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Impressum

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie. Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

 

Für Fragen und Anregungen:

arne.hoffmann@mvg-verlag.de

 

2. Auflage 2013

© 2012 by mvg Verlag, ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH,

Nymphenburger Straße 86

D-80636 München

Tel.: 089 651285-0

Fax: 089 652096

 

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

 

Redaktion: Petra Holzmann

Umschlaggestaltung: Kristin Hoffmann, München

Umschlagabbildung: © Michael Abele

Satz und Epub: Grafikstudio Foerster, Belgern

 

ISBN Epub 978-3-86415-339-6

 

Weitere Informationen zum Verlag finden Sie unter

www.mvg-verlag.de
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Inhalt

Vorwort: Warum lieben so viele Frauen Fifty Shades of Grey? (Und was ist mit den Männern?)

Kapitel 1: Der Einstieg – Wenn erotische Fantasien Wirklichkeit werden

Kapitel 2: Es gibt nicht nur Blümchensex – Das Spektrum des Kink

Kapitel 3: Fesseln und Knebeln – Worauf Sie beim Bondage achten sollten

Kapitel 4: Augenbinden & Co. – Erotischer Kick durch Sinnesentzug

Kapitel 5: »Spielzimmer« oder »Kammer der Qualen« – Wie richte ich meinen SM-Raum ein?

Kapitel 6: Lust auf SM – Was macht Dominanz und Unterwerfung so reizvoll?

Kapitel 7: Ist das noch normal? – Die Grenze zwischen SM und Misshandlung

Kapitel 8: Lass uns darüber reden – Worauf es bei Gesprächen vor einem Spiel ankommt

Kapitel 9: Das Gespräch danach – Wie fangen mein Partner und ich einander auf?

Kapitel 10: Bindende Vereinbarungen – Was es über Sklavenverträge zu wissen gilt

Kapitel 11: Total Power Exchange – Was ist eine 24/7-Beziehung?

Kapitel 12: »Lass mich deine Sklavin sein« – Rollenspiele und ihre Grenzen

Kapitel 13: Durch die Hintertür – Das Wichtigste über Analsex

Kapitel 14: Bestrafung und Schmerzen – Was finden viele so geil daran?

Kapitel 15: Versicherung gegen sexuelle Übergriffe – Der Sinn des Coverns

Kapitel 16: Ein umstrittenes Alarmsignal – Nutzen und Tücken des Safewords

Kapitel 17: Der Absturz – Was tue ich, wenn ein SM-Spiel schiefgeht?

Kapitel 18: Nach den Shades of Grey – Wo findet man neue Inspirationen?
 

Literatur

Über den Autor

Vorwort

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Warum lieben so viele Frauen Fifty Shades of Grey?  (Und was ist mit den Männern?)

Die Erotik-Trilogie Fifty Shades of Grey ist mehr als ein Megaseller. Sie ist ein Phänomen der Literaturgeschichte. Zum ersten Mal gelang es einer Autorin, praktisch am etablierten Buchmarkt vorbei ihr Werk allein durch Mundpropaganda und die sozialen Netzwerke des Internets zu einem Massenerfolg zu machen. – Erst nachdem dieser Roman so unübersehbar erfolgreich war, schlug ein großer amerikanischer Buchverlag zu und nahm ihn unter seine Fittiche. Daraufhin kletterte das Buch noch einmal höher auf der Erfolgsleiter. Es besetzte über lange Zeit hinweg mit großem Abstand die Spitzenplätze der verschiedensten amerikanischen Verkaufscharts, von Amazon bis zur New York Times. Innerhalb von sechs Wochen gingen zehn Millionen Bücher über den Ladentisch – dagegen kommt nicht einmal Dan Brown an. In England verkaufte sich das Buch schneller als Harry Potter und auch in Deutschland sieht es derzeit kaum anders aus: Noch Wochen bevor das Buch überhaupt auf Deutsch erhältlich war, robbte es bei Amazon zur Spitzenposition und die Medien überschlugen sich mit ausführlichen Berichten. Selbstverständlich ist auch eine Hollywood-Verfilmung bereits in Arbeit.

Dabei besitzt diese Trilogie das Potenzial, eine große Diskussion anzustoßen: Warum ist ein Roman so erfolgreich, der als »mommie porn« bezeichnet wird, das heißt eine Geschichte von sanfter Unterwerfung unter einen dominanten Mann? Warum reißen Frauen die Bücher aus den Regalen und verschlingen die 1400 Seiten wie gefesselt oft binnen anderthalb Wochen? Und warum stellt sich diese Irrsinnsnachfrage ausgerechnet jetzt ein, in demselben Jahr, in dem das amerikanische Time-Magazin die Neuerscheinung The Richer Sex zur Titelgeschichte kürte? (Darin geht es darum, dass die Frauen der USA die Männer, was Einkommen und beruflichen Erfolg angeht, zu überholen beginnen. – Für den 11. September 2012 wird gar ein Buch mit dem Titel The End of Men erwartet.) 60 Prozent der College-Studenten in den USA sind inzwischen weiblich, vier von zehn berufstätigen Frauen verdienen inzwischen mehr als ihr Mann und weibliche Singles zwischen 22 und 30 Jahren im Schnitt acht Prozent mehr als Männer in vergleichbaren Positionen. Widmen sich Frauen den überlegenen Männern, die sie im wahren Leben immer seltener genießen können, jetzt als erotische Fantasie, nachdem noch fantastischere Erzählformen mit Vampiren, gefallenen Engeln und Leopardenmenschen ein bisschen durch sind?

Betrachtet man Fotos von Signierstunden, die die Autorin zu diesem Buch gibt, bekommt man Scharen moderner Frauen zu sehen, oft im schicken Business-Look, die sich wie hingerissen um E. L. James sammeln, manchmal geradezu vor ihr knien. Es handelt sich offensichtlich weder um hirnlose Tussen noch um zu Tode gelangweilte Hausfrauen. »Ich verstehe das nicht«, zitierte die New York Times die Fassungslosigkeit einer New Yorker Rechtsanwältin, was dieses Buch angeht. »Alle meine Freundinnen verschlingen es, und das sind hochgebildete, selbstbewusste, berufstätige Frauen.« Gibt man bei Google die Suchbegriffe »Why do women like shades of grey« ein, stößt man auf so viele Beiträge, die sich mit dieser Frage beschäftigen, dass man aus dieser Debatte ein eigenes Buch machen könnte.

Die prominente amerikanische Kulturwissenschaftlerin Katie Roiphe lieferte zudem eine heiß diskutierte Titelgeschichte für das führende US-amerikanische Nachrichtenmagazin Newsweek mit einer irritierenden Beschreibung der Frau von heute: »Sie reißt Überstunden ab wie verrückt. Sie kümmert sich um die Kinder. Sie verdient mehr Geld. Sie managt ihr Team. Und am Ende des Tages möchte sie … den Hintern versohlt bekommen?«

Ja, argumentiert Roiphe: Gerade weil Frauen inzwischen über mehr Macht und größere sexuelle Freiheit als je zuvor verfügten, sind sie davon zunehmend erschöpft und möchten wenigstens im Schlafzimmer gern die Kontrolle abgeben. Roiphe weist darauf hin, dass die Leserinnen des Buches entgegen so manchem beliebten Klischee über das abfällig als »mommie porn« bezeichnete Genre sich altersmäßig häufig in ihren 20ern und 30ern befinden, aus der Großstadt kommen und sich vor allem in den liberalen, progressiven Staaten finden, in denen man statt der Republi­kaner gerne die Demokraten wählt – also vermutlich gerade keine Frauen, die zurück zu den Geschlechterrollen der Fünfzigerjahre wollen. Aber sie wollen auch keine Langweiler oder Weicheier, wie sie sich im Softie oder im von Politik und Medien ­gehypten »neuen Mann« wiederfinden. Mehr noch: Eine Analyse von 20 Unter­suchungen, die die Zeitschrift Psychology Today durchführte, ergab, dass zwischen 31 und 57 Prozent aller Frauen Fantasien genießen, in denen sie zum Sex gezwungen werden. Es könne sein, so Roiphe, dass Macht nicht immer bequem und oft langweilig ist, dass »wir Gleichstellung nur in bestimmten Bereichen wollen« und dass Fantasien von sexueller Hingabe eine Art Urlaub von der Trostlosigkeit und Anstrengung der Gleichberechtigung darstellten. Wenn linke Vordenker jetzt in Talkshows fragen: »Sind wir dafür auf die Barrikaden gegangen?«, dürfe man nicht vergessen, wie seltsam irrelevant diese Barrikaden für das Intimleben oft seien. Es gebe keine Anzeichen dafür, dass die glühende Sehnsucht danach, von einem Mann überwältigt zu werden, mit gleichem Lohn für gleiche Arbeit verschwinde. Stattdessen scheint sie nur noch stärker zu werden.

Wie es zu erwarten war, blieben nach diesem Artikel massive Anfeindungen von Feministinnen gegen Roiphe und deren angeblichem »Bullshit« nicht aus. Was Roiphe immer wieder unterstellt wurde – dass sie »zwischen den Zeilen« behaupte, Frauen sehnten sich nach dem überholten Geschlechterverhältnis zurück –, findet sich in ihrem Artikel nicht. (Andernfalls wäre er auch kaum von der feministisch geprägten Newsweek veröffentlicht worden.)

Mancher deutsche Leser und Rezensent dieses Buches fragt sich allerdings, ob hierzulande die Debatte über diesen Roman genauso hitzig werden wird wie in den USA. Wurde sie in Deutschland nicht längst geführt? Endete sie nicht mit dem Ergebnis, dass eine Frau sehr wohl in jeder Hinsicht gleichberechtigt sein und sich im Schlafzimmer trotzdem Unterwerfungsfantasien hingeben kann, wenn sie das gerne möchte? Beispielsweise widmete bereits im Januar 2003 die Frauenzeitschrift Cosmopolitan exakt diesem Thema einen ausführlichen Artikel. Um nur einige zentrale Passagen daraus zu zitieren:

»Nimm mich! Fessle mich! Mach mit mir, was du willst! Viele Frauen spielen im Kopf Szenen lustvoller Hingabe durch. Sich zu diesen Wünschen zu bekennen, fällt schwer. Denn die Sehnsucht nach dem dominanten Mann im Bett ist ein Tabu,« konstatiert die Cosmo, unangezweifelte Sex-Expertin unter den Frauenzeitschriften, schon damals. Und die Frauen fragen sich, was passieren würde, wenn ihre Fantasien Wirklichkeit werden würden. »Wenn er plötzlich härter zufasst, die Handgelenke fest umklammert hält. Wenn er uns die Augen verbindet, uns mit Handschellen, Tüchern, Gürteln fesselt, uns erregt, doch nicht erlöst. Wenn er unseren Schein-Widerstand bricht mit Worten und Befehlen, für die er sonst eine Ohrfeige kassieren würde. Wenn er die Klamotten runterreißt, als sei es das Letzte, was er in diesem Leben tun wird.« Schon mit dem Denken dieser Träume und Fantasien überkommen sie Schamgefühle. Doch Cosmo beruhigt: »Doch, ja, es ist ganz normal, diese Anwandlungen zu haben. Solche Grenzüberschreitungen gehören zu einer aufregenden Sexualität und könnten ein neues Kapitel selbstbewusster Weiblichkeit bilden.«

Ist man in Deutschland also in Sachen Sexualität wieder einmal ein gutes Stück unverklemmter als in den puritanischen und zugleich oft zwanghaft politisch korrekten USA? Nicht durchgehend. So heißt es hierzulande auf der Homepage des katholischen Bücher-Großhändlers Weltbild: »Die hier beschriebene Unterwerfung der Frau widerspricht dem Welt- und Menschenbild, von dem wir uns als Buchhändler leiten lassen. Wir sehen das Buch als sehr problematisch an.« – Was Weltbild nicht davon abhält, es trotzdem zu verkaufen. Gleichzeitig halten es viele Fachleute für keinen Zufall, dass Fifty Shades of Grey zu der Zeit boomt, in der E-Book-Reader inzwischen massenhaft von Lesern verwendet werden. So kann jede Frau im Bus oder an der Uni ihre liebsten erotischen Unterwerfungsfantasien lesen, ohne befürchten zu müssen, dafür von der Seite angelabert zu werden.

Dabei sind Wünsche, sich sexuell zu unterwerfen, alles andere als eine rein weibliche Domäne. So erinnert Tracy Clark-Flory, Sex-Expertin des amerikanischen Magazins Salon, daran, dass auch viele Männer in Machtpositionen sich gerne mal von einer dominanten Frau unterwerfen lassen, weshalb sie eine Reihe von Dominas zu diesem Thema befragte. Die bestätigten Clark-Florys Ansicht: Für viele Menschen beiderlei Geschlechts sei der Kampf im Beruf trostlos und anstrengend. Insofern ließen sich auch viele Männer gerne einmal fallen, um ihre Verantwortung wenigstens einmal für ein paar Stunden loszuwerden und es jemand anderem zu überlassen, bei einer spannenden erotischen Begegnung Planung, Kontrolle und die Last der Entscheidungen zu übernehmen. Das gelte nicht nur für Manager und andere Männer in Führungspositionen, sondern auch für »Musiker, Taxifahrer, Apotheker, Lehrer und Arbeiter«. Wie so oft sind sich also auch hier beide Geschlechter bei näherem Hinschauen viel ähnlicher, als es auf den ersten Blick scheint, und beide haben unerfüllte Bedürfnisse. Die Fifty Shades of Grey für männliche Leser müssen vielleicht nur noch geschrieben werden.

Wir Kerle haben nicht nur identische Wünsche und Fantasien, auch bei uns gibt es Ängste, dazu zu stehen und sie auszuprobieren. Weil wir befürchten, dann nicht mehr als »echte Männer« ernst genommen zu werden. Auch das ist eine Hürde, die erst noch überwunden werden will. Im Jahr 2009 kam eine kanadische Studie zudem zu dem Ergebnis, dass sexuelle Doppelmoral Männer sogar stärker treffe als Frauen: Sowohl eine sexuell unterwürfige als auch eine dominante Frau werden immer noch eher akzeptiert als ein unterwürfiger Mann. Für andere Seitenzweige wie etwa Bisexualität gilt dasselbe. »Früher gestand eine Doppelmoral Männern mehr sexuelle Freiheit als Frauen zu, aber diese Ergebnisse zeigen, dass sich die Dynamik verändert«, zitierte die kanadische National Post Alex McKay, Forschungsleiter des Sex Information and Education Council of Canada. »Männer sind gezwungen, sich einer bestimmten Geschlechterrolle zu unterwerfen, während Frauen heutzutage freier sind, sie selbst zu sein. Insofern arbeitet die Doppelmoral inzwischen tatsächlich gegen den Mann.«

Es gibt allerdings eine feministische Kritik an den Fifty Shades of Grey, die durchaus etwas für sich hat – insofern, als sie sich von dem plumpen radikalfeministischen Ansatz unterscheidet. Um das genauer darzustellen, muss man ein wenig ausholen.

Vor etwas mehr als hundert Jahren stellten Wissenschaftler wie der Sexualforscher Richard von Krafft-Ebing und der Psychoanalytiker Sigmund Freud die These auf, es gebe so etwas wie einen typisch weiblichen Masochismus. Dieser Theorie zufolge sind Passivität, Dienstbereitschaft und Duldsamkeit wesentliche Bestandteile der weiblichen Natur. (Ironischerweise verwendeten allerdings sowohl Krafft-Ebing als auch Freud in ihren Schriften über Masochismus ausschließlich männliche Fallbeispiele.) Dieser Behauptung wurde von vielen Feministinnen widersprochen. Sie argumentierten: Wenn Frauen sich beispielsweise öfter als Männer in dienenden Positionen wiederfänden, habe dies soziale und kulturelle Gründe und keineswegs psychologische. Und wenn eine Frau einen Mann nicht verlasse, der sie misshandele, seien dafür eine ganze Reihe von Gründen vorstellbar – Masochismus jedoch gehöre nicht dazu.

Bald jedoch gingen besonders radikale Feministinnen dazu über, das Kind mit dem Bade auszuschütten: Aus der Ablehnung der Behauptung »Jede Frau ist von Natur aus masochistisch veranlagt« entstand unversehens der logische Fehlschluss »Keine einzige Frau besitzt eine masochistische Veranlagung«. Letztere These wurde unter anderem von Alice Schwarzer vertreten – SM-Spiele entstammten demnach direkt den Kerkern der Inquisition – und führte dazu, dass viele Feministinnen auch hierzulande unterwürfigen Frauen ihre Existenzberechtigung absprachen. »Wer behauptet, Frauen hätten auch noch Spaß daran, SM zu praktizieren, hat bei uns nichts zu suchen«, hieß es in vielen feministischen Kreisen. Einzelne Masochistinnen wie etwa Maria Marcus und Sina-Aline Geißler fühlten sich dadurch dazu gedrängt, ihre Neigung öffentlich bekannt zu machen, weil sie nicht wollten, dass sie ihnen unter dem Vorwand der Frauenrechte auf totalitäre Weise abgesprochen wurde. Dafür wurden sie allerdings von Feministinnen massiv angefeindet. Nachdem sich 1990 Sina-Aline Geißler auf einem Titelbild der Zeitschrift Stern bundesweit als Masochistin outete, erschien zur 10. Hamburger Frauenwoche ein Rundschreiben mit folgendem Wortlaut: »Auf, auf, ihr Herren! Es ist wieder Jagdzeit. Ein bisschen Juden quälen, pardon, die Zeiten sind ja vorbei, Frauen quälen. … Stern sei Dank, der schafft die nötige Pogromstimmung. Vergewaltiger und Frauenquäler aller Welt: Vereinigt euch!« Feministinnen besetzten die Redaktion der Zeitschrift Stern, und eine Gruppe namens Die Klapperschlangen erstattete Strafanzeige auf der Grundlage von Verherrlichung von Gewalt gegen Frauen und Mädchen, Aufforderung zu Gewalt- und Willkürmaßnahmen gegen Frauen und Mädchen, öffentliche Aufforderung zum sexuellen Missbrauch und zur Vergewaltigung von Frauen und Mädchen, Aufforderung zur Misshandlung von Kindern, Beleidigung sowie Herabwürdigung von Frauen und Mädchen zu Sexualobjekten. Aus heutiger Sicht ist dies absurd: Man muss sich nur anschauen, wie viele Frauen sich in der deutschen SM-Gemeinschaft finden und wie viele erotische Bücher mit SM-Hintergrund von Leserinnen bei Amazon hingerissene Rezensionen erhalten, dann hat man ein klares Bild davon, dass keineswegs nur Männer auf Unterwerfungsspiele stehen und ihre Partnerinnen keineswegs, wie Alice Schwarzer & Co. es suggerieren, mehr oder weniger zum Mitmachen zwingen.

Warum also ist eine feministische Kritik an den Shades of Grey dennoch berechtigt? Der Grund liegt darin, dass hier alles andere als eine typische SM-Beziehung geschildert wird, sondern eher eine Beziehung, die, würde sie statt in Pornotopia im wahren Leben spielen, vielfach in Richtung Missbrauch ginge. Aus eben­diesem Grund empören sich in den USA eben nicht nur Feministinnen, sondern auch viele Mitglieder der SM-Gemeinschaft über E. L. James’ Buch – und das, obwohl ihm zugesprochen wird, SM-Neigungen endlich auch im Mainstream gesellschaftsfähig zu machen.

Schon wenn man sich die ersten Kapitel dieses Buches anschaut, wird einem schnell klar, auf welcher Grundlage die Kritik an diesem Roman beruht. Christian Grey muss heimlich Software auf Anastasias Handy installiert haben (eine Frau, die er zuvor gerade zweimal getroffen hat), um herauszufinden, wo sie sich immer befindet. Diese Technologie benutzt er auch, nachdem sie ihm mitgeteilt hat, dass sie ihn nicht sehen möchte. Als sie in einer Bar bewusstlos wird, verschleppt er sie in sein Hotelzimmer, wo er die immer noch Bewusstlose entkleidet, das Bett mit ihr teilt und einen seiner Angestellten ihre Maße nehmen lässt, damit sie exakt passende Unterwäsche erhält. Als sie an ihm wachsendes Interesse zeigt, nutzt er dies aus, um ihr sexuelle Praktiken nahezubringen, mit denen sie sich sichtlich nicht wohlfühlt. Sobald sie ihm widerspricht, verdeutlicht er ihr, dass sich das für eine unterwürfige Partnerin nicht gehöre, und droht ihr an, sie zu bestrafen. Das alles wird von der Erzählerin akzeptiert, weil, wie die Schriftstellerin Cassandra Parkin so schön formuliert, Christian Grey »ein Gott unter Insekten« ist und als fast perfektes Wesen dargestellt wird: Jemand, der sich durch eigene Arbeit nicht nur im Alter von 26 Jahren zum offenbar reichsten Mann der Welt gemacht hat, sondern sich nebenher jede Technik angeeignet hat, die im Verlauf seiner Bekanntschaft mit Anastasia gerade gebraucht wird, vom Helikopterfliegen bis zum Hochseefischen. Und der natürlich über eine derart gewaltige Erektion verfügt, dass Anastasia massive Probleme hat, diesen Anblick seelisch zu verarbeiten.

Vor diesem Hintergrund ist es sehr wunderlich, dass Alice Schwarzer in einem Interview mit der Frankfurter Rundschau erklärte, dieses Buch gemocht zu haben, während sie mit Sadomasochisten im wahren Leben – von denen sich die große Mehrheit niemals so verhalten würde wie Christian Grey – große Probleme habe.

Der von amerikanischen Feministinnen geäußerte Unmut über die Fifty Shades of Grey ist da weit nachvollziehbarer. Wenn man erlebt, dass Abermillionen Frauen ein Buch in kürzester Zeit aus den Regalen reißen, in dem das geschilderte Männerverhalten als hochromantisch dargestellt wird, entsteht bei zahllosen Männern ein Bild von Frauen und ihren Bedürfnissen, das alles andere als schmeichelhaft ist. Bei ihnen entsteht die Botschaft: »Du darfst dich gegenüber Frauen jederzeit so aufführen wie Christian Grey, solange du nur wirklich erfolgreich und auch sonst ein ganzer Kerl bist.«

Wie so oft gibt es allerdings auch zu dieser überzeugenden Argumentation eine ebenfalls starke Gegenrede. Die verläuft in etwa so: Akademische Literatur- und Medienkritiker haben mitunter eine beängstigende Tendenz, Frauen für weitaus dämlicher zu halten, als sie sind. Wenn es um Medienprodukte geht, die hauptsächlich von Frauen genossen werden – beispielsweise auch Daily Soaps, Kitschromane oder Castingshows wie Germany’s Next Topmodel –, wird den Angehörigen des weiblichen Geschlechts dabei immer wieder unterstellt, sie betrachteten diese Formate grundnaiv und ohne eine Spur von kritischer Reflexion, die sie an deren Genuss hindere. Das ist Unfug. Etliche Frauen genießen solche Dinge gerade auch, weil sie sich dabei darüber lustig machen können, wie realitätsfremd und konstruiert sie oft sind. Ähnlich ist es bei vielen Leserinnen der Shades of Grey, wenn man sich die Besprechungen vieler Rezensentinnen anschaut. Ihnen ist nur allzu bewusst, dass diese Geschichte eine Fantasie darstellt. Ihnen ist vollkommen klar, dass der Roman, würde man ihn einer realistischen Lesart unterziehen, von einer geistig leicht zurückgebliebenen Alkoholikerin handelt, die sich in einen psychopathischen Stalker verliebt, weil er schweinereich ist. Aber sie erlauben sich, diese Aspekte auszublenden, so wie es Männer beispielsweise bei James-Bond-Filmen tun, und diejenigen Aspekte zu genießen, die sie emotional mehr ansprechen als bei jedem anderen Erotikroman. Problematisch wären danach nicht die Fifty Shades of Grey, sondern Männer, die sich anmaßen, aus dem Erfolg dieses Buches weitgehende Rückschlüsse auf eine vermeintlich zweifelhafte Natur der Frau zu ziehen.

Aber auch wenn man sich von dieser Gegenrede überzeugen lässt, bleibt mindestens ein Punkt problematisch: Dass das, was von E. L. James geschildert wird, für viele Leser den ersten Eindruck davon darstellt, was SM ausmacht. In diesem Zusammenhang bleibt Fifty Shades of Grey oft eben keine bloße Fantasie, sondern wirkt sich auf das Leben vieler Menschen aus. Beispielsweise berichtet Rowan Pelling in der britischen Daily Mail, dass dieses Buch dem zuvor ein wenig eingeschlafenen Sexualleben so mancher Frau wieder neues Feuer gegeben habe. Zahlreiche Berichte in Internet-Blogs und -foren, in denen über dieses Buch gesprochen wird, legen beredtes Zeugnis davon ab. Viele Frauen, so Pelling, fühlten sich ein wenig schuldig für ihre Fantasien, sehnten sich aber nach einigen sanften Experimenten. Die Fifty Shades gäben ihnen nun ein Muster, an dem sie sich mit ihren Partnern orientieren könnten. Und Frauen, die sich mit dieser Form von Sexualität niemals näher beschäftigt hatten, kämen durch die Lektüre auf entsprechende Gedanken und lernten es, ihre bisherigen Grenzen zu erweitern.

An dieser Stelle ist der vorliegende Ratgeber gefragt. Seine Aufgabe wird es sein zu erklären, inwiefern Christian Grey in vielerlei Hinsicht kein Vorbild und seine Beziehung mit Anastasia Steele weder eine typische noch eine empfehlenswerte Möglichkeit ist, erotische Dominanz und Unterwerfung auszuleben. Hier gilt das Argument »Aber die Leser wissen doch, dass es eine Fantasie ist« weitaus weniger, denn was es bei SM-Praktiken zu bedenken gilt, kann sicher nicht bei fast jedem beziehungsweise jeder als Allgemeinwissen vorausgesetzt werden. Hier sollen die richtigen Akzente gesetzt und die nötigen Warnhinweise gegeben werden.

Das eigentliche Ziel dieses Buches ist nicht, Fifty Shades of Grey mieszumachen. Stattdessen werde ich die Handlung dieses Romans (genauer gesagt des ersten Bandes dieses Dreiteilers) dazu verwenden, eine ganze Reihe von Tipps zu geben, mit denen Sie die darin enthaltenen Fantasien so genussvoll und gefahrlos wie möglich in die Wirklichkeit umsetzen können. Dabei greife ich auf viele Interviews mit Leuten zurück, die sich mit denselben Dingen vergnügen wie Christian Grey, auf mein seit mittlerweile zehn Jahren als Grundlagenwerk geltendes SM-Lexikon (als aktualisierte Ausgabe neu veröffentlicht von Passion Publishing) und andere meiner Bücher sowie auf die Sachliteratur einer Reihe weiterer Experten, deren Titel im Literaturverzeichnis dieses Ratgebers aufgeführt sind.

Insbesondere Menschen, denen dieser Bereich der Erotik noch fremd ist, möchte ich auf diese Weise damit vertraut machen, wie man ein solches Abenteuer lustvoll-prickelnd gestalten kann und trotzdem noch im Rahmen des Verantwortbaren bleibt, damit es keine »Abstürze« gibt, keine seelischen Schädigungen und keine Beziehungskrisen. Auch ohne einen charmanten, aber schwer traumatisierten Multimillionär als Wegweiser zur sexuellen Ekstase können Sie mit diesem Buch als Reiseführer neue erotische Bereiche betreten, die Ihr sexuelles Leben aufregender werden lassen.

Ich wünsche Ihnen sowohl beim Träumen als auch beim Experimentieren alles erdenkliche Vergnügen!