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Inhalt

Hoheit als Gespenst

Kartoffelpuffer mit Apfelkompott

Tinas Plan

Wettreiten mit Holger

Dolce Vita

Verhext

Bruno Rettberg

Das Foto

„Der Große Preis von Rotenbrunn“

Ein sensationelles Rennen

Die Siegerehrung

Holger ist weg

Stallarbeit macht gute Laune

Ich bin Emil

Der Safe

Einbrecher

In der Falle

Unerwartete Befreiung

Kommissar Hufnagel

Auf dem Polizeipräsidium

Holgers Entscheidung

Ohne Hexerei und Doping

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Hoheit als Gespenst

„Puh, ganz schön schwer!“

Bibi Blocksberg, die kleine Hexe, versuchte, eine riesige Wanne mit frisch gewaschener Wäsche hochzuheben.

„Warte, ich helf dir“, rief ihre Freundin Tina Martin und fasste auch mit an. „Hau ruck!“

Zu zweit gelang es den Mädchen leicht, die Wanne hochzuheben. Mit kleinen, schnellen Schritten schleppten sie die Wäsche aus der dunklen, kühlen Waschküche die Kellertreppe hoch. Vor der Haustür mussten sie noch einmal absetzen und Luft holen. Doch als sie dann in die strahlende Herbstsonne hinaustraten, konnte Bibi nur noch daran denken, dass gleich eine ganze arbeitsfreie Woche vor ihnen liegen würde.

Am Morgen waren sämtliche Ferienkinder abgereist. Bibi und Tina hatten keine Mühe gescheut, es den Kindern so schön wie möglich zu machen: Sie hatten Ausflüge organisiert und Lagerfeuer mit ihnen gemacht, den Kindern das Leben auf dem Reiterhof gezeigt und mit ihnen gespielt. Sie hatten Streitereien geschlichtet, sie getröstet, wenn sie Heimweh hatten, und ihnen vorgelesen, wenn sie abends nicht einschlafen konnten. Rund um die Uhr waren sie im Einsatz gewesen. Meistens hatte das großen Spaß gemacht; es war aber auch ganz schön anstrengend gewesen. Nun hatte Frau Martin sie noch gebeten, die Betten abzuziehen, die Wäsche zu waschen und zum Trocknen aufzuhängen. „Danach habt ihr für den Rest der Ferien frei!“, hatte sie ihnen versprochen.

Bibi und Tina trugen die Wanne zur Wäscheleine im Garten und begannen mit ihrer Arbeit. Es war gar nicht so einfach, die großen Laken und Bettbezüge faltenfrei aufzuhängen. Außerdem mussten sie sich beeilen. Gleich würden Isabella Carboni und ihr kleiner Bruder Fredo kommen. Fredo war acht Jahre alt und lernte seit Kurzem bei Tinas Bruder Holger das Reiten. Isabella war Fredos große Schwester und brachte ihn immer auf den Martinshof. Ihren Hund Ricki hatten sie bestimmt auch mit dabei. Denn während Holger dem kleinen Fredo Reitunterricht erteilte, ging Isabella gern mit Ricki auf den Feldwegen rings um den Martinshof spazieren. Dabei wollten Bibi und Tina sie unbedingt begleiten. Ricki war ein lustiger Mischlingshund, und es machte riesigen Spaß, mit ihm Gassi zu gehen. Außerdem fanden sie es interessant, sich dabei mit der 18-jährigen Isabella zu unterhalten. Sie ließ die beiden den Altersunterschied überhaupt nicht spüren, sondern behandelte sie fast wie gute Freundinnen.

Als sie das letzte weiße Laken über die Leine gelegt und glatt gezogen hatten, hörten sie Motorengeräusch. Gleich darauf brauste Isabella in ihrem kleinen roten Auto auf den Martinshof. Sie hatte in diesem Sommer erst ihren Führerschein gemacht und fuhr recht temperamentvoll. Als sie Bibi und Tina sah, drückte sie zur Begrüßung dreimal auf die Hupe. Im nächsten Moment sprangen sie, Fredo und Ricki auch schon aus dem Auto. Ricki hatte lustige Schlappohren, ein weiß-braun geflecktes Fell, funkelnde braune Augen und ein kurzes Stummelschwänzchen, das jetzt vor Begeisterung wackelte wie verrückt.

Nicht nur Bibi und Tina mochten den kleinen Hund. Auch Hoheit, der Ziegenbock des Martinshofes, hatte Freundschaft mit ihm geschlossen. Hoheit hatte neben dem Ententeich im Gras gelegen und sich die wärmende Herbstsonne auf sein Fell scheinen lassen, als Isabellas Hupen ihn aus seinem Dösen riss. Sobald er Ricki sah, sprang er auf ihn zu. Ricki bellte aufgeregt, dann machte er kehrt und flitzte wie ein geölter Blitz davon. Zur Begrüßung lieferten sich die beiden jedes Mal eine verrückte Verfolgungsjagd. Ricki schlug die wildesten Haken, aber Hoheit ließ sich nicht abschütteln. Die Mädchen sahen ihnen lachend zu. Auf einmal rannte Ricki auf das große weiße Laken zu, das Bibi und Tina eben aufgehängt hatten und das fast bis zum Boden reichte. Hoheit war dem kleinen Hund dicht auf den Fersen. Aber während Ricki unter dem Laken hindurchjagte, lief Hoheit direkt in die Falle, in die der schlaue Hund ihn gelockt hatte: Mit den Hörnern voran rannte er in vollem Tempo in das weiße Bettlaken hinein. Dabei rutschte es von der Leine, fiel auf Hoheit herab und deckte ihn vollständig zu. Der Arme konnte überhaupt nichts mehr sehen! Er bockte und sprang herum, um das Laken wieder loszuwerden. Aufgeregt bellend umkreiste Ricki den verrückt gewordenen Ziegenbock, während die Mädchen die Szene halb lachend, halb erschrocken beobachteten. Schließlich gelang es Tina, einen Zipfel des Lakens zu erhaschen. Ein kräftiger Ruck, und ein reißendes Geräusch ertönte.

„Mist“, rief Tina.

Immerhin kam Hoheit wieder zum Vorschein. Mit wütenden Kopfbewegungen schüttelte er das Laken ganz ab. Würdevoll, als ob nichts geschehen wäre, schritt er zu seinem sonnigen Plätzchen zurück und ließ sich dort wieder im weichen Gras nieder.

In diesem Moment war eine laute Stimme zu hören. „Hey, alles in Ordnung bei euch?“

Es war Holger Martin, Tinas 18-jähriger Bruder. Er stand in der Tür der Scheune und kam nun auf sie zu – Gesicht und Hände mit Motoröl verschmiert. Seit der Abreise der Ferienkinder war Holger damit beschäftigt, den Motor des alten Traktors in seine Einzelteile zu zerlegen. Letzte Woche hatte er beim Fahren ein „verdächtiges Geräusch“ gehört, dem er jetzt endlich auf die Spur kommen wollte.

„Ja, alles in Ordnung“, rief Tina und verbarg blitzschnell das zerrissene Laken hinter ihrem Rücken. „Hoheit und Ricki haben sich bloß wieder eine ihrer Verfolgungsjagden geliefert.“

Zum Glück fragte Holger nicht genauer nach, denn Fredo lief auf ihn zu. „Fangen wir gleich mit dem Reitunterricht an?“, krähte er voller Vorfreude.

„Na klar!“, erwiderte Holger. „Ich muss mir nur erst die Hände waschen.“

„Und das Gesicht“, ergänzte Isabella lachend. „Da bist du auch ganz verschmiert.“

„Echt?“ Holger fuhr sich mit Zeige- und Mittelfinger über die Wange, die jetzt ein weiterer dicker schwarzer Streifen zierte. Plötzlich sah er aus wie ein Indianer mit Kriegsbemalung, und Isabella musste noch mehr lachen.

Holger zuckte nur mit den Achseln. „Bin gleich wieder da“, brummte er und verschwand im Haus.

Isabella sah ihm gedankenverloren nach. Erst als Bibi fragte, ob sie gleich wieder alle zusammen mit Ricki Gassi gehen würden, erwachte sie und räusperte sich.

„Ja! Meinetwegen können wir sofort los.“

„Und was machen wir mit dem Laken?“, fragte Tina und zog es auseinander. „Mutti wird nicht gerade begeistert sein.“

Hoheit hatte das Laken ganz schön zugerichtet, es hatte einen langen Riss und war schmutzig und zerknittert.

„Ach, das ist doch kein Problem“, sagte Bibi. „Ich kann einfach …“ Unwillkürlich hob sie ihre Arme, doch bevor sie loslegte, warf sie Tina einen fragenden Blick zu.

Diese nickte. „Aber mach schnell, Bibi! Bevor Mutti es merkt.“

Natürlich ging es ums Hexen. Bibi war schließlich eine Hexe, aber leider mochte Tinas Mutter auf dem Martinshof keine Hexereien. In einem solchen Fall konnte sie aber wohl nichts dagegen haben, fand Bibi.

„Eene meene Angelhaken, an der Leine hängt das Laken. Eene meene Fußballtor, ganz und sauber wie zuvor. Hex-hex!“

Es machte Plingpling, Hexsternchen sprühten aus Bibis Fingern, und plötzlich schwebte das Laken aus Tinas Händen und legte sich wieder ordentlich und faltenfrei über die Wäscheleine. Das Loch war verschwunden und das Laken so blütenweiß wie vorher.

„Genial!“, rief Isabella begeistert. Sie wusste zwar schon, dass Bibi eine Hexe war, hatte sie aber noch nie in Aktion erlebt. „Kannst du mir das beibringen?“, fragte sie.

Bibi schüttelte den Kopf. „Leider nein“, erklärte sie. „Hexkraft ist angeboren und vererbt sich nur von der Mutter auf die Tochter.“

„Tja, so ein Pech, dass meine Mutter keine Hexe ist.“

Isabella strich sich eine ihrer widerspenstigen Haarsträhnen hinters Ohr. Dann berichtete sie den Mädchen ausführlich, wie ihr kürzlich bei der Arbeit ein ganzes Tablett voller Geschirr auf den Boden geknallt sei.

„Das war vielleicht ein Krach! Eine alte Oma hätte fast einen Herzinfarkt gekriegt“, sagte sie lachend.

Als Tochter des Eisdielenbesitzers Carboni aus Rotenbrunn musste sie nämlich in den Ferien in der Eisdiele aushelfen.

„Aber das Schlimmste war, dass das ganze Geschirr kaputt war“, fuhr sie fort. „Mit Hexerei hätte ich es leicht wieder reparieren können. Aber so hat mein Vater natürlich furchtbar geschimpft.“

Sie begann, ihren Vater nachzuahmen und wild gestikulierend auf Italienisch zu fluchen. Auch wenn Bibi und Tina nichts verstehen konnten, mussten sie trotzdem laut lachen. Isabella war wirklich zu witzig. Doch im nächsten Moment verstummte sie. Holger war plötzlich wieder aufgetaucht – mit sauberen Händen und frisch gewaschenem Gesicht.

„So, es kann losgehen, Fredo“, sagte er.

Der Junge, der Ricki gestreichelt hatte, sprang sofort auf.

„Darf ich heute allein reiten, Holger?“, wollte er wissen.

Holger schüttelte gutmütig den Kopf. Fredo bekam erst seine dritte Reitstunde; er war also noch ein blutiger Anfänger. Zunächst einmal musste er sich an den Rhythmus des Pferdes gewöhnen. Er musste lernen, bei den verschiedenen Gangarten das Gleichgewicht zu halten. Dazu führte Holger die ruhige kinderliebe Stute Topsy an einer Longe, während Fredo auf ihrem bloßen Rücken saß.

„Reiten lernt man nicht von einem Tag auf den anderen“, erklärte er dem Jungen. Die beiden verschwanden einträchtig Richtung Reitplatz, der sich mitsamt den Pferdekoppeln hinter dem Martinshof befand.

„Holger ist bestimmt ein toller Reitlehrer“, sagte Isabella und sah den beiden wieder abwesend hinterher. „Außerdem ist er echt süß … zu Fredo. Also, mein kleiner Bruder mag ihn jedenfalls sehr gern.“

„Tja“, sagte Tina lächelnd. „Holger ist eben sehr beliebt. Aber wie wär‘s, wenn wir jetzt mit Ricki Gassi gehen?“

Als Ricki das hörte, flitzte er sofort zum Tor des Martinshofes, wo er sich hechelnd zu ihnen umdrehte und laut bellte, als wolle er sie auffordern, endlich zu kommen.

„Ricki ist ganz deiner Meinung“, sagte Isabella. „Also gehen wir!“

Die Mädchen folgten dem kleinen Hund, der ihnen begeistert vorausrannte, als sie sich in Bewegung setzten.

Bibi fragte sich, wer hier eigentlich wen Gassi führte ...

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Kartoffelpuffer mit Apfelkompott

Ricki rannte frohgemut vor ihnen her. Immer wieder hielt er kurz an, um interessiert an einem Busch oder einem Stein zu schnüffeln. Anschließend hob er unweigerlich sein Bein und setzte eine Duftmarke, bevor er eifrig weiterlief. Bibi und Tina kicherten. Sie fanden es lustig, den kleinen Hund zu beobachten.

Schließlich berichteten sie Isabella, dass am Morgen sämtliche Ferienkinder abgereist waren und sie für den Rest der Ferien freihatten. Isabella seufzte neidisch. Sie müsse täglich in der Eisdiele ihrer Eltern aushelfen, erzählte sie. Ihr Vater wolle, dass sie das Geschäft einmal übernehme, dabei wisse sie noch gar nicht, ob sie dazu überhaupt Lust habe.

Bibi fragte sie nach dem leckeren Eisrezept, für das die Eisdiele Carboni berühmt war. Aber das konnte Isabella ihr nicht verraten.

„Das ist ein Geheimrezept“, erklärte sie. „Mein Vater hat es von seinem Vater und der wieder von seinem Vater, der vor vielen Jahren eine Eisdiele auf Sizilien hatte.“

Das Geheimrezept würde sie erst erfahren, wenn feststand, dass sie die Eisdiele tatsächlich übernehmen wolle.

„Also, ich würde sie sofort übernehmen“, sagte Bibi. „Es muss toll sein, so leckeres Eis zu machen. Außerdem kannst du es dann jeden Tag selbst essen.“

Isabella lachte. „Vielleicht hast du recht, Bibi! Weißt du eigentlich schon, was du später mal werden willst?“

„Vor allem eine gute Hexe“, meinte Bibi. „Ich kann zwar schon viel, aber Mami meint, ich hätte auch noch eine Menge zu lernen. Vor allem mit meinen voreiligen Hexereien richte ich manchmal ganz schönes Chaos an. Papi wäre es am liebsten, ich würde einen ganz normalen Beruf ergreifen. Tierärztin oder so. Aber vielleicht werde ich auch beides: eine gute Hexe und Tierärztin.“

Isabella musste zugeben, dass das sehr interessante Berufsaussichten waren.

„Und wie ist es bei dir?“, fragte sie Tina. „Willst du mal den Martinshof übernehmen, oder macht das dein großer Bruder?“

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