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Titelseite

 

 

 

 

 

Für Will,
den wirklichen Zauberer im Herzen der Eiche.

WIE ALLES ANFING

Eines Tages tauchte ein geheimnisvolles Baumhaus im Wald von Pepper Hill in Pennsylvania auf. Der achtjährige Philipp und seine siebenjährige Schwester Anne kletterten hinauf und entdeckten, dass es voller Bücher war.

Die Geschwister fanden schnell heraus, dass es ein magisches Baumhaus war, mit dem sie zu all den Orten reisen konnten, die in den Büchern abgebildet waren. Alles, was sie tun mussten, war, auf eines der Bilder zu deuten und sich zu wünschen, sie wären dort.

Das Baumhaus gehörte Morgan, einer Zauberin und Bibliothekarin am Hofe des Königs Artus in Camelot.

Immer wenn das magische Baumhaus im Wald auftauchte, wussten Anne und Philipp, dass Morgan einen neuen Auftrag für sie hatte. Um Morgan zu helfen, reisten sie viele Male in ferne Länder und längst vergangene Zeiten. Sie erlösten Morgan von einem bösen Zauber, retteten alte Bücher, wurden zu Meisterbibliothekaren ernannt und lernten eine besondere Art von Magie kennen.

In Band 27 des magischen Baumhauses war es ausnahmsweise nicht Morgan, die Anne und Philipp um Hilfe bat, sondern Merlin, ein anderer mächtiger Zauberer Camelots. Sein Auftrag führte die Geschwister in die fantastische und magische Welt des Königs Artus. In diesem Band erwartet die Kinder ein neues spannendes Abenteuer in Merlins Zauberwelt. Dieses Mal geht die Reise zu einem geheimnisvollen Spukschloss …

Eisberg

Die Einladung

„Vielleicht sollte ich statt als Prinzessin lieber als Vampir gehen“, sagte Anne.

Sie und Philipp saßen vorne auf der Veranda. Eine kühle Brise rauschte durch die Bäume.

„Du hast aber schon dein Prinzessinnenkostüm“, sagte Philipp. „Außerdem bist du beim letzten Halloween als Vampir gegangen.“

„Das weiß ich doch. Ich würde mir aber gerne wieder das Gebiss mit den großen Zähnen in den Mund stecken“, gab Anne zurück.

„Dann steck dir doch die großen Zähne in den Mund und sei eine Vampirprinzessin“, sagte Philipp und stand auf. „Ich gehe jetzt mal meine Dämonenschminke auftragen.“

„Krächz!“

„He, Anne, guck mal!“, rief Philipp.

Ein großer schwarzer Vogel stieß vom Himmel herab auf den Boden. Er stolzierte durch das Herbstlaub. Sein Gefieder glitzerte in der goldenen Nachmittagssonne.

„Ist das etwa eine Krähe?“, fragte Anne.

„Für eine Krähe ist er zu groß“, antwortete Philipp. „Es könnte eher ein Rabe sein.“

„Ein Rabe?“, sagte Anne. „Ist ja toll!“

Der Rabe hob seinen schlanken Kopf und starrte sie mit wachsamen Augen an. Philipp hielt den Atem an.

Der Vogel schlug seine großen schwarzen Flügel auf und ab. Dann erhob er sich in die Luft, segelte dem Herbsthimmel entgegen und nahm Kurs auf den Wald.

Anne sprang auf. „Das ist ein Zeichen! Das magische Baumhaus ist wieder zurück!“, rief sie.

„Stimmt!“, sagte Philipp. „Los, lass uns gehen!“

Philipp und Anne rannten durch den Vorgarten. Sie liefen die Straße entlang und bogen zum Wald von Pepper Hill ab.

Als sie bei der höchsten Eiche ankamen, sahen sie die Strickleiter im Wind hin und her schwingen. Das magische Baumhaus wartete auf sie.

„Genau wie wir dachten“, lächelte Anne.

Philipp folgte ihr die Leiter hoch. Als sie in das Baumhaus kletterten, fanden sie aber kein Zeichen von Morgan, der Zauberin aus dem Königreich Camelot.

„Das ist aber komisch“, sagte Philipp und sah sich um.

Der Wind blies kräftiger und rüttelte an den Ästen des Baumes. Ein großes gelbes Blatt flatterte durch das offene Fenster und landete vor Philipps Füßen.

„Oh Mann“, sagte er. „Schau dir das an!“

Philipp hob das Blatt auf. Es war beschrieben. Die Buchstaben sahen altmodisch und verschnörkelt aus.

„Irre!“, flüsterte Anne. „Was steht drauf?“

Philipp hielt das Blatt vor das Baumhausfenster. Im schwächer werdenden Licht las er laut vor:

„M!“, sagte Anne. „Morgan unterschreibt ihre Nachrichten nie mit M.“

„Richtig …“, sagte Philipp. „Aber …“

„Merlin macht das!“, riefen beide gleichzeitig.

„So hat er uns auch die Einladung geschickt, Weihnachten in Camelot zu verbringen“, sagte Anne und zeigte auf die königliche Einladung, die in der Ecke des Baumhauses hing.

„Und jetzt lädt er uns zu Halloween ein“, sagte Philipp. „Halloween wurde vor langer Zeit Der Abend aller Heiligen genannt.“

„Weiß ich doch“, sagte Anne. „Wir müssen unbedingt hingehen!“

„Klar“, antwortete Philipp. „Aber wie kommen wir da hin?“

„Wetten, dass uns unsere Einladung dort hinbringt?“, antwortete Anne. „So sind wir am Heiligabend doch auch zur Burg von König Artus gekommen.“

„Gute Idee!“, antwortete Philipp und zeigte auf die Einladung. „Ich wünschte, wir könnten dorthin gehen, wo … hm …?“

„… wo die Einladung auf diesem Blatt herkam“, ergänzte Anne.

„Genau!“, sagte Philipp.

Der Wind blies jetzt stärker.

Das Baumhaus fing an, sich zu drehen.

Es drehte sich schneller und immer schneller.

Dann war alles wieder still.

Totenstill.

Sterne

Im Herzen der Eiche

Philipp öffnete seine Augen. Ein kühler Wind wehte ins Baumhaus hinein. Eichenblätter wirbelten vor dem Fenster umher.

„Sieh mal, wir haben unsere Kostüme an!“, sagte Anne. „Ich bin doch keine Prinzessin oder Vampirin.“

Philipp betrachtete die Kleider, die sie anhatten. Er trug einen Rock, der bis zu seinen Knien reichte, und eine Strumpfhose. Anne steckte in einem langen Kleid mit einer Schürze.

„Kostüme aus Camelot“, sagte er leise.

Zusammen sahen sie aus dem Fenster. Sie befanden sich hoch oben in einer mächtigen Eiche, die in einem dichten Wald stand.

„Also, was machen wir nun?“, fragte Philipp.

„Die Einladung sagt, dass wir Merlin im Herzen einer Eiche treffen sollen“, antwortete Anne.

„Ja, aber was bedeutet das?“, gab Philipp missmutig zurück. „Das Herz einer Eiche?“

„Lass uns runtersteigen und es herausfinden“, schlug Anne vor.

Vorsichtig legte sie die Einladung in eine Ecke des Baumhauses. Dann kletterten Philipp und sie die Leiter hinunter. Im schwächer werdenden Tageslicht begannen sie, den Eichenstamm zu umrunden.

Sie schritten einmal ganz herum, bis sie wieder zur Strickleiter kamen.

„Wir sind wieder da, wo wir angefangen haben“, sagte Philipp.

„Moment mal“, sagte Anne. „Was ist das denn?“

Sie deutete auf eine lange, schmale Spalte in der Rinde des Stammes. Ein kleiner Streifen Licht schien aus der Spalte.

Philipp legte seine Hand an die Rinde, wo das Licht schien. Er drückte und der Spalt wurde größer.

„Das ist eine Geheimtür!“, rief er.

Er drückte noch fester. Eine hohe, schmale Tür schwenkte nach innen in den Baum. Licht strömte von innen heraus.

„Wir haben es gefunden“, flüsterte Anne. „Das Herz der Eiche.“

Sie schlüpften durch den schmalen Eingang in den hell erleuchteten Hohlraum des Baumes.

Philipp traute seinen Augen nicht. Hunderte von Kerzen erhellten den runden Raum. Schatten tanzten an seinen gewölbten braunen Wänden.

„Das ist unmöglich!“, dachte Philipp. Das Herz der Eiche kam ihm viel größer vor als der Baum selbst.

„Willkommen“, wisperte eine tiefe Stimme.