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Band 183

 

Sonnensturm

 

Susan Schwartz

 

 

 

Pabel-Moewig Verlag KG, Rastatt

 

Cover

Vorspann

1. Sedna

2. Torransystem

3. Sedna

4. Torransystem

5. Sedna

6. RA

7. Terra

8. Luna

9. Luna

10. RA

11. Luna

12. RA

13. Luna

14. Torransystem

15. Luna

16. Torransystem

17. Vulkan

18. Luna

19. RA

20. Torransystem

Impressum

PERRY RHODAN – die Serie

 

Im Jahr 2036 entdeckt der Astronaut Perry Rhodan auf dem Mond ein außerirdisches Raumschiff. Damit öffnet er den Weg zu den Sternen – ein Abenteuer, das den Menschen kosmische Wunder offenbart, sie aber immer wieder in höchste Gefahr bringt. Zuletzt musste sogar zeitweilig die gesamte Erde evakuiert werden.

2058 ist die Menschheit mit dem Wiederaufbau ihrer Heimat beschäftigt und findet immer mehr zu einer Gemeinschaft zusammen. Die Terranische Union, Motor dieser Entwicklung, errichtet bereits Kolonien auf dem Mars und dem Mond.

Auf Luna ereignen sich sonderbare Vorfälle. Die Urheber können sich unsichtbar machen und werden deshalb Laurins genannt. Rhodan kann sie vertreiben und setzt ihnen nach, um ihre Absichten zu erkunden.

Währenddessen kommt es in der Heimat zu katastrophalen Entwicklungen. Die Sonne schickt lodernde Brandfackeln ins All – es droht ein verheerender SONNENSTURM ...

1.

Sedna

 

Laurins, dachte Sander Pawliczek. Hoffentlich sind dort unten wirklich keine mehr. Ich habe wenig Lust auf eine Begegnung mit jemandem, der unsichtbar ist und kaum aufgespürt werden kann.

Unwillkürlich dachte er an die Sage des Zwergenkönigs Laurin aus Südtirol, der mithilfe seiner Tarnkappe die Königstochter von der Etsch entführte. Als Jugendlicher war Pawliczek im Rosengarten in den alpenländischen Dolomiten gewandert und hatte dort viele Varianten der Geschichte gehört. Ein Ort, der zum Träumen und Phantasieren einlud.

Doch die aktuelle Lage hatte nichts mit Märchen zu tun und war nur mit einem Albtraum vergleichbar.

»Sedna-Scout-Eins an Sedna-Scout-Drei«, ertönte es aus dem Funk.

Die vier zu Aufklärern und Forschungsfahrzeugen umgebauten Space-Disks verfügten über eine erweiterte Ortungs- und Sensorenausstattung und eine Zusatzpositronik, mit der die Auswertungen vorgenommen wurden. Die kleinen Raumboote mit 28 Metern Gesamtdurchmesser waren deshalb bis zur winzigen Zentrale in der Polkuppel mit Technik vollgestopft und boten kaum Platz, sich umzudrehen.

Die Zentrale war für zwei Personen eingerichtet, für die Überwachung von Sedna war aber nur jeweils ein Wissenschaftler abgestellt worden, der zugleich einen Abschluss als Pilot hatte. Es war schlichtweg zu eng.

Das stellte jedoch kein Problem dar. Die meisten Wissenschaftler der Terranischen Union, deren Spezialgebiete sich mit dem All beschäftigten, verfügten ohnehin über die notwendige Zusatzausbildung als Raumfahrer und konnten auf sich gestellt arbeiten. Sie waren damit beauftragt, so viele Informationen wie möglich zu sammeln und weiterzuleiten.

»Scout-Drei, Pawliczek hier«, meldete er sich. »Bin wach, wer noch?«

Er verlagerte zum dritten Mal innerhalb der vergangenen halben Stunde seine Haltung. Der Pilotensitz war an sich recht bequem, und mit der transparenten Panzerplastkuppel hatte Pawliczek eine gute Rundumsicht in die Weiten des Weltraums. Dennoch fühlte er sich beengt. Um den Sessel zu verlassen, musste er über den zweiten klettern und sich dann zur Wendeltreppe durchquetschen, die in die untere Ebene führte. Ab und zu musste das sein, doch er schränkte diese Ausflüge so weit wie möglich ein.

»Kracks«, lautete die Antwort. Gefolgt von konstantem Rauschen.

Schon war die Kommunikation wieder dahin.

»Allein, allein«, murmelte Pawliczek. Es störte ihn nicht weiter, er war Datenanalyst mit dem Schwerpunkt Kosmologie. Er war es gewohnt, einsam vor sich hin zu arbeiten, an ungemütliche Orte zu fliegen und dort herauszufinden, was mit ihnen nicht stimmte.

Sedna war schon für sich betrachtet ein reichlich ungemütlicher Ort – ein Transneptunisches Objekt jenseits des Kuipergürtels mit fast tausend Kilometern Durchmesser.

Trotz der auffallenden rötlichen Erscheinung ein bis vor Kurzem völlig uninteressantes Randgebilde – wären dort nicht die Laurins aufgestöbert und zur Flucht gezwungen worden. Die MAGELLAN unter Perry Rhodans Leitung hatte die Verfolgung aufgenommen, doch die Arbeit in Bezug auf Sedna war damit keineswegs beendet gewesen.

Pawliczek sammelte die Daten wie angewiesen, war jedoch bislang auf nichts Auffälliges gestoßen – was ihn enorm wurmte. Die drei anderen Space-Disks hatten zwar vermutlich gleichfalls keine besseren Ergebnisse vorzuweisen. Aber leider war es ihnen bisher nicht gelungen, sich darüber abzusprechen. Mehr als ein paar Worte kamen bei den Funkanrufen nie zustande, bevor die Verbindung wieder abriss.

Das bedeutete, dass bei Sedna etwas ganz und gar nicht stimmte, die Ursache für die Störungen indes hatte der Kosmologe bisher nicht herausfinden können. Ihm blieb nur zu hoffen, dass einer der anderen Scouts bald etwas entdeckte.

Also doch in Laurins Zaubergarten, dachte Pawliczek frustriert. Alles unter der Tarnkappe verborgen. Oder unter einem Fluch.

Da fing es an zu schneien.

 

Sander Pawliczek fuhr hoch und wies die zweite Positronik an, Daten zu sammeln, während die Systempositronik auf Distanz gehen sollte.

Es war selbstredend kein richtiger Schnee, doch es sah optisch täuschend ähnlich aus. Eine große, flimmernde Wolke raste auf das Diskusboot zu und hüllte es innerhalb weniger Sekunden ein. Wie vom Wind verwirbelte Schneeflocken, in deren Zentrum winzige Blitze zuckten.

»Kreellgestöber!«, rief Pawliczek. »Wieso jetzt, wieso hier?« Der Begriff für diese aus dem Creaversum ins Einsteinuniversum eintretende Materie, die bisher nicht abschließend hatte analysiert werden können, war von den Physikern aus Doktor Eric Leydens Team geprägt worden.

Pawliczek war darüber informiert worden und deshalb sicher, mitten in dieses unvorhersehbar auftretende Phänomen geraten zu sein.

Abgesehen von der Gefahr, die von dem Kreellgestöber für die Technik ausging – der Schutzschirm zeigte bereits Störungen, denn das Kreell lagerte sich wie eine zweite glitzernde Schicht darauf ab –, dieses plötzliche Auftauchen konnte nichts Gutes bedeuten und würde Folgen haben. Wahrscheinlich hingen die ganzen vorherigen Störungen damit zusammen. Die unheilvollen Vorboten des Sturms.

Aber auch das Kreellgestöber war nur ein weiterer, mächtigerer Vorbote und konnte noch nicht der Sturm selbst sein.

Die jüngsten Ereignisse ließen vielmehr befürchten, dass sich etwas anderes, viel Größeres auftat. Was Pawliczek sofort zur Erde melden musste, denn es bedeutete mit Sicherheit eine große Gefahr für das Sonnensystem. Davon war der Kosmologe überzeugt.

Aber zuerst musste er dieses Phänomen überleben.

 

Trotz Pawliczeks sekundenschneller Reaktion, um seine Space-Disk aus dem Schneesturm herauszusteuern, war er zu langsam, der plötzlich hereinbrechende Wirbel zu schnell. Es war zu spät, heil davonzukommen.

Das kleine Raumschiff wurde von unbekannten Gewalten durchgeschüttelt. Pawliczek riss es aus dem Sitz; nun war die Enge ein Glück, denn er konnte sich gerade noch festhalten und zurückziehen. Er stemmte die Beine gegen die Seiten, um sich in den Sessel zu klemmen und die Hände freizubekommen.

Das automatische Fesselfeld versagte. Sander Pawliczek versuchte, sich manuell anzuschnallen, doch seine Hände bekamen bei dem unkontrollierten Schütteln und Ruckeln kaum die Gurte zu fassen.

Als er sie endlich herunterziehen konnte, war es noch viel schwieriger, sie in die richtige Position zu bringen und zu verbinden. Er verlor wertvolle Sekunden und schrie die Positronik an, so schnell wie möglich auf Fluchtdistanz zu gehen, doch die war zu sehr mit anderen Dingen beschäftigt. Nämlich zu verhindern, dass sämtliche Systeme versagten und die Space-Disk von den draußen tobenden Gewalten in tausend Teile zerrissen wurde.

Bei einem weiteren heftigen Ruck – es gab tatsächlich noch Steigerungen – setzte die Gravitation aus. Es hob Pawliczek hoch, aber schon eine halbe Sekunde später wurde er in den Sitz zurückgepresst, als die Bordschwerkraft mit über einem Gravo wieder einsetzte. Immerhin schaffte er es daraufhin endlich, mit zitternden Fingern die Sicherheitsgurte zu schließen.

Die Schwerkraft regulierte sich auf Standard, fiel erneut aus, setzte wieder ein ...

Pawliczek war froh, dass seine Reflexe gut trainiert waren und er über einen sehr stabilen Magen verfügte, während er versuchte, irgendwie an den Kontrollen zu bleiben.

Für Angst hatte er keine Zeit, in seinem Verstand blitzte sie zwar kurz auf, doch sogleich regelte sich die Konzentration wieder auf zwei wichtigere Themen ein: erstens, die Körperkontrolle nicht zu verlieren, zweitens, die Kontrolle über das Raumboot nicht zu verlieren. Und infolgedessen als Drittes auf die Frage: Wie kam er aus dem Sturm raus?

Beide Positroniken stießen optisch und akustisch schrille Warnungen aus, was nicht gerade hilfreich war und keineswegs zum Optimismus verleitete.

Pawliczek schloss mit einem Fingerdruck auf den Sensor im Halsring seinem Anzughelm, da einige Versorgungssysteme dabei waren, den Dienst zu quittieren. Unter anderem die Lebenserhaltung mit Sauerstoff und Temperaturregelung. Die Notversorgung sprang ein, aber nur stotternd.

Nach einer kurzen Analyse der Fehlfunktionen entschied der Kosmologe, vorübergehend auf Sedna zu landen, bis die Autoreparatur abgeschlossen war – er hatte nicht mehr genug Energiereserven, um in eine Notbeschleunigung zu gehen, geschweige denn, um anschließend irgendwohin zu navigieren. Das würde in dieser Lage die Fusionsreaktoren überlasten.

Oder die Space-Disk zerreißen.

Wie gehabt: Es sah schlecht aus.

 

Drei Minuten waren seit dem Einsetzen des Kreellphänomens vergangen.

Die flimmernde Wolke nahm das gesamte Blickfeld ein, die optischen Sensoren versagten, und Pawliczek musste zusehen, wie er sich mit eigenen Augen durch das Gestöber manövrierte. Er war für Gefahrensituationen ausgebildet, aber einen klassischen »Blindflug« wie diesen hatte er noch nicht im Programm gehabt. So etwas kam im All eher selten vor.

Er stellte auf manuelle Steuerung um und lenkte das Raumfahrzeug durch den Kreellwirbel. Die Positronik unterstützte ihn mit Messdaten, soweit sie dazu noch in der Lage war. Hilfreich waren die vorherigen Aufzeichnungen, sodass der Kosmologe die Richtung und den Abstand zum Zielort einigermaßen einschätzen konnte. Was im Grunde genommen nur Schönreden war, um sich bei der Stange zu halten, denn bereits ein winziger Fehler mochte das ungebremste Ende bedeuten.

Nicht darauf achten! Kurs auf Sedna.

Funkrufe zu den anderen Diskusbooten, sofern sie überhaupt durchgingen, waren unmöglich, denn die Kommunikationsanlage war als Erstes ausgefallen. Die Kollegen kämpften womöglich ebenso ums Überleben – oder hatten sich rechtzeitig auf Distanz bringen können und mussten hilflos dabei zusehen, wie Sander Pawliczek als Spielball der Gewalten herumgeschleudert wurde.

Den Vorschriften entsprechend, aktivierte er das Notrufsignal, in der Hoffnung, dass es irgendwen erreichte – vorher oder ... nachher. Ha. Ha.

Die Positronik warnte ihn, unbedingt die Geschwindigkeit zu reduzieren. Aber Pawliczek wusste, er hatte keine Zeit mehr für ein sicheres Manöver nach Lehrbuch. Die Systeme der Space-Disk standen kurz vor dem vollständigen Zusammenbruch.

Hoffentlich hüllte das Gestöber nicht auch Sedna ein, sonst brauchte er sich in wenigen Augenblicken um gar nichts mehr zu sorgen. Er dachte an Bozo, seinen seltsamen, wuschelgrauen Hund, der sich für einen Menschen hielt, und an Miasi, seine nicht minder seltsame Nachbarin, die sich in ihrer Freizeit wie eine Katze kostümierte und schminkte.

Der Kosmologe wollte nur hoffen, dass man genug Überreste von ihm fand, die identifiziert werden konnten.

Was für ein Unsinn! Man wusste ja, wo er war, und wenn weder das Raumboot noch er auffindbar waren, konnte das nur eins bedeuten.

Am besten war es, lebend und in einem Stück zurückzukehren. Er hatte nämlich vergessen, ausreichend Hundefutter zu bestellen. Und Miasi hatte bald Geburtstag.

Mit zusammengebissenen Zähnen steuerte er weiter auf Sicht. Wenigstens hielt das Anzugsystem, es maulte nur über ein paar kleine Störungen, mehr nicht. Und bequemte sich dann sogar zur optischen Verstärkung.

Sander Pawliczek schrie auf.

2.

Torransystem

 

Überlaut gellte der Alarm durch die Zentrale der MAGELLAN. Mehrere Hundert Laurinschiffe waren gerade ins Torransystem gesprungen und nahmen Kurs auf den terranischen Expeditionsraumer.

Es war nur der Wachsamkeit der Ortungsspezialisten zu verdanken, dass die Menschen die Flotte überhaupt entdeckt hatten. Denn die Laurins verfügten über eine hochwertige Tarntechnologie, die ihre Raumfahrzeuge für die meisten regulären Ortungssysteme unsichtbar machte – nur die Massetaster vermochten ihre Position ungefähr zu bestimmen.

»Ausweichkurs anlegen! Auf Sprunggeschwindigkeit beschleunigen!«, befahl Conrad Deringhouse, bevor Perry Rhodan dazu raten konnte. Es kam kein Funkanruf der Fremden, und angesichts des bedrohlichen Aufmarsches sahen auch die Menschen davon ab, zuerst höflich nachzufragen, was man von ihnen wünsche. »Nichts wie weg hier!«

Fünfzig Prozent der Lichtgeschwindigkeit waren erforderlich, um das Transitionstriebwerk einzusetzen.

»Das wird schwierig«, stellte Rhodan fest. »Die sind gut vorbereitet.« Sein Tonfall klang nüchtern, doch an seinem Gesichtsausdruck war wahrscheinlich erkennbar, unter welcher Anspannung er stand.

Wie alle in der Zentrale. Sämtliche Stationen entlang der Wände waren voll besetzt, gut hundert Einzelholos waren aktiviert, in denen sich Messwerte, Navigations-, Funk- und Ortungsdaten, Bildausschnitte der Vorgänge im Weltraum, Simulationen und vieles mehr zeigten. Vor allem das Aufspüren der unsichtbaren Fremdraumer hatte höchste Priorität.

Deringhouse und Rhodan standen auf dem Kommandopodest und starrten auf den Holodom, der verdeutlichte, wovon der Protektor sprach.

Die torpedoförmigen Raumschiffe der – wie die jüngsten Erkenntnisse auf Torran-Gar offenbart hatten – mutmaßlichen Befehlshaber der feindlichen Allianz zogen sich laut Massetaster zu einem Pulk zusammen und waren bereits auf Beschleunigungskurs. Das war einerseits gut, weil sie so angemessen werden konnten – ein einzelnes Laurinschiff war nur sehr schwer zu entdecken. Andererseits aber war es eine größere Flotte, die selbst bei technischer Unterlegenheit durch ihre schiere Anzahl eine Bedrohung darstellte.

Die riesige MAGELLAN benötigte aufgrund ihrer Masse und Trägheit noch eine Weile, bis sie das angestrebte Tempo erreichen würde – was den Laurins momentan einen Vorteil brachte.

»Waffen bereit!«, ordnete der Kommandant knapp an.

Die Feuerleitoffizierin Tya Sentaku bestätigte und machte sich mit ihren Mitarbeitern ans Werk – die überschwere 4-fach-Impulskanone am Südpol des Kugelraumers wurde aktiviert. Außerdem setzten sie die fünf Waffenringe der MAGELLAN mit den überschweren und schweren Impulskanonen, Thermostrahlern, Desintegratoren, Torpedowerfern und Paralysatoren in Bereitschaft. Erste Ziele wurden angemessen und fixiert.

Gleichzeitig wurden neben dem Prallschirm die teilweise auf der HÜ-Technik der Maahks basierenden Komponenten des Libraschirms aktiviert. Der fast zweieinhalb Kilometer durchmessende Riesenraumer umgab sich mit einem grünen Schimmer.

Die MAGELLAN war äußerst wehrhaft, jedoch war es unmöglich, sich als Einzelschiff mit mehreren Hundert Gegnern gleichzeitig auseinanderzusetzen.

»Sollen wir die Kreuzer ausschleusen?« fragte Conrad Deringhouse leise bei Rhodan nach. »Die erhöhen unsere Chancen, wenn sie den gegnerischen Verband zerstreuen und ablenken.«

Perry Rhodan lehnte ab. »Wir müssten bis zur Wiedereinschleusung mit unserem Hypersprung warten und verzetteln uns unnötig in ein Gefecht, das ich vorerst vermeiden möchte, solange wir nicht mehr über die Laurins herausgefunden haben.«

»Also auch kein Einsatz der zwölf Waffendrohnen?« Das waren vollautomatische Korvetten mit sechzig Metern Durchmesser.

»Nein, wir sollten nicht so schnell die Hosen runterlassen. Wir müssen die Laurinschiffe besser und schneller anmessen können, bevor wir unsere Beibootflottille riskieren; das gilt auch für die Waffendrohnen. Geben wir lieber Vollgas und sehen zu, dass wir verschwinden!«

 

Wie Rhodan bemerkt hatte, waren die Laurins vorbereitet. Sie kamen schnell näher und fächerten ihre Formation dann auf.

»Sieht aus, als ob eine Schlange das Maul aufreißt«, stellte Deringhouse anhand der Visualisierung fest. »Modell Zangengriff, durchaus vielversprechend – sofern sie rechtzeitig in Schussweite kommen.«

Die Ortung lieferte weitere alarmierende Neuigkeiten, die im Holodom ausgewiesen wurden – noch mehr Laurinschiffe waren aufgetaucht, und zwar vor der MAGELLAN. Da die Gesamtmasse so schnell anmessbar war, mussten die Menschen bei der zweiten Flotte von gut zweihundert Schiffen ausgehen.

Deringhouse erkannte nun sicherlich, wie richtig Rhodans Rat gewesen war, keine Kreuzer auszuschleusen. Angesichts dieser Übermacht hätten die Beiboote nicht viel ausrichten können, vor allem hätten die Terraner sich an zwei Fronten aufgerieben.

Die zweite Laurinflotte war noch zu weit entfernt für einen Beschuss, aber in der Lage, der MAGELLAN den Weg abzuschneiden, noch bevor sie die Transitionsgeschwindigkeit erreichte.

»Ortung, Besetzung aufstocken!«, rief Deringhouse. »Ein Team pro Flotte bleibt in jeder Sekunde dran!«

Er löste den Rotalarm aus. Jedermann musste sich im Sessel seiner Kampfstation sowohl manuell als auch mittels Prallfeldern sichern. Auch Deringhouse und Rhodan suchten ihre Plätze auf. Dem Riesenschiff standen einige Manöver bevor, die über jede Normalsituation hinausgehen würden.

Die MAGELLAN war der Hase, die Laurins waren die Jäger samt Meute. Das bedeutete, Haken zu schlagen – eine ganz besondere Herausforderung.

»De Vasconcelos, jetzt sind Ihre Fähigkeiten gefragt! Bringen Sie uns hier raus!«

»Verstanden, Sir. Habe schon eine Strategie, der Astrogator berechnet fleißig den Kurs. Wer einen nervösen Magen hat, sollte besser ein Mittel nehmen. Es könnte ein bisschen holprig werden.«

Jedem war bewusst, was das für eine Untertreibung war.

 

Mit einem scharfen Bremsmanöver vermied Renaya Dalva de Vasconcelos die weitere Annäherung an die Laurinflotte, die im bisherigen Kurs der MAGELLAN aufgetaucht war und die bereits zu demselben Zangengriffmanöver ausschwärmte wie die gegnerischen Schiffe im Rücken der Menschen. Das Ziel der Laurins war deutlich erkennbar: die vollständige Umzingelung des terranischen Giganten und vermutlich ein anschließender Dauerbeschuss von allen Seiten.

Noch während des Bremsvorgangs leitete die Pilotin die Wende ein, in Richtung des Sonnentrios im Zentrum des Torransystems.

Bei dieser Hochbelastung reduzierte die Hauptpositronik die Leistung der Antigravaggregate und der Andruckabsorber. Die Warnung war also keineswegs zu früh erfolgt.

Das gesamte Schiff einschließlich der Besatzung wurde ordentlich durchgeschüttelt. Alles, was nicht fest verstaut war, flog nun durch die Räume.

Außer in der Zentrale, dort galten besonders strenge Vorschriften. Auf einigen Decks indes kam es bestimmt zu Zerstörungen und leichteren Unfällen.

Perry Rhodan machte sich nur um eine Abteilung Gedanken. »Julian, ist bei euch alles in Ordnung?«

»Sind vorbereitet«, kam es von der Medizinischen Station ein wenig gepresst zurück. »Wir kriegen das hin.«

Die MAGELLAN nahm neuen Kurs auf und beschleunigte. Es wurde ruhiger, aber nicht für lange.

Um die Laurins zu verwirren, zog die Pilotin eine halbe Wende nach unten, wo die Massetaster weniger Bewegung registrierten. Noch während des Manövers jedoch startete sie die erneute Wende nach Steuerbord.

Nun stöhnten einige in der Zentrale auf, weil sie abwechselnd von der einen zur anderen Seite in den Sitz gepresst wurden. Das Schütteln ließ nicht mehr nach, sondern wechselte nur noch zwischen »stark« und »sehr stark«.

Die Flotten der Laurins reagierten und änderten ihre Formation. Die Visualisierung der zweiten Flotte ähnelte dadurch der spitzen Nase eines Hais, der mit aufgerissenem Maul der Beute nachjagte. Ein Teil der ersten Flotte verließ den Verband und hielt nun ebenfalls auf das Systemzentrum zu.

De Vasconcelos steuerte die MAGELLAN steil nach oben und ging dann auf eine Art Spiralkurs, begleitet von weiteren Bremsmanövern und Neunzig-Grad-Wendungen.

Die beiden gegnerischen Teilflotten holten auf, der Weg »nach vorn« zur hindernisfreien Beschleunigung war weiterhin blockiert.

Die Ortung wurde abermals aufgestockt, auf je drei Teams, denn bei der erschwerten Auffindung der unsichtbaren Schiffe brachten diese Manöver ein weiteres Problem – es konnte nicht schnell genug reagiert werden, sollte ein Laurinraumer zu nahe kommen.

Bei den beteiligten Massen und Geschwindigkeiten würde ein Zusammenstoß, womöglich gar mit mehreren Schiffen, trotz Libraschirm eine verheerende Wirkung zeigen.

»Wie wär's mit einem kleinen Ritt?« De Vasconcelos sah offenbar keine andere Wahl und übermittelte dem Kommandanten ihren Vorschlag.

Alle Berechnungen ergaben, dass sie den Laurins nicht so leicht entkommen konnten wie erhofft. Die Gegner passten sich allen Manövern zu schnell an, schienen sie sogar vorauszusehen. Der abgespaltene Teil der ersten Flotte würde der MAGELLAN schon in Kürze den Weg abschneiden.

»Letzter Versuch«, stimmte Conrad Deringhouse zu.

Perry Rhodan presste die Lippen zusammen. Und wenn das nicht reichte? »Tya Sentaku soll die Transformkanone vorbereiten!«, wies er Deringhouse an. »Ich fürchte, anders kommen wir hier nicht raus.«

»Also doch Hosen runterlassen. Wie soll sie eingesetzt werden?«

»Nicht direkt. Mach uns nur den Weg frei!«

»Hoffentlich reicht das.«

Sentaku würde die Geschosse der Transformkanone so im Ziel platzieren, dass sie die Laurinschiffe mit Extremschwerkraftfeldern in Bedrängnis brachten. Das würde die Gegner für eine Weile außer Gefecht setzen, aber nicht zerstören, und der MAGELLAN genug Zeit zur Flucht verschaffen.

Das einzige Problem dabei war: Die Raumschiffe der Unsichtbaren waren nur mittels Massetaster zu orten, und der Transformbeschuss störte die ohnehin nur sehr schwer festzustellende exakte Standortbestimmung der Laurinraumer. Aber dieses Risiko mussten die Terraner eingehen, wenn die Pilotin es nicht schaffte, die beiden Verfolgerflotten vorher abzuschütteln.

Die mit der Zentrale gekoppelte Transformkanone wurde in Feuerbereitschaft versetzt.

Die MAGELLAN nahm Kurs auf den nicht weit entfernten Weißen Zwerg Torran-Omm. In dessen Nähe hatte sich der Expeditionsraumer schon einmal versteckt, während Perry Rhodan eine Risikomission auf Torran-Gar unternommen hatte.

3.

Sedna

 

»Ha!«, schrie Sander Pawliczek frohlockend. »Hab ich dich, du Miststück!«

Das kleine Raumboot ließ das Kreellgestöber hinter sich und schoss auf die schrundige, rötlich-dunkle Oberfläche des Zwergplaneten zu.

»Und jetzt ein bisschen auf die Bremse tippen«, ordnete er an. Er wollte nicht da unten im ewigen Eis zerschellen. Ohne langen Feuerschweif, ohne prächtigen Auftritt, denn es gab keine Atmosphäre.

»Bremsen, verdammt noch mal!«, brüllte er und wiederholte hektisch die Eingaben, als die Positronik lakonisch meldete, sie müsse zuerst das Protokoll abarbeiten und er solle bitte seine Anfrage bitte später erneut stellen.

Seine Hartnäckigkeit wurde belohnt. Plötzlich zündeten die Bremstriebwerke, die Andruckabsorber setzten ein – wenngleich ein wenig ruckelnd –, der Anflugwinkel wurde abgemildert und die rasante Fahrt verlangsamte sich merklich.

Wenige Minuten später setzte die Space-Disk auf einer ebenen Fläche auf.

 

Sander Pawliczek saß gut zwei Minuten lang völlig still, bis das innere Zittern allmählich nachließ. Körperlich fühlte er sich sehr erschöpft und nahm das im Anzug integrierte Medopack in Anspruch, um sich zu stabilisieren. Eine Ruhephase konnte er sich nicht erlauben.

Mit noch immer leicht bebenden Fingern löste er die Gurte, setzte sich auf und schaute sich um.

Die Selbstreparaturroutinen des Raumfahrzeugs liefen auf vollen Touren. Er brauchte nichts zu unternehmen, nachdem er die Prioritäten gesetzt hatte: Funk und Ortung, die wissenschaftlichen Sonderinstallationen, Antriebssystem, Lebenserhaltung. Als Aufwandschätzung gab die Positronik sechzehn Stunden an, bis die Reparatur vollständig abgeschlossen sei.

»Wenn uns da mal das Kreell keinen Strich durch die Rechnung macht«, sagte Pawliczek. Es fiel ihm leichter, seine Gedanken laut auszusprechen, dann fühlte er sich weniger allein. Bei der Arbeit war es eine Sache, niemanden bei sich zu haben, bei einer Havarie indes eine andere. Selbstverständlich hatte das zum Training gehört. Aber die Wirklichkeit war keine Simulation, aus der man stets lebend herauskam, selbst wenn man versagte.

Das glitzernde Schneetreiben füllte den gesamten Himmel aus, bis zum Horizont. Es schickte ein mattes Licht auf Sedna. Das Rot der tholinbedeckten Oberfläche schien sich in Blut zu verwandeln, das über die in Kälte erstarrten, düsteren Ebenen floss, umgeben von scharfkantigen Gebirgen aus felsenhartem Wassereis.

Schaurig-schön, dachte Pawliczek, während er seine Messreihen fortsetzte und den Funkruf vorbereitete.

»Verzeichne stetigen Energieabfluss«, meldete die Positronik.

Er hatte es befürchtet. Das Kreell.

»Antriebssysteme und Lebenserhaltung aus der Reparatur nehmen«, entschied er. »Höchste Priorität auf Funk und Ortung sowie die wissenschaftliche Zusatzausrüstung, wir brauchen so viele Messungen wie nur möglich.« Er schnallte sich wieder an, denn er benötigte keine Schwerkraft für das, was er zu tun hatte.

Nach kurzem Nachdenken verzichtete er auch auf den Prallschirm, damit konnte die Reparaturzeit zusätzlich erheblich verkürzt werden. Es galt, keine Zeit mehr zu verlieren, und die Hoffnung, dass er jemals wieder mit diesem Raumboot abheben würde, hatte er schon nach der ersten Diagnose verworfen.

»Funktioniert das Notsignal?«

»Ja. Aber ich kann nicht feststellen, ob es die Störungen durch den Sturm überwindet.«

»Egal.«

Pawliczek konzentrierte sich auf seine Arbeit, bis er merkte, dass etwas nicht stimmte. Es war wie ein Flackern. Irritiert blickte er auf – und erstarrte.

»Täusche ich mich, oder ballt sich das Kreell dort oben zusammen? Und, äh, kommt herunter?«

»Die Annahme ist korrekt«, antwortete die Positronik. »Und da ist mehr.«

»Ich sehe es auch«, flüsterte Sander Pawliczek.

4.

Torransystem

 

Renaya Dalva de Vasconcelos brachte das Expeditionsraumschiff zum Tanzen, wie sie es nannte, was ein weiteres strapaziöses Schütteln und Rütteln zur Folge hatte. Die MAGELLAN gierte zur Seite. Die Pilotin hatte eine Art »Schraubenkurs« gewählt, der sie in engen Spiralen um den angesteuerten Weißen Zwerg führen sollte.

»Und nächstes Mal surfen wir auf dem Ereignishorizont um ein Schwarzes Loch, ja?«, witzelte jemand.

Das konnte die Anspannung auch nicht lindern. Vielen stand der Schweiß auf der Stirn, de Vasconcelos' Gesicht war von strengen Linien durchzogen.

Die MAGELLAN schlingerte gefährlich nah an Torran-Omm vorbei. Die Pilotin nutzte das Manöver, um im Schwerkraftfeld des Weißen Zwergsterns zusätzliche Geschwindigkeit aufzunehmen und schaffte es auf diese Weise endlich, ein wenig Abstand zu den Verfolgerflotten zu gewinnen.

Renaya Dalva de Vasconcelos kündigte an, in zwei Minuten auf Fluchtkurs zu gehen. Die Berechnungen hatten ergeben, dass die Distanz zu den Laurins bis dahin so groß sein würde, dass die Gegner die MAGELLAN nicht mehr vor der Transition würden aufhalten können.

Doch da schossen jene Schiffe heran, die zuvor aus der ersten Flotte ausgeschert und Richtung Sonnentrio geflogen waren. Sie gingen auf Abfangkurs.

 

»Es ist so weit«, sagte Perry Rhodan knapp.