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Manfred Kocks

Mordsjob

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© 2017 Manfred Kocks

Verlag und Druck: tredition GmbH, Halenallee 40-44, 22359 Hamburg

ISBN

Paperback: 978-3-7439-7542-2
Hardcover: 978-3-7439-7543-9
e-Book: 978-3-7439-7544-6

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Kapitel 1

Der Tag hatte schon mit einer ersten Überraschung begonnen. Mein alter Jaguar hatte einen platten Hinterreifen. Wie ich schnell feststellte, hatte sich eine Stahlschraube in den Pneu gebohrt. Keine Ahnung, wann und wo das passiert war.

So musste ich zu meinem Missvergnügen die überfüllte U-Bahn zu meinem Büro in der Innenstadt nehmen.

Als ich meinen Anrufbeantworter abhörte, meldete sich eine Mandantin, die bereits mehrmals meine Dienste in Anspruch genommen hatte. Regelmäßig ließ sie sich von mir zu Geschäftsterminen fahren, da sie Nachstellungen ihres Mannes befürchtete, dem bereits wegen häuslicher Gewalt verboten worden war, die eheliche Wohnung noch einmal zu betreten. Sie hatte eine Modeboutique und suchte regelmäßig Lieferanten auf, um Ware zu ordern.

Diesmal bat sie mich, bei einem Termin mit ihrem Mann dabei zu sein. Er wollte vor dem Scheidungsverfahren mit ihrer Zustimmung einige persönliche Sachen aus ihrer Wohnung holen.

Nachdem ich telefonisch den Termin bestätigt hatte, schrieb ich auf dem PC zwei Rechnungen für Observierungsaufträge und druckte sie aus. Ich machte mir einen Kaffee und schlug die Tageszeitung auf. Als ich schließlich bei den Todesanzeigen angekommen war, wurde mir einmal mehr bewusst, wie oft Leben und Tod am seidenen Faden hängen. Eine entscheidende Rolle spielten dabei Glück oder Pech. Bekanntermaßen sterben ja keineswegs nur alte oder kranke Leute. Unglücksfälle treffen auch junge und kerngesunde Menschen. Wie oft ist es zum Beispiel vorgekommen, dass ein Glückspilz seinen gebuchten Flug in einer anschließend abgestürzten Maschine verpasst hat.

Mit meinen 45 Jahren konnte ich normalerweise auf eine noch lange Lebenserwartung hoffen, aber Todesfälle von Altersgenossen gab es auch, wie ich schwarz auf weiß lesen musste.

Nun konnte ich nicht gerade stolz darauf sein, was ich aus meinem Leben bisher gemacht hatte. Nach einem Jurastudium ohne zweites Staatsexamen und ein paar Semestern Psychologie verdiente ich meinen Lebensunterhalt mit „diskreten Ermittlungen, Observationen und Personenschutz“, wie es bei meinem Eintrag im Branchenadressbuch hieß.

Als Qualifikation zum Bodyguard konnte ich nur auf meine – allerdings schon mehr als 20 Jahre zurückliegende – Judoerfahrung verweisen, wobei ich bei regionalen Wettkämpfen nicht einmal so schlecht abgeschnitten hatte. Fit war ich allerdings immer noch. Wenig Alkohol, keine Zigaretten und regelmäßiges Joggen sorgten dafür. Auch das dritte Laster spielte in meinem Leben nur eine untergeordnete Rolle. Bei meinen gelegentlichen Affären hatte ich noch nie den Wunsch verspürt, mich fest zu binden. Im Übrigen reichte das, was ich verdiente, gerade mal für meine Bedürfnisse und das nicht einmal sehr regelmäßig.

Immerhin lag mein – wenn auch winziges – Büro in einem eleganten Geschäftshaus in der Düsseldorfer City. Aus der 8. Etage hatte man eine schöne Aussicht auf die Innenstadt, und der Aufzug tat erstaunlicherweise immer das, was er sollte: er funktionierte stets völlig störungsfrei.

Zu diesem Tag passte dann auch, dass ich mit einem Problem konfrontiert wurde, welches mein Leben von jetzt auf gleich auf den Kopf zu stellen drohte.

Als mein Problem an der Türe klingelte und ich aufdrückte, war meine Überraschung etwa so groß, wie wenn mir als Kind zu Ostern tatsächlich der leibhaftige Osterhase erschienen wäre. Dieser Osterhase war eine rothaarige, äußerst elegante Dame. Diese unterschied sich von meiner gewöhnlichen Kundschaft wie ein Paradiesvogel von einer Großstadttaube. Womit ich nicht sagen will, dass ich meine Alltagsmandanten etwa für so lästig wie die „Ratten der Lüfte“ hielt. Ganz im Gegenteil: je mehr desto besser. Schließlich sorgten sie dafür, dass ich pünktlich meine Miete bezahlen konnte. Aber diese Dame war nun wirklich eine exotische Erscheinung. Sie war groß, schlank, sehr gepflegt mit grün-grauen Augen und viel Charisma. Sie war keine Poster-Schönheit, aber sie hatte ein Gesicht wie eine klassische griechische Statue. Dazu passten auch ihr Auftreten und ihre Stimme mit deutlich ironischem Unterton.

»Sie sind also der berühmte Julian Harper!«

»Ja, wie Sie auf dem Türschild lesen konnten. Und mit wem habe ich das Vergnügen?«

»Meinen Namen möchte ich vorerst für mich behalten. Der Grund wird Ihnen sofort einleuchten, wenn Sie mein Anliegen kennen. Sollten Sie meinen Auftrag annehmen, werden Sie selbstverständlich alles über mich erfahren.«

Inzwischen hatte sie in dem Besuchersessel Platz genommen und dabei ihre langen Beine graziös übereinandergeschlagen.

»Das klingt ja mehr als geheimnisvoll. Aber Sie können beruhigt sein. Diskretion ist mein Geschäftsprinzip. Informationen und Ermittlungsergebnisse gebe ich nur an den Auftraggeber weiter. Das gilt insbesondere für kompromittierende Unterlagen über Fehltritte von Ehepartnern.«

Sie machte eine abwehrende Handbewegung.

»Vergessen Sie mal Ihren täglichen Kleinkram. Damit wir jetzt ernsthaft zur Sache kommen können, will ich Ihnen verraten, dass die Höhe des Honorars, das ich Ihnen anbieten will, Ihnen eine sorgenfreie Zukunft ermöglichen kann.«

Wie soll man auf eine derart spektakuläre Eröffnung reagieren? Nachdem ich die erste Verblüffung überwunden hatte, fiel mir nur die banale Frage ein:

»Und wieso glauben Sie, dass ausgerechnet ich der Richtige bin für einen so lukrativen Auftrag?«

»Weil ich mich erst nach sehr gründlichen Recherchen für Sie entschieden habe.«

»Und wie sind Sie denn überhaupt auf mich aufmerksam geworden?«

»Durch einen Zeitungsbericht von vor einem halben Jahr über einen von Ihnen verhinderten Straßenraub, bei welchem Sie den Täter überwältigen konnten. Aufgrund dessen habe ich mich intensiver für Ihre Lebensumstände interessiert.«

Ich erinnerte mich gut an den Vorfall. Es war allerdings wirklich keine große Sache. Ein junger Asylbewerber aus dem Irak hatte versucht, einer alten Dame die Handtasche zu entreißen. Ich konnte ihn festhalten und der Polizei übergeben.

Sie fuhr fort und urteilte dabei einigermaßen unverschämt über meine persönliche und berufliche Situation.

»Ich weiß, dass Sie keine Familie haben und sich mit Ihrem Job so gerade über Wasser halten können. Sie sind jetzt in einem Alter, in welchem ein Mann normalerweise eine Position erreicht haben will, die in finanzieller und gesellschaftlicher Hinsicht seinen Wünschen entspricht. Und das – verzeihen Sie – ist in Ihrem Fall wohl nicht zu konstatieren. Deprimierend ist sicher auch, dass eine positivere Zukunftsperspektive zu fehlen scheint. Genau diese biete ich Ihnen!«

Ziemlich verärgert über ihre unverschämte Arroganz und die beleidigend geringschätzige Beurteilung meiner persönlichen und beruflichen Lebensumstände musste ich ihr wohl deutlich klarmachen, dass ich nicht ihr Hampelmann war.

»Sie kommen hier reingeschneit und haben nichts Besseres zu tun, als mich sofort nach Strich und Faden zu beleidigen. Jemanden, den Sie überhaupt nicht kennen und über den Sie nichts wissen. Über Ihre sogenannten Recherchen kann ich doch nur lachen. Ich kann Ihnen versichern, dass ich sowohl mit meinem Leben als auch mit meinem Beruf total zufrieden bin. Wenn Sie mich für eine derartige Niete halten, frage ich mich, weshalb Sie dann ausgerechnet zu mir kommen. Wenn Sie von einem solchen Versager Hilfe erwarten und ihn dafür auch äußerst großzügig entlohnen wollen, sollten Sie sich dringend mal auf Ihren Geisteszustand untersuchen lassen.«

Damit hatte ich sie aus dem Konzept gebracht. Sie räusperte sich und sah mich mit einem Anflug von Betroffenheit an.

»Ich muss Sie wirklich für meinen unhöflichen Auftritt um Entschuldigung bitten. Es ist sonst wirklich nicht meine Art, so arrogant mit meinen Mitmenschen umzugehen und sofort mit der Tür ins Haus zu fallen. Verzeihen Sie mir bitte. Zu meiner Entschuldigung kann ich nur anführen, dass die Angelegenheit, bei der ich Ihre Hilfe brauche, mich schrecklich belastet, und es bei dem, womit ich Sie beauftragen will, tatsächlich um Leben und Tod geht. Schreiben Sie bitte mein Verhalten meinem verzweifelten Gemütszustand zu. Ich hoffe deshalb auf Ihre Nachsicht und schlage vor, noch einmal neu anzufangen.«

»Gut, unterhalten wir uns jetzt zivilisiert auf Augenhöhe. Ich habe Ihren Worten ja bereits entnehmen können, dass Sie mir viel Geld bieten wollen für einen – sagen wir mal – äußerst prekären Job.«

»Ja, das ist richtig. Dafür zahle ich Ihnen aber auch so viel, dass Sie künftig ein arbeitsfreies Leben führen und sich alle Wünsche erfüllen können.«

»Und dafür soll ich dann nur wie der berühmte „Schakal“ ein Attentat auf – lassen

Sie mich raten – den Bundespräsidenten verüben!?«

»Seien Sie nicht albern. Aber mit einem haben Sie schon recht, ich möchte einen Menschen tot sehen, der es aus meiner Sicht verdient. Es geht um meinen Ehemann. Er hat mich nicht nur von Anfang an mit seinen Flittchen betrogen, sondern will die Scheidung und die Hälfte meines Vermögens, um danach in Saus und Braus sein Luxusleben fortführen zu können. Dumm und verliebt habe ich bei der Heirat auf einen Ehevertrag verzichtet, da ich nicht glauben wollte, dass er mich ausschließlich wegen meines Geldes geheiratet hat.«

»Sie kommen tatsächlich zu mir, um mich mit dem Mord an Ihrem Ehemann zu beauftragen? Bin ich etwa der stadtbekannte Killer, an den man sich wendet, wenn man einen unliebsamen Zeitgenossen loswerden will? Das kann doch nicht Ihr Ernst sein! Oder halten Sie mich für einen Auftragsmörder? Ich habe nicht einmal eine Pistole, da ich die Dinger hasse.«

Aber sie schien unbeeindruckt.

»Mit ihrer eigenen Pistole sollten Sie ihn ohnehin nicht erschießen. Etwas mehr Fantasie brauchen Sie schon. Übrigens habe ich diese spontane Reaktion von Ihnen erwartet. Ich gebe Ihnen drei Wochen Bedenkzeit. Dann komme ich wieder; und wenn Sie akzeptieren, besprechen wir die Modalitäten und alle Details. So viel vorab: Sie bekommen für die Erledigung des Auftrags von mir 1 Million Euro und als Vorschuss und für Ihre Aufwendungen zur Planung und Vorbereitung der Tat 50.000 Euro. Überlegen Sie gut. Sie können damit für Ihre zweite Lebenshälfte finanziell vorsorgen und sich wie gesagt sämtliche Wünsche erfüllen. Ich weiß, dass Sie Jura studiert haben und nicht religiös sind. Schuldgefühle und Gewissensbisse dürften deshalb – wie ich hoffe – kein unüberwindbares Problem für Sie darstellen.«

»Das sollten wir zunächst einmal dahingestellt sein lassen. Ich glaube nicht, dass Sie das so lapidar beurteilen können. Aber mal zu einer anderen Frage, die sich mir bei Ihrem verlockenden Angebot sofort aufdrängt.«

»Und zwar?«

»Weshalb kommen Sie zu mir, wo Sie doch sicher leicht jemanden finden könnten, der schon für die vorab angebotenen 50.000 Euro bereit wäre, jemanden umzubringen? Wieso wollen Sie eine so hohe Summe dafür ausgeben, wenn Sie es doch so viel billiger haben könnten?«

»Die Antwort ist sehr einfach. Es gibt drei Gründe dafür. Erstens will ich mich unter keinen Umständen in kriminelles Milieu begeben und der Gefahr aussetzen, später möglicherweise erpresst zu werden. Außerdem müsste ich befürchten, mich zumindest als lukratives Ziel für Einbrecher zu outen. Einen Tipp an andere Schwerkriminelle könnte ich doch nicht ausschließen. Zweitens habe ich kein Vertrauen in die Intelligenz und Fähigkeiten eines Kriminellen, dessen Fingerabdrücke höchstwahrscheinlich polizeibekannt sind und der sicher schon eine einschlägige Haftstrafe hinter sich hat. Drittens bin ich zu reich, um mich für eine billige Lösung entscheiden zu müssen. Ich will nur die bestmögliche. Und deshalb brauche ich einen seriösen Partner wie Sie. Ich halte Sie für vertrauenswürdig, diskret und clever. Aufgrund Ihrer professionellen Erfahrung sind Sie bestimmt umsichtig genug, keine Spuren zu hinterlassen, die uns gefährlich werden könnten und Sie sind kaum so dumm, später noch mit mir in Kontakt zu treten, was verhängnisvoll sein könnte.«

Sie erhob sich und ging zu Tür.

»Auf Wiedersehen Julian – so darf ich Sie doch nennen – und falls Sie irgendein Aufzeichnungsgerät haben laufen lassen, vernichten Sie bitte die Aufnahme umgehend!«

Als sie die Tür hinter sich zugezogen hatte, blieb ich länger ziemlich fassungslos und wie paralysiert an meinem Schreibtisch sitzen. Dann fiel bei mir der Groschen. Ganz klar, das war eine große Verlade. Auch wenn es nicht der 1. April war, jemand wollte mich mal so richtig auf dem Arm nehmen. Sicher, für „Verstehen Sie Spaß“ war ich nicht prominent genug, aber unter meinen Freunden gab es wohl einen Spaßvogel, der sich das ausgedacht hatte. Ich grinste erleichtert. Aber ganz sicher war ich nicht. So viele Freunde hatte ich nämlich nicht. Vielleicht war einer meiner Tenniskumpel auf diese schräge Idee gekommen. Außerdem gab es freitags im Club immer einen gut besuchten Stammtisch, bei dem komische Geschichten sehr beliebt waren, über die man lauthals lachen konnte. Mich wunderte nur, dass der Witzbold, der sich auf meine Kosten amüsieren wollte, dafür einen solchen Aufwand betrieben hatte. Vor allem schien mir dabei rätselhaft, wer eine solche Dame, die zweifellos in der 1. Liga spielte, hatte anheuern können. Schließlich kannte ich so gut wie alle Ehefrauen und Partnerinnen der Clubmitglieder, zu denen ich engeren Kontakt hatte.

Abends zerbrach ich mir weiter den Kopf, wer wohl der Initiator dieses Scherzes gewesen sein könnte. Mein Grübeln führte zu keinem plausiblen Ergebnis. Auch keiner meiner Tennisfreunde ließ sich in den nächsten Tagen auch nur das Geringste anmerken.

Der Besuch der mondänen Dame beschäftigte mich schon deshalb weiterhin, da die schöne Unbekannte mich so fasziniert hatte. Sie musste eine verdammt gute Schauspielerin sein, um so authentisch aufzutreten.

Gleichzeitig stellte ich mir – natürlich rein theoretisch – auch die Frage: Was wäre wenn? Einmal angenommen, der Auftrag war echt; 1 Million Euro war ein Haufen Geld. Ein derartiger Mord, bei dem es sich ja um keine offensichtliche Beziehungstat handeln würde, könnte kaum aufgeklärt werden, wenn es der Täter zudem clever anstellen würde.

Aber welche hypothetischen Alternativen fielen mir dazu ein? Und wäre ich wirklich zu einer derartigen Tat fähig? Ganz ohne persönliches Motiv aus reiner Geldgier.

Ich verdrängte die makabren Gedankenspielereien und ging davon aus, dass ich beim nächsten Besuch der mysteriösen Dame mit dieser über den Streich, den mir jemand spielen wollte, herzlich lachen würde. Ich nahm mir vor, spaßeshalber einzuwilligen und von ihr die 50.000 Euro zu verlangen.

Kapitel 2

Ich hatte es fast geahnt; die drei Wochen gingen um, und die schöne Unbekannte ließ sich nicht wieder blicken. Eigentlich hätte ich mich dadurch nur bestätigt fühlen sollen, nicht auf den Schwindel hereingefallen zu sein, aber enttäuscht war ich doch. Ich hätte sie wirklich gerne wiedergesehen. Außerdem störte mich an der Geschichte, dass damit eine logische Pointe fehlte.

So wurde ich zum zweiten Mal überrascht, als sie nach gut vier Wochen tatsächlich wieder vor mir stand beziehungsweise mir gegenübersaß.

»Sie müssen entschuldigen, dass ich mich um eine Woche verspätet habe, aber ich musste verreisen, um mich um eine dringende persönliche Angelegenheit zu kümmern. Halten Sie mich deshalb bitte nicht für unzuverlässig. Bei unserer etwaigen Geschäftsbeziehung können Sie hundertprozentig auf meine Vertragstreue vertrauen.«

Ich war wieder äußerst beeindruckt von ihrer Erscheinung, ihrem selbstsicheren Auftreten und ihrem eleganten Outfit. Sie trug ein eng tailliertes, teures grünes Kostüm, welches wunderbar mit ihren roten Haaren harmonierte.

Ich überlegte noch, was ich sagen sollte und forschte in ihrer Mimik nach einem Anzei-chen, das diesem für mich inszenierten Joke entsprochen hätte.

Aber sie zuckte mit keiner Wimper und ihre wunderschönen Augen blieben todernst. Kein Zwinkern und kein noch so leises amüsiertes Lächeln war erkennbar.

»Mein heutiger Besuch wird – vorausgesetzt, wir einigen uns – natürliche einige Zeit beanspruchen. Da wir in diesem Fall die Einzelheiten eingehend besprechen müssen, hoffe ich, dass Sie in der nächsten Stunde keine weiteren Mandanten erwarten.«

Ich nickte bestätigend.

»Und wie haben Sie sich nun entschieden?«

Ich entschloss mich, dem Theater jetzt ein schnelles Ende zu machen, um anschließend gemeinsam mit ihr darüber lachen zu können.

»Ich habe mich entschlossen, Ihren Auftrag anzunehmen und fange sofort mit der Planung an, sobald ich über den angebotenen Vorschuss verfügen kann!«

Damit war der Zeitpunkt gekommen, zu dem sie Farbe bekennen musste. Schließlich konnte sie mich kaum mit einem Scheck oder einem Überweisungsversprechen abspeisen. Derartige Zahlungsweisen verboten sich bei Mordaufträgen wohl von selbst.

Zu meiner Überraschung schien ich sie mit meiner Zusage und Vorschussforderung jedoch keineswegs in Verlegenheit gebracht zu haben.

»Ich bin wirklich froh, dass Sie sich so entschieden haben. Schließlich konnte ich nicht ganz sicher sein, dass Sie genug Mut und nicht zuviel Skrupel haben.«

Ihre Reaktion verblüffte mich dann weit mehr als der Trick des Zauberkünstlers, der vor dem staunenden Publikum ein weißes Kaninchen aus dem eben noch zugeklappten Zylinder zieht. Sie öffnete ihre Handtasche, zog fünf Geldbündel mit Fünfhundertern heraus und warf sie auf meinen Schreibtisch.

»Hier sind die vereinbarten 50.000 Euro als Vorschuss und für Ihre Auslagen.«

Damit war der Schwarze Peter wieder bei mir gelandet. Höchste Zeit für einen Rückzieher!

Aber mein Ego, das die damit verbundene Blamage scheute und vor ihr unbedingt den Eindruck vermeiden wollte, dass ich im Ernstfall eher den Schwanz einzuziehen geneigt war, hinderten mich daran. Letztlich war es jedoch weniger machohafte Eitelkeit als starke Neugier, von meiner eleganten Besucherin mehr zu erfahren.

Warum sollte ich eigentlich nicht zunächst das Spiel mitmachen und mir erst mal anhören, was sie mir zu sagen hatte. Stornieren ließ sich ja alles immer noch.

Und was konnte sie schon tun, selbst wenn ich die 50.000 Euro – auch ohne Gegenleistung – einfach behielt. Eine Quittung würde sie wohl kaum verlangen.

Sie zog aus ihrer Handtasche ein DIN-A4-Blatt und gab es mir.

»Hier haben Sie alle Informationen, die Sie brauchen: unseren Familiennamen und den Vornamen meines Mannes, unsere Adresse sowie die unseres Ferienhauses im Grünen, die Autonummer seines Porsches, den Namen seines Tennisclubs und seine favorisierten Restaurants.«

»Ich hätte gerne noch ein Foto von ihm.«

»Ach so, das hätte ich beinahe vergessen.«

Sie reichte mir ein Passfoto herüber.

»Bevor wir jetzt zu den Details kommen, muss ich Ihnen wohl nicht ausdrücklich sagen, dass Sie alle Unterlagen sofort vernichten müssen, sobald Sie sich alles eingeprägt haben.«

Ich nickte und sah sie erwartungsvoll an.

»Zunächst zu den Zahlungsmodalitäten. Wir werden uns nächste Woche Donnerstag um Punkt 10:00 Uhr vor der Bank direkt hier gegenüber treffen. Bis dahin müssen Sie dort ein Girokonto eröffnen und gleichzeitig ein großes Schließfach mieten. In diesem werden wir Ihr Honorar deponieren. Den Schließfachschlüssel nehme ich anschließend an mich und schicke Ihnen diesen per Post zu, sobald Sie den Auftrag erledigt haben. Und zwar genau 10 Tage, nachdem die Todesanzeige meines Mannes in der Zeitung erschienen ist. Das bedeutet auch, dass wir uns nach dem heutigen Gespräch nur noch einmal persönlich treffen werden. Weitere Kontakte irgendwelcher Art darf es nicht geben!«

»Ist es eigentlich nicht auffällig, dass sie 1 Million Euro in immerhin gewisser zeitlicher Nähe zu dem plötzlichen gewaltsamen Tod Ihres Mannes von Ihrem Konto abgehoben haben? Möglicherweise könnte es doch Fragen nach der Verwendung dieser Summe geben; von wem auch immer.«

»Keine Sorge, daran habe ich schon gedacht. Ich besuche schon seit Längerem die bekannten Spielcasinos und spiele da mit höheren Einsätzen. So ist es auch keineswegs ungewöhnlich, dass ich regelmäßig höhere Bargeldbeträge von meinem Bankkonto abhebe, zumal das bei meinem Gesamtvermögen kein Aufsehen erregt. Außerdem besuche ich seit zwei Jahren die große Badener Rennwoche Ende August, wo ich mich bei den Galopprennen stets mit hohen Wetten engagiere. So habe ich Ihr Honorar schon lange beiseite gelegt.«

Beeindruckt von ihrer Cleverness hatte ich dennoch weitere Bedenken.

»Ich habe jetzt noch einige wichtige Fragen nach den genauen Vertragsbedingungen, über die wir meines Erachtens vorher unbedingt sprechen müssen.«

»Ja bitte, ich höre.«

»Erstens muss ich wissen, wie viel Zeit ich für die Erledigung Ihres Auftrages habe.«

«Ich denke, es sollte bis Jahresende passiert sein. Da wir jetzt Ende Mai haben, müsste Ihnen ausreichend Zeit für die Planung und Tatausführung bleiben. Aber ich will nicht kleinlich sein; wenn es Januar werden sollte, ist es mir auch recht. – Was wollen Sie sonst noch wissen?«

»Zweitens die eigentliche Gretchenfrage: Was ist, wenn Ihr Mann in dieser Zeit ohne meine Mitwirkung das Zeitliche segnen sollte? Vielleicht kommt er ja bei einem Unglücksfall – zum Beispiel bei einem Autounfall – um oder stirbt an einem Herzinfarkt.«

»Auch dann gilt unsere Abmachung. Hauptsache er ist tot. Auch dann gehört die Million Ihnen. Schließlich will ich überhaupt nicht wissen, was der Grund für seinen Tod ist bzw. welchen Anteil Sie daran hatten. Ich möchte nicht Mitwisserin sein und selbstverständlich diesbezüglich auch nichts von Ihnen erfahren. Wie schon gesagt, es gibt außer dem heutigen Gespräch nur noch ein Treffen anlässlich unseres Banktermins. Daran halten wir uns unbedingt. – Haben Sie noch weitere Fragen?«

»Eigentlich nur eine einzige. Geht es Ihnen ausschließlich um den Vermögensverlust oder um Rache aus Eifersucht? Statt der von Ihnen beabsichtigten gewaltsamen Beendigung Ihrer Ehe, könnten Sie doch auch eine gerichtliche Auflösung bewirken, selbst wenn es Sie einen Teil Ihres Vermögens kostet. Diese wäre immerhin risikolos und würde Ihr Gewissen nicht belasten. Ich vermute allerdings stark, dass es noch einen bedeutend schwerwiegenderen Grund gibt?«

Sie zögerte und räusperte sich, ehe Sie mit leiser Stimme zugab, dass meine Vermutung richtig war.