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Deutsche Erstauflage (ePub) September 2015

 

© 2015 by A.C. Lelis

 

Verlagsrechte © 2015 by Cursed Verlag

Inh. Julia Schwenk, Fürstenfeldbruck

 

Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das der Übersetzung,

des öffentlichen Vortrags, sowie der Übertragung

durch Rundfunk und Fernsehen, auch einzelner Teile,

Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit

Genehmigung des Verlages.

 

Satz & Layout: Cursed Verlag

Covergestaltung: Hannelore Nistor

 

ISBN ePub: 978-3-95823-554-0

 

Besuchen Sie uns im Internet:

www.cursed-verlag.de


 

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Klappentext:

 

Das SMack ist Ricks erster Einsatzort nach seiner Versetzung – vorteilhaft für sein noch recht spärliches Privatleben in Hamburg, denn die Fetisch-Bar entspricht genau seinem Geschmack. Und nicht nur sie zieht ihn sofort in ihren Bann, auch ihr Besitzer Andreas übt eine enorme Anziehungskraft auf Rick aus, der er sich schon bald nicht mehr entziehen kann. Doch hinter Andreas‘ verspielter Art verbergen sich Geheimnisse, die nicht nur ihren Gefühlen, sondern auch Ricks Polizeikarriere gefährlich werden können.


 

A.C. Lelis

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[Kapitel 1]

 

Rick

 

 

Ich leide nicht unter einem Helfersyndrom. Der Aspekt, anderen Menschen zu helfen, hat bei meiner Berufswahl nie im Fokus gestanden. Neben Bezahlung, Absicherung und Beamtenstatus – alles gute Gründe – gefällt es mir einfach, mit den bösen Jungs zu rangeln. Vielleicht eigne ich mich deshalb so gut für die Aufgaben eines verdeckten Ermittlers. Nur das Auftauchen nach einem Einsatz fällt mir immer schwer.

Hamburg. Mein neues Zuhause. Nach fast einem Jahr im Untergrund arbeite ich wieder regulär und bin beim Kriminaldauerdienst gelandet. Mein neues altes Leben ist ungewohnt. Das Gefühl, nicht dazuzugehören, will nicht verschwinden. Das wird es vermutlich auch nie wirklich. Als schwuler Bulle lebe ich immer undercover. Erst recht mit meinen Präferenzen.

Ich habe eine Weile gezögert, doch die Bar zieht mich magisch an. Das SMack ist gleich mein erster Einsatzort bei Dienstantritt gewesen. Deshalb habe ich mich eher im Hintergrund gehalten, als meine Kollegin die Augenzeugen befragt hat. So hatte ich Gelegenheit, mich etwas umzuschauen. Und was ich dort gesehen habe, hat mir gefallen. Darum kehre ich zurück. Diesmal privat.

Von außen wirkt die Kneipe dunkel und unscheinbar. Die Fenster sind mit schwarzer Folie beklebt, sodass man nicht reingucken kann. Es ist gewiss kein Ort, der Laufkundschaft anzieht. Das Schild am Eingang weist darauf hin, dass nur Männern der Zutritt gestattet ist. Zudem stoße ich hinter der Tür im Vorraum auf einen muskulösen Aufpasser. Er hat seinem mächtigen Oberkörper einen schwarzen Leder-Harness angelegt, der die Aufmerksamkeit auf die massiven Titanringe lenkt, die durch seine Brustwarzen gestochen sind.

»Neu hier?«, fragt der Mann nicht unfreundlich, während sein Blick prüfend über mich gleitet.

»Ja.«

Der Typ kennt vermutlich jeden Kunden, der die Bar frequentiert, mit Namen. Ich bin erleichtert, dass er mich nicht sofort als den Bullen wiedererkennt, der hier einige Wochen zuvor ermittelt hat. Heute Abend trage ich eine schwarze Lederhose, schwere Schnürstiefel und ein Military-Tanktop. Darüber eine ebenfalls schwarze Lederjacke.

»Wie neu?«, will der Türsteher wissen.

»Nur neu in der Stadt«, versichere ich.

»Na dann, willkommen«, meint der Typ und zupft an dem Tank. »Stoff ist nicht so gern gesehen. Zieh das besser aus, sonst geht's noch kaputt. Ich bin Markus.«

»Rick«, stelle ich mich vor und folge dem Rat, ohne zu zögern. Mein Oberkörper ist recht muskulös und die Brust leicht behaart. Von dort zieht sich ein dunkler, schmaler Steg bis hinab in meine enge Hose. Markus scheint Letzterer zu gefallen. Zumindest folgt ihm sein Blick mit einer beinahe genüsslichen Gemächlichkeit.

»Kannst das Hemd hier lassen und später bei mir abholen…« Es klingt so, als dürfte ich mir noch mehr abholen. Doch für meinen Geschmack ist Markus zu groß. Ich mag es nicht, zu jemandem aufschauen zu müssen. Vielleicht, wenn Markus gerne kniet. Doch danach sieht er nicht aus.

»Danke«, sage ich. »Noch etwas, das ich beachten sollte?«

»Hm, was magst du?«, will Markus interessiert wissen.

»Heute Abend? Einen kinky Sub?«

»Wer mag das nicht.« Markus grinst zynisch. »Okay… Achte auf Halsbänder, die sind hier in der Regel kein einfacher Schmuck. Der Barbereich ist keine Freifickzone. Sektspiele nur im Keller, in den dafür vorgesehenen Zonen, die Toiletten gehören nicht dazu. Kein Parfüm. Kein Stoff. Ansonsten: keine Tabus und viel Spaß.«

»Danke.« Ich nicke ihm noch einmal zu, dann betrete ich den Hauptbereich. Die Bar ist heller ausgeleuchtet als der Rest. Es gibt einige Stehtische davor und auch ein paar Ledersessel an tieferen Tischen seitlich des Tresens.

Gegenüber der Bar – abgetrennt durch vier gemauerte Säulen – befindet sich eine kleine Tanzfläche, die an der hinteren Wand mit einer Art Podium abschließt. Einige Ecken sind bewusst nicht ausgeleuchtet. Eine Seitenwand mit offenem Durchgang, der nur mit einer Art schwarzem Vorhang aus Lederstreifen verhüllt ist, trennt zweifellos den Darkroom ab. Direkt neben mir führt eine Treppe in den Keller. Außerdem gibt es eine Garderobe mit Dressroom.

Insgesamt wirkt die Bar größer, als es von außen den Anschein hat. Ich steuere die Theke an und lasse mich auf einen der mit Leder bezogenen Metallhocker nieder. Die Hocker sind neu. Bei dem Vorfall vor ein paar Wochen sind einige zu Bruch gegangen. Die beiden Streithähne sind weder mit sich selbst noch mit ihrer Umgebung zimperlich umgesprungen.

Gerade herrscht jedoch eine entspannte Atmosphäre. Es sind noch nicht viele Gäste anwesend. Ich lasse meinen Blick wachsam über die Besucher schweifen. Ein Mann in einem der Ledersessel fängt ihn auf und misst sich interessiert mit mir. Ein Dom, keine Frage. Ich halte seinem Blick nur so lange stand, bis deutlich wird, dass ich kein Interesse daran habe, mich unterwerfen zu lassen. Dann suche ich weiter. Keiner der Gäste reizt mich, dennoch fühle ich mich gut aufgehoben. Da ist ein Paar, das offensichtlich miteinander spielt. Der Sub hat diesen ekstatischen Gesichtsausdruck.

»Na, was kann ich dir Gutes tun?« Hinter der Theke steht ein Mann mit tätowierter Glatze und braunem Vollbart. Er trägt wie der Türsteher einen Harness, den er mit einer bärigen Mischung aus Speck und Muskelmasse gut ausfüllt. Vom Alter her ist er wohl jenseits der Vierzig.

»Ein Bier«, bitte ich und halte ihm auf gut Glück einen Fünf–Euro-Schein hin.

Doch der Barkeeper schüttelt den Kopf und stellt mir das frisch gezapfte Getränk vor die Nase. »Das erste geht aufs Haus. Ist nicht so häufig, dass wir ein neues Gesicht sehen.«

»Nicht so viel los hier?«, erkundige ich mich.

»Um diese Zeit noch nicht, nein. Das ändert sich so ab elf.«

Ich sehe auf meine Uhr. Es ist halb elf.

»Hat dir jemand die Bar empfohlen?«

»Hab durch Zufall etwas aufgeschnappt…«, erkläre ich. »Ich mag es ruhiger.«

»Macht auch weniger Ärger, wenn man sich untereinander kennt…« Der Typ mustert mich. »Ich bin Ingo.«

»Rick.«

»Wo kommst du her, Rick?«

»Aus Berlin. Bin neu in Hamburg.« Aufgrund von Markus' Reaktion füge ich noch hinzu. »Aber ich weiß, was ich mag.«

»Gut. Dann muss ich dich nicht warnen. Frischfleisch wird hier genau wie anderswo geschätzt. Wenn du mir sagst, was du genau magst, kann ich dir vielleicht helfen.«

»Ich denke, ich finde mich zurecht.«

»Okay, dann ein Tipp: Wenn Rudi dir einen blasen will, lass ihn ruhig, er kann es gut und es macht ihn glücklich.«

Ehe ich mich erkundigen kann, wer Rudi ist, hat sich Ingo bereits abgewandt, um einen anderen Gast zu bedienen, der an die Bar getreten ist. Ein drahtiger Typ mit Nietenhalsband. Er bestellt mittels Handzeichen zwei Bier und bringt sie seinem Besitzer, der in einem der Ledersessel Platz genommen hat. Der Sub kniet sich anschließend neben ihn. Keiner der beiden ist in meinen Augen sonderlich attraktiv, dennoch bilden sie ein harmonisches Paar und es macht mich an, ihr Spiel zu beobachten. Der Dom streichelt seinem Sub durchs Haar, was dieser sichtlich genießt.

Ich wende den Blick ab, um nicht ins Starren zu verfallen, und begegne dem eines unauffälligen Mannes, der nicht weit von mir an der Bar lehnt. Beinahe schüchtern tritt er näher. »Hi…«

»Hi.« Ich mag es nicht, von Subs angesprochen zu werden.

»Darf ich dir einen blasen?«

Überrascht hole ich Luft. »… Rudi, nehme ich an?«

Der Mann nickt.

Das Angebot macht mich nicht an. Aber wer bin ich, dass ich mir selbst einen Blowjob verwehre, wenn es den anderen glücklich macht? »Warum nicht.«

Ich lege einen Bierdeckel auf mein Glas, greife in den Korb mit den Kondomen, der auf dem Tresen steht, und lasse mich von Rudi in den Darkroom lotsen. Wir sind allein. Es riecht nach Mann, Sex und Reinigungsmitteln. Ein bisschen abgestanden, jedoch nicht zu unangenehm. Es ist nicht wirklich finster, nur leicht abgedunkelt.

Ich lehne mich gegen die Wand und öffne wenig enthusiastisch meine Hose. Der Gedanke an das, was Rudi für mich tun möchte, erregt mich nicht über die Maßen. Doch ich ergebe mich der Situation und lasse es einfach geschehen. In der Tat ist der Mann sehr geschickt. Er bekommt mich mit seinen Händen schnell hart genug, um das Gummi überzuziehen und macht dann mit dem Mund weiter. Seine Lippen sind herrlich weich und die Zunge anscheinend überall, die Zähne nirgendwo. Ich entspanne mich, schließe die Augen und atme genüsslich aus.

Ja, doch… Mir gefällt der Laden.

Mit dem Gefühl, dass Rudi und ich nicht mehr die Einzigen im Raum sind, öffne ich die Augen schließlich wieder. Tatsächlich fällt mein Blick auf einen Mann, der ungeniert am Eingang lehnt und uns beobachtet. Er ist etwas kleiner als ich, aber gut gebaut. Enge Jeans werden durch schwere Bikerboots und dem fehlenden Oberteil gerade so dem Dresscode gerecht. Seine Arme sind komplett tätowiert und die Tätowierung wächst auch noch einmal aus seiner Hose die Leistenbänder hinauf. Das Motiv scheint recht farbintensiv zu sein und hauptsächlich aus Flammen zu bestehen.

Ein heller Lichtstrahl von der Tanzfläche bricht sich an einem massiven Piercing, das durch die linke Brustwarze unseres Beobachters gestochen ist. Es hat den gleichen matt-metallischen Glanz wie seine Augen. Etwas Beunruhigendes geht von dem Mann aus, das mich aufwühlt und der ganzen Situation etwas Intensiveres gibt. Selbst Rudis Mund fühlt sich unter dem Blick heißer und fordernder an. Ich presse die Kiefer aufeinander, um nicht zu stöhnen.

Ein Lächeln gleitet über die Züge des Fremden. Er tritt näher und damit hinter Rudi. Seine Hand streicht durch dessen kurzes Haar. Auch sie ist tätowiert. Von den Knöcheln ausgehend windet sich ein Flammen-Tribal seinen Unterarm hinauf.

Um den muskulösen Oberarm ist ein Kettenmotiv gestochen, das sich zweimal darum wickelt. Auf seinem anderen Arm sehe ich ebenfalls Ketten, an denen die Flammen lecken. Sein gesamter Körper scheint dem Flammenkonzept gewidmet zu sein. Und warum auch nicht: Er ist definitiv heiß.

Die Hand greift stärker zu, nachdem sie Rudi gestreichelt hat, und dirigiert ihn in seinen Bewegungen, zwingt ihn zum Deepthroat. Rudi hat keine Probleme damit, scheint sich jedoch nicht allzu wohl dabei zu fühlen. Ich mich dafür umso mehr. Mühsam unterdrücke ich ein weiteres Stöhnen und schließe die Augen, entscheide mich jedoch nach einer Weile, sie wieder zu öffnen, um das erregende Schauspiel nicht zu verpassen. Der Mann hat eine sexy Ausstrahlung. Er ist dominant, aber irgendwie reizt er mich dennoch. Ich habe zumindest nichts dagegen, Rudi mit ihm zu teilen.

Als Nächstes streckt der Mann seine andere Hand aus und streicht damit über meine bloße Brust. Er nimmt meinen rechten Nippel zwischen Zeige- und Mittelfinger und kneift erstaunlich fest zu. Ich zucke ihm jedoch eher entgegen als zurück. Mein Blut kocht vor Erregung. Der Kerl macht aus dem harmlosen Blowjob etwas unvorhergesehen Heißes.

Mein Orgasmus baut sich langsam auf und wird immer unausweichlicher. So gerne ich ihn noch hinauszögern würde: Der Kerl lässt mich nicht. Seine Augen sind begehrlich auf mich gerichtet. Ihnen entgeht nichts. Auf seinen Lippen bildet sich wieder ein schmales Lächeln. Die Finger an meiner Brustwarze kneifen abermals zu und ich komme. Zuckend stütze ich mich an der Wand hinter mir ab, während ich mich genüsslich ergieße. Es vergeht ein Moment, ehe ich wieder etwas anderes wahrnehme, als meine eigene Ekstase. Dann blicke ich in ein Paar stahlgraue Augen.

»Ich warte an der Bar auf dich«, raunt mir der Typ zu, dreht sich um und geht.

Ich lehne immer noch an der Wand. Atemlos sehe ich ihm nach, zu überwältigt, um mich zu bewegen. Ich genieße den Nachhall. Kein Grund zur Eile. »Wer ist der Typ?«

»Andy?«, hakt Rudi nach, der sich aufrichtet und mich vom Kondom befreit. »Ihm gehört die Bar.«

»Dein Dom?«

Über Rudis Lippen huscht ein scheues Lächeln. Er schüttelt den Kopf. »In meinem Träumen vielleicht. Er ist nicht mal ein richtiger Dom. Andreas switcht.«

Ich schließe die Hose und denke über die Möglichkeiten nach, die diese Offenbarung mit sich bringt. Eigentlich reizen mich flexible Typen nicht sonderlich. Ich finde es inkonsequent. Dennoch erregt mich die Vorstellung, den Mann zu dominieren, aufs Neue. Allerdings habe ich das beunruhigende Gefühl, dass er sich das nicht von jedem gefallen lässt.

»Danke übrigens«, haucht Rudi und verschwindet ebenfalls aus dem Darkroom.

Ich streiche mir durchs Haar und reibe mir übers Gesicht, um einen klaren Kopf zu bekommen, ehe ich Andreas zur Bar folge. Als ich die Säulen passiere, beobachte ich, wie Andreas etwas zu Ingo sagt. Dieser lacht darauf auf und gibt ihm einen gutmütigen Schubs vor die Brust, ehe er ihm ein Glas zuschiebt.

Andreas nimmt einen Schluck und wendet sich zu mir um, als hätte er mich genau dort erwartet, wo ich tatsächlich stehe und ihn anstarre. Ich fühle mich ertappt, versuche es mir jedoch nicht anmerken zu lassen. Stattdessen bleibe ich stehen und betrachte Andreas weiter. Er weicht dem Blick nicht aus. Erneut bildet sich das Lächeln, das so viel Spaß verspricht, auf Andreas' Zügen. Seine Augen werden schmaler. Das Lächeln zu einem Grinsen.

Er prostet mir zu und entgeht so nonchalant dem Blickduell. Dennoch wähne ich mich als Sieger. Ich lasse mich neben Andreas nieder und greife nach meinem Bier, das unberührt auf seinem alten Platz steht. »Ich hatte schon die Befürchtung, dass ich hier nicht mehr als einen lahmen Blowjob finde.«

»Das hier ist der Club der unbegrenzten Möglichkeiten.«

»Was verstehst du unter unbegrenzt? Ist das genauso eine Übertreibung, wie diesen Laden als Club zu bezeichnen?«

»Ich übertreibe nie«, behauptet Andreas.

Von Ingo kommt ein leises Schnauben. »Er hat sicher längst durchschaut, was für ein Schaumschläger du bist, Junge«, spottet er und schiebt mir ein frisches Bier zu. »Das andere ist schon abgestanden. Rudi hat sicher Spaß gehabt. Nett von dir, dass du ihn gelassen hast.«

»Du hattest recht. Er ist ganz gut.« Obwohl mir der letzte Teil am besten gefallen hat. Ich wende mich wieder an Andreas, der mich interessiert mustert. Besonders dominant wirkt er gerade nicht. Aber auch nicht das Gegenteil. »Dir gehört der Laden?«

»Ja, möchtest du eine Tour?«

»Später vielleicht.« Ich nippe an meinem Bier, während ich versuche, den Mann neben mir besser einzuschätzen. Er ist nicht viel älter als ich, wenn überhaupt. Anfang dreißig vermutlich. Recht jung für einen Barbesitzer. Außerdem hat er einen wahnsinnig attraktiven Körper. Ich würde ihn nur zu gerne komplett nackt sehen.

Plötzlich wird mir bewusst, dass ich schon eine ganze Weile auf Andreas' eng verpackten Schritt starre und sich unter den Jeans etwas tut. Ich schmunzle. Es ist nicht wenig, was die Hose dort zum Faltenschlagen bringt. Vielleicht sollte ich mich tatsächlich zu einer Tour überreden lassen.

»Also... Rick?«, hakt Andreas nach.

Ich nicke.

»Ist eine Abkürzung für Patrick?«

»Nein.«

»Dein echter Name?«

»Spielt das eine Rolle?« Es ist der Name meiner letzten verdeckten Ermittlung und fühlt sich echter an als der Name, den mir meine Eltern gegeben haben.

»Nein.« Andreas nimmt einen nachdenklichen Schluck von seinem Getränk. »Bin nur neugierig.«

»Nicht der Name, der auf meinem Ausweis steht.«

Andreas nickt. Er setzt sein Glas erneut an und trinkt bis zur Hälfte. Es scheint nur Wasser zu enthalten. Seufzend stellt er es ab und steht auf. »Eigentlich bin ich auf dem Sprung. Wie lange bleibst du noch?«

»Keine Ahnung. Bin gerade erst gekommen.«

»Ich weiß, deshalb frage ich…« Andreas' Zähne blitzen auf. »Oder reicht dir einmal?«

Tatsächlich brauche ich einen Moment, um den flachen Witz zu kapieren. Ich gestatte mir ein müdes Lächeln. »Nein, vermutlich nicht.«

»Dann komm mit!« Andreas greift abermals zu seinem Glas und leert es diesmal ganz. »Du bist doch neu in der Stadt. Ich zeig dir ein bisschen was.«

»Du lockst mich aus deiner eigenen Bar?«

»Hm ja, es gibt nichts Vergleichbares. Du wirst ohnehin wieder herkommen und dann kostet das Bier auch was.« Andreas zwinkert und deutet mir mit einer Kopfbewegung an, ihm zu folgen.

Einen Moment zögere ich noch, doch dann gebe ich mir einen Ruck. Das Angebot ist zu verlockend und Andreas' Lächeln zu verheißungsvoll, um zu widerstehen. Ich trinke mein Bier auf ex, ehe ich mir mein Tank bei Markus abholen gehe.

»Als hätte ich es geahnt!«, meint der und blickt Andreas vorwurfsvoll an. Auch ihm reicht er sein Oberteil zurück.

Ein schwarzes Shirt, das mit einem unleserlichen Schriftzug bedruckt ist. Damit wirkt er mehr wie ein Rocker als wie der Gast einer Fetisch-Bar. Ich frage mich, was Andreas überhaupt ist. Ein Switch, der nicht einmal in seiner eigenen Bar im strengen Dresscode auftritt… Er macht zumindest nicht den Eindruck, besonders hardcore zu sein.

»Du wirkst ziemlich normal«, stelle ich daher laut fest, als wir auf die Straße treten.

»Kommt auf die Definition an. Was ist normal?«

»Vanilla.«

Andreas schnauft belustigt. »Hin und wieder, aber nicht oft.«

»Mir ist nicht nach vanilla«, deute ich an.

»Habe ich mir gedacht. Wonach ist dir?« Andreas geht die schmale Gasse hinunter in Richtung Lange Reihe. Es herrscht kein Verkehr, daher laufe ich einfach auf der gepflasterten Straße neben ihm. Ich lasse mir Zeit mit meiner Antwort, denn ich bin mir noch nicht sicher.

»Ich habe eine recht grobe Vorstellung, weiß aber noch nicht, wie ich sie umsetzen soll«, gestehe ich schließlich ehrlich.

»Beschreib sie mir.« Er hat wieder dieses Lächeln auf seinen Lippen.

Ich kann ihm nicht widerstehen. Aus einem Impuls heraus packe ich seinen Arm, reiße ihn zu mir, drehe uns, indem ich den Schwung ausnutze, und presse den etwas überrumpelten Andreas an die nächste Hauswand. Mit beiden Händen pinne ich mein Gegenüber gegen den rauen Backstein.

Ja, das fühlt sich schon ziemlich nach dem an, was mir vorgeschwebt hat. Ich lehne mich weiter vor und atme Andreas' Geruch ein. Der spannt die Muskeln an, anscheinend um mir zu signalisieren, dass er sich nicht alles gefallen lassen muss, wenn er nicht will. Ich ignoriere es und… küsse ihn. Es ist das Lächeln. Ich muss es einfach kosten.

Ich spüre, wie Andreas' Arme, die ich immer noch umklammere, zucken. Doch im Moment habe ich die Oberhand. Mein Kraftaufwand, die Position zu halten, ist geringer, als der, den Andreas aufwenden müsste, um sich daraus zu befreien. Wenn er das überhaupt will. Den Kuss erwidert er nach kurzem Zögern recht begierig.

Schließlich bin ich es, der sich löst. »So etwas in der Art.«

Er leckt sich kurz über die Lippen. »Noch recht vage…«

»Gib mir ein bisschen Zeit.« Ich lasse ihn wieder frei. »Was wolltest du mir zeigen?«

»Ein paar Kneipen, ein, zwei Clubs, vielleicht meine Wohnung.«

»Aha, womit fangen wir an?«

»Mit dieser Bar.« Andreas deutet auf einen Eingang, über dem eine Regenbogenfahne hängt. Daneben ist ein Schild befestigt, das den Laden als Tatü ausweist.

Ich runzele die Stirn. Es ist eindeutig nicht meine Art von Bar. »Gibt's darin Einhörner und Feen?«

»Manchmal.« Andreas lacht leise. »Keine Sorge, ich muss nur kurz nachsehen, ob jemand, den ich kenne, dort ist. Wenn nicht, können wir gleich zur nächsten Location.«

»Hat der Jemand kein Handy?«

»Schon…« Andreas zuckt mit seinen breiten Schultern.

»Aber?«

»Würde er mir sagen, wo er ist, müsste ich ihn nicht suchen.«

»Hast du etwas angestellt?«, hake ich nach.

Andreas schmunzelt nur. Offensichtlich hat er das und zieht es vor, nicht darüber zu sprechen. Da ich nicht zu neugierig erscheinen will, belasse ich es dabei. Obwohl ich es wissen will. Sehr sogar. Doch ich gedulde mich. Wenn wir den Gesuchten finden, werde ich es wahrscheinlich ohnehin mitbekommen.

Wir betreten die Bar. Von innen wirkt sie nicht so schrullig, wie ich befürchtet habe. Die Gäste sehen normal aus und die Atmosphäre ist gemütlich. Es gibt mehrere Stehtische und eine Theke aus massivem, dunklem Holz, sowie ein paar Sitzgelegenheiten. Der Raum ist gut gefüllt. Man kann sich zwar noch bewegen, jedoch sind alle Tische belegt und auch die Bar bevölkert. Die Musik kommt nicht gegen den Geräuschpegel der Gespräche an.

Nachdem ich mir diesen ersten Überblick verschafft habe, wende ich mich wieder an meinen Begleiter. Der runzelt konzentriert die Stirn und hat einen recht ernsten Ausdruck aufgesetzt, während er immer noch den Raum scannt.

»Nach wem suchst du denn? Vielleicht kann ich dir helfen, ihn zu finden.«

»Er ist nicht hier«, stellt Andreas fest und wendet sich zum Gehen. »Also, das ist das Tatü. Falls du mal schnell jemanden fürs Bett brauchst, ist der Laden empfehlenswert. Getränke sind auch recht günstig. Aber alles in allem sehr vanilla. Der nächste Club wird besser, versprochen.«

Ich hebe eine Augenbraue. »Ah ja… Ich weiß nicht, ob ich Bock drauf habe, mit dir durch alle Clubs Hamburgs zu ziehen, nur weil du es bei einem Typ verbockt hast.«

»Nein, so ist das nicht«, versichert Andreas gelassen. »Ich habe schon vor, mich mit dir dabei zu amüsieren… Nur nicht im Tatü. Wie gesagt, der nächste Club wird besser.«

Ich bleibe dennoch skeptisch. »Aber du willst weitersuchen.«

Andreas lächelt. »Soll ich lügen?«

»Wenn du willst, dass ich mitmache, sag mir, worum es geht.«

»Na gut.« Er schiebt die Hände in die hinteren Taschen seiner engen Jeans, bleibt jedoch nicht stehen. »Mein Ex und ich sind noch Freunde. Seit einiger Zeit hat er einen Neuen, weigert sich aber, mir den Kerl vorzustellen. Heut habe ich die Info bekommen, dass er mit dem Typ in Hamburg ist. Er mag das Nachtleben hier, daher macht er das von Zeit zu Zeit. Ich will nur sehen, wen er sich da angelacht hat und wieso er so ein Geheimnis daraus macht.«

»Okay…«, sage ich gedehnt und wende mich zum Gehen. Ich werde ihm gewiss nicht dabei helfen, einer alten Liebe nachzuspionieren. Das ist einfach nur erbärmlich. Offensichtlich habe ich mich in ihm getäuscht.

»Hey!« Andreas holt mich rasch wieder ein und stellt sich mir in den Weg. Er wirkt nicht erbärmlich, viel mehr amüsiert. »Ich weiß, wie das klingen muss. Aber keine Sorge, ich bin nicht verzweifelt, nur verdammt neugierig und vielleicht etwas sauer.«

»Ah ja… Deckt sich dennoch nicht mit meinen Plänen für heute Nacht.«

Andreas verdreht die Augen, greift jedoch nach meinem Arm, als ich ihn umrunden will, und versperrt mir abermals den Weg. »Wie wäre es mit einem Kompromiss?«

»Ich mache keine Kompromisse.« Ich sehe ihm geradewegs in die grauen Augen und lege es darauf an, seinen Blick niederzustarren.

Doch diesmal weicht Andreas nicht aus. Er grinst nur noch mehr und legt seine Hände auf meine Schultern. »Ach ja? Keine Kompromisse? Gefällt mir.«

»Zeigst du mir deine Wohnung?« Ich kann ihm nicht widerstehen. Der Mann ist so widersprüchlich. Faszinierend. Doch ich weiß, dass ich in dieser Angelegenheit nicht nachgeben darf, wenn ich die Kontrolle behalten will. Ich werde ihm nicht hinterherlaufen. Erst recht nicht auf dieser beschränkten Such-Mission.

»Definitiv.« Andreas' Lächeln wird noch breiter, als er sich vorlehnt und mir einen beinahe sanften Kuss aufdrückt. Davon löst er sich mit einem Seufzen. »Aber nicht heute Nacht.«

Damit wendet er sich ab und geht. Es ist ein kleiner Schock. Perplex sehe ich ihm nach, als er gemächlich die Straße hinabschlendert. Er sieht sich nicht einmal um. Nur langsam begreife ich, dass ich verloren habe.

Schließlich schüttle ich den Kopf und grinse selbstironisch. »So ein Bastard.«