Dein ist die Rache, Carrie

Pete Hackett

Published by BEKKERpublishing, 2016.

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Dein ist die Rache, Carrie

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Dein ist die Rache, Carrie

Western von Pete Hackett

Der Umfang dieses Buchs entspricht 118 Taschenbuchseiten.

Vier brutale Männer überfallen die Familie Hayes. Nur die älteste Tochter Carrie überlebt und macht sich nun allein auf den gefährlichen Weg den Tod ihrer Familie zu rächen. Wird sie die Mörder zur Rechenschaft ziehen können oder selbst unter die Räder geraten?

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Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker

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1

„Dad!“, rief Barry Hayes, „da kommen vier Reiter auf die Farm zu.“

Isaac Hayes trat durch das Tor der Scheune hinaus in den Sonnenglast, hielt neben seinem Sohn an, beschattete mit der rechten Hand seine Augen, weil ihn das grelle Licht blendete, und knurrte schließlich: „Ich kann keine Einzelheiten erkennen. Es können Fremde sein und Vorsicht ist angebracht. Hol mein Gewehr, Barry.“

Der Fünfzehnjährige warf sich herum und rannte ins Haus. In der Küche befanden sich Malinda Hayes, seine Mutter, sowie seine achtzehnjährige Schwester Carrie. Barry schnappte sich die Winchester seines Vaters und wollte, ohne irgendeine Erklärung abzugeben, die Küche wieder verlassen. Doch die Stimme seiner Mutter hielt ihn zurück, als sie scharf fragte: „Wohin willst du mit dem Gewehr?“

„Ich bringe es Dad“, antwortete der Junge. „Der Farm nähern sich vier Reiter und Dad meint, dass Vorsicht angebracht sei.“

Malinda Hayes ging zum unverglasten Fenster und schaute hinaus. Carrie trat hinter sie und blickte über ihre Schulter. Bei der Scheune stand Isaac Hayes und starrte nach Süden. Die vier Reiter waren noch an die dreihundert Yard entfernt. Die vor Hitze vibrierende Luft verzerrte etwas ihre Silhouetten. Da sie die Sonne im Rücken und jeder von ihnen den Hut weit in die Stirn gezogen hatte, war von den Gesichtern nichts zu erkennen.

„Beeile dich, Barry!“, gebot Malinda Hayes.

„Wer mag das sein?“, murmelte Carrie Hayes. Carrie war eine hübsche, blonde und sehr junge Frau von mittlerer Größe, sie war mädchenhaft schlank, verfügte aber bereits über frauliche Proportionen. Nun ließ sie Unruhe erkennen. Irgendwie muteten die vier Reiter sie bedrohlich an. Carrie konnte selbst nicht sagen, warum das so war, aber in ihr läuteten die Alarmglocken und sie spürte tief in ihrem Innern, dass mit diesen Männern das Unheil die Farm heimsuchte.

Um ihre Mutter nicht zu beunruhigen behielt sie ihre Angst für sich.

Draußen nahm Isaac Hayes von seinem Sohn die Winchester entgegen, riegelte eine Patrone in die Kammer und sagte grollend: „Geh ins Haus, Barry. Vorwärts!“

Die Stimme des Farmers duldete keinen Widerspruch.

Schließlich waren die Reiter so nahe, dass Isaac Hayes Einzelheiten ausmachen konnte. Die vier vermittelten einen wenig vertrauenerweckenden Eindruck. Sie waren hohlwangig, in ihren Gesichtern wucherten tagealte Bärte, sie waren verstaubt und verschwitzt und sie schienen ihre Pferde ziemlich rücksichtslos getrieben zu haben, denn von den geblähten Nüstern der Tiere tropfte weißer Schaum und ihr Fall war nass vom Schweiß.

Dreißig Meilen weiter südlich war die mexikanische Grenze. Auf diesen dreißig Meilen gab es nichts außer Staub, Felsen und stachliges Strauchwerk sowie glühende Hitze. Wer durch diese menschenfeindliche Hölle ritt und sein Pferd nicht schonte, musste einen triftigen Grund haben. In der Regel waren es Gejagte.

Diese vier Männer gefielen Isaac Hayes in keiner Weise. Ein unruhiges, zügelloses Leben hatte unübersehbare Spuren in den Gesichtern hinterlassen. Jeder von ihnen hatte einen Revolvergurt umgeschnallt, aus dem Scabbard eines jeden ragte der blanke Schaft einer Winchester.

Jetzt erhob sich auch der Schäferhund, der vor seiner Hütte im Staub gelegen und den Kopf zwischen die Vorderläufe gebettet hatte, dehnte und streckte sich, beobachtete kurze Zeit die Reiter und fing dann an zu bellen.

„Still, Jerry!“, gebot Hayes, der Hund bellte noch zweimal, dann ließ er sich auf die Hinterläufe nieder und schwieg.

Eine Pferdelänge vor dem Farmer zerrten sie ihre Pferde in den Stand. Die Tiere ließen die Köpfe hängen und prusteten. Aus entzündeten Augen fixierten die Reiter Isaac Hayes, der das Gewehr an der Seite hielt, jedoch nicht auf die Fremden zielte. Der Lauf der Waffe wies schräg zu Boden.

Jetzt tippte einer der Kerle mit dem Zeigefinger seiner rechten Hand gegen die Krempe seines verstaubten Stetsons und sagte krächzend: „Verdammtes Land! Wir kommen von der Grenze herauf und wollen noch Tucson. Mein Name ist Terrence Shaw. Irgendwo in der Wildnis müssen wir die Orientierung verloren haben und sind völlig ahnungslos, wo wir uns befinden.“

„Zwei Meilen weiter westlich liegt Tombstone. Um nach Tucson zu gelangen müsst ihr euch mehr nordwestlich halten.“

„Hast du etwas dagegen, Hombre, wenn wir an deinem Brunnen unsere Pferde tränken und unsere Wasserflaschen auffüllen?“

„Warum sollte ich?“

Die vier Kerle schwangen sich von den Pferden, nahmen die Tiere an den Kopfgeschirren und führten sie zum Brunnen, über dem ein Galgen errichtet war, von dem ein Ledereimer hing. In einen der Stützbalken des Gestells war ein Nagel geschlagen, an dem eine Schöpfkelle aus Aluminium hing.

Langsam folgte ihnen Isaac Hayes. Er hatte sich ein Bild von den Kerlen gemacht und war zu dem Ergebnis gekommen, dass es sich um heruntergekommene Sattelstrolche, vielleicht sogar Banditen handelte, die vor dem Gesetz auf der Flucht waren. Die Flamme des Misstrauens in ihm loderte hoch, er nahm sich vor, auf der Hut zu sein und keine Fragen zu stellen. Je schneller diese Kerle wieder verschwanden, umso besser war es.

Die Winde quietschte durchdringend, als einer von ihnen den Eimer nach unten ließ. Nachdem er ihn wieder nach oben gehievt hatte, nahm Shaw die Schöpfkelle vom Nagel, schöpfte Wasser aus dem Eimer und trank. Dann reichte er sie einem seiner Gefährten und wandte sich an Isaac Hayes, der das Quartett mit Argusaugen beobachtete. „Du wohnst doch sicher nicht alleine hier, Hombre.“

„Nein. Ich bewirtschaftete die Farm zusammen mit meiner Frau und meinen Kindern.“

„Wirft denn die Farm überhaupt genug Ertrag ab, um eine Familie zu ernähren?“

Isaac Hayes hob die Schultern, ließ sie wieder nach unten sacken und erwiderte: „Wenn man genügsam ist, reicht es. Reich kann man allerdings nicht werden.“

Terrence Shaw lachte und – zog für Isaac Hayes völlig überraschend den Colt, richtete die Waffe auf ihn und spannte den Hahn. „Ein paar Dollar hast du sicher auf die Seite gelegt, Hombre. Und da ich annehme, dass du sie uns nicht freiwillig aushändigst ...“

Show feuerte. Der Farmer bekam die Kugel in die Brust und wurde regelrecht umgerissen. Als er am Boden aufschlug, war kein Funke Leben mehr in ihm. Im Haus erklang ein Aufschrei, und dann stürzte Malinda Hayes aus der Tür, rannte zu ihrem Mann und beugte sich über ihn. Barry Hayes folgte ihr.

Der Schäferhund war aufgesprungen, zerrte wie wild an seiner Kette, die von seinem Lederhalsband zur Hundehütte führte und die keinen weiteren Auslauf als fünf Schritte zuließ, und begann wie von Sinnen zu bellen. Seine Nackenhaare hatten sich gesträubt, schließlich fletschte er die Zähne und nur noch ein gefährliches Knurren stieg aus seiner Kehle.

„Isaac!“, entrang es sich Malinda mit einer Mischung aus Entsetzen und Verzweiflung im Tonfall. „Großer Gott ...“

Malinda Hayes war einundvierzig Jahre alt und keine unansehnliche Frau. Sie hatte die blonden Haare hochgesteckt, ihr schmales Gesicht war von der Sonne gebräunt und ihr Mund wies einen sinnlichen Zug auf.

Die vier Banditen wechselten vielsagende Blicke, in ihren Augen glitzerte unverhohlene Habgier und in Terrence Shaws Mundwinkeln hatte sich ein brutaler Zug festgesetzt. Er richtete den Colt auf den Jungen und sagte zwischen den Zähnen: „Tut mir leid, Kleiner, aber Zeugen können wir leider nicht brauchen.“

Kaum, dass das letzte Wort über seine Lippen war, erschoss er Barry.

Keiner der Kerle zeigte irgendeine Gemütsregung.

2

Am Abend dieses Tages brachten zehn Reiter auf einem Fuhrwerk die Familie nach Tombstone. Es handelte sich um ein Aufgebot aus Warren, einer wilden Grenzstadt, das Terrence Shaw und seinen Kumpanen auf den Fersen war. Ein Deputy Sheriff führte die Posse an.

Isaac Hayes, seine Frau und Barry waren tot. Carrie hatten die Banditen – ebenso wie ihre Mutter - brutal vergewaltigt, sie im Gegensatz zu Malinda Hayes aber am Leben gelassen. Dann hatten sie die Farm nach Geld durchsucht, etwas über hundertfünfzig Dollar gefunden, und sich damit aus dem Staub gemacht.

Ace Miller, der Sheriff von Tombstone, ein großer, hagerer Mann um die vierzig, dessen Haare sich bereits grau färbten, war schockiert. Nachdem der Totengräber verständigt worden war und sich Carrie in den Händen des Arztes der Stadt befand, saßen sich der Sheriff und der Deputy aus Warren im Sheriff’s Office gegenüber und der Deputy sagte: „Terrence Shaw und seine Bande sind vorgestern über die Grenze gekommen, und gestern haben sie versucht, in Warren das Büro der Wells Fargo Station auszurauben. Es misslang, denn der Safe hielt den Bemühungen der Kerle stand. Allerdings musste der Stationer den Überfall mit seinem Leben bezahlen.“

„Das sind keine Menschen“, murmelte Ace Miller, „das sind Bestien, die den niedrigsten Trieben gehorchen.“

„Die Morde sind in Ihrem Zuständigkeitsbereich geschehen, Sheriff“, sagte der Deputy. „Ich denke, dass wir umkehren können. Sie kümmern sich doch um die Sache?“

„Natürlich. Ich werde sofort ein Aufgebot zusammenstellen und versuchen, die Spur der Bande aufzunehmen. Gebe Gott, dass wir sie schnappen. Ich möchte diese vier Dreckskerle am Ende eines Stricks baumeln sehen.“

„Dann wünsche ich Ihnen viel Glück, Sheriff.“ Der Deputy erhob sich, verabschiedete sich mit einem Händedruck von Ace Miller und verließ das Office. Zehn Minuten später ritt das Aufgebot aus Warren aus der Stadt. Und eine Stunde später machte sich eine Posse unter der Führung Sheriff Millers auf den Weg zur Hayes Farm.

Die Spur der vier Banditen führte von der Farm aus nach Norden und verlor sich in den Dragon Mountains. „Es hat keinen Sinn“, stieß Ace Miller hervor. „Wir müssen umkehren. Ich werde einen Bericht an Bundesrichter Patterson in Tucson telegraphieren, damit er die Fahndung nach Shaw und seinem Verein in die Wege leitet. Irgendwann wird man die Kerle schnappen – und dann bekommen sie, was sie verdienen.“

Das Aufgebot machte sich auf den Rückweg nach Tombstone.

3

Drei Tage später stand Carrie Hayes an den Gräbern ihrer Familie. Der Totengräber hatte Erde über die einfachen Särge aus Fichtenbrettern gehäuft, drei flache Hügel wiesen auf die letzte Ruhestätte Isaac Hayes’, seiner Gattin und seines Sohnes hin. Der Reverend und die Menschen, die zur Beerdigung gekommen waren, hatten den Boothill bereits verlassen.

Sheriff Ace Miller lehnte an einem Baum am Rand des Friedhofs, hatte die Arme vor der Brust verschränkt und beobachtete Carrie. Er hatte Mitleid mit ihr; sie stand nun mutterseelenallein auf der Welt, man hatte sie geschändet, ihre Ehre mit Füßen getreten, und wenn sie körperlich auch unversehrt geblieben war – die tiefen, seelischen Wunden würden sicherlich niemals heilen.

Mit erloschenem Blick starrte die junge Frau auf die Grabhügel. Es war ein Albtraum, und mit dem Herzen konnte sie noch immer nicht akzeptieren, was ihr der Verstand einzuhämmern versuchte. Es überstieg ihr Begriffsvermögen. Bis vor drei Tagen war ihre Welt noch in Ordnung gewesen. Und nun ...

In ihr war etwas abgestorben. Sie verspürte Trauer, Mutlosigkeit und – Angst, denn sie würde künftig ganz alleine auf sich gestellt sein. Und davor fürchtete sie sich. Aber da war etwas, das noch stärker war als das erdrückende Gefühl von Einsamkeit und Verlorenheit. Es war Hass - leidenschaftlicher, mörderischer Hass auf die Männer, die ihr Leben zerstört hatten.

Fast widerwillig wandte sie sich ab, hörte das Knirschen von Kies unter harten Ledersohlen und drehte ein wenig den Kopf. Der Sheriff schritt auf sie zu. Er blieb einen Schritt vor ihr stehen, schaute sie ernst, zugleich aber auch forschend an und fragte schließlich: „Was wirst du nun tun, Carrie? Willst du auf der Farm bleiben?“

In ihrem bleichen Gesicht zuckten die Muskeln, ihre Augen waren vom Weinen gerötet. Nun konnte sie nicht mehr weinen; zu viele Tränen hatte sie in den zurückliegenden drei Tagen vergossen. „Ich weiß es nicht“, murmelte sie. „Ich denke aber, dass ich nicht auf der Farm bleibe. Die Erinnerung ...“

Ihre Stimme brach, sie schluchzte trocken, senkte den Blick und murmelte: „Die Kerle sprachen davon, dass sie nach Tucson wollten. Ich kenne ihre Namen, und ich habe mir ihre Gesichter eingeprägt; sie haben sich in mein Gedächtnis regelrecht eingebrannt. Ich glaube, ich gehe auch nach Tucson.“

Ace Miller runzelte die Stirn. „Davon kann ich nur abraten, Mädchen. Tucson ist ein Sündenpfuhl, und du wirst dem lichtscheuen Gesindel, das sich dort ein Stelldichein gibt, hilflos ausgeliefert sein, denn du bist schwach und du hast keinen Cent Bargeld. Du kommst in Tucson unter die Räder.“

„Nein!“, stieß Carrie hervor. „Ich werde mich behaupten. Und wenn die Mörder meiner Familie in Tucson sind, dann ...“

Jetzt wurde der Blick des Sheriffs durchdringend, geradezu stechend. „Was hast du vor, Carrie?“, presste er zwischen den Zähnen hervor.

Carrie hob wieder den Blick und schaute den Sheriff an, dann antwortete sie mit harter und präziser Stimme: „Ich will diese dreckigen Mörder zur Rechenschaft ziehen, Sheriff. Sie müssen büßen für das, was sie getan haben.“

„Überlass es dem Gesetz, Mädchen“, knurrte Miller. „In Tucson weiß man Bescheid. Ich habe den Bundesrichter telegraphisch informiert, außerdem habe ich einen ausführlichen, schriftlichen Bericht hinterher gesandt. Sollten die vier Kerle dort aufkreuzen, wird sich entweder der Sheriff oder der Town Marshal um sie kümmern.“

„Das Gesetz ist schwach, Sheriff“, versetzte Carrie, „darum verlasse ich mich nicht darauf, dass die Mörder irgendwann geschnappt und verurteilt werden.“

„Das ist Irrsinn, Carrie. Diese Kerle sind skrupellose Banditen; niederträchtig, heimtückisch, brutal und absolut tödlich – tödlicher als Klapperschlangen. Wie stellst du dir das vor? Willst du dir einen Colt umschnallen oder das Gewehr deines Vaters nehmen, vor die Schufte hintreten, ihnen deinen Hass ins Gesicht schleudern und schließlich mit ihnen kämpfen? Gütiger Gott, Mädchen! Weißt du, was die mit dir machen?“

Carries Gesicht hatte sich verschlossen. „Es wird sich zeigen“, murmelte das Mädchen, setzte sich in Bewegung und schritt an Ace Miller vorbei in die Richtung der Pforte, durch die man den Friedhof verlassen konnte.

Eine Viertelstunde später verließ Carrie Tombstone mit dem Fuhrwerk, mit dem das Aufgebot aus Warren sie und ihre getöteten Angehörigen in die Stadt transportiert hatte. Als sie am Office vorüber fuhr, stand der Sheriff auf dem Vorbau. Carrie vermied es, ihn anzusehen und hielt den Blick starr geradeaus gerichtet.

In Millers Zügen arbeitete es. Versonnen schaute er hinter Carrie her und er fragte sich, ob sie ihren verrückten Plan tatsächlich in die Tat umzusetzen gedachte. Verdammt!, durchfuhr es ihn. Sie hat absolut entschlossen gewirkt. Und sie ist voll Hass. Wie kann ich verhindern, dass sie eine Dummheit begeht?

Er sprach am Abend mit seiner Frau. Clementine sagte kurz entschlossen: „Reite hinaus zur Farm und hol Carrie in die Stadt, Ace. Ich möchte, dass sie künftig bei uns lebt. Wir werden ihr, so gut wir können, die Eltern ersetzen. Wir dürfen sie nicht sich selbst überlassen. Darum bieten wir ihr ein Zuhause, und die Zeit wird irgendwann auch ihre Wunden heilen.“

„Hoffentlich komme ich nicht zu spät“, murmelte Ace Miller und erhob sich aus dem Sessel, in dem er saß, holte seinen Revolvergurt, schnallte ihn um, schnappte sich sein Gewehr und verabschiedete sich von seiner Frau.

Es war ziemlich finster, als er auf der Hayes Farm eintraf. Die Gatter der Pferche und Koppeln, in denen die Schafe und Ziegen sowie die beiden Milchkühe geweidet hatten, waren geöffnet. Die Tiere standen verstreut rund um die Farm herum, einige waren bei dem schmalen Bach, der in der Nähe des Hauses in Richtung des San Pedro River floss.

Nirgends war Licht zu sehen.

Ace Miller hatte sein Pferd im Farmhof angehalten und rief einige Male laut Carries Namen. Der Sheriff zerkaute eine Verwünschung, saß ab, ging ins Haus und rief erneut den Namen der jungen Frau. Nichts! Er schaute in den Stall. Er war leer. Ace Miller begriff, dass Carrie sämtliche Tiere freigelassen hatte, damit sie ausreichend Futter fanden und zum Wasser laufen konnten.

Das Pferd, gleichermaßen Zug- sowie Reittier Isaac Hayes’, war verschwunden.

„Sie hat keine Zeit verloren“, murmelte er für sich und dachte: Du hast versagt, Ace, denn du hättest verhindern müssen, dass sie auf die Farm zurückkehrt. Und wenn sie in ihr Unglück rennt, dann kannst du dir das an deine Fahne heften. Die Hölle verschlinge die vier Halsabschneider ...

4

Bis Tucson betrug die Entfernung von der Hayes Farm aus etwas über sechzig Meilen. Carrie benötigte dafür eine Woche, denn sie hatte kein Geld und sie war darauf angewiesen, auf den Farmen und Ranches, die an ihrem Weg lagen, Mahlzeiten zu erbetteln. Sie scheute sich auch nicht, für eine Mahlzeit ein paar Stunden zu arbeiten.