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Der weite Weg


Der weite Weg


1. Auflage

von: Friedrich Wolf

CHF 1.00

Verlag: Edition Digital
Format: EPUB
Veröffentl.: 29.10.2024
ISBN/EAN: 9783689123635
Sprache: deutsch
Anzahl Seiten: 22

Dieses eBook enthält ein Wasserzeichen.

Beschreibungen

Pit Pikus, der junge Specht, kehrt nach einer abenteuerlichen Reise zum Meer voller Sehnsucht in seinen Heimatwald zurück. Doch das Wiedersehen mit seiner Familie verläuft anders als erwartet: Seine neuen, weißen Möwenfedern machen ihn zum Außenseiter, und die vertrauten Stimmen seines Volkes werden zu schmerzhaften Vorwürfen. Mutig beschließt Pit, den langen Weg zurück zum Meer anzutreten, um seine Freundin Leila wiederzusehen. Doch der Weg ist voller Opfer und Prüfungen – und er fordert von Pit alles, was er besitzt. Wird er am Ende seine Heimat und seinen Platz im Leben finden? Eine Geschichte über Freundschaft, Selbstfindung und die Kraft der Liebe.
Friedrich Wolf (* 23. Dezember 1888 in Neuwied; † 5. Oktober 1953 in Lehnitz) war ein deutscher Arzt, Schriftsteller und Dramatiker, der sich besonders durch seine politische und literarische Arbeit einen Namen machte.
Friedrich Wolf wurde als Sohn eines jüdischen Kaufmanns geboren. Er studierte von 1907 bis 1912 Medizin, Philosophie und Kunstgeschichte in verschiedenen deutschen Städten und promovierte 1913 in Medizin. Während des Ersten Weltkriegs diente er als Truppenarzt und entwickelte sich zum entschiedenen Kriegsgegner. Nach dem Krieg engagierte er sich politisch und wurde Mitglied des Arbeiter- und Soldatenrats in Dresden.
Wolf war ab 1928 Mitglied der KPD und verfasste zahlreiche politisch engagierte Werke. Sein bekanntestes Drama, "Cyankali" (1929), prangerte das Abtreibungsverbot des § 218 an und löste eine breite gesellschaftliche Debatte aus. Neben seiner literarischen Tätigkeit arbeitete er als Arzt und engagierte sich für die Rechte der Arbeiterklasse.
Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten emigrierte Wolf 1933 in die Sowjetunion, wo er weiterhin literarisch aktiv war und für Radio Moskau arbeitete. Während des Spanischen Bürgerkriegs versuchte er, als Arzt an den Internationalen Brigaden teilzunehmen, blieb aber in Frankreich. Nach Beginn des Zweiten Weltkriegs wurde er in Frankreich interniert, konnte jedoch 1941 mit sowjetischer Hilfe nach Moskau zurückkehren.
Nach dem Zweiten Weltkrieg kehrte Wolf nach Deutschland zurück und engagierte sich in der DDR kulturpolitisch. Er war Mitbegründer der DEFA und der Deutschen Akademie der Künste. Zudem diente er von 1949 bis 1951 als erster Botschafter der DDR in Polen. Friedrich Wolf starb 1953 an einem Herzinfarkt und wurde auf dem Zentralfriedhof Friedrichsfelde in Berlin beigesetzt.
Wolf hinterließ ein umfangreiches literarisches Werk, das durch seinen politischen und sozialen Einsatz geprägt ist. Seine Söhne Markus und Konrad Wolf setzten sein Erbe als bedeutende Persönlichkeiten der DDR fort.
Staatliche Auszeichnungen
1943: Orden Roter Stern
1949: Nationalpreis der DDR II. Klasse für das Theaterstück Professor Mamlock
1950: Nationalpreis der DDR I. Klasse für den Film Rat der Götter.

Werkverzeichnis
Und wieder war Sommer. Der Wald stand in vollem Grün. Die Vögel sangen von allen Zweigen. Das Harz der Tannen duftete. Und Pit Pikus, der junge Specht, war von seiner abenteuerlichen Reise vom Meer und den Möwen zu seinem Volk heimgekehrt. Er war nun wieder in seinem alten Wald, bei seinen Eltern, seinen Brüdern, seinen Kameraden.
Und obschon der Vater Jan Pikus mit seinen krallenbewehrten Füßen unermüdlich wie immer den Stamm der alten Kiefer entlanglief und die kleinen Käfer aus der Rinde herausklopfte, obschon die Mutter wie stets allmorgendlich das Nest reinigte und die Brüder im übermütigen Spiel wie früher von Zweig zu Zweig sprangen, so schien dem jungen Pit Pikus doch alles völlig verändert und fremd. Er hatte sich mit der Möwe Leila im Sturmwind über dem grünen Meer gewiegt, über den weißen Wellenkämmen, unter den jagenden, blaugrauen Wolken, er hatte tags sich im heißen, silbernen Sand gebadet und nachts vom flüsternden Schilf in den Schlaf singen lassen. Leila und das Möwenvolk waren seine Freunde gewesen. Und Tschitschischka, die alte Zauberin, hatte ihm an Stelle der drei schwarzen Schwungfedern am Rande seiner Flügel mit Hilfe eines Gemisches aus Seeadlerblut, Tintenfischschleim und Algensaft drei mächtige, weiße Möwenschwungfedern eingesetzt; deshalb konnte Pit Pikus wie eine Möwe senkrecht in die Lüfte steigen und im Sturzflug zur Erde niedersausen.
Als nun der Vater Jan die weißen Schwungfedern seines Sohnes sah, da fragte er streng: „Was für ein Geschöpf bist du geworden, Pit? Ein richtiger gestreifter Teufel! Wo hast du deine schönen, schwarzen Federn gelassen, so wie deine Mutter dich in Ehren einst ausbrütete?“
Pit Pikus schwieg. Er konnte doch nicht die ganze Geschichte von seiner Liebe zur Möwe Leila und von der Zauberin Tschitschischka erzählen; wer hätte das verstanden? Seine Brüder aber verspotteten ihn: „Man hat ihm seine schönen schwarzen Spechtfedern ausgerissen und dafür alte Hühnerfedern eingesteckt!“
Das war zu viel für Pit Pikus.
„Hühnerfedern?“, rief er zornig. „Ihr sollt sehen, wie man mit Hühnerfedern fliegen kann!“ Er sprang auf den obersten Ast der Kiefer, spreizte seine Flügel und stieg senkrecht zum hohen Himmel empor, so hoch, dass der grüne Wald unter ihm dalag wie eine kleine grüne Walnuss. Dann wiegte er sich in mächtigen Kreisen in der blauen Luft, schoss plötzlich wie ein Pfeil nach unten und fing den sausenden Sturzflug hart über der Kiefernkrone auf. Er glaubte, dies der Ehre von Leila, deren Schwungfedern er trug, schuldig zu sein.
„Hühnerfedern?“, scherzte er triumphierend. „Direkt Konfekt, was?“
Der alte Jan Pikus und die anderen Spechte hatten mit Bewunderung, Neid und Furcht dem wunderbaren Flug des jungen Pit Pikus zugeschaut. Jetzt aber, als er wieder unter ihnen saß, erklärte der Vater Jan finster: „Das ist Zauberei! Das ist Überheblichkeit! Du willst mehr sein als dein Vater!“ Die Mutter Paula aber jammerte: „Er ist wie ein Adler! Er wird uns eines Tages wieder davonfliegen oder seine Nase an der Sonne verbrennen!“ Die andern Spechte schrien wild durcheinander: „Er hat in der Fremde sich mit einer Hexe abgegeben! Er will mehr sein als wir! Er will uns verhöhnen und beleidigen!“ Und Pits Vetter, der Lahmflügel Effett, sagte, man müsse ihn festhalten und ihm die Sehnen der Flügel durchbeißen; dann werde ihm das Hochfliegen und die Überheblichkeit vergehen!
So geschah es.

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