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Über das Buch

Als Mark in den Schwarzen Turm eindringt, ahnt er nicht, welche Kräfte er entfesselt. Der Greif, der über dieses albtraumhafte Reich herrscht, bietet all seine Macht auf, um den Jungen in seine Gewalt zu bringen. So wandelt sich der abenteuerliche Ausflug in eine fantastische Welt zu einer Reise voll Schrecken. Doch Mark nimmt den aussichtslos scheinenden Kampf mit der finsteren Magie des Greifs auf …

Inhalt

Erstes Buch
DER CHERUB

Die Verfolgung

Das Verhör

Der Dachboden

Der Frosch

Die Garage

Verbündete

Der Ort, an dem die Albträume wohnen

Die Gehörnten

Sarn

Fliegende Teufel

In letzter Sekunde

Der Fluch

Schattentanz

Der schwarze Cherub

Verraten

Zweites Buch
AUF DER FLUCHT

In der Kälte der Nacht

Unter Berbern

Horrorarchiv

Yezariael

Martens Hof

Anders

Abschied vom Paradies

Die Entscheidung

Drittes Buch
DER GREIF

Spuren im Schnee

Der Engel mit dem Flammenschwert

Verhaftet

Zu Hause bei Yezariael

Fahrstuhl zur Hölle

Das Bergwerk

Der Plan

Der Aufstand der Sklaven

Der Schacht

Die Stadt der Dämonen

Die lebenden Toten

Die Schlacht um Martens Hof

Marten

Erwachen

Viertes Buch
DIE KAPELLE

Das Heim

Der Hilferuf

Ein nächtliches Telefonat

Der Man-Iht

Der Waffenstillstand

Die Spur

Das Tagebuch

Die Frist läuft ab

Der Albtraum beginnt

Der Unsichtbare

Straße ins Nichts

Die Kapelle

Der Palast des Ungeheuers

Epilog I

Epilog II

Epilog III

ERSTES BUCH

DER CHERUB

DIE VERFOLGUNG

Es war dunkel hier oben. Dunkel, kalt und feucht. Vor einer halben Stunde hatte es noch in Strömen geregnet und die Dächer glänzten wie frisch lackiertes dunkles Holz.

Der eisige Wind trieb Mark die Tränen in die Augen. Als er nach dem Fensterrahmen griff und sich mit einer entschlossenen Bewegung ganz auf das Dach hinaufzog, war es ihm, als bliebe nicht nur das letzte bisschen Licht und Sicherheit hinter ihm zurück, sondern als ergriffe gleichzeitig etwas von der Dunkelheit und Kälte hier oben Besitz von seiner Seele. Mark verscheuchte dieses Gefühl und begann vorsichtig über die nassen Dachziegel zu balancieren. Er ging sehr langsam, ein wenig zur Seite geneigt, um den Druck des Windes auszugleichen, der immer heftiger an seinen Kleidern zerrte, und mit einwärtsgerichteten Füßen, wobei er sorgsam darauf achtete, immer die ganze Schuhsohle aufzusetzen, ehe er den anderen Fuß hob.

Der Weg zum Dachfirst hinauf war nicht sehr schwierig und auch nicht sehr weit – Thomas und er waren ihn so oft gegangen, dass ihm jede Unebenheit vertraut war. Aber normalerweise war er nie bei schlechtem Wetter aufs Dach geklettert.

Und normalerweise war auch niemand hinter ihm her, um ihn umzubringen.

Als er den Dachfirst erreicht hatte, drehte er sich langsam um und blickte in die Richtung zurück, aus der er gekommen war.

Er war allein. Das Dach lag still da wie eine Landschaft aus einem Science-Fiction-Film, eine gemauerte Welt aus Stein und Ton, die hoch über dem Lichtermeer der Stadt schwebte, scheinbar schwerelos und durch einen Abgrund aus Schwärze von der Helligkeit und dem Leben dort unten getrennt. Das Fenster, durch das er herausgekrochen war, schien ihm zuzublinzeln wie ein trübes gelbes Auge. Für einen Moment glaubte er, ein Klirren zu hören und einen Schatten zu erkennen, ein dunkles Huschen vor dem Licht der Petroleumlampe.

Dann begriff er, dass es kein Schatten war, sondern nur das Flackern der kleinen Flamme in der Lampe. Er hatte das Fenster von außen geschlossen, und so war es nur fest angelehnt und der Wind konnte ins Innere.

Was, dachte Mark, und Furcht schnürte ihm die Kehle zu, wenn er seine Spur aufnahm und in seinem Toben die Lampe umwarf? Das ganze Haus konnte abbrennen! Aber alles Grübeln war sinnlos, er konnte nicht hier heroben bleiben. Er richtete sich vorsichtig wieder auf, breitete die Arme aus und begann wieder zu balancieren.

Die Dächer breiteten sich finster und scheinbar endlos vor ihm aus, ein rechteckiges Auf und Ab, nur hier und da unterbrochen von einem Erker, einem Fenster oder den dürren Knochenfingern der Schornsteine und Antennen – und schmalen, symmetrischen Linien voller Dunkelheit.

Es waren diese so harmlos erscheinenden Linien, die Mark Sorge bereiteten. Denn in Wirklichkeit waren die Linien bodenlose Abgründe von zehn, fünfzehn Metern Breite, die die einzelnen Häuser voneinander trennten.

Hätte er mehr Zeit und wäre der Sturm nicht so heftig, wäre er zur anderen Seite des Hauses hinübergelaufen und hätte versucht, an der Fassade hinunterzuklettern: Aber er hatte keine Zeit.

Wieder klirrte etwas, und diesmal war das Geräusch so deutlich, dass er sicher war, es sich nicht einzubilden. Aber das Fenster blieb leer. Das Licht flackerte weiter und auch die Schatten waren noch da, aber nichts rührte sich und – in der gleichen Sekunde explodierte das Dach neben ihm.

Ein fürchterlicher Schlag schien das ganze Haus bis in seine Grundfesten zu erschüttern, und die Dachpfannen explodierten in einem Hagel aus scharfkantigen Splittern und wirbelnder Schwärze, wie von einer unsichtbaren Faust getroffen. Etwas Riesiges, Graues schob sich aus der gewaltsam geschaffenen Öffnung, griff nach dem gezackten Rand aus zerborstenen Dachpfannen und Holz und fiel mit einem gewaltigen Poltern und Krachen zurück, als ein weiteres Stück des Daches unter seinem Gewicht nachgab.

Mark wartete nicht, bis der Verfolger wieder in der Öffnung auftauchte. Jetzt hatte er keine Wahl mehr. Er lief ein paar Schritte zurück, sammelte alle Kraft und das letzte bisschen Mut, das noch in ihm war – und rannte los.

Das Ende des Daches raste auf ihn zu und er spürte, wie er bei jedem Schritt ein bisschen mehr aus dem Gleichgewicht kam und abzurutschen drohte.

Mit einer letzten, verzweifelten Anstrengung stieß er sich ab, segelte mit weit ausgebreiteten Armen durch die Luft und begann zu stürzen. Der Rand des gegenüberliegenden Daches sprang ihm regelrecht entgegen, etwas traf seinen rechten Fuß und riss ihn mit entsetzlicher Wucht zur Seite und dann schlug das geteerte Flachdach des Hauses wie eine fingerlose Faust nach ihm und schleuderte ihn an den Rand der Bewusstlosigkeit.

Sekundenlang blieb er betäubt liegen, dann versuchte er sich aufzurichten. Dach und Himmel begannen sich vor seinen Augen zu drehen, es wurde ihm übel und gleichzeitig machte sich ein pochender Schmerz in seinem rechten Fuß bemerkbar. Stöhnend blickte Mark an sich herab. Sein Bein war unversehrt. Es tat einfach nur ganz widerlich weh. Mark fragte sich besorgt, ob er mit diesem Fuß noch laufen konnte.

Wie als Antwort auf seine Gedanken erklang vom Dach des gegenüberliegenden Hauses erneut helles Splittern, und als Mark aufsah, erblickte er einen gigantischen schwarzen Schatten, der sich riesig und drohend über der scharf gezogenen Linie des Daches erhob.

Wieder spürte er den lähmenden Schreck, der ihn an der Stelle, wo er sich befand, festhielt und ihn mit Entsetzen sehen ließ, wie der Schatten an die Dachkante trat und sprang. Für eine endlose Sekunde schien der riesige Körper fast schwerelos in der Luft zu hängen. dann neigte er sich ein wenig nach vorne und streckte die Hände nach der Dachkante aus – und verfehlte sie.

Das ganze Haus erbebte wie unter einer Explosion, als der Körper des Kolosses gegen die Wand krachte, mit einem Laut, als pralle Stein gegen Stein. Etwas wie ein Schrei erklang, vielleicht auch nur das Kreischen von Fels auf hartem Mauerwerk, und den Bruchteil einer Sekunde später war der Verfolger aus Marks Gesichtskreis verschwunden.

Mit angehaltenem Atem wartete er auf das Geräusch des Aufpralles, aber es kam nicht. Eine Minute verging, dann noch eine und noch eine, aber der Abgrund jenseits der Mauer blieb stumm, und schließlich wagte er es, sich auf Händen und Füßen hochzustemmen und einen vorsichtigen Schritt zu machen.

Ein stechender Schmerz schoss durch seinen rechten Fuß. Mark fiel in die Knie und umklammerte das Fußgelenk mit der Hand. Erst nach Sekunden ließ das Stechen in seinem Knöchel nach und wurde zu einem dumpfen Pochen.

Als Mark die Augen öffnete, hörte er das Geräusch.

Es war sehr leise, sodass es fast vom Sturm verschluckt wurde, aber für Marks angespannte Sinne nicht zu überhören: ein Kratzen und Schaben wie von harten Insektenbeinen auf Holz – oder steinharten Fingern auf brüchigen Ziegeln. Und es kam von der anderen Seite der Mauer …

Marks Herz machte einen erschrockenen Hüpfer und schien sich in einen kleinen pelzigen Ball zu verwandeln, der direkt in seinem Hals weiterschlug. Verzweifelt versuchte er sich herumzudrehen, ohne seinen Fuß zu belasten.

Über der Mauer erschien eine gewaltige Hand. Langsam, wie eine riesige fünfbeinige Spinne, tastete sie auf der anderen Seite der Wand nach festem Halt und fand ihn.

Mark wartete nicht, bis auch die zweite Hand erschien; er humpelte los, so schnell er konnte. Das Dach war nicht besonders groß, und so hatte er bald die kleine Tür erreicht, hinter der die Treppe lag. Doch schon die erste Stufe, die er hinunterging, wäre fast seine letzte gewesen.

Sein verstauchter Knöchel gab unter dem Gewicht seines Körpers nach. Mark schrie auf, ruderte hilflos mit den Armen und spürte, wie er nach vorne kippte. Erst im letzten Moment bekamen seine Hände das Treppengeländer zu fassen und er klammerte sich daran fest.

Keuchend hing er da, das Treppengeländer mit beiden Armen umklammernd und das verletzte Bein weit abgespreizt, dann zog er sich vorsichtig wieder in die Höhe und begann die Treppe hinabzuhumpeln.

Er hatte den ersten Treppenabsatz erreicht, als er dröhnende Schritte auf dem Dach hörte. Dann splitterte Holz und die ganze Treppe erbebte. Mit letzter Kraft packte Mark das Treppengeländer, schwang das unverletzte Bein darüber – und rutschte in die Tiefe.

Wie ein Pfeil schoss er hinunter. Er hatte kaum Zeit, sich auf den Aufprall vorzubereiten, als er auch schon in der nächsten Etage angekommen war. Mark ließ seinen Halt los, rollte sich zu einer Kugel zusammen und spannte alle Muskeln an, um dem Aufprall wenigstens die ärgste Wucht zu nehmen. Diesmal hatte er Glück – der Sturz war weit weniger schlimm, als er befürchtet hatte, und selbst sein verletztes Bein kam relativ glimpflich davon. Hastig richtete er sich wieder auf, kroch auf Händen und Knien zum nächsten Treppenabsatz und zog sich stöhnend auf das Geländer hinauf. Über sich hörte er stampfende Schritte.

Es war ein Wunder, dass Mark bei dieser Rutschpartie – vier Stockwerke hinunter, und das mit einem verletzten Fuß – nicht mehr als blaue Flecke abbekam. Er hatte sogar noch einmal Glück: Der Sturz auf die harten Steinfliesen des Eingangsflures tat weit weniger weh, als er erwartet hatte. Mark prallte wie ein flach über das Wasser geworfener Stein auf, schlitterte noch ein paar Meter über die Fliesen und blieb unweit der Tür liegen.

Sekundenlang wagte er nicht, sich zu rühren. Sein Herz pochte, als wolle es jeden Augenblick zerspringen, und es schien an seinem ganzen Körper keine Stelle zu geben, die nicht wehtat. Aber als er sich auf den Bauch wälzte und schließlich auf Hände und Knie hochstemmte, da ging es. Selbst der Schmerz in seinem Knöchel war jetzt nicht mehr ganz so unerträglich.

Im Flur war es nicht so dunkel wie oben im Treppenhaus. Durch die Milchglasscheibe der Haustür fiel ein grauer Schein und dann und wann huschte der Lichtfinger eines vorüberfahrenden Autos vorbei und irgendwo weit über sich konnte er das gedämpfte Plärren eines Radios hören. Und dann erzitterte über ihm die Treppe unter krachenden Schritten. So schnell er konnte, richtete sich Mark auf, humpelte an der Wand entlang auf die Tür zu und drückte die Klinke hinunter.

Die Tür ging nicht auf.

Verzweifelt rüttelte er an der Klinke, dann begriff er, dass die Tür abgeschlossen war.

Die Treppe begann zu knirschen und zu beben, als rolle etwas Tonnenschweres die Stufen hinunter, und als Mark aufsah, erblickte er wieder den riesigen Schatten, der sich auf ihn zubewegte.

Mark biss die Zähne zusammen, holte aus und schlug mit aller Gewalt mit dem Ellbogen zu.

Die Milchglasscheibe zerbarst, Scherben und scharfkantige Splitter fielen klirrend auf die Straße. Mark zog den Kopf zwischen die Schultern und sprang durch den Rahmen. Hinter ihm her jagte dumpfes Poltern und ein wütender Laut war zu hören. Ohne nach rechts und links zu blicken, stürmte Mark aus dem Haus, über den Bürgersteig und auf die Straße hinaus.

Bremsen quietschten, eine Hupe kreischte auf, grelles Licht blendete ihn. Für einen Moment sah er das schreckverzerrte Gesicht des Fahrers hinter der Windschutzscheibe, dann traf ihn die Kühlerhaube des Wagens an der Hüfte und schleuderte ihn zu Boden.

Das Nächste, was er wahrnahm, war lautes Stimmengewirr und eine Hand, die an seiner Schulter rüttelte.

»Mein Gott! Mein Gott, mein Gott … Du bist einfach in den Wagen hineingelaufen!« – »Du darfst dich nicht bewegen, der Krankenwagen ist schon unterwegs. Kann nur noch ein paar Minuten dauern.« – »Was ist nur in dich gefahren, Junge? Du bist einfach auf die Straße gerannt, ohne zu gucken. Du hättest tot sein können!« – »Lassen Sie ihn doch in Ruhe. Sie sehen doch, dass er schwer verletzt ist!«

In der Ferne war das Heulen einer Sirene zu hören.

»Es war nicht meine Schuld! Er ist aus dem Haus gerannt und direkt auf die Straße hinaus! Ich konnte nicht mehr bremsen!« – »Das sieht man, wahrscheinlich sind Sie wie ein Verrückter gefahren, das kennt man ja!«

Mark spürte nur mehr undeutlich, dass er auf eine Trage gehoben und in den Krankenwagen geschoben wurde. Dann verlor er das Bewusstsein.

DAS VERHÖR

Die Notaufnahmestation der Klinik war laut und so grell beleuchtet, dass das Licht in Marks Augen wehtat. Pfleger und Schwestern liefen hektisch herum, und einmal hörte Mark durch eine geschlossene Tür, wie ein Mann und eine Frau einander anschrien. Er war wach, aber nicht ganz: Sein Bewusstsein war zurückgekehrt, aber wenn man ihn etwas fragte, dann fiel es ihm schwer, zu antworten. Später erst sollte er begreifen, dass er die Folgen einer ziemlich schweren Gehirnerschütterung spürte.

An das, was in der nächsten Stunde mit ihm geschah, erinnerte er sich hinterher nur noch wie an einen bösen Traum: Eine Krankenschwester und ein junger Pfleger mit dunklen Haaren und freundlichen Augen zogen ihn aus und versorgten die Hautabschürfungen und blauen Flecken, von denen er mehr als genug hatte. Danach wurde ihm Blut abgenommen, er wurde geröntgt, jemand leuchtete ihm mit einer kleinen starken Taschenlampe in Augen, Ohren und Nase. Er hatte keinen Ahnung, wie viel Zeit verging, aber es musste spätnachts sein, als man ihn endlich in ein kleines Zimmer im ersten Stock brachte.

Eine andere Krankenschwester achtete darauf, dass man ihn ins Bett legte und sorgfältig zudeckte, und nachdem die Pfleger gegangen waren, erklärte sie ihm die Funktion der Klingel und der Bettpfanne: Das Erste gedachte Mark wirklich zu benutzen, falls er wieder Schmerzen bekam, das Zweite ganz bestimmt nicht, wie er der Schwester mit schwacher Stimme erklärte. Sie lächelte nur, löschte das Licht und verließ das Zimmer.

Mark war allein.

Und mit der Dunkelheit und der Stille kam die Furcht zurück.

Sein Herz begann zu pochen und plötzlich fühlten sich seine Handflächen feucht und klebrig an. Voller Angst sah er sich um.

Die Schatten im Zimmer schienen nicht nur Schatten zu sein, sondern auch noch von etwas anderem, Namenlosem erfüllt, das ganz langsam auf ihn zukroch. Plötzlich erinnerte er sich wieder an jenes sonderbare Gefühl, das er vorhin gehabt hatte, als er auf das Dach gestiegen war: als wäre etwas von der Finsternis in ihn hineingekrochen und hätte Besitz von seiner Seele ergriffen.

Mark bewegte den Kopf in den weichen, kalten Kissen und versuchte etwas in der Dunkelheit zu erkennen. Er sagte sich, dass er im Moment nervös und ängstlich war, und trotzdem … Der Schatten da, neben dem Fenster – vorhin, als man ihn hereinbrachte, hatte er genau gesehen, dass es nur der Vorhang war, und trotzdem war er jetzt fast sicher, dass er sich bewegte, dass sich etwas Großes, Eckiges unter den Falten des Stoffes abzeichnete. Und das dünne Etwas neben seinem Bett, nichts als ein Metallgestell, an dem eine Infusionsflasche aufgehängt werden konnte – hatte es sich nicht verändert, sodass die verchromten Eisenarme jetzt dürren, gierigen Klauen glichen, die sich seinem Gesicht näherten, ganz langsam und immer nur dann, wenn er gerade nicht hinsah?

Sein Herz schlug rascher. Schweiß trat ihm aus allen Poren, er zitterte und gleichzeitig war ihm eiskalt, obgleich es im Zimmer sehr warm war. Vor den Fenstern heulte noch immer der Sturm, aber er war jetzt nicht mehr sicher, dass es nur die Stimmen des Windes waren, die er hörte.

Die Tür wurde geöffnet. Mark fuhr mit einem unterdrückten Schrei hoch und blinzelte, als jemand die Deckenbeleuchtung einschaltete.

Aber es waren nicht die Ungeheuer seiner entfesselten Fantasie, sondern nur ein grauhaariger Mann im weißen Kittel – der Arzt, der ihn nach seiner Aufnahme behandelt hatte. Einen Moment lang blieb er reglos unter der Tür stehen. Dann kam er mit schnellen Schritten näher und griff nach seinem Handgelenk, um den Puls zu fühlen.

»Geht es dir nicht gut?«, fragte er besorgt. »Du bist kreidebleich. – Und dein Herz jagt wie nach einem Marathonlauf«, fügte er nach einer Pause hinzu und ließ Marks Handgelenk los.

»Nichts«, sagte Mark hastig. »Wirklich. Ich … hatte einen Albtraum, das ist alles.«

Der Arzt schien ihm nicht recht zu glauben. »Bestimmt?«

Mark zog seine Hand zurück und verbarg sie unter der Decke. »Bestimmt«, versicherte er. Dabei war ihm klar, wie lächerlich diese Behauptung wirken musste. Sein Herz raste wirklich wie ein Hammerwerk und er konnte fühlen, dass er bleich wie die sprichwörtliche Wand war. Aber zu seiner Erleichterung drang der Arzt nicht weiter in ihn, sondern trat mit einem leisen Seufzer vom Bett zurück.

»Fühlst du dich kräftig genug, ein paar Fragen zu beantworten?«, fragte er.

Mark nickte. Er hätte alle Fragen der Welt beantwortet, nur um nicht wieder allein sein zu müssen.

»Da sind zwei Herren von der Polizei, die dich einiges fragen möchten«, fuhr der Arzt fort. »Ich bin zwar nicht begeistert davon, aber du weißt ja, wie das ist … Wenn du willst, schicke ich sie weg und sage ihnen, dass sie morgen früh wieder kommen sollen.«

Polizei? Mark war überrascht. Wieso Polizei? Er hatte doch gar nichts getan! Aber er nickte und versuchte sogar, sich im Bett aufzusetzen, ließ es aber rasch bleiben, als ihn ein strafender Blick des Arztes traf.

»Ich … kann’s ja mal versuchen«, sagte er mit einem schiefen Lächeln.

Der Arzt verließ das Zimmer, ohne die Tür zu schließen. Mark konnte hören, wie er draußen auf dem Flur ein paar Worte mit jemandem wechselte, und er glaubte so etwas wie »Zehn Minuten, allerhöchstens!« zu verstehen, dann betraten zwei Männer das Zimmer, beide dunkel gekleidet, der eine jung, kaum älter als fünfundzwanzig, der andere mindestens doppelt so alt und mit grauen, schon allmählich schütter werdendem Haar. Wortlos zog sich der ältere der beiden Beamten einen Stuhl heran und ließ sich neben Marks Bett nieder, während der andere die Tür schloss und am Fußende des Bettes stehen blieb.

Das Benehmen der beiden gefiel Mark nicht. Obwohl sie noch kein Wort gesagt hatten, kam er sich vor, als hätte er etwas verbrochen.

»Der Herr Doktor hat dir ja schon gesagt, wer wir sind«, begann der ältere Beamte das Gespräch. Er deutete auf seinen Kollegen, dann auf sich. »Das ist Kriminalhauptmeister Winschild und mein Name ist Bräker. Und du bist …?«

Mark zögerte. Sein Blick wanderte zwischen den Gesichtern der beiden Beamten hin und her, während er sich verzweifelt darauf zu besinnen versuchte, was er vorhin in der Anmeldung gesagt hatte. Die Krankenschwester hatte ihn eine Menge Dinge gefragt, aber er konnte sich nicht mehr daran erinnern, was er geantwortet hatte.

»Erinnerst du dich nicht?«, fragte Bräker. Er gab sich keine Mühe, den Spott in seiner Stimme zu verbergen. Mark starrte ihn an und in sein Unbehagen mischte sich eine Spur von Feindseligkeit. Bräker hatte so gar keine Ähnlichkeit mit den netten Polizisten, die er aus zahllosen Fernsehkrimis und Romanen kannte.

»Nein«, antwortete er knapp.

Der Kriminalbeamte seufzte. Er griff in die Tasche seines Mantels und zog ein zusammengefaltetes Blatt heraus, das Mark als das Formular erkannte, das die Schwester unten in der Aufnahme ausgefüllt hatte.

»Deine Angaben waren ziemlich dürftig, mein Junge«, begann Bräker von Neuem. »Aber du siehst doch ein, dass wir wenigstens wissen müssen, wie du heißt und wo du wohnst.«

»Warum?«, fragte Mark.

Bräker runzelte die Stirn. »Nun«, sagte er, »zum Beispiel um deine Eltern zu benachrichtigen. Vielleicht interessiert es sie, zu erfahren, dass ihr Sohn noch am Leben ist. Oder bist du vor ihnen davongelaufen?«

Die Frage kam so schnell, dass Mark um ein Haar geantwortet hätte. Im letzten Moment schluckte er die Worte, die ihm auf der Zunge lagen, hinunter und zuckte nur mit den Schultern.

»Fühlst du dich nicht wohl?«, fragte Bräker. »Ich weiß, es ist eine dumme Frage – du siehst nicht aus wie jemand, der sich wohlfühlt. Aber ich meine: Fühlst du dich nicht in der Lage, unsere Fragen zu beantworten? Wir können morgen früh wieder kommen.«

»Aber das würde nichts ändern«, fügte Winschild hinzu. »Antworten musst du auf jeden Fall.«

»Aber ich habe doch gar nichts getan?«, sagte Mark empört.

»Das behauptet ja auch niemand«, antwortete Bräker.

»Es war ein Unfall«, fuhr Mark fort. Er spürte, dass er im Begriff war, einen Fehler zu begehen. Indem er sein Schweigen brach, gab er seine einzige Verteidigung auf. Trotzdem fügte er hinzu: »Der Mann, der mich angefahren hat, kann nichts dafür. Es war meine Schuld.«

»Auch das wissen wir«, sagte Bräker ruhig. »Es gab Zeugen, die beobachtet haben, wie du aus dem Haus gerannt kamst und direkt auf die Straße gestürmt bist, ohne dich umzusehen. Aber es war eben nicht nur ein Unfall.«

»Wieso nicht?«, sagte Mark störrisch. »Ich habe nicht aufgepasst, das war alles.«

»Sicher«, sagte Winschild. »Und weil du nicht aufgepasst hast, bist du vorher durch eine geschlossene Glastür gelaufen.«

»Und das Haus, aus dem du gekommen bist, sieht aus wie ein Schlachtfeld«, fügte Bräker hinzu. Mark begriff, dass die beiden ungleichen Männer ein perfekt aufeinander eingespieltes Team waren, die sich geschickt die Bälle zuwarfen. Noch fünf Minuten und er würde alles ausplaudern.

»Jemand hat die Tür zum Dach eingeschlagen und es gibt Spuren von Blut.«

»Und?«, fragte Mark.

Bräkers Gesicht verfinsterte sich. Sein Zeigefinger deutete auf Mark, als wolle er ihn damit aufspießen. »Jetzt hör mir mal zu, mein Junge«, sagte er scharf. »Es kann ja sein, dass du eine Menge Kriminalromane gelesen hast, aber die Polizei ist nicht halb so dumm, wie sie meistens dargestellt wird. Das Blut auf dem Dach ist von dir, und ich nehme nicht an, dass es bis dort hinaufgespritzt ist, als dich der Wagen angefahren hat. Und die Hälfte der Verletzungen, mit denen du eingeliefert worden bist, stammt auch nicht von dem Unfall. Du bist nicht einfach auf die Straße gerannt – nicht nachts um halb eins. Du bist gelaufen – um dein Leben gelaufen, und zwar nachdem du dort oben auf dem Dach mit irgendjemandem gekämpft hast. Wahrscheinlich hast du dich losreißen können und bist blindlings auf die Straße gestürmt.«

»Ich erinnere mich nicht«, sagte Mark stur.

»Ja und an deinen Namen erinnerst du dich auch nicht, ich weiß«, knurrte Bräker und zerknüllte ärgerlich das Aufnahmeformular. Marks Augen begannen sich mit Tränen zu füllen, obwohl er mit aller Kraft dagegen ankämpfte. Was sollte er tun? Er spürte, dass er allerhöchstens noch Minuten standhalten würde; und selbst wenn es ihm gelänge, nichts zu sagen, dann würden sie die Wahrheit spätestens am nächsten Morgen herausfinden, denn wenn seine Mutter von der Nachtschicht kam und ihre Wohnung verwüstet vorfand, rief sie garantiert die Polizei an. Aber er konnte nichts sagen. Niemals würden ihm die Polizisten Glauben schenken.

»Wir meinen es doch nur gut mit dir, Junge«, sagte Winschild. Seine Stimme klang plötzlich sanft. Er lächelte, und obwohl Mark genau wusste, dass dieser plötzliche Stimmungswechsel nichts anderes war als ein Teil ihrer Taktik, fiel es ihm schwer, dieses Lächeln nicht zu erwidern.

»Sieh mal«, fuhr Winschild fort. »Wir wissen genau, dass du vor irgendjemandem davongelaufen bist. Jemand, der dich ziemlich übel zugerichtet hat. Vielleicht wollte er dich sogar umbringen. Du kannst es uns ruhig sagen. Wir sind auf deiner Seite.«

»Das stimmt«, sagte Bräker. »Die Polizei ist nämlich dazu da, die Bürger zu beschützen, weißt du? Und vor allem Kinder. Aber du musst uns schon ein bisschen helfen. Wer war hinter dir her? Dein Vater?«

Gegen seinen Willen schüttelte Mark den Kopf. »Nein. Mein Vater … lebt schon lange nicht mehr.«

Bräker lächelte zufrieden, als er merkte, dass Marks Abwehr wieder ein bisschen mehr zusammengebrochen war. »Wer dann?«

»Niemand«, antwortete Mark störrisch. »Ich bin die Treppe hinuntergefallen.«

Bräker seufzte und tauschte einen Blick mit Winschild. »Was hattest du überhaupt in dem Haus zu suchen?«, fragte er. »Wir haben alle Bewohner befragt – du wohnst nicht dort.«

Mark antwortete nicht.

»Aber wir kriegen trotzdem heraus, wo du wohnst«, fuhr Bräker fort. »Du hattest nur Jeans und ein Hemd an – nicht gerade die Kleidung, mit der man im Dezember auf die Straße geht, noch dazu bei diesem Wetter. Also brauchen wir nur in ein paar Häusern nachzufragen, bis wir deine Adresse herausgefunden haben. Warum machst du es uns allen nicht ein bisschen leichter und verrätst uns, wie du heißt?«

Mark schwieg.

»Du willst irgendjemanden schützen, nicht wahr?«, vermutete Winschild.

»Oder du hast irgendetwas ausgefressen und hast Angst, bestraft zu werden«, sagte Bräker.

»Nein!«, antwortete Mark erschrocken. »Ich habe –« Er brach ab, biss sich auf die Lippen und starrte an Bräker vorbei auf die Wand. Bräker lächelte.

»Ich sage jetzt gar nichts mehr«, murmelte Mark. »Ich bin müde. Ich will jetzt schlafen.«

»Das kannst du«, antwortete Bräker. »Sobald du uns zwei kleine Worte gesagt hast – deinen Vor- und deinen Nachnamen.«

Mark musterte ihn feindselig, richtete sich mühsam in seinen Kissen auf – und streckte die Hand nach der Klingel aus. Noch ehe der Polizeibeamte begriff, was Mark tat, hatte er den Knopf bereits gedrückt und schon ging die Tür auf und der Arzt kam herein. Er musste unmittelbar vor der Tür gewartet haben. Der Blick, mit dem er die beiden Polizisten musterte, war nicht sehr freundlich.

»Fünf Minuten noch«, knurrte Bräker, ohne auch nur aufzusehen.

Der Arzt sah Mark fragend an.

»Ich will jetzt schlafen«, sagte Mark. »Und außerdem habe ich Schmerzen.«

»Sie haben es gehört, meine Herren«, sagte der Arzt. »Also bitte.« Er unterstrich seine Worte mit einer auffordernden Bewegung, aber Bräker rührte sich nicht.

»Ich habe nur noch ein paar –«

»Ihre Fragen können bis morgen warten«, unterbrach ihn der Arzt kalt. »Ich war von Anfang an gegen dieses Verhör, das wissen Sie. Der Junge ist schwer verletzt und braucht Ruhe.«

Mit einer Gelassenheit, die selbst Bräker beeindruckte, schob er den jüngeren Polizisten einfach beiseite, ging um Marks Bett herum und zog ein flaches silberfarbenes Etui aus der Tasche. Mark zuckte ein wenig zusammen, als er sah, wie der Arzt eine Spritze mit einer hauchdünnen Nadel herausnahm.

»Was tun Sie da?«, fragte Bräker misstrauisch.

»Was ich schon vor einer Stunde hätte tun sollen«, antwortete der Arzt. »Ich gebe ihm ein Beruhigungsmittel, das ihm helfen wird, die nächsten zwölf Stunden durchzuschlafen. Das ist die beste Medizin. Ich bin sicher, er wird alle Ihre Fragen beantworten, wenn Sie morgen am frühen Nachmittag wieder kommen.«

Winschild wollte auffahren, aber Bräker gab ihm einen raschen Wink mit den Augen und stand auf. »Sie sind der Arzt«, sagte er. »Aber wir kommen wieder. Um …«, er sah auf die Armbanduhr, »… Punkt vierzehn Uhr. Auf Wiedersehen.«

Ohne ein weiteres Wort verließen die beiden Polizisten das Zimmer. Der Arzt sah ihnen nach, bis sie die Tür hinter sich geschlossen hatten, dann grinste er, legte die Spritze in das Etui zurück und ließ es wieder zuschnappen. Mark blickte ihn fragend an.

»Nur ein kleiner Trick, um sie abzuwimmeln«, sagte der Arzt und zwinkerte ihm zu. »Du brauchst keine Spritze. So erschöpft, wie du bist, schläfst du ohnehin die nächsten zwölf Stunden wie ein Stein.«

Er ließ das Etui in seiner Kitteltasche verschwinden und setzte sich auf den Stuhl, auf dem Bräker zuvor gesessen hatte. »Mal im Ernst«, sagte er. »Wie fühlst du dich?«

»Miserabel«, gestand Mark. »Mein Fuß tut furchtbar weh. Ist er gebrochen?«

Der Arzt schüttelte den Kopf. »Verstaucht«, antwortete er. »Aber das ist manchmal schmerzhafter als ein Bruch. Laufen wirst du damit in den nächsten paar Tagen jedenfalls nicht können.«

Etwas in der Art, in der er diese Worte aussprach, ließ Mark aufsehen.

Der Arzt lachte leise. »Das hattest du doch vor, nicht wahr?«

»Was?«, fragte Mark vorsichtig.

»Wegzulaufen«, antwortete der Arzt. »Jetzt gleich oder spätestens morgen früh, ehe die beiden Quälgeister wieder kommen. Vergiss es. Mit dem Fuß kommst du keine hundert Meter weit.«

»Aber das ist nicht –«

»Lüg mich bitte nicht an, junger Mann«, unterbrach ihn der Arzt freundlich, aber bestimmt. »Du hast zwar eine Gehirnerschütterung, aber ein Gedächtnisverlust, bei dem die Betroffenen sich nicht einmal mehr an ihren Namen erinnern können, kommt äußerst selten vor. In deiner Hosentasche waren fast zweihundert Mark, dein gespartes Taschengeld, nehme ich an, in Fünf- und Zehnmarkscheinen, ein Fahrplan der Bundesbahn und ein Taschenatlas.«

Mark zögerte einen Moment. »Haben Sie … den Polizisten etwas davon gesagt?«, fragte er schüchtern.

Der Arzt schüttelte den Kopf. »Noch nicht. Ich dachte mir, du solltest eine Chance bekommen, in Ruhe nachzudenken.« Er lachte leise. »Weißt du, dass ich auch einmal von zu Hause weggelaufen bin, als ich so alt war wie du?«

»Tatsächlich?«

Der Arzt nickte. »Ich war vierzehn. Und du?«

»Dreizehn«, antwortete Mark. »Ich … ich heiße Mark.«

Der Arzt nickte wieder. Er fragte nicht nach seinem Nachnamen. »Ja, ich bin damals fast ein halbes Jahr weggeblieben, und am Schluss hat mich die Polizei aufgegriffen und nach Hause gebracht. Oh, ich hatte meine Gründe. Sehr triftige Gründe, wie ich damals glaubte. Aber es hat sich nicht gelohnt.« Er stand auf. »Gibt es jemanden, den ich anrufen soll?«, fragte er. »Bräker erfährt nichts davon, mein Ehrenwort.«

Mark glaubte ihm. Trotzdem schüttelte er den Kopf.

»In Ordnung«, sagte der Arzt. »Jetzt schlaf dich erst einmal gründlich aus. Und wenn du jemanden brauchst, mit dem du reden willst, drück einfach den Knopf, okay?«

»Okay«, versprach Mark. Ein warmes Gefühl machte sich in ihm breit. Es tat gut, jemanden in seiner Nähe zu wissen, dem er vertrauen konnte. Aber trotzdem konnte er diesem freundlichen Mann ebenso wenig alles sagen wie den beiden Polizisten oder irgendeinem anderen.

»Mein Name ist Merten«, sagte der Arzt. »Gute Nacht, Mark.«

»Gute Nacht, Dr. Merten.«

Der Arzt löschte das Licht und schloss leise die Tür hinter sich. Wieder war Mark allein mit der Dunkelheit und der Stille. Aber diesmal kam die Angst nicht zurück. Er war einfach nur müde, und das kurze Gespräch mit Dr. Merten hatte ihn mit einem Gefühl der Geborgenheit erfüllt, das er allzu lange vermisst hatte. Ein Gefühl, wie er es bisher außer in der Nähe seiner Mutter nur bei einem einzigen anderen Wesen kennengelernt hatte.

Er schloss die Augen und Müdigkeit machte sich wie eine warme wohltuende Woge in seinen Gliedern breit. Er dachte an den Cherub und wünschte sich, er wäre hier.

Mit diesem Gedanken schlief er ein.

DER DACHBODEN

Das erste Mal war er seinem Schutzengel im Alter von acht Jahren begegnet. Sein Verhältnis zu seinem zehn Jahre älteren Bruder Thomas war damals nicht sehr gut gewesen. Thomas bezeichnete ihn als Nervensäge und Klette, und Mark ließ keine Gelegenheit verstreichen, seinen Bruder bei seiner Mutter zu verpetzen oder sich heftig über ihn zu beschweren.

An diesem Abend hatten sie sich ausnahmsweise einmal nicht gestritten; ja, mehr noch, Thomas war sogar ausgesprochen guter Laune, teilte seinen Nachtisch mit ihm und erlaubte ihm sogar, in seiner Comicsammlung zu lesen; ein Ansinnen, das er normalerweise voller Empörung ablehnte – was Mark aber nie davon abgehalten hatte, sich die Hefte einfach zu nehmen, sobald sein Bruder aus dem Haus war. Vielleicht lag es daran, dass es gerade Zeugnisse gegeben und Thomas als Klassenbester abgeschnitten hatte, vielleicht war es auch nur eine Art verspätetes Geburtstagsgeschenk – aber der eigentliche Höhepunkt sollte noch kommen.

Ihre Mutter verließ das Haus gegen acht, wie immer, wenn sie zur Nachtschicht musste, und wie immer hatte sie Mark eine halbe Stunde zuvor ins Bett gebracht und ihm noch eine Geschichte vorgelesen. Mark liebte Geschichten; am meisten Science-Fiction-Erzählungen, Geschichten, die auf fremden Planeten oder im Weltraum spielten, und ebenso Gespenstergeschichten – je gruseliger, desto besser. Seine Mutter las ihm jeden Abend noch etwas vor und manchmal erzählte sie ihm eine Geschichte, die sie sich genau in diesem Moment ausdachte.

Meistens schlief er dabei ein, sodass sie ihm am nächsten Tag das Ende noch einmal erzählen musste, aber manchmal blieb er auch wach und lag noch eine Zeit lang im Dunkeln da und dachte über die eben gehörte Geschichte nach.

So auch an diesem Abend.

Er hatte gehört, wie sich Mutter und Thomas verabschiedeten, und kurz darauf war die Wohnungstür ins Schloss gefallen, und jetzt wartete er darauf, dass im Wohnzimmer der Fernseher wieder eingeschaltet wurde oder die Tür ein zweites Mal zufiel – Mutter sah es nicht gern, wenn Thomas so spät noch wegging, deshalb richtete er es so ein, dass er nach ihr das Haus verließ und sicher sein konnte, dass sein kleiner Bruder bereits schlief und ihn nicht verraten konnte. Aber an diesem Abend geschah keines von beiden.

Stattdessen wurde die Tür zu Marks Zimmer wieder geöffnet und sein Bruder blickte zu ihm herein. Mark tat so, als schliefe er fest, aber da Thomas nicht wieder ging, öffnete er die Augen und blickte seinen Bruder an.

»Bist du müde?«, fragte Thomas.

»Nö«, antwortete Mark wahrheitsgemäß. Und fügte hoffnungsvoll hinzu: »Darf ich noch fernsehen?«

Sein Bruder zuckte mit den Schultern. »Wenn du willst. Aber ich hatte eigentlich was Besseres vor. Zieh dich wieder an.«

»Warum?«, fragte Mark.

»Hast du Lust, mit aufs Dach zu kommen?«

Mark starrte seinen Bruder eine Sekunde lang mit offenem Mund an und dann war er wie der Blitz aus dem Bett. Ob er Lust hatte? Welche Frage!

Es gab nichts, was er sich sehnlicher wünschte!

Seit dem Tag, an dem er seinen Bruder das erste Mal dabei beobachtet hatte, wie er an dem Rosengitter neben der verglasten Dachterrasse in die Höhe stieg und aufs Dach hinaufkletterte, träumte er davon, ihn begleiten zu dürfen. Er hatte darum gebettelt und sogar gedroht, Thomas zu verraten, aber bisher hatte sein Bruder stets abgelehnt, ihn mitzunehmen. Und seltsamerweise hatte Mark nie ernsthaft daran gedacht, ihn wirklich zu verpetzen, obwohl er sonst in dieser Hinsicht keine Hemmungen hatte und ahnte, dass ihre Mutter nicht besonders begeistert von der Vorstellung wäre, dass ihr achtzehnjähriger Sohn mitten in der Nacht auf dem Dach herumspazierte.

So schnell er konnte, zog er sich an. »Fertig«, sagte er keuchend. Er war so aufgeregt, dass er kaum sprechen konnte.

Thomas grinste. »Kein Grund, gleich einen Herzinfarkt zu kriegen«, sagte er. Dann deutete er auf Marks Turnschuhe. »Zieh deine Schnürbänder fester. Wenn wir dort oben sind und du darüberstolperst, kannst du dir den Hals brechen.« Mark gehorchte und widersprach auch nicht, als Thomas ihn aufforderte, sich eine warme Jacke überzuziehen – obwohl er es normalerweise hasste, wie ein kleines Kind herumkommandiert zu werden.

Bevor sie das Zimmer verließen, wandte sich Thomas noch einmal an Mark: »Du darfst Mutter kein Wort davon erzählen.«

»Bestimmt nicht.«

»Schwöre es!«, verlangte Thomas. »Sag: Ich schwöre bei meiner Seele, niemandem etwas zu erzählen. Und ich soll im tiefsten Keller des Schwarzen Turmes vermodern, wenn ich diesen Schwur breche!«

Mark hatte nicht die geringste Ahnung, was der Schwarze Turm war. Trotzdem zögerte er keine Sekunde und wiederholte die Worte mit feierlichem Ernst.

»Ich schwöre bei meiner Seele, niemandem etwas zu erzählen. Und ich soll im tiefsten Keller des Schwarzen Turmes vermodern, wenn ich diesen Schwur breche!«, sagte er.

Thomas nickte zufrieden, drehte sich um und ging zur Tür. Sie durchquerten das Wohnzimmer und betraten die Dachterrasse. Thomas schloss sorgfältig die Tür hinter sich, zog den Reißverschluss seiner Jacke hoch und gab Mark ein Zeichen, es ihm gleichzutun. Dann drehte er sich um, öffnete die Außentür und trat auf den schmalen Sims hinaus, der den Dachwintergarten an drei Seiten umgab.

Mark folgte ihm, seine Schritte wurden langsamer. Seine Knie zitterten ganz leicht, als er neben seinem Bruder stehen blieb und sich behutsam vorbeugte, um über das brusthohe Gitter zu blicken.

Die Straße lag endlos tief unter ihm; nicht fünfundzwanzig Meter, sondern schon eher fünfundzwanzig Kilometer entfernt, und die Autos und Menschen, die sich unten bewegten, kamen ihm vor wie Spielzeuge.

»Angst?«, fragte sein Bruder etwas spöttisch.

Mark blickte ihn nervös an. Natürlich hatte er Angst, aber natürlich hätte er das nie zugegeben. Er schüttelte heftig den Kopf und trat auf das Rosengitter zu. Plötzlich fiel ihm auf, wie rostig die Eisenstäbe waren und wie dünn die Schrauben, die sie in der brüchigen Sandsteinmauer hielten …

Er streckte die Hand aus, aber Thomas schüttelte den Kopf und schob ihn beiseite.

»Ich gehe vor«, sagte er bestimmt.

Mark sah seinem Bruder zu, wie er geschickt wie eine Katze an dem wackeligen Gitter hinaufzuklettern begann. Auf halber Höhe hielt er an, um sich herumzudrehen und ihm die Hand entgegenzustrecken.

»Nun komm schon«, sagte Thomas. In seiner Stimme lag leichte Ungeduld.

Vorsichtig griff Mark mit der linken Hand zu, suchte mit dem Fuß nach einem halbwegs festen Halt zwischen den Eisenstäben des Rosengitters und kletterte hinter seinem Bruder her. Sein Herz klopfte bis zum Hals. Das Rosengitter zitterte unter seinem Gewicht, und er glaubte zu hören, wie sich die rostigen Schrauben aus ihren Verankerungen in der Wand lösten.

Er war in Schweiß gebadet, als er das kurze Stück überwunden hatte. Mit einem erleichterten Seufzen zog er sich mit Thomas’ Hilfe auf das flache Kunststoffdach der Veranda hinauf und blieb einen Moment sitzen.

Seine Knie zitterten und er war froh, dass er die warme Jacke angezogen hatte. Es war kalt hier oben und der Wind drang schneidend durch seine Kleider. Auch hatten ihm die Dornen der Rosen Hände und Gesicht zerkratzt und so war von seiner Unternehmungslust nicht mehr viel übrig geblieben. Am liebsten hätte er auf der Stelle kehrtgemacht, aber dann hätte er zugeben müssen, dass er doch Angst hatte, und außerdem hätte er den Rückweg aus eigener Kraft gar nicht geschafft.

»Na?«, fragte Thomas. »Noch Mut?«

Mark nickte. Sein Bruder lachte, drehte sich herum und begann die steil ansteigende Dachschräge emporzulaufen, als befände er sich auf ebener Erde. Erst als er sich schon einige Meter von Mark entfernt hatte, blieb er wieder stehen und winkte ihm nachzukommen.

Mark zögerte. Das Dach ragte wie ein Berg über ihm auf, steil und glatt und scheinbar unendlich hoch. Der nächste Halt – die Fernsehantenne – war zwar knappe drei Meter von ihm entfernt, aber sie hätte sich genauso gut auf dem Mars befinden können.

Unsicher sah er sich um. Es kam ihm vor, als wäre es dunkler geworden, und der Wind rüttelte an seinem Körper wie unsichtbare Hände, die ihn in die Tiefe zu ziehen versuchten. Alle Schatten schienen tiefer und unheimlicher geworden zu sein. Selbst die beiden lebensgroßen steinernen Engel, die rechts und links von der Dachterrasse auf dem Sims emporragten, kamen ihm mit einem Mal viel weniger freundlich vor als sonst.

Es gab eine Menge solcher Figuren auf dem Dach – sie umgaben das alte Gebäude wie eine steinerne Prozession. Manche stellten Löwen dar, Pferde oder Menschen oder auch Fabelwesen. Einige waren größer als Mark selbst und bisher hatte er sie immer als seine Freunde betrachtet. Seine Mutter bezeichnete die beiden steinernen Engel beiderseits der Dachterrasse manchmal als ihre Cherubim und er erinnerte sich, dass einmal ein Mann gekommen war und versucht hatte, die Figuren zu kaufen; für ein Museum, wie seine Mutter später erzählte, aber sie hatte das Angebot ausgeschlagen.

Viele Häuser der Stadt trugen Dachfiguren, manchmal waren es ganze Versammlungen der absonderlichsten Kreaturen, viele von ihnen größer und weitaus kunstvoller gemeißelt als diese hier.

Aber für seine Mutter waren ihre Figuren etwas Besonderes, das wusste Mark. Er hatte seine Mutter oft beobachtet, wenn sie am Fenster oder im Wintergarten stand und die schweigende Prozession anblickte. Auch für Mark waren es mehr als nur leblose Steine – manchen hatte er Namen gegeben, nur für sich, und manche waren für ihn zu Freunden geworden.

Aber jetzt war er dessen nicht mehr so sicher.

Die Kälte, der Wind, die Dunkelheit und vor allem seine eigene Angst ließen sie zu etwas Düsterem werden, zu etwas Bedrohlichem, so als wären sie gar nicht die Hüter dieses Hauses, für die er sie immer gehalten hatte, sondern das genaue Gegenteil, eine finstere Garde, die sorgsam darüber wachte, dass niemand dieses Dach betrat und ihr Reich damit entweihte.

»Worauf wartest du?«

Die Stimme seines Bruders riss Mark aus seinen Gedanken. Er wandte sich um, schluckte ein paarmal, raffte das letzte bisschen Mut zusammen und machte einen vorsichtigen Schritt.

Und in dem Moment, in dem er das Dach betrat, geschah etwas Sonderbares: Alle Angst erlosch und auch das Schwindelgefühl war plötzlich wie weggeblasen. Von einer Sekunde auf die andere fühlte sich Mark so sicher, als hätte er zeit seines Lebens nichts anderes getan, als über Dächer zu laufen.

Verblüfft blieb er stehen.

Sein Bruder stand über ihm, und in der anderen Richtung endete das Dach nach einem knappen Meter wie abgeschnitten und darunter lag nur ein schwarzer Abgrund.

Aber er fühlte keine Furcht mehr!

Als er sich herumdrehte, lächelte sein Bruder, als schien er genau zu wissen, was in Mark vorging. Es war ein warmes Lächeln, und zum ersten Mal hatte Mark nicht das Gefühl, dem überlegenen Bruder gegenüberzustehen, sondern einem Freund.

»Ich wusste, dass du es kannst«, sagte Thomas. »Es liegt in unserer Familie, weißt du? Komm.« Er winkte auffordernd mit der Hand, drehte sich um und ging weiter. Ohne zu zögern, folgte ihm Mark, jetzt ebenso sicher und rasch wie sein Bruder, und er verschwendete keinen Gedanken mehr an den Abgrund, der hinter ihm lauerte.

Thomas erreichte den Dachfirst und blieb für einen Augenblick reglos und hoch aufgerichtet stehen, wodurch er fast selbst zu einer Statue zu werden schien, groß und dunkel nur noch ein Umriss vor dem dunklen Hintergrund des Nachthimmels, dann setzte er sich, zog die Knie an den Körper und umschlang sie mit den Händen. Mark trat neben ihn und setzte sich ebenfalls. Noch vor wenigen Minuten hätte ihm der bloße Gedanke, sich auf einem abschüssigen Hausdach ohne den geringsten Halt einfach hinzusetzen, den Angstschweiß auf die Stirn getrieben. Jetzt spürte er nichts davon.

Während sie sich ausruhten, ließ Mark seinen Blick über die Dächer gleiten.

Was sich unter ihnen ausbreitete, das war eine sonderbare Landschaft aus geometrischen Formen, ein rechteckiges und trotzdem sanft gewelltes Auf und Nieder, das von den leeren Räumen zwischen den Häusern wie von Flüssen voll dunklem Wasser unterteilt wurde und in dem es Berge und Täler gab, Ebenen und Wälder aus Dachpappe und Kaminen, trutzige Burgen und kleine, verspielte Häuser. Diese Welt war bewohnt: Fast über jedem Dach, das er sehen konnte, ragten die Schatten granitener Wächter empor, und für einen Moment glaubte Mark eine geheime Verbindung zwischen ihnen zu erahnen, als wären all diese steinernen Wesen von ein und demselben Künstler erschaffen und hier aufgestellt worden, um ein ganz bestimmtes Muster zu bilden.

Lange saßen Mark und sein Bruder da und blickten auf die Dächer der Stadt herab und plötzlich begriff Mark, dass diese Welt nichts mehr mit der Stadt tief unter ihnen zu tun hatte, und dieses Erkennen wurde von einem neuerlichen Gefühl tiefer Ehrfurcht begleitet.

Schließlich brach Thomas das Schweigen.

»Gefällt es dir?«, fragte er.

Mark nickte. »Es ist … fantastisch.«

»Ja«, sagte Thomas. »Und noch mehr. Mehr, als du dir vorstellen kannst.«

»Warum hast du es mir noch nie gezeigt?«, fragte Mark.

»Weil du noch zu jung warst. Es ist gefährlich.«

Wieder spürte Mark diese neue Verbundenheit zwischen ihm und Thomas. Ein Teil von ihnen beiden schien plötzlich zu etwas Neuem, Ganzem geworden zu sein.

»Und wieso habe ich keine Angst?«, wollte Mark wissen. Auch jetzt wurde sein Bruder nicht ungeduldig, sondern gab ihm ruhig Antwort.

»Keiner von uns hat das«, sagte er. »Ich nicht, du nicht und auch Vater hatte keine Angst. Wir sind hier zu Hause, weißt du?« Er sah Mark an und lächelte, als er den verwirrten Ausdruck auf dessen Gesicht sah.

»Vater?« Mark richtete sich auf. »Du meinst, er … er war auch hier oben?«

»Er hat es mir gezeigt«, antwortete Thomas. »Ich war ungefähr so alt wie du jetzt, als er mich das erste Mal mit hierhergenommen hat. Das war, kurz bevor er verschwand.« Seine Stimme wurde bei diesen Worten bitter und Mark sagte nichts mehr. Er hatte keine Erinnerung an seinen Vater, denn er war verschwunden, noch ehe Mark ein Jahr alt geworden war, und es fiel ihm nicht schwer, über ihn zu reden. Er hätte auch die Nachricht von seinem Tod ohne wirkliche Anteilnahme hingenommen, denn für ihn war er ein Fremder, von dem er nur wusste, dass es ihn einmal gegeben hatte. Es war der Ton in der Stimme seines Bruders, der ihn aufhorchen ließ. Er hatte Vater gekannt, und aus verschiedenen Andeutungen heraus hatte Mark geschlossen, dass sie ein sehr gutes Verhältnis zueinander gehabt haben mussten. Und trotzdem klang Thomas’ Stimme jetzt vorwurfsvoll, ja, fast zornig.

»Es muss wohl irgendwie in unserer Familie liegen«, fuhr Thomas fort. »Du hättest Vater sehen sollen, wie er sich hier oben bewegte: so sicher, als säße er in einem Schaukelstuhl. Wusstest du, dass alle unsere Vorfahren auf den Dächern zu Hause waren?«

Mark schüttelte den Kopf. Er wusste so gut wie nichts über ihre Vorfahren, wie Thomas es ausgedrückt hatte. In der Familie wurde selten über die Vergangenheit gesprochen und über Vater und seine Familie schon gar nicht. Mark hatte sich oft gefragt, warum das so war.

»Großvater war Dachdecker und Urgroßvater auch«, sagte Thomas. »Und davor gab es Steinmetze, Schreiner, Zimmerleute – unsere Familie muss mehr Zeit auf den Dächern verbracht haben als andere auf der Erde. Das hier ist unsere Welt, verstehst du? So wie sich andere zum Meer hingezogen fühlen oder zu den Bergen. Ich habe diese Sehnsucht geerbt und du auch.« Er lächelte. »Es ist wunderschön hier oben, aber manchmal auch sehr einsam.«

Mark schwieg. Es gab viel, was er fragen wollte, aber er spürte, dass es besser war, jetzt nicht zu reden. Was Thomas ihm bisher verraten hatte, das war nur ein Teil des Geheimnisses, aber er würde auch den Rest erfahren, wenn er seinem Bruder Zeit ließ.

Plötzlich stand Thomas auf und deutete auf die gegenüberliegende Seite des Daches. »Komm mit.«

Er ging los, so rasch, als wäre es die natürlichste Sache der Welt, dass sein Bruder ihm folgte. Und tatsächlich erhob sich Mark auch und lief hinter ihm her, das abschüssige Dach hinunter.