Der Bergpfarrer 121 – Ein teuflischer Plan

Der Bergpfarrer –121–

Ein teuflischer Plan

Roman von Toni Waidacher

Impressum:

Epub-Version © 2016 KELTER DIGITAL GmbH & Co. KG, Sonninstraße 24 - 28, 20097 Hamburg. Geschäftsführer: Patrick Melchert, Oliver Melchert, Mario Melchert

Originalausgabe: © KELTER DIGITAL GmbH & Co.KG, Hamburg.

Internet: http://www.kelterdigital.de

E-mail: info@kelter.de

Dargestellte Personen auf den Titelbildern stehen mit dem Roman in keinem Zusammenhang.

ISBN: 978-3-74091-154-6

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»Ach, ist das herrlich, mal wieder in St. Johann zu sein!« schwärmte Martin Hollerer. »Ich hab’ das alles hier richtig vermißt.«

Sebastian Trenker lächelte.

»Um so schöner ist’s ja, daß es endlich geklappt hat«, erwiderte der Bergpfarrer. »Wie lang’ ist’s jetzt her? Ich mein’, es wär’ im letzten Jahr gewesen, während der Semesterferien.«

»Genau«, nickte der Student der Rechtswissenschaften. »Allerdings konnt’ ich da nur eine Woche bleiben. Viel zu kurz!«

Die beiden Männer saßen auf der Terrasse des Pfarrhauses. Martin Hollerer war vor einer Viertelstunde angekommen, und jetzt ließen sie sich den Apfelkuchen schmecken, den Sophie Tappert am Morgen gebacken hatte.

»Wo bleibt eigentlich Max?« wunderte sich der Geistliche. »Sonst riecht er’s doch schon meilenweit gegen den Wind, wenn’s Kaffee und Kuchen gibt.«

»Ihr Bruder hat angerufen«, erklärte Sophie Tappert. »Es ist eine Verkehrskontrolle angesetzt worden. Er muß durchmachen.«

»Der Arme! Na ja, Sie werden ihm gewiß ein Stück aufbewahren.«

»Darum hat er eindringlich gebeten«, schmunzelte die Haushälterin.

»Ist Max immer noch so versessen auf das gute Essen hier im Pfarrhaus?« erkundigte sich Martin. »Ich hab’ gedacht, daß er und seine Claudia inzwischen geheiratet hätten.«

»Das hatte ich auch gehofft«, sagte Sebastian. »Bisher hat er sich ja immer noch standhaft geweigert, aber inzwischen gibt es Anzeichen, daß er seine Meinung geändert haben könnte.«

»Tatsächlich?«

Der Bergpfarrer nickte.

»Ja, vor einiger Zeit hat er eine Heirat zumindest in Betracht gezogen«, antwortete er. »Ich fürcht’ nur, daß es noch ein langer Weg ist bis dahin.«

Er sah seinen jungen Gast an.

»Und was ist mit dir?« wollte er wissen. »Gibt’s kein Madl in deinem Leben?«

Martin Hollerer war vierundzwanzig Jahre alt, er hatte kurzes blondes Haar, ein gutaussehendes, offenes Gesicht und war von schlanker Gestalt. Sebastians Meinung nach hatte er eine recht große Ähnlichkeit mit Thomas Moser, dem Vikar der Kirche. Tatsächlich hätten die beiden Brüder sein können. Allerdings stammte Martin aus einem kleinen Dorf in der Nähe von Ingoldstadt, während Thomas Moser aus dem Allgäu gebürtig war.

In dem Gesicht des Besuchers zuckte es, und ein dunkler Zug schien sich darüber zu legen.

»Doch, ein Madl gab’s schon«, antwortete er.

»Gab? Was ist geschehen? Ein Streit oder gar Schlimmeres?«

»Ein Streit«, erwiderte Martin. »Ein recht schlimmer. Aber dabei war er so überflüssig. Alles ist nur wegen eines dummen Streits in die Brüche gegangen.«

Er erzählte von Kathrin. Kathrin Bergmann, eine Kommilitonin. Schon über ein halbes Jahr waren sie zusammen, seit sie sich auf einer Studentenfete kennengelernt hatten. Kathrin hatte ein Jahr nach Martin ihr Jurastudium angefangen.

»Ich weiß, es war blöd, daß ich alleine losgefahren bin«, sagte Martin jetzt reuevoll. »Aber ich konnt’ einfach net aus meiner Haut. Jetzt weiß sie net einmal, wo ich überhaupt bin.«

Er zuckte resignierend die Schultern.

»Falls sie es überhaupt wissen will.«

»Manchmal tut eine Trennung auf Zeit einer Beziehung ganz gut«, gab Sebastian zu bedenken. »Da merkt man oft erst, was man an dem anderen hat.«

Martin nickte.

»Wahrscheinlich haben Sie recht, Hochwürden. Vielleicht sollte ich erst einmal ein bissel Gras über die Sache wachsen lassen, bevor ich mich wieder bei der Kathrin melde.«

Er griff nach seiner Kaffeetasse und trank.

»Jetzt bin ich ja erstmal da«, sagte er. »Vielen Dank übrigens, daß ich wieder im Pfarrhaus wohnen darf. Ich freu’ mich schon auf eine Tour mit Ihnen.«

»Das ist doch selbstverständlich, daß du bei uns wohnst«, wehrte der Geistliche den Dank ab. »Ich weiß ja aus eig’ner leidvoller Erfahrung, wie knapp das Geld bei den Studenten ist.«

»Da sprechen S’ ein wahres Wort gelassen aus. Seit wir den Euro als Währung haben, scheint mir das Geld nur so durch die Finger zu rinnen. Dabei jobbe ich noch an vier Abenden in der Woche in einer Kneipe, um ein bissel was dazu zuverdienen, damit ich der Mutter net auf der Tasche liegen muß. Ihre schmale Rente reicht ohnehin nur zum Nötigsten.«

»Wie geht’s ihr denn? Ist sie gesund?« erkundigte sich der gute Hirte von St. Johann.

»Doch, ja«, nickte Martin. »Freilich merkt sie, daß sie älter geworden ist, aber ihre Nachmittage, an denen sie mit ihren Freundinnen Sport macht, läßt sie sich net nehmen, und jetzt ist das Trio gerad’ auf einer Busreise.«

Sebastian sah auf die Uhr.

»Ich fürcht’, wir müssen uns’re Unterhaltung auf den Abend verschieben«, sagte er. »Ich hab’ noch einen dringenden Termin, den ich leider net verschieben kann.«

»Das macht nix«, meinte der Student. »Ich würd’ mich ohnehin gern’ ein bissel ausruhen.«

»Na, wo das Zimmer ist, weißt du ja«, schmunzelte der Geistliche. »Bis heut’ abend dann.«

*

Martin Hollerer bewohnte eines der beiden Gästezimmer, die im Obergeschoß des Pfarrhauses lagen. Sophie Tappert hatte das Bett neu bezogen und frische Hand­tücher herausgelegt. Das Fenster war geöffnet, und würzige Luft strömte herein, als Martin eintrat. Er stellte seine Reisetasche ab und begann, sie auszupacken. Nachdem er die Sachen in den Kleiderschrank geräumt hatte, legte er sich auf das Bett.

Ach, war das herrlich, wieder hier zu sein!

Zwölf Jahre war es jetzt her, daß er zum ersten Mal in St. Johann Urlaub gemacht hatte. Damals lebte sein Vater noch, und sie hatten in der Pension Stubler gewohnt, in der es recht preiswerte Zimmer gab. Seinerzeit hatte die Familie die Bekanntschaft Pfarrer Trenkers gemacht, und der Geistliche hatte einige Bergtouren mit ihnen unternommen.

Danach waren sie noch zweimal in dem Alpendorf. Dann wurde der Vater krank, und eine Reise war nicht mehr möglich. Nach seinem Tod mochte Martins Mutter nicht mehr in den Ort fahren, in dem die Familie so viele glückliche Stunden verlebt hatte. Der Sohn respektierte den Wunsch. Erst, als er achtzehn war und gerade mit dem Studium begonnen hatte, nutzte er die ersten Semesterferien zu einer Fahrt ins Wachnertal. Seither versuchte er, so oft es ihm möglich war, wieder herzukommen. Allerdings erforderte das Studium viel Arbeit, und Martin hatte es nur einmal im letzten Jahr geschafft, nach St. Johann zu fahren. Aber auch nur für acht Tage. Um so mehr freute er sich auf vier Wochen, die er hier verbringen würde, und der einzige Wermutstropfen, der in diese Freude fiel, war der Streit mit Kathrin.

Sehnsucht überkam ihn, als er an sie dachte, und einer plötzlichen Eingebung folgend sprang er wieder auf und griff nach seiner Jacke, die er über einen Stuhl gehängt hatte.

Er würde sie anrufen und um Entschuldigung bitten. Vielleicht ließ sie sich sogar dazu überreden, nach St. Johann zu kommen. Pfarrer Trenker würde gewiß nichts dagegen haben, wenn sie in das andere Gästezimmer zog. Und wenn doch, konnte man es immer noch in der Pension Stubler versuchen, wo es, wie Martin wußte, ein winzig kleines Zimmer unter dem Dach gab, das manchmal als Notlösung herhalten mußte.

Allerdings suchten seine Finger vergebens in den Taschen seiner Jacke.

Kein Handy!

Fieberhaft überlegte er.

Hatte er es am Morgen in die Reisetasche gesteckt?

Unsinn, dann hätte er es eben, beim Auspacken, gefunden.

Aber wo konnte es sonst sein?

Noch einmal suchte er die Taschen durch. In Gedanken ging er alle Möglichkeiten durch. Aber es wollte ihm keine Situation einfallen, in der er telefoniert hätte. Jedenfalls nicht im Auto, und ausgestiegen war er unterwegs nur einmal.

Das konnte nur bedeuten –, er hatte es zu Hause vergessen!

Wahrscheinlich lag es auf dem Tisch seiner Studentenbude, wo er das Handy gestern abend hingelegt hatte. In der Eile heute morgen mußte er schlicht und einfach vergessen haben, es einzustecken.

So ein Mist! dachte er verärgert.

Doch dann nahm er den Umstand hin, wie er nun einmal war. Vielleicht war es ja ein Wink des Schicksals, und er sollte tatsächlich noch abwarten, bis Kathrins Zorn verraucht war.

Gut, überlegte er, dann rufe ich sie in ein paar Tagen von Hochwürdens Anschluß aus an.

Er legte sich wieder hin und war im nächsten Moment in einen leichten Schlaf gesunken.

Als es an der Tür klopfte, schreckte er wieder hoch.

»Martin, kommen S’ zum Abendessen?« hörte er die Stimme der Haushälterin.

»Ja, Frau Tappert, vielen Dank«, rief er zurück und schwang sich schmunzelnd aus dem Bett.

Es war das dritte oder vierte Mal, daß er im Pfarrhaus wohnte, wenn er in St. Johann war, und schon mehrmals hatte er die Perle des Pfarrhaushalts gebeten, ihn einfach zu duzen. Doch Sophie Tappert sagte weiterhin Sie, lediglich seinen Vornamen benutzte sie wenigstens.

Der Student ging ins Bad hinüber und erfrischte sich.

Als er wenig später die Treppe herunterkam, saßen die anderen schon am Tisch. Zu Martins Freude war auch Thomas Moser da. Er hatte ihn kennengelernt, als Thomas nach St. Johann gekommen war, um hier die Vikarsstelle anzutreten. Die beiden Männer waren sich auf Anhieb sympathisch gewesen, zumal Thomas in Martin einen ebenbürtigen Gegner beim Tischtennis gefunden hatte. Der Vikar, der die meiste Zeit auf Schloß ›Hubertusbrunn‹ für die Betreuung der Jugendgruppen zuständig war, hatte mit dem Studenten schon so manches Match in der Sporthalle des Jagdschlosses ausgefochten.

»Mensch, Martin, toll, daß du mal wieder da bist«, freute er sich nun.

»Grüß dich, Thomas, altes Haus«, lachte Martin. »Na, bist’ gut im Training?«

»Von mir aus können wir gleich nach dem Abendessen zum Schloß fahren«, schlug der Vikar vor. »Dann kannst’ dich davon überzeugen.«

»Wo ist denn eigentlich der Max?« fragte Martin. »Muß er etwa immer noch den Verkehr kontrollieren?«

Wie aufs Stichwort stand der Bruder des Bergpfarrers nun in der Tür.

»Jetzt, gottlob, net mehr«, stöhnte er. »Himmel, war das ein Nachmittag!«

Er schlug dem Studenten auf die Schulter.

»Grüß dich. Schön, daß’ da bist!«

Martin nickte erfreut.

»Ich bin auch froh.«

»Dann laßt uns erstmal essen«, sagte Sebastian. »Frau Tappert hat extra zu Martins Ankunft eine gute Suppe gekocht. Die soll doch net kalt werden.«

Martin und Max setzten sich an den Tisch. Der Student schaute glücklich in die Runde. Das gefiel ihm, die herzliche Art, in der er aufgenommen wurde, die Scherze, die man miteinander machte.

Hier fühlte er sich wie zu Hause.

*

Auf den Parkplatz des Hotels ›Zum Löwen‹ fuhr ein schnittiges Cabriolet. Es war schneeweiß und hatte rote Ledersitze. Der Fahrer war ein braungebrannter Mittdreißiger, elegant gekleidet, neben ihm saß eine attraktive, brünette Frau, die offensichtlich ein paar Jahre jünger war. Sie öffnete die Beifahrertür und stieg aus. Wie ihrem Begleiter, sah man auch ihr an, daß sie die meiste Zeit wohl unter einem Solarium verbrachte; die Bräune wirkte nicht echt. Sie trug ein helles Kostüm, dessen Rock sehr viel von den schlanken Beinen sehen ließ.

Der Mann schlug die Fahrertür zu und schaute sich um.

»Meinst du wirklich, daß hier was zu holen ist?« fragte er skeptisch.

»Warte es ab«, entgegnete sie lächelnd.

»Ich weiß nicht.« Er schüttelte den Kopf. »Was soll es hier schon für Schätze geben? Vielleicht Bilder mit naiver Bauernmalerei.«

»Jetzt laß uns erst mal hineingehen«, sagte Maja Grosser und ging voraus.

Wolfgang Mensbach folgte schulterzuckend.

Sie betraten die Hotelhalle. An der Rezeption stand eine junge Angestellte. Sie begrüßte das Paar freundlich.

»Herzlich willkommen in St. Johann und im Hotel ›um Löwen‹«, sagte sie. »Sie sind Frau und Herr Brandner?«

»Richtig«, nickte Maja. »Wir haben zwei Einzelzimmer bestellt.«

»Ja, genau, hier hab’ ich die Reservierung stehen«, sagte Birgit Hofländer. »Zimmer dreihundertelf und dreihundertzwölf.«

Sie drückte eine Klingel, und ein Hausbursche erschien.

»Das Gepäck von den Herrschaften«, wies die Hotelangestellte ihn an und wandte sich an die Neuankömmlinge. »Hätten S’ den Autoschlüssel? Der Franz bringt Ihnen die Koffer hinauf.«

»Es ist ein Cabriolet«, erklärte Wolfgang Mensbach, der plötzlich den Namen ›Brandner‹ trug. »Die Koffer liegen auf dem Rücksitz.«

»Gut, dann zeig’ ich Ihnen schon mal Ihre Zimmer. Wenn S’ mir bitt’ schön folgen wollen.«