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Über dieses Buch:

Mit der Zeitreisemaschine werden Wunder wahr: Nach dem missglückten Versuch, endlich wieder nach Hause zu kommen, landen Professor Ambrosius und seine Freunde im sagenumwobenen Atlantis. Sie freunden sich mit der zukünftigen Königin Requilla an und erfahren, dass ein zwielichtiger Fremder alles daran setzt, die Krone an sich zu reißen. In dem sonst so friedlichen Land herrschen bald Chaos und Misstrauen, und die Zeitreisenden müssen zum mythischen Feuerberg wandern, um Requilla zu helfen … eine Reise, die den erfahrenen Abenteurern alles abverlangt.

Über die Autorin:

Marliese Arold, Jahrgang 1958, entdeckte schon als Kind ihre Leidenschaft für Geschichten. Statt Schriftstellerin wurde sie aber erst mal Bibliothekarin. Seit der Geburt ihrer Kinder schreibt sie selbst – über 180 Bücher sind es mittlerweile, die in 20 Sprachen übersetzt wurden. Sie lebt mit ihrem Mann in Erlenbach am Main.

Bei jumpbooks veröffentlicht sie auch:

ZM – streng geheim. Band 1: Das Geheimnis des alten Professors

ZM – streng geheim. Band 2: Grabraub im Tal der Könige

ZM – streng geheim. Band 3: Die Sonnenstadt von Ol-Hamar

ZM – streng geheim. Band 5: Das Rätsel von Machu Picchu

ZM – streng geheim. Band 6: Der Herrscher von Atlantis

Weitere Bücher sind in Vorbereitung.

Die Autorin im Internet: www.marliese-arold.de

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eBook-Neuausgabe November 2016

Copyright © der Originalausgabe 1984 Pelikan AG – D-3000 Hannover 1

Copyright © der Neuausgabe 2016 dotbooks GmbH, München

Copyright © 2016 jumpbooks Verlag. jumpbooks ist ein Imprint der dotbooks GmbH, München.

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Nele Schütz Design unter Verwendung von shutterstock/KeilaNeokow EliVokoumova (Hintergrund), Denis Christo (Kids),Catmando (Hai)

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH

ISBN 978-3-96053-179-1

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Marliese Arold

ZM – streng geheim

Band 6: Der Herrscher von Atlantis

jumpbooks

Kapitel 1
Dem Tod entgangen

»Ich dachte, wir kehren nach Hause zurück«, sagte Michael. »Aber wir geraten ja immer weiter in die Vergangenheit!«

Die Kinder und der Professor starrten bestürzt auf die Zeitanzeige.

»Neuntausend Jahre vor Christus«, murmelte Heike voller Angst. »Kannst du die Zeitmaschine nicht endlich stoppen, Onkel Ambrosius?«

»Ich habe schon alles versucht«, erwiderte der Erfinder. »Doch sie läßt sich nicht steuern. So verrückt es auch klingt: Etwas scheint uns anzuziehen!« Er schüttelte den Kopf. »Ich verstehe das nicht. Eigentlich wollte ich endlich heim in mein Laboratorium, um dort in Ruhe zu arbeiten. Aber daraus wird wieder nichts! – Und dabei habe ich mich schon so darauf gefreut, dieses Dingsda, das wir im Schlepptau haben, auseinanderzunehmen. «

In einer südamerikanischen Felsenhöhle hatten er und seine jungen Freunde ein sonderbares Gefährt gefunden: eine Raum-Zeit-Arche. Durch eine Aufzeichnung hatten sie erfahren, daß sich die letzten Bewohner von Atlantis mit dieser Arche gerettet hatten, als eine große Katastrophe über ihr Land hereingebrochen war. Folglich mußte es sich um eine Art Zeitmaschine handeln, und dafür interessierte sich der Erfinder natürlich brennend. Daher hatte er das Zeitfeld seiner Maschine ausgedehnt, und die Arche reiste sozusagen im »Schlepptau« mit. Wenn der Professor allerdings geahnt hätte, in welche Verwicklungen ihn dieses Unternehmen verstricken würde, hätte er die Raum-Zeit-Arche gewiß in der Höhle gelassen ...

»Wir werden langsamer«, verkündete Thomas. »Vermutlich bleibt die Zeitmaschine bald von selbst stehen.«

»Na hoffentlich«, meinte der Professor. »Ich habe keine Lust, bis in die Steinzeit zu reisen.«

Vor den runden Fenstern lichtete sich bereits der weiße Nebel des Zeitstroms. Dazwischen schimmerte dunkles Blau. Jetzt konnten die Kinder auch die Arche erkennen, die neben ihrer Maschine durch den Dunst glitt. Plötzlich stieß Michael einen Schrei aus.

»Seht euch die Arche an: Sie beginnt zu glühen!«

Tatsächlich! Atemlos beobachteten die Zeitreisenden, wie sich die Seitenteile des Gefährts erst rosa färbten und dann orangefarben aufleuchteten. Schon schmolzen die beiden Flügel und rollten sich zusammen.

»Sie geht kaputt«, sagte Professor Ambrosius fassungslos.

Die Raum-Zeit-Arche fiel in sich zusammen und wurde zu einem roten Feuerball. Nebelschwaden verhüllten ihn. Auf einmal wurde alles blau. Vor den Fenstern schwappten Wellen.

»Wasser!«, rief Thomas entsetzt.

Der Professor versuchte geistesgegenwärtig, die Schwebevorrichtung der Maschine einzuschalten, aber auch diesmal riß er vergebens an dem Hebel. Nichts funktionierte mehr. Die Zeitmaschine begann zu sinken. Vor den Fenstern schwebten Algen. Schon sickerte Wasser zu den Ritzen herein. Es galt, schnell eine Entscheidung zu treffen, denn jede Sekunde vergrößerte die Gefahr.

»Wir müssen hier raus«, befahl Thomas.

»Aber ich kann doch gar nicht schwimmen«, jammerte der Erfinder.

Inzwischen standen die Zeitreisenden bereits knöcheltief im Wasser. Moorteufel hatte sich ängstlich auf einen der Sitze zurückgezogen. Von dort aus beobachtete der Hund mißtrauisch, wie das Wasser langsam höher stieg.

»Heike und ich, wir haken Sie unter«, bestimmte Thomas. »Michael, du mußt dich um Moorteufel kümmern.« Dann drückte er auf den Türöffner. Die Einstiegsluke glitt auf. Augenblicklich flutete kaltes Wasser herein. Die Kinder und der Professor wurden von seiner Gewalt umgerissen. An der Decke der Zeitmaschine bildete sich eine große Luftblase. So konnten sie alle noch einmal tief atmen, bevor sie die Maschine verließen.

Zum Glück waren die Kinder gute Schwimmer. Thomas tauchte zuerst hinaus. Am Eingang wartete er auf Heike und den Professor. Das Mädchen drückte den Erfinder unter Wasser, holte selbst Luft und schob ihn durch die Luke nach draußen, wo Thomas bereits die Arme ausstreckte. Gemeinsam zerrten sie den Erfinder nach oben. Es war schwierig, denn der Professor war schwer; außerdem hinderten die Kleider sie beim Tauchen. Der Weg nach oben schien endlos. Michael hatte es mit Moorteufel einfacher. Der Hund erleichterte dem Jungen die Arbeit, indem er instinktiv die richtigen Bewegungen machte. Bald sahen Heike und Thomas Michaels Beine und den strampelnden Moorteufel hoch über sich. Was früher nur ein Spiel gewesen war, wurde jetzt bitterer Ernst: Wie lange konnten sie die Luft anhalten? Heike hatte das Gefühl, platzen zu müssen. Sie stieß einen Teil der angehaltenen Luft wieder aus, das brachte momentan Erleichterung.

Endlich! Sie waren oben. Heike schnappte nach Luft. Der Professor prustete. Auch Thomas atmete heftig.

Michael und Moorteufel schwammen ein paar Meter weiter entfernt.

»Es sieht schlecht aus«, rief der Junge. »Wir sind mitten auf dem Meer. Dort hinten ist zwar Land, aber es sind gewiß mehrere Kilometer bis dorthin. Ich weiß nicht, ob wir das schaffen.«

»Mit dem Professor bestimmt nicht«, dachte Thomas. Sie hatten jetzt schon Mühe, den Erfinder über Wasser zu halten.

»Wir müssen es einfach versuchen«, keuchte Heike und trat heftig Wasser, um nicht unterzugehen.

»Laßt mich«, gurgelte Professor Ambrosius. »Ich bin schon halbtot. Rettet wenigstens euch und laßt mich ertrinken.«

»Nein«, sagte Thomas energisch. »Wir werden uns abwechseln. Legen Sie sich flach auf den Rücken und bewegen Sie sich nicht.« Er drehte sich selbst auf den Rücken, packte den Professor unter den Achseln und schleppte ihn so ab, wie er es beim Rettungsschwimmen gelernt hatte. Der Erfinder zappelte ängstlich.

»Bleiben Sie doch ruhig«, zischte Thomas, »sonst kann ich Sie nicht abschleppen.«

Der Professor jammerte leise. »Meine Zeitmaschine! Ich habe meine Zeitmaschine verloren!« Im gleichen Augenblick schwappte eine Welle, und der Erfinder schluckte Wasser. Er hustete und schlug so heftig mit den Armen, daß Thomas ihn nicht mehr halten konnte.

»Hilfe!«, brüllte der Professor. »Zu Hilfe!« Dann ging er unter. Thomas und Heike versuchten, ihn hochzuzerren, und auch Michael bemühte sich nach Leibeskräften.

»Wir werden alle ertrinken«, dachte Heike. »Wir schaffen es nie!«

Plötzlich war der Professor ruhig, und die Kinder hatten es einfacher. Als Thomas den Erfinder wieder abschleppte, sah das Mädchen, daß dieser die Augen geschlossen hatte.

»Himmel, ist er tot?«

»Nein«, japste Thomas. »Hoffentlich verzeiht er mir’s, aber ich wußte keinen anderen Ausweg mehr. Ich habe ihm einen K. O.-Schlag versetzt, damit er endlich ruhighält.«

Nach einigen hundert Metern wechselten sie sich ab, und Heike übernahm den Professor. Sie hielt es jedoch nicht lange durch. Auch Michael schaffte es höchstens fünfzig Meter. Thomas sah besorgt zu dem Land, das sich als schmaler Streifen am Horizont abzeichnete. Sie schienen noch kein Stück näher gekommen zu sein. Es war aussichtslos. Außerdem begann der Professor, aus seiner Bewußtlosigkeit zu erwachen und wieder um Hilfe zu schreien. Beim Versuch, ihn vor dem Ertrinken zu bewahren, schluckten sie alle Wasser. Nicht lange, und sie waren mit ihren Kräften am Ende.

Heike ließ los. Sie konnte einfach nicht mehr. Ihre Arme und Beine waren wie Blei. Sie würden das Ufer nie erreichen, sondern im Meer untergehen …

Plötzlich fühlte sie unter sich einen Halt. Sie griff zu. Als sie die Augen aufriß, sah sie, daß es die Rückenflosse eines großen Fisches war. Ein Hai? Heike erschrak. Doch als er mit ihr auftauchte, erkannte sie, daß es kein Fisch, sondern ein Delphin war. Und er war nicht allein: Ein ganzer Schwarm umkreiste die Zeitreisenden.

»Romelia«, rief eine fremde Mädchenstimme, »schwimm zur Bucht zurück. Du auch, Mestix.« Dann ertönte ein schriller Pfiff.

Heike wandte den Kopf. Ein Mädchen mit kurzgeschnittenem schwarzen Haar saß rittlings auf dem größten der Delphine. Daneben schwamm ein Junge, der mit dem Mädchen eine verblüffende Ähnlichkeit hatte. Es mußten Zwillinge sein, beide etwa fünfzehn Jahre alt. Offenbar hatten sie bemerkt, daß Menschen auf dem Meer in Not geraten waren und waren ihnen zu Hilfe geeilt. Denn die Tiere gehorchten den Kindern aufs Wort.

Der fremde Junge half dem Professor, sich an einen Delphin zu klammern, dann packte er Moorteufel, der noch immer verzweifelt mit den Beinen ruderte und brachte ihn seiner Schwester. Das Mädchen zog den Hund zu sich auf den Delphin. Moorteufel schüttelte sich und blickte sehr verwundert drein.

»Los, Romelia«, kommandierte das Mädchen. Der Delphin, auf dem sie saß, überholte die anderen. Die Tiere folgten ihm. Jetzt sah Heike auch Michael und Thomas, die sich wie sie an einer Flosse festhielten.

In raschem Tempo näherten sie sich nun dem Land in der Ferne, das die Zeitreisenden ohne fremde Hilfe gewiß nicht mehr erreicht hätten. Das Wasser sprühte, die Delphine waren kräftig und ausdauernd, und die Sonne schien auf die blitzende Meeresoberfläche. Es hätte ein wunderbarer Badeausflug sein können. Doch der Gedanke an die eben überstandene Gefahr und an die verlorene Zeitmaschine quälte Heike. Was würde mit ihnen geschehen?

Kapitel 2
Die Erben des Königsthrons

Die Delphine brachten die Kinder und den Professor in eine kleine Bucht. Dort war das Wasser seicht, so daß man ans Ufer waten konnte. Das fremde Mädchen schickte die Tiere zurück ins offene Meer, nachdem es den großen Delphin gelobt und ihm zärtlich über den Kopf gestrichen hatte.

»Puh«, seufzte Professor Ambrosius und ließ sich in den Sand plumpsen, »ich habe mindestens drei Liter Wasser geschluckt. Und daß ich auf meine alten Tage noch einmal von einem Delphin abgeschleppt werde, hätte ich mir auch nicht träumen lassen.« Er nahm seine Hornbrille ab, die er gewiß verloren hätte, wenn sie nicht so fest hinter seinen Ohren sitzen würde, und spähte hindurch. »Hat einer mal ein trockenes Taschentuch? Ich muß jetzt dringend meine Brille putzen. Danke übrigens für die Rettung.«

»Es war Zufall, daß wir euch gesehen haben«, erwiderte der fremde Junge. »Wir waren gerade mit unseren Delphinen unterwegs. Wie seid ihr überhaupt hierher gekommen? Ihr seid doch gewiß keine Atlanter, und wir haben auch kein fremdes Schiff gesehen. » »Atlanter?« Thomas horchte auf. »Ist das hier etwa Atlantis?«

»O weh«, sagte der Professor und bemühte sich, die Brille an seiner nassen Hose trockenzureiben. »Uns bleibt auch wirklich nichts erspart.«

»Natürlich ist das Atlantis«, erwiderte der Junge. »Weit und breit gibt es nur dieses einzige Land. Aber wer seid ihr, daß ihr das nicht wißt und doch unsere Sprache sprecht?«

Jetzt erst fiel den Zeitreisenden auf, daß sie sich mit den Zwillingen ohne Schwierigkeiten verständigen konnten. Und dabei hatten sie nicht einmal Professor Ambrosius’ Sprachpillen geschluckt, mit denen man in Windeseile eine Fremdsprache lernen konnte. Diese Sprachdroge hatten sie zum letztenmal bei den Inkas verwendet, und das bedeutete, daß sie nun noch immer in Quechua, der Sprache der Indianer, redeten.

»Wenn die Geschichte mit der Arche stimmt, waren die Atlanter die Vorfahren der Inkas«, murmelte der Erfinder. »Das würde die Sache mit der Sprache erklären. Allerdings ist mir schleierhaft, was wir ausgerechnet in Atlantis sollen.« Laut sagte er: »Wir sind Reisende aus einem fernen Land. Eigentlich hatten wir ein anderes Ziel, aber unsere Zeitm… äh … unser Schiff ist leider unterwegs untergegangen. Gibt es hier irgendwo ein Hotel? Es sieht nämlich so aus, als müßten wir eine Weile hierbleiben.« Er kniff die Mundwinkel zusammen.

»Vorerst seid ihr unsere Gäste«, sagte das Mädchen. »Übrigens – ich heiße Requilla. Und das ist mein Bruder Ataman.«

Nachdem sich auch der Erfinder und die drei Kinder vorgestellt hatten, meinte Requilla: »Gewiß seid ihr hungrig und durstig. Kommt mit.«

Sie folgten einem schmalen, felsengesäumten Pfad und gelangten zu einer großen Wiese. Der Duft war betäubend. Unzählige Schmetterlinge gaukelten über den Blumenteppich. Mitten auf der Wiese standen einige Bäume. Heike riß erstaunt die Augen auf. Sie hatte noch nie so etwas gesehen: Die Bäume blühten und trugen gleichzeitig bereits reifes Obst. Als Requilla hinzutrat und einige Früchte pflückte, flatterten zwei Tauben von der Baumkrone herunter und setzten sich dem Mädchen auf die Schulter. Requilla begrüßte die Vögel und kraulte ihnen das Gefieder.

»Sind sie zahm?«, fragte Michael.

»Unsere Tiere kennen keine Scheu vor den Menschen«, sagte Ataman, streckte seinen Arm aus, und die Tauben trippelten zutraulich auf seine Hand. »Warum auch? Wir fügen ihnen kein Leid zu.«

Requilla bot nun den Zeitreisenden von den Früchten an. Sie waren groß, gelb und eiförmig und schmeckten nach Apfel und Birne zugleich.

»Hm.« Michael wischte sich den Saft vom Kinn. »Dafür könnte ich glatt auf ein Hähnchen verzichten.«

»Ihr eßt Fleisch?«, entrüstete sich Requilla, und auf ihrer Stirn erschien eine Falte.

»Natürlich«, antwortete der Professor.

Requilla schüttelte sich, und Ataman erklärte: »Nein, das bringen wir nicht fertig. Tiere sind ebenso Geschöpfe wie wir. Sie sind unsere Freunde. Wir sehen nicht ein, warum wir sie töten sollen, nur um sie aufzuessen. Für uns gibt es genügend andere Nahrung. Die Bäume schenken uns das ganze Jahr über ihre Früchte; zweimal können wir das Getreide ernten, aus dem wir unser Brot backen, und außerdem gibt es zahlreiche Kräuter und andere eßbare Pflanzen, die sich vielseitig verwenden lassen.«

»Ihr Atlanter seid also Vegetarier«, stellte Thomas fest.

Über Atamans Gesicht flog ein Schatten. »Nicht alle. Seit einiger Zeit gibt es auch bei uns Leute, die Fleisch essen.«

Requilla blickte düster drein. Sie wollte etwas sagen, aber ihr Bruder kam ihr zuvor. »Belästige die Fremden nicht mit dieser ärgerlichen Geschichte. Es wird sie kaum interessieren. Wir wollen nach Hause gehen und unseren Gästen ein angenehmes Lager bereiten. Du siehst doch, wie erschöpft sie sind.«

Sie gingen durch das hüfthohe Gras, bis sie zu einem Wäldchen kamen. Neben ihnen plätscherte ein Bach. Requilla wies auf zwei Bäume, die dicht nebeneinander standen. Eine kleine hölzerne Plattform verband die beiden Bäume, und eine Strickleiter hing an einer Seite herunter.

»Im Sommer schlafen wir oft im Freien«, sagte das Mädchen. »Es ist schön, nachts den Sternenhimmel zu betrachten. Außerdem ist es interessant zu beobachten, daß der Wald auch in der Nacht lebendig ist. Dann kommen Igel und Mäuse aus ihrem Versteck, die Nachtvögel mit ihrem seidenweichen Gefieder gleiten lautlos durch die Luft, Frösche quaken, und der Bach murmelt leise.«

Heike und Michael sahen sich an. Sie waren an das Stadtleben gewöhnt, und die einzigen Geräusche, die sie nachts hörten, waren das Quietschen der Straßenbahn und das Donnern der schweren Lastwagen, die in aller Frühe die Geschäfte belieferten.

Sie durchquerten das Wäldchen und erreichten eine Weide, auf der Schafe grasten. Die Tiere kamen gleich auf die Zwillinge zu. Ein paar Lämmer hatten es besonders eilig, von Requilla gestreichelt zu werden. Das Mädchen lachte über ihren Eifer und fuhr ihnen mit beiden Händen durch das wollige Fell.