Weitere Highlights –

aus dem Verlag Kern

ISBN 9783939478133

Christoph Hinkel

Jungautor mit außergewöhnlichem literarischen Talent

Sein Debütroman „Für Amadeo“ ist eine Hommage an den vermeintlich imaginären Freund, der den Protagonisten Seduco über viele Jahre hinweg begleitet. Mit ihm taucht er in das Reich irrationaler Träume ein, in das man nur mit einer gehörigen Portion Vorstellungsvermögen vorzustoßen vermag. Pubertäre Fantasien werden wachgerüttelt und an die Grenzen des schier Unerträglichen katapultiert. Aber Amadeo ist mehr als das. Immer mehr zerrt er Seduco in die Welt der Träume und verleitet ihn zu schizophrenen Handlungen, die für Seduco zum Verhängnis werden und am Ende eine Entscheidung fordern ...

In seinem Erstlingswerk lässt Christoph Hinkel erkennen, wie grenzenlos seine Fantasie ist. Seine blumige, völlig hingebungsvolle Sprache, offenbart das außergewöhnliche Talent des jungen Autors. Seine bizarren Gedankengänge lassen bisweilen das Blut in den Adern gefrieren und der Leser wird in eine Welt entführt, die er so niemals erlebt hat.

19,80 €

ISBN 9783939478188

Elke de Witt

Ein fesselnder Roman über die ungewöhnliche Freundschaft zweier Frauen, die immer wieder das eigentliche Thema „Kindesmissbrauch“ unterschwellig erahnen lässt.

Der Roman „Vorsicht – bissige Frau!“ hat autobiographische Züge und handelt von der ungewöhnlichen Freundschaft zweier besonderer Frauen, deren Lebenslinien auf besondere Art und Weise miteinander verstrickt sind.

Als sich Astrid und Ingrun nach mehreren Jahrzehnten zufällig wiedertreffen, lassen sie ihre einst enge Sandkastenfreundschaft wieder aufleben und beschließen, ihr Leben zusammen zu meistern. Nach und nach merken die beiden schlagfertigen Power-Frauen, dass ihre persönlichen Geschichten noch mehr miteinander verwoben sind, als sie das bisher dachten. Die enge Freundschaft droht an unausgesprochenen Geheimnissen zu zerbrechen, doch ein brutaler Anschlag bringt alles ans Tageslicht.

19,80 €

Unser komplettes Programm finden Sie unter: www.verlag-kern.de

Peter Kislig

Flüchtige Nähe

Die Geschichte einer Nacht und andere
Erzählungen

Bibliografische Informationen der Deutschen Bibliothek: Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte Dateien sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar

Impressum:

© 2010 Verlag Kern

© Inhaltliche Rechte bei Peter Kislig (Autor)

2. Auflage Mai 2011

1. digitale Auflage: Zeilenwert GmbH 2013

Verlag und Herstellung: Verlag Kern

www.Verlag-Kern.de, Bayreuth

Lektorat: Sabine Greiner

www.texte-und-co.de

Umschlaggestaltung und Satz: www.winkler-layout.de

ISBN 9783939478638

Der Barpianist

Ein verhangener Herbsttag lag über Salzburg, als der Zug langsam in den Bahnhof einfuhr. Auf der Taxifahrt ins Hotel zogen hinter den glänzenden Scheiben pastellfarbene Häuserreihen vorbei. Die zielstrebigen Leute, die ihrer Arbeit nachgingen oder mit Einkäufen beschäftigt waren, machten mir bewusst, dass ich für ein paar Tage von diesen Alltagsfesseln befreit sein würde.

Beim Gedanken, keinem Bekannten zu begegnen, von keinem störenden Handy erreicht zu werden, im Müßiggang zwischen unbekannten Menschen durch eine fremde Stadt zu streifen und einladende Kneipen und Restaurants ausfindig zu machen, durchströmte mich ein tiefes Wohlbehagen.

Am Abend besuchte ich ein Dinnerkonzert im Stiftskeller St. Peter. Zwischen den Gängen unterhielten historisch gekleidete Musiker und Sänger das wohlgelaunte Publikum mit Ausschnitten aus Mozartopern.

Zurück im Hotel legte mir mein Verstand nahe, nach Reise, Konzert und üppigem Mahl, schlafenzugehen. Als ich aber die Krawatte nur zögerlich auszog, wurde klar, dass die Vernunft verloren hatte und ich noch die Bar aufsuchen würde.

Gründe gab es genug. Wenn wir mehrere Tage im selben Hotel verbringen, fühlen wir uns ein wenig zu Hause. Der Portier beim Eingang, die Leute an der Réception grüßen uns Gäste nach kurzer Zeit mit einem vertrauten Lächeln wie alte Bekannte. Allein aus diesem Grunde ist es verständlich, dass wir nach und nach die öffentlichen Räume unserer Herberge erkunden wollen. In der Bar, der intimsten Lokalität des Hotels, entscheidet sich oft, ob wir uns wohlfühlen oder Fremde auf der Durchreise bleiben.

Sachte floss das Klavierspiel des Pianisten durch die breiten offenen Doppeltüren in die Empfangshalle. Beim Betreten der Bar blieb ich für einen Moment stehen. Auf der linken Seite stand die langgezogene Bar, davor drei kleine Tische mit behaglich wirkenden Ledersesseln. Rechts saß der Pianist hinter dem Klavier, umrahmt von großzügigen Sofas und Fauteuils.

Ich setzte mich an den ersten Tisch und hatte damit freie Sicht auf das Geschehen an der Bar und auf den Pianisten.

An der Theke saß eine attraktive, junge blonde Frau in einem smaragdgrünen, tief ausgeschnittenen Kleid und schäkerte mit dem südländisch aussehenden Barmann. Sie beugte sich vor, sodass sich ihre Köpfe beinahe berührten. Aus Wortfetzen konnte ich entnehmen, dass sie sich ärgerlich und abschätzig über eine Person äußerte. Als sie während des Gesprächs zuerst mit einer schnellen Kopfbewegung, dann mit der Hand fast verächtlich zur linken Seite wies, fiel mir erst auf, dass vor dem freien Stuhl neben ihr, ein volles Weinglas stand. Nun war ich neugierig, wer da kommen würde ...

An einem Tisch vergnügten sich drei Italiener, die laut parlierten und viel lachten. Links von mir, in der Ecke saß ein verliebtes junges Paar, das nur Augen für sich selbst hatte, Händchen hielt und in einen tiefen Dialog verstrickt war.

Der Barpianist, der sehr gut spielte und mich beim Eintreten routinemäßig mit einem auf das Nötigste beschränkten Nicken begrüßt hatte, legte eine Pause ein und holte sich an der Bar ein kleines Bier, ohne nach links oder rechts zu schauen. Seine Kleider waren etwas zu groß geschnitten für den hageren Körper. Er mochte um die Sechzig sein. Die wildwüchsigen dichten Haare und die buschigen Brauen hätten eigentlich auf einen aktiven, willensstarken Menschen schließen lassen, wäre da nicht dieser seltsam resignierte Blick gewesen, der gar nicht zu seinem Äusseren passen wollte. Aber auch der leicht gebeugte Körper und der schleppende Gang deuteten darauf hin, dass er vom Schicksal nicht gerade mit Samthandschuhen angefasst worden war. Seine Erscheinung wirkte mit Ausnahme der schwarz glänzenden Schuhe fremd in dem spiegelbesetzten Raum.

Als er sich wieder ans Klavier setzte und abwesend zu spielen begann, wurde mir plötzlich klar, was der üblichen Barharmonie widersprach. Durch die Verschlossenheit des Pianisten fehlte das Lockere, die Zwanglosigkeit. Er spielte, als wäre er allein im Raum, als würde er nur für sich selbst spielen. Barpianisten aber brauchen den Blickkontakt mit den Gästen, wie Pflanzen das Wasser. Sein erloschener Blick schaute niemanden an. Die müden Augen schweiften ohne Pause vom Klavier über altrosafarbene Tapeten und Vorhänge hin und her, wie Zierfische, die im Aquarium auf engem Raum ruhig hin- und herschwimmen, ohne jemals den Eindruck zu erwecken, aus dieser kleinen Welt ausbrechen zu wollen.

Eine leise Wehmut überkam mich, als mir bewusst wurde, dass die Zeiten endgültig vorbei sind, als die Barpianisten jedem Eintretenden in die Augen schauten, als alle Stammgäste mit ihnen befreundet sein wollten und ihnen mehr offeriert wurde, als sie trinken konnten.

Ich erinnerte mich an ein dunkles Lokal in Bern. Der Pianist war der Mittelpunkt einer immer vollbesetzten Bar. Es gab noch keine Handys, durch die ihre Träger bis in die intimsten Winkel verfolgt und erreicht werden konnten. So verlief jeder Abend, ohne dass jemand von außen gestört wurde, wie ein kleines Fest, an dem man nur allzu gerne die Zeit vergaß. Der Pianist spielte die Lieblingslieder der Stammgäste, erfüllte die Wünsche der Zwischenrufer, erhöhte den Rhythmus bei Neueintretenden, nickte ihnen wohlwollend zu und machte seine Faxen, damit die Spender nicht sahen, wie die offerierten, aber nur halbleer getrunkenen Gläser vom Kellner diskret hinter das Buffet getragen wurden.

Ich glaube, dass damals ein Barpianist, der während des Spiels alles übersah, über das Privatleben und die Affären der Stammgäste bestens Bescheid wusste.

Ich winkte dem Barmann, als er sich von der Frau in Grün löste, um den Italienern eine neue Runde zu bringen.

«Ja, bitte?», fragte er.

«Noch ein Glas Wein und fragen Sie bitte den Pianisten, was er trinken möchte.»

«Er nimmt ein Bier», sagte er selbstsicher und überzeugend.

Als er ihm das Glas aufs Klavier stellte und mit einer leichten Kopfbewegung auf mich zeigte, schaute der Pianist überrascht auf; er hatte wohl nicht damit gerechnet, dass ihm einer der Gäste Beachtung schenken würde. Die Frau an der Bar interessierte sich nur für den Barmann. Die Italiener diskutierten laut lachend und das Liebespaar befand sich in einer anderen Welt.

Er hob das Glas, bedankte sich mit einem ernsthaften Nicken und nach einem tiefen Schluck flatterten die weiten Ärmel zu einer beschwingten Straussmelodie.

Der Barmann sagte leise etwas zu der Frau und lehnte sich zurück. Sie setzte sich jählings auf, ohne sich umzudrehen, warf den Kopf zurück und musterte interessiert die Decke.

Ein gut gekleideter Herr betrat sicheren Schrittes den Raum, schaute prüfend über die anwesenden Gäste und steuerte auf die Bar zu. Als er an meinem Tisch vorbeikam, grüßte er freundlich.

Die Brauen über den zurückliegenden Augen bildeten zwei wie von einem Zirkel gezogene Halbkreise, die, zusammen mit der zu lang geratenen Nase, seinem Gesichtsausdruck etwas Eulenartiges verliehen.

Als er auf die Frau zuging, kam ein Zögern in seinen sicheren Schritt. Die Hand, die er ihr auf die Schulter legen wollte, zuckte im letzten Moment zurück.

«Hallo, mein Liebes», sagte er und strich ihr unnatürlich steif und fast ängstlich mit der Hand über das blonde Haar. Sie war sichtlich nicht erfreut und drehte sich unwirsch zu ihm.

«Musst du mich so erschrecken, ich dachte, du schaust dir das Fussballspiel an», sagte sie und blickte auf die Uhr.

«Das Spiel ist praktisch entschieden, die Spanier führen 2: 0», sagte er und setzte sich umständlich vor das verwaiste Glas. Er trank den Wein in kleinen Schlucken und sprach mit dem Barmann über das Spiel. Nun schaute sich die Frau erstmals im Raume um.

Ihr Blick blieb nachdenklich auf dem Pianisten hängen, wahrscheinlich ohne ihn wirklich zu sehen, wandte sich für einen Augenblick den Italienern zu, um müde über mich hinweg noch kurz das Liebespaar zu streifen. Sie interessierte sich nicht für das Sportgespräch ihres Mannes und tat mit einem künstlichen Gähnen hinter vorgehaltener Hand kund, wie langweilig für sie hier an der Bar alles war ...

Mir war nicht entgangen, dass sich mit dem Auftauchen des Mannes der Blick des Pianisten ab und zu von der kleingemusterten Tapete löste und vorsichtig über die Bar schweifte. Langsam entstieg aus dem Dunkel seiner trägen Gleichgültigkeit ein Funken Leben. Ich beobachtete diskret, dass ihm das Geschehen an der Bar nicht gleichgültig war. Da er den Kopf stets vorsichtig und langsam wendete, hatte ich immer genügend Zeit, die Italiener zu fixieren, wenn sich sein Blick über mich der Bar zuwandte.

«Trinkst du noch was?», fragte der Mann an der Bar seine Frau und ließ «mein Liebes» diesmal weg.

«Nein, ich gehe zu Bett. Aber du kannst ruhig noch bleiben.»

«Auf Wiedersehen», sagte sie zum Barmann, ohne die Antwort ihres Mannes abzuwarten, und presste, für ihren Mann nicht sichtbar, die Lippen aufeinander, um ihren Unmut anzuzeigen. Stolz und hoch aufgerichtet verließ sie die Bar, ohne sich umzudrehen. Aus dem leichten Zusammensacken seines Oberkörpers und den entmutigten Augen war erkennbar, dass er ihr am liebsten gefolgt wäre. Die Distanz war aber schon zu groß; wäre er ihr mit einigen Metern Entfernung nachgegangen, hätten sogar die mit sich selbst beschäftigten Italiener und das Liebespaar die Unstimmigkeit mitbekommen. So bestellte er noch ein Bier und gab nur kurz und abwesend Antworten auf die Fragen des Barmanns.

Nach kurzer angemessener Zeit stand er auf, wünschte Gute Nacht und verließ die Bar. Auch ich hob nun die Hand, um die Rechnung zu verlangen und nahm die Eindrücke des Abends mit nach oben.

Am nächsten Morgen war es schon spät, als ich erwachte.Ein feuchtgrauer Himmel hing über der Stadt und ich beeilte mich, um noch rechtzeitig in den Frühstücksraum zu kommen. Die wenigen Leute, die noch da waren, saßen – mit einer Ausnahme – an den Fensterplätzen. Die Ausnahme bildete ein Mann, der Licht, Fluss und Stadt den Rücken wandte; der Barpianist. Auch ich setzte mich an die Fensterfront. Hinter der grüngrauen Salzach stand fest und erhaben von Nebelschwaden umflort die Altstadt von Salzburg. Sicher und unerschütterlich wachte die alte Festung über den Türmen des Doms und den nahe zusammenliegenden Kirchen. Mein Blick aber schweifte immer wieder in den hinteren Raum zurück.

Den Kopf schwer auf der offenen Hand über dem angewinkelten Arm aufgestützt, starrte er minutenlang auf einen vergilbten Tapetenfleck, als sei auf diesem schäbigen Punkt etwas nur ihm Zugängliches zu sehen. Obwohl ich später gekommen war, verließ ich den Raum vor ihm und ahnte nicht, dass er mir bereits am Nachmittag wieder begegnen sollte.

Vorerst aber bewog mich das trübe Wetter in der wohligen Wärme des Hotelzimmers zu bleiben. Ich schrieb zwei Briefe, streckte mich dann behaglich unter der warmen Bettdecke und las in einem mitgenommenen Buch.

Das Wetter besserte sich nicht und der Gedanke, dass es vielleicht Jahre dauern könnte, bis ich wieder Gelegenheit haben würde, nach Salzburg zu kommen, nahm mir die Ruhe. Unentschlossen legte ich das Buch beiseite, schlug die warme Decke zurück und stand auf.

Die mir auf der schmalen Fußgängerbrücke entgegenkommenden Leute waren erst auf den letzten Metern zu erkennen. Die Mantelkrägen hochgeschlagen, eilten sie mit gesenkten Köpfen, Wind und Regen trotzend ihrem Zielort zu. Ihre Seelen schienen sich tief ins Innere geflüchtet zu haben.

Ich näherte mich einer langsam vor mir gehenden Gestalt. Je mehr sich die Figur aus dem Trüben schälte, je bekannter kam sie mir vor und plötzlich erkannte ich den schleppenden Gang des Barpianisten. Ich verlangsamte den Schritt und ließ die Distanz wieder größer werden. Sein unzugängliches Wesen, das nicht in das Bild eines Barpianisten passen wollte, und seine trostlosen Augen, die ferne Bilder zu sehen schienen, hatten meine Neugier geweckt.

Nach dem Flusssteg bog er in die belebte Griesgasse ein. Die Hände tief in den Taschen vergraben schaute er kaum in die bunten Schaufensterauslagen. Es war spürbar, dass er trotz des langsamen Gangs ein Ziel vor Augen hatte.

Plötzlich ein lautes Geschrei. Eine Schar Kinder kam uns entgegen. Sie hatten einen Schwachsinnigen passiert, der in einem Torbogen stand, wild mit den Händen fuchtelte und ihnen mit grunzenden Lauten etwas nachrief. Die Kinder waren schon vorbei, gingen aber noch rückwärts, lachten, grölten und versuchten, ihn mit Zurufen herauszufordern. Er aber blieb im Torbogen stehen, erhob die Hände, ballte die Faust, doch anscheinend bereitete ihm das Spiel auch Spass, denn auf seinem Gesicht zeigte sich nichts Böses, sondern eine erregte kindliche Freude.

Der Pianist hatte nur den Gehsteig gewechselt, ohne die Szene weiter zu beachten. Vorsichtig überquerte er den Neumayrplatz und betrat durch eine große Glastür ein breitfrontiges Café.

Eine Weile blieb ich unschlüssig stehen. Ihm sofort zu folgen, schien mir zu aufdringlich; so ging ich langsam weiter, kam schließlich durch die Getreidegasse erneut ans Ufer der Salzach und blieb für einen Moment stehen. Jetzt über die Brücke zurück ins Hotel oder wieder die Griesgasse hinauf ins Café. Bevor ich bewusst zu einer Entscheidung kam, hatten sich meine Beine schon in Bewegung gesetzt.

Das Restaurant war groß und hell. Die wenigen Gäste saßen weit auseinander. Die Wände waren mit Bildern von Musikern und Schauspielern dekoriert, dazwischen hingen Plakate kommender und vergangener Vorstellungen, die sich bis auf die Fensterfront neben dem Eingang zogen. Durch einen großen Durchgang kommt man in einen zweiten Raum, in dem die lange, abgewinkelte Bar eine ganze Wand in Anspruch nimmt. Der Pianist war allein an der Bar. Er saß am hintersten Platz und unterhielt sich mit der Kellnerin. Als ich mich näherte, wurde sie an einen Tisch im Restaurant gerufen.

«Guten Tag», sagte ich, «Sie sind auch ein wenig unterwegs?»

Mürrisch drehte er den Kopf. Er erkannte mich und ich war froh zu sehen, dass sich seine Miene aufhellte.

«Ist es erlaubt?», fragte ich.

«Bitte», er wies mit der Hand auf den Barhocker neben sich. Ich setzte mich aber auf den nächst weiteren, um nicht zu stören, wenn sich zeigen würde, dass er allein sein wollte. Die Kellnerin kam mit einem Tablett schmutzigen Geschirrs hinter die Bar zurück.

«Was darf’s denn sein?», fragte sie mit sanfter, einladender Stimme.

Sie war dunkelhaarig, von durchschnittlicher Statur und hatte sich auf Distanz nicht von den paar farblosen Gästen abgehoben. Als sie aber direkt vor mir stand und mich ihre warm leuchtenden, fast sprechenden Augen ruhig ansahen und die weiche dunkle Stimme nach meinen Wünschen fragte, fühlte ich mich vertraut und willkommen an der Bar.

Ich schaute auf das fast leere Glas des Pianisten.

«Nehmen Sie noch ein Gläschen?», fragte ich ihn.

«Gerne», sagte er und schaute flüchtig auf die Uhr. Als das Mädchen eingeschenkt hatte, erhoben wir kurz die Gläser und prosteten uns flüchtig zu.

«Sie sind Schweizer, nicht wahr?»