den Bettrand und schüttelte leicht den Kopf. »Aber Françoise! Wer wird denn so unfreundlich und gereizt sein? Zumal ich gekommen bin, um mich nach deinem Wohlbefinden zu erkundigen. Das ist aber gar nicht nett.«

Françoise verzog das Gesicht. »Du weißt ganz genau, wie es mir geht!«, stieß sie heftig hervor und wünschte, es wäre endlich alles vorbei und sie wäre tot.