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DANKSAGUNG

Zum Abschluss möchte ich all denjenigen danken, die mich bis zum letzten Wort dieses Buches unterstützt haben. Die Namen aller aufzuzählen würde etliche weitere Seiten füllen, daher bitte ich um Nachsicht, dass ich darauf verzichte. Speziell aber möchte ich mich bei meiner Familie bedanken, die mich stets in jeder Situation unterstützt hat. Ihre aufmunternden Worte, wenn es einmal weniger gut lief, aber auch einfach nur die Gewissheit, dass da immer jemand ist, der hinter mir steht, haben mich stets aufs Neue motiviert. Ich möchte mich darüber hinaus bei allen Jägern und Hundeführern bedanken, die meinen Wissensdurst seit Beginn meiner grünen Karriere gestillt haben. Mein Dank gilt auch all denjenigen, die mich in meiner journalistischen Laufbahn unterstützt haben und nächtelang meine Texte gelesen sowie aufschlussreiche Hinweise und Feedbacks gegeben haben.

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Impressum

 

© eBook: GRÄFE UND UNZER VERLAG GmbH, München, 2020

© Printausgabe: GRÄFE UND UNZER VERLAG GmbH, München, 2020

Alle Rechte vorbehalten. Weiterverbreitung und öffentliche Zugänglichmachung, auch auszugsweise, sowie die Verbreitung durch Film und Funk, Fernsehen und Internet, durch fotomechanische Wiedergabe, Tonträger und Datenverarbeitungssysteme jeder Art nur mit schriftlicher Zustimmung des Verlags.

 

Projektleitung: Elena Gabler, Fabian Barthel

Lektorat: Angelika Glock

Bildredaktion: Petra Ender, Natascha Klebl (Cover)

Covergestaltung: independent Medien-Design, Horst Moser, München

eBook-Herstellung: Lena-Maria Stahl

 

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ISBN 978-3-96747-015-4

1. Auflage 2020

 

Bildnachweis

Coverabbildung: Petra Ender

Illustrationen: Max Sattler

Fotos: Sophia Lorenzoni; Alamy; Petra Ender; F1online; Getty Images; Helena Manhartsberger; Claas Nowak; Shutterstock; stock.adobe.com; Tierfotoagentur; Svenja Wölfinger; Petra Ender

 

Syndication: www.seasons.agency

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Große Füße, kleine Pfoten – Emil und Sophia sind ein unschlagbares Team, nicht nur auf der Jagd!

PROLOG

Jagd verbinden die meisten Fachfremden mit dem Töten von Tieren. Richtig, das Erlegen eines Tieres ist Teil der Jagd, allerdings nur ein ganz geringer. Zur Jagd gehört noch sehr viel mehr dazu. Das Beobachten, Hegen und Pflegen von Wild, Wald und Natur, die Einschätzung und das entsprechende Handeln sind Bestandteil der Jagd. Das jahrhundertealte Handwerk wird von Tradition begleitet, die bis heute gepflegt wird.

Jährlich zum 3. November erschallt in vielen Kirchen der Klang der Jagdhörner. Die Hubertusmesse wird abgehalten, um den heiligen Hubertus, den Schutzpatron der Jäger, zu ehren. Doch auch unter dem Jahr ertönen Jagdhörnerklänge zu unterschiedlichsten Feierlichkeiten. Neben dem Jagdhornblasen gehört auch die Arbeit mit Jagdhunden zum jagdlichen Brauchtum. Hatten Sie schon einmal einen Wildunfall, bei dem das Tier verletzt und in Panik in den Wald rannte? Für solche Fälle gibt es anerkannte Nachsuchengespanne. Ein ausgebildetes Team aus Hund und Mensch wird hinzugerufen, um das verletzte Tier aufzuspüren und es zu erlösen, bevor es im Wald qualvoll verendet.

Mein Buch soll über alle Facetten der Jagd Klarheit schaffen und dem Jagd- und Naturinteressierten zeigen, womit sich das Waidwerk beschäftigt. Begonnen bei der Jägerprüfung, die nicht umsonst auch »grünes Abitur« genannt wird, über die ganz eigene Waidmannssprache bis hin zur Verwertung von Wild. Die Jagd dient dem Menschen seit jeher zum Überleben, und auch in der heutigen Zeit – obwohl sich vieles verändert hat – ist die Jagd wichtig, um einen gesunden Wildbestand im Einklang mit der Natur zu halten.

Die Natur ist unser wichtigstes Gut und muss deshalb von jedem einzelnen Menschen wertgeschätzt werden. Oftmals geht diese Wertschätzung im stressigen Alltag verloren. Ich hoffe und wünsche mir, dass ich dem einen oder anderen den Blick auf die Natur und ihre Nutzung an die Bewusstseinsoberfläche fördere. Denn es gibt so viel Schönes in ihr zu entdecken, der Mensch muss nur die Augen öffnen und sich auf sie einlassen.

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Der erste Schuss

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»Wer bist du eigentlich, dass du dir herausnimmst, ein Lebewesen zu töten?«, frage ich mich selbst. Zitternd sitze ich mit der geladenen Waffe auf dem Hochsitz. Markus, ein erfahrener Jäger, sitzt neben mir. Vor uns ist gerade ein Rehbock aus dem Wald auf die Wiese getreten. Diesen soll ich erlegen. Die Gedanken schwirren in meinem Kopf und ich frage mich, ob ich nicht vielleicht doch besser Vegetarierin werden sollte.

Der gesamte Hochsitz scheint zu beben. Ich versuche mich zu konzentrieren und den Bock ins Fadenkreuz zu zirkeln, doch plötzlich scheint die Waffe viel zu groß zu sein. Hat sie sich nicht vorhin noch perfekt an Schulter und Wange geschmiegt? Ich versuche den Bock ins Sehfeld des Zielfernrohrs zu bekommen, aber ich sehe auf einmal nur noch eine schwarze runde Fläche. Ich bin einfach noch nicht bereit! Markus gibt mir ein Zeichen, dass sich der Bock im hohen Gras niederlegt. Für einen kurzen Moment fühle ich Erleichterung, denn auf ein liegendes Tier schießt der Jäger nicht. Dies ist eine der vielen fest definierten Verhaltensnormen waidgerechten Jagens, die ich in der Jagdschule gelernt habe und die das Jägerhandwerk so besonders machen. Es hat etwas mit Würde und Respekt vor der Kreatur zu tun und wird daher auch als Ehrenkodex der Jäger bezeichnet.

Doch die Erleichterung hält nicht lange an, denn mir wird bewusst, dass der Bock sicher nicht ewig liegen bleiben wird. Der passionierte Jäger Markus spürt meine Zweifel. Er redet mir gut zu: »Wenn der Bock wieder auf den Läufen ist, konzentrierst du dich nur auf den Schuss. Das schaffst du!«

Zwanzig Minuten später steht der Bock wieder. Jetzt liegt es an mir. Ich nehme die Waffe hoch und plötzlich ist die ganze Aufregung wie weggeblasen. Hoch konzentriert, die Waffe fest an der Schulter, das Auge am Zielfernrohr, nehme ich den Bock ins Visier. Ich sehe, wie das Fadenkreuz ruhig knapp hinter seinem Schulterblatt ruht. Trifft die Kugel den vitalen Bereich, in dem Herz und Lunge liegen, die sogenannte Kammer, ist der Schuss tödlich. Dies wird deshalb auch Kammer- oder Blattschuss genannt, weil die Kammer hinter dem Schulterblatt liegt. Ganz bewusst rufe ich mir die Bilder von Viehtransporten und Massentierhaltung vor mein inneres Auge. Dieses konventionell produzierte Fleisch will ich einfach nicht mehr essen. Selbst bei Bio-Fleisch bin ich skeptisch und habe kein Vertrauen darauf, dass die Haltung und der Transport der Tiere wirklich artgerecht und stressfrei verlaufen sind. Eine Ausnahme mache ich bei privaten Nutztierhaltern in meiner Umgebung, die im Jahr beispielsweise vier oder fünf Lämmer schlachten, die bei ihnen auf der Wiese vor dem Haus gelebt haben. Hier freue ich mich, wenn ich eine Lammkeule gegen eine Rehkeule tauschen kann.

Ich möchte diesen Bock mit einem sofort tödlichen Schuss treffen. So, dass er nicht leiden muss. Er hatte ein gutes Leben, wurde nicht mit Antibiotika und anderen Medikamenten behandelt und durfte frische Brombeerblätter, Kräuter und Gras äsen, wenn ihm danach war. Und er konnte sich durch die freie Natur bewegen, wann immer er Lust danach verspürte.

Ich hole zweimal tief Luft, lege den Finger an den Abzug, atme ruhig aus und drücke schließlich ab. Dann kommt es zurück, dieses Zittern. Diesmal fühlt es sich allerdings ganz anders an. Ich habe auf ein Tier geschossen, es getötet. Oder etwa nicht? Ich erschrecke zutiefst, denn ich sehe, wie der Bock in hohen Sätzen in den Wald abspringt. »Mist! Das gibt’s doch nicht!«, schießt es mir durch den Kopf. »Jetzt schießt du das erste Mal auf ein Lebewesen und triffst nicht richtig. Ich gebe den Jagdschein gleich wieder ab«, denke ich verzweifelt.

»Er hat gut gezeichnet«, höre ich plötzlich eine Stimme und erschrecke erneut. Markus sitzt ja noch neben mir! Den hatte ich schon beinahe vergessen. Mit Zeichnen meint er das Verhalten des Bockes direkt nach dem Schuss. Durch den Feuerball und den Rückstoß der Waffe konnte ich das nicht genau erkennen. Außerdem habe ich in meiner Aufregung gar nicht darauf geachtet. Markus ist sich als erfahrener Jäger sicher, dass die Kugel genau in den Brustraum des Bockes getroffen hat. Dort, wo sie hingehört. Ich möchte am liebsten gleich vom Hochsitz herunter und nachsehen, denn mein Gewissen plagt mich ungemein. Ich möchte nicht, dass ein Tier wegen mir leiden muss, doch ich muss mich noch eine Weile gedulden.

Eine Zigarettenlänge abwarten, heißt es immer. Zum einen, damit anderes Wild, das zum Zeitpunkt des Schusses möglicherweise in der Nähe war, den Knall nicht mit Gefahr verbindet und mit dieser auch den Hochsitz und den Jäger verknüpft, und zum anderen, damit das beschossene Tier, das sich meist in der Nähe im Wundbett niedergetan hat, nicht durch den zu früh herantretenden Menschen aufgemüdet, also aufgescheucht wird. Derart angerührtes Wild flieht oftmals noch weitere Strecken, selbst wenn es schwer verwundet ist. Dies ist auch eine solche Verhaltensregel des jagdlichen Ehrenkodex. Wirklich ruhig sitzen fällt mir jedoch sehr schwer. Meine Gedanken drehen sich um den Schuss. Ich mache mir Vorwürfe, dass ich überhaupt geschossen habe.

Endlich ist es so weit. Nach einer gefühlten halben Ewigkeit sagt Markus: »Lass uns leise abbaumen und zum Anschuss gehen.« So nennt es der Jäger, wenn er Waffe und Rucksack packt und vom Hochsitz heruntersteigt. Als Anschuss wird genau die Stelle bezeichnet, an der sich das Tier zum Zeitpunkt der Schussabgabe befand. Diese wird sorgfältig untersucht. Meist sieht der Jäger recht schnell, ob und wenn ja, wo das Tier getroffen wurde. Er erkennt dies am Farbton und an der Beschaffenheit des Blutes – der Jäger nennt dies Schweiß –, am ausgetretenen Mageninhalt, wenn der Schuss zu weit hinten saß, an der Art und Anzahl von Knochensplittern und etlichem mehr.

Am Anschuss angekommen, fällt mir ein Stein vom Herzen: Wir finden rosafarbenes Blut, das lauter kleine Bläschen aufweist. Dies ist ein eindeutiges Zeichen für einen Lungenschuss und bedeutet, dass der Bock nicht weit geflohen sein kann. Doch zu früh gefreut. Wir gehen dort in den Wald hinein, wo der Bock ins Dickicht verschwunden ist. Kleine Blutspritzer verraten uns, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Doch was ist das? Plötzlich stehen wir vor einem Teich. Fünf Zentimeter bevor das Ufer beginnt, der letzte Tropfen Schweiß. Aber einen Bock sehen wir nicht.

»Das hättest du mir auch mal vorher sagen können, dass hier ein Teich ist. Jetzt schwimmt der da bestimmt irgendwo drin rum«, denke ich missmutig. Geändert hätte es vermutlich nichts, wenn ich das vorher gewusst hätte. Wahrscheinlich hätte ich trotzdem geschossen. Aber trotz allem bin ich etwas verärgert.

»Lass uns zum Auto gehen und Felino holen«, sagt Markus. Felino ist sein Jagdhund, ein Schweizer Niederlaufhund, der mit seiner guten Nase den beschossenen Rehbock sicher schnell und zuverlässig finden wird. Gesagt, getan. Ich gehe denselben Weg durch den Wald zurück, den wir auf dem Hinweg bis zum Teich genommen haben. Bis zum Anschuss sind es nur knapp fünfzig Meter. Markus dagegen sucht sich einen etwas einfacheren Rückweg mit weniger Gestrüpp. Ich bin kaum an der Wiese angekommen, als ich ihn plötzlich rufen höre: »Ich nehm dann mal den hier!« Ich bin mir sicher, mich verhört zu haben. Was meint er denn damit?

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Ein Reh zieht über die Wiese. Jetzt gilt: ruhig bleiben, beobachten und erst dann entscheiden, ob es sich um ein jagbares Tier handelt.

»Wie? Was nimmst du?«, frage ich daher in den Wald hinein. Und da sehe ich auch schon, wie sich die Äste am Waldrand bewegen und Markus aus dem Wald auf die Wiese hinaustritt. Hinter sich her zieht er ein Reh. Meinen ersten Bock! Ein warmer Schauer läuft mir über den Rücken. Glücklich und erleichtert laufe ich ihm entgegen. »Der hat den Knall noch nicht einmal gehört, geschweige denn die Kugel gespürt«, sagt Markus. »Superschuss, mach weiter so, und du wirst eine erfolgreiche Jägerin!« Ein wenig stolz auf meinen Jagderfolg, beschließe ich, mir diese Worte ganz fest zu Herzen zu nehmen.

Die letzten Meter tragen wir den Bock gemeinsam auf die Wiese und legen ihn dort nieder. Natürlich auf seine rechte Körperseite, mit dem Herzen nach oben zeigend, denn so will es das jagdliche Brauchtum. Markus tritt kurz in den Wald zurück und holt drei Fichtenzweige. Einen Ast lege ich dem Bock als sogenannten letzten Bissen quer ins Maul, jagdsprachlich Äser genannt. Mit dem zweiten Fichtenzweig bedecke ich die Einschussstelle der Kugel – dies nennt sich in der Jägersprache Inbesitznahmebruch – und mit dem dritten Zweig tupft Markus etwas Schweiß von der Schusswunde, um ihn dann auf die rechte Seite meines Hutes, den ich bereits vom Kopf genommen und ihm gereicht habe, zu legen. Er überreicht mir nun meinen Hut zusammen mit dem darauf befindlichen Schützenbruch mit einem kräftigen Händedruck samt einem nachdrücklichen »Waidmannsheil!«, worauf ich ihm, von der Situation noch immer etwas überwältigt, mit »Waidmannsdank!« antworte. Den Bruch stecke ich an die rechte Seite meines Hutes und setze diesen wieder auf meinen Kopf.

Nach alter Tradition würden wir nun eigentlich den Bock mit dem entsprechenden Totsignal »Reh tot« auf dem Jagdhorn verblasen. So werden die Signale genannt, die nach dem Erlegen eines Wildtieres geblasen werden. Da Markus aber kein Jagdhorn spielt und ich zu der Zeit, im wahrsten Sinne des Wortes, von Tuten und Blasen noch keine Ahnung habe, müssen wir darauf leider verzichten. Dafür knie ich neben dem toten Bock nieder, erweise dem Tier die letzte Ehre und lasse das Geschehene noch einmal Revue passieren.

Nach ein paar Minuten stehe ich auf. Gemeinsam tragen wir das Reh zum Auto. Bis zur Wildkammer ist es nicht weit. Die Organe müssen bis spätestens zwei Stunden nach dem Schuss aus dem Wildkörper entfernt werden und nach der ordnungsgemäßen Versorgung des Wildes muss es dann möglichst rasch abgekühlt werden. Wer Wild vermarktet, braucht eine Wildkammer, die unter anderem über fließendes warmes Wasser, leicht und effizient zu reinigende Edelstahlarbeitsflächen, entsprechende Arbeitsgeräte und eine Kühlzelle verfügt. Hygiene ist hierbei oberstes Gebot. Entweder hat der Jäger eine eigene Kühlkammer in seinem Keller oder in der Garage oder er darf gegen einen Obolus die Wildkammer des Jagdnachbarn mitnutzen. Nur wer ausschließlich für den Eigenbedarf jagt, muss keine diesbezüglichen Vorgaben einhalten – allerdings unterliegen auch Jäger, die das Wild nur zum Eigenbedarf jagen, der Pflicht zur Fleischuntersuchung beim amtlichen Veterinär, sollten sie bedenkliche Merkmale am verendeten Tier festgestellt haben. Ebenso gelten auch für sie die nationalen Hygienevorschriften in Form der amtlichen Untersuchungspflicht für Fleisch- und Allesfresser, wie es das Wildschwein ist, auf Trichinen.

Trichinen sind Fadenwürmer. Ihre Larven werden über den Verzehr von rohem oder ungenügend erhitztem kontaminiertem Fleisch aufgenommen. Im Darm des befallenen Tieres oder auch Menschen reifen sie zu Würmern heran. Im Dünndarm entwickeln sie sich dann innerhalb kurzer Zeit zum adulten Tier, paaren sich und produzieren Larven. Diese bohren sich durch den Dünndarm, gelangen so in die Lymphen und damit ins Blut. Sie strömen damit durch den gesamten Körper und lassen sich im gut durchbluteten Muskelgewebe nieder, aber auch im Zwerchfell, in den Augen und in der Zunge, weshalb für die Trichinenprobe vor allem Gewebeteile aus dem Zwerchfellpfeiler oder dem Lecker, der Zunge, entnommen werden. Für Sauen sind Trichinen ungefährlich. Beim Fehlwirt Mensch verursachen Trichinen jedoch die (meldepflichtige) Infektion Trichinellose, deren Symptome unter anderem Fieber, Schwindel, Schwäche, Bauchschmerzen und Muskelschmerzen sind. In Einzelfällen führt die Infektion zum Tod. Daher muss bei untersuchungspflichtigen Schlachttieren sowie bei Fleisch fressenden Wildtieren, wie unter anderem Schwarzwild, eine Trichinenuntersuchung vorgenommen werden.

Oftmals verfügen Jäger in ihrer Garage nur über einen großen Kühlschrank, der Platz für zwei Rehe bietet. Bevor das Wild küchenfertig zerlegt wird – oder zerwirkt wird, wie der Jäger sagt –, sollte es erst einmal ein paar Tage abhängen, damit das Fleisch entsprechend reifen kann.

Und nun bin ich an der Reihe. Etwas ungelenk versuche ich die Bauchdecke so zu öffnen, der Jäger nennt dies aufschärfen, dass ich dabei keine Innereien verletze. Magen- und Darminhalt verderben das Wildfleisch und dürfen deshalb auf keinen Fall austreten. Dann mache ich mich daran, das Schloss zu öffnen, so wird die faserknorplige, bei älteren Tieren verknöcherte Verbindung der beiden Beckenhälften beim Wild, die sogenannte Schambeinfuge, genannt. Es gibt eine bestimmte Stelle, an der das Messer angesetzt werden muss, dann lässt sich dieses knacken wie eine Muschel. Doch ohne Erfahrung ist das längst nicht so einfach, wie es klingt. Markus tritt näher und hilft mir dabei. Da es bei größerem und älterem Wild oft viel Kraft braucht, das Schloss zu öffnen, bin ich mit der Zeit zum Ringeln übergegangen. Dabei wird das Waidloch, also der After des Tieres, ausgelöst und mitsamt dem Darm nach außen gezogen. Dies hat nicht nur den Vorteil, dass ich weniger Kraft benötige, sondern ist auch wildbretschonender, da die wertvollen Keulen dabei nicht eröffnet werden und somit die Eintrittstelle für die für den Fleischverderb verantwortlichen Bakterien geringer ist. Zudem trocknet bei dieser moderneren Methode das wertvolle Wildbret der Keulen nicht so stark aus wie bei der Methode des Schlossaufbrechens.

Als Nächstes öffne ich den Brustkorb. Durch das Brustbein geht es etwas leichter, doch auch da tue ich mich schwer, und das, obwohl ich bereits einige Wildschweine aufgebrochen habe. Aber wie bei allem braucht es auch beim Aufbrechen Routine, bis alles reibungslos klappt. Irgendwann habe ich es dann doch geschafft und mein Schnitt reicht vom Waidloch – also dem After – bis hoch zum Schlund. Vorsichtig schärfe ich das Zwerchfell von den Rippen ab. Nun können Gescheide und Geräusch, also alle Innereien des Bauch- und Brustraums, entnommen werden. Bei dieser ganzen Arbeit hängt der Bock kopfunter an den Hinterläufen an einem sogenannten Wildgalgen. Das wird vor allem deshalb so gemacht, da durch die Schwerkraft die Innereien nicht über die Keulen fallen, sondern in Richtung Kammer. Das Risiko eines ungewollten Schnitts oder Stichs in die Verdauungsorgane und somit das Kontaminieren des wertvollen Wildfleisches mit Bakterien wird dadurch deutlich minimiert.

Als alle Organe entfernt sind, untersuche ich sie, um zu sehen, ob sie irgendwelche bedenklichen Merkmale aufweisen. Als Jäger bin ich eine sogenannte kundige Person, also entsprechend geschult, um selbst zu entscheiden, ob das Wildbret, also das Wildfleisch, zum Verzehr geeignet ist. Ein Amtstierarzt ist für eine Fleischuntersuchung nur nötig, wenn das Wild in größerem Umfang vermarktet werden soll beziehungsweise wenn bedenkliche Merkmale am Wildbret festgestellt werden. Für eine Jungjägerin, wie ich es zu diesem Zeitpunkt bin, ist es dennoch nicht ganz einfach, den Überblick zu behalten, und ich bin daher froh, das mir Markus zur Seite steht. Angemerkt sei hier noch kurz, dass ein Jungjäger übrigens kein Jäger jungen Alters ist, wie die Bezeichnung vermuten lassen könnte, sondern ein Jäger, der den Jagdschein noch nicht lange innehat, also noch am Anfang seiner »Jägerlaufbahn« steht.

Form, Färbung und Größe der Milz sind so, wie sie sein sollten. Auch das Herz sieht von innen und außen gesund aus. Die Lunge ist unauffällig, so wie auch die Leber. Die Nieren schneiden wir, wie das Herz, ein wenig auf, um ins Innere sehen zu können. Auch hier ist alles unauffällig. Da der Bock sich auch vor dem Schuss normal verhalten hat, keinen Husten oder anderweitig auffällige Verhaltensweisen zeigte, ist somit alles in Ordnung und sein Wildbret kann ohne Bedenken verzehrt werden.

Leber, Herz und Nieren packen wir in eine Tüte. Die werde ich später zusammen mit Kirschtomaten, Zwiebeln, etwas Sahne und verschiedenen Gewürzen zubereiten. Den Bock spülen wir nun gründlich mit klarem Wasser aus und hängen ihn an einem Haken zum Abkühlen in den Kühlraum. Dort sollte er noch ein paar Tage abhängen, damit das Fleisch ausreichend reifen kann. Plötzlich hören wir ein Auto auf den Hof fahren und sehen Markus’ Vater aussteigen. Strahlend kommt er auf mich zu. Auf sein »Waidmannsheil!« antwortete ich ihm stolz »Waidmannsdank!«.