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Das fremde Mädchen


Das fremde Mädchen


1. Auflage

von: Günter Görlich

CHF 5.00

Verlag: Edition Digital
Format: PDF
Veröffentl.: 24.05.2022
ISBN/EAN: 9783965216860
Sprache: deutsch
Anzahl Seiten: 96

Dieses eBook enthält ein Wasserzeichen.

Beschreibungen

Man merkt diesem sehr engagiert geschriebenen Buch gegen Fremdenfeindlichkeit und Rassismus an, dass seit seinem ersten Erscheinen 2003 fast zwei Jahrzehnte vergangen sind. Inzwischen sind Nazis nicht immer so einfach zu erkennen, wie damals beschrieben:
Oliver sieht sie als Erster, er hat die Eingangstür im Blick. Drei große Kerle betreten die Gaststätte, geschorene Köpfe, Bomberjacken und auffällige Stiefel, Springerstiefel. Und hinter ihnen kommt Thorsten.
Die drei in den Bomberjacken schauen sich um, an ihren Gesichtern ist zu erkennen, dass sie in nicht friedlicher Absicht gekommen sind. Aber sie sagen nichts, stehen jetzt in der Mitte des Raumes.
Oliver sieht, dass Torsten zu ihnen herüberschaut, er steht neben einem der drei, der sein Bruder sein könnte.
Die jungen Störenfriede inspizieren am Sonntag nach der Eröffnung die neue türkische Gaststätte am Marktplatz einer Stadt im Norden des Landes, mit der Mohamed Erfolg haben will. Mohamed ist der Vater von Mina Acad. Sie kommt an einem September neu in die fünfte Klasse – sie ist das fremde Mädchen. Klassenlehrerin Frau Matusche schreibt ihren Namen mit großen Buchstaben an die Tafel und erläutert, woher sie und ihre Familie kommen: „Mina kommt aus Berlin. Ihr Vater eröffnet in Kürze eine Gaststätte. Am Markt wird das sein. Minas Vater ist aus der Türkei nach Deutschland gekommen, aus dem kurdischen Teil der Türkei. Mina ist in Berlin geboren und groß geworden. Ja, und nun ist sie bei uns hier in Sulkow und wird unsere Schule besuchen. Ja, und ihr sollt sie gut aufnehmen.“
Genau das tun Oliver und Annegret aus ihrer Klasse. Mina fühlt sich bald wohl in Sulkow. Schon Anfang Oktober öffnet Papas Gaststätte. Die Leute mögen das Restaurant mit dem orientalischen Charme. Alles scheint in bester Ordnung. Doch als Oliver Mina am ersten Novembermontag zur Schule abholen will, ist sie nicht da. Bald weiß er auch, warum: An der Ecke zum Markt, an der die Gaststätte „Zum Halbmond“ ist, sieht er Leute stehen, die auf das Haus blicken.
Da sieht Oliver die zerschlagenen Fensterscheiben, das herunterhängende Schild „Zum Halbmond“, schwarze Streifen und Striche auf der hellen Hauswand.
Er erschrickt, bleibt eine Weile stehen, ist wie vom Schlag gerührt.
Oliver denkt nicht mehr an die Schule, er tritt durch die offene Tür in den Gastraum und sieht die Verwüstung, die umgekippten Tische, zerbrochene Stühle, die zerstörte Theke.
Wer war das? Und wie werden die Menschen in Sulkow auf diese gemeine Provokation reagieren?
Günter Görlich
Geboren am 6. Januar 1928 in Breslau, gestorben am 14. Juli 2010 in Berlin.
Ab 1944 Flakhelfer, sowjetische Kriegsgefangenschaft bis Oktober 1949. Bauarbeiter, Volkspolizist.
Nach dem Pädagogikstudium war er Erzieher in einem Jugendwerkhof und in einem Lehrlingswohnheim.
1958 erhielt er für sein erstes Jugendbuch „Der Schwarze Peter“ den Jugendbuchpreis des Ministeriums für Kultur.
Weitere Auszeichnungen:
Kunstpreis des FDGB 1966, 1973
Nationalpreis 2. Klasse 1971
Held der Arbeit 1974
Nationalpreis 1. Klasse 1978
Joh.-R.-Becher-Medaille in Gold 1979
Vaterländischer Verdienstorden in Gold 1979
Ehrenspange zum VVO in Gold 1988
Goethepreis der Stadt Berlin 1983
Oliver staunt über die Verwandlung des Mädchens, es trägt ein langes Kleid, das mit bunten Perlen bestickt ist. Bestimmt eine Tracht aus dem Land Kurdistan.
Mina lächelt und macht einen Knicks, und es ist ihr anscheinend doch ein bisschen unheimlich, wie sie hier in der deutschen Stadt Sulkow auftritt. Hat wohl der Vater veranlasst, und Mina konnte es ihm nicht abschlagen. Mohamed Acad sagt: „Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich freue mich tatsächlich, dass Sie gekommen sind. Es ist mir eine hohe Ehre. Ich bitte Sie, betreten Sie mein Restaurant. Es ist alles für Sie hergerichtet. Ich hoffe, dass mein Restaurant in seiner besonderen Form bei Ihnen Anklang findet. Dann bitte, treten Sie näher!”
Er öffnet weit die Tür, die Besucher lachen, unterhalten sich und drängen in das Restaurant hinein.
Oliver schiebt sich an Mina heran, die an der Seite steht und immer noch freundlich lächelt.
„Du hast dich aber verkleidet“, sagt Oliver.
Und Annegret, die dazu kommt, tastet nach den Perlen am Kleid.
„Das ist aber schön, dein Kleid“, sagt sie.
„Bloß heute ziehe ich das an. Könnt ihr mir glauben“, sagt Mina, „ich schwitze wie verrückt.“
Oliver lacht: „Ist auch sehr warm heute.“
„Du siehst aber sehr schön aus“, sagt Annegret.
„Nehmt euch was zu essen. Ist heute kostenlos“, sagt Mina.
Oliver schaut zum Fenster hinaus. Steht dort am Rathaus nicht Thorsten? Andere stehen auch noch dort herum und starren zum Restaurant herüber. Und die sind größer als Thorsten. Vielleicht der Bruder und seine Truppe.
Die Gaststätte „Zum Halbmond“ ist sehr voll geworden, die Gäste lassen sich das Angebotene schmecken, sind vergnügt und reden miteinander. Die meisten kennen sich, das ist zu merken.
Und Mina lächelt und spricht mit vielen.
Ein echt guter Anfang für Mohamed und Mina, denkt Oliver.

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