Titelbild

Impressum

Widmung

Anmerkung der Autorin

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

8. Kapitel

9. Kapitel

10. Kapitel

11. Kapitel

12. Kapitel

13. Kapitel

14. Kapitel

15. Kapitel

16. Kapitel

17. Kapitel

18. Kapitel

19. Kapitel

20. Kapitel

21. Kapitel

22. Kapitel

23. Kapitel

24. Kapitel

25. Kapitel

26. Kapitel

27. Kapitel

28. Kapitel

29. Kapitel

30. Kapitel

31. Kapitel

32. Kapitel

33. Kapitel

34. Kapitel

35. Kapitel

36. Kapitel

37. Kapitel

38. Kapitel

Epilog

Die Autorin

BAD BOY DIARIES

CATCH MY GIRL

THE WRONG/RIGHT MAN

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LOVE IS ALL WE CRAVE

t

Siobhan Davis

 

© Die Originalausgabe wurde 2019 unter dem

Titel TWISTED BETRAYAL von Siobhan Davis, in Zusammenarbeit mit Bookcase Literary Agency

veröffentlicht.

 

© 2020 Romance Edition Verlagsgesellschaft mbH

8712 Niklasdorf, Austria

 

Aus dem Amerikanischen von Friederike Bruhn

 

Covergestaltung: © Sturmmöwen

Titelabbildung: © Arsgera

Redaktion & Korrektorat: Romance Edition

 

ISBN-Taschenbuch: 978-3-903278-35-6

ISBN-EPUB: 978-3-903278-36-3

 

www.romance-edition.com

Für Jennifer Gibson,

meine unvergleichliche Kritikpartnerin und ein rundum toller Mensch. Diese Reihe, insbesondere dieses Buch, gäbe es ohne deine Unterstützung und deine Ermutigung auf jedem Schritt des Weges nicht.

Ich liebe dich bis zum Mond und wieder zurück, Lady. Danke, dass du immer für mich da bist.

Anmerkung der Autorin

 

Auch wenn die Handlung dieses Buchs in einer Highschool-Umgebung spielt, handelt es sich dabei dennoch um eine Dark Romance Story, die aufgrund des Erwachseneninhalts, der expliziten sexuellen Szenen und der teilweise vulgären Sprache nicht für Jugendliche geeignet ist. Es wird empfohlen, dieses Buch erst ab 18 Jahren zu lesen. Manche Szenen können eine aufwühlende Wirkung haben.

 

1. Kapitel

 

Abby

 

»Ich muss kurz auf die Toilette verschwinden«, unterbreche ich den Pfarrer, bevor er zu dem Teil der Hochzeit übergehen kann, wo wir unsere Gelübde ablegen. Meine Hände, die Charlie mit seinen umfasst, fühlen sich klamm an, während ich mich innerlich für das wappne, was gleich folgt. Plötzlich aufkommende Zweifel sorgen jedoch dafür, dass ich meine Strategie hinterfrage. Ich brauche unbedingt einen Moment für mich allein, um sicherzustellen, dass ich das Richtige tue.

»Das kann warten«, knurrt Vater und fixiert mich aus zusammengekniffenen Augen an.

»Abby.« Charlie sieht zu mir herunter. »Was soll das?«, formt er mit den Lippen.

Ich presse meinen Mund an sein Ohr. »Ich habe das Gefühl, mich gleich übergeben zu müssen«, lüge ich, zeige auf meinen Bauch und verziehe das Gesicht. Mir eine Hand vor den Mund haltend, fake ich ein Würgen und sehe ihn flehentlich an.

»Lass mich das nicht bereuen«, flüstert er. »Und unternimm keinen Blödsinn, dein Vater würde ihn töten.« Er deutet mit dem Kopf in Kais Richtung.

»Das weiß ich. Ich werde sein Leben nicht in Gefahr bringen.«

Seine Antwort besteht aus einem knappen Nicken, doch ein Muskel an seinem Kiefer beginnt zu zucken.

Ich trete einen Schritt zurück, und mein Vater packt unsanft meinen Arm. »Du verlässt diesen Raum nicht, bis du verheiratet bist.«

»Daddy, mir ist schlecht und wahrscheinlich kotze ich mich gleich voll. Ich bin sicher, dass das niemand mit ansehen will.«

Ein hässlicher Rotton färbt sein Gesicht. »Für welchen Idioten hältst du mich?«

»Mr Hearst.« Charlie tritt hinter mich und legt einen Arm um meine Hüfte. »Abby kann sich fünf Minuten nehmen, um kurz auf die Toilette zu gehen.« Er wirft einen bedeutungsschweren Blick hinüber zu Kai. »Vertrauen Sie mir, sie wird nirgendwohin verschwinden.«

Der Bastard sieht auf seine Uhr und sein Adamsapfel bewegt sich deutlich auf und ab. Wenn er sich nicht so arschig anstellen würde, wäre ich mittlerweile schon auf der Toilette. Er bedenkt mich mit einem Blick, der Satan persönlich mit Stolz erfüllen würde.

Keine Sorge, allerliebster Vater, ich hasse dich genauso wie du mich.

Ich behalte eine neutrale Miene bei und verberge meine wahren Gefühle vor dem Monster, das mitverantwortlich dafür ist, dass ich auf der Welt bin.

»Maurio«, sagt mein Vater. »Begleite meine Tochter zur Toilette.« Charlie lässt mich los, und Vater umfasst abermals grob meinen Arm. »Sieh zu, dass du schnell wieder zurück bist, oder ich komme und schleife dich persönlich wieder hierher.«

Ausdruckslos starre ich ihn an. »Wenn du ihm wehtust, ist jeglicher Deal vom Tisch.« Kurz sehe ich zu meinem Zwillingsbruder, um ihm zu vermitteln, dass er in meiner Abwesenheit auf meinen Mann aufpassen soll. »Niemand legt Hand an Kai.« Drew wirft mir einen warnenden Blick zu, und ich nicke kaum wahrnehmbar. Ich bin nicht dumm. Ich werde nichts tun, das Kais Leben gefährden könnte, aber ich muss meine Gedanken ordnen. Sicherstellen, dass das der richtige Plan ist. In jedem Fall braucht mich Vater wieder hier, damit ich mein Gelübde ablege. Er wird es nicht wagen, Kai während meiner Abwesenheit etwas anzutun.

Ich werfe Maurio die Badezimmertür vor der Nase zu und schließe rasch ab, für den Fall, dass er auf die Idee kommt, von innen Wache halten zu wollen. Mit einem abgrundtiefen Seufzer stütze ich mich am Rand des Waschbeckens ab und betrachte mein Abbild im Spiegel.

Mein Herz befindet sich hinter Schloss und Riegel und ich verstärke die Gitterstäbe darum noch ein wenig, da ich nicht in der Lage bin, mich mit der letzten Offenbarung meines Vaters auseinanderzusetzen. Ich kneife meine Lider fest zusammen, als eine Welle an Emotionen die unsichtbare Barriere, die ich errichtet habe, niederzureißen droht. An den Inhalt dieser Worte darf ich jetzt nicht denken. Ansonsten würde ich nach draußen stürmen und versuchen, den Bastard eigenhändig zu ermorden, was jedoch nur zu Kais Tod und lebenslanger Haft für mich führen würde.

Um mir meine Strategie zurechtlegen zu können, muss ich meine Emotionen im Zaum halten. Sie wegsperren und Entscheidungen treffen, die ausschließlich auf Logik und Fakten beruhen. Ich umfasse den Waschtisch fester und ein kalter Ausdruck tritt in mein Gesicht, als ich mir vor Augen führe, was ich tun muss.

Charlie hat ganz offiziell verloren.

Das ist klar.

Er kommt nicht über seine dumme Besessenheit von mir hinweg. Und ich glaube ehrlich, dass ihn das vorantreibt. Ich weiß nicht, wann er angefangen hat, anzunehmen, dass er in mich verliebt wäre, aber man behandelt die Frau, die man liebt, nicht auf so abscheuliche Weise. Vielleicht ist sein Gehirn einfach dermaßen geprägt von all der Scheiße, die sie ihm in Parkhurst angetan haben. Oder mein Vater hat ihn einer Gehirnwäsche unterzogen. Ich kann nicht glauben, dass Charlie tatsächlich in mich verliebt ist, und wenn er in der Lage wäre, klar zu denken, würde er das auch selbst erkennen.

Mir bleibt keine Wahl, außer bei diesem Trugschluss mitzuspielen. Um Kai am Leben zu erhalten. Es gibt nichts, wozu ich nicht bereit wäre, um die Liebe meines Lebens zu retten. Kaiden Anderson ist mein Ein und Alles. Und ich werde ihn bis zu meinem letzten Atemzug beschützen. Auch wenn das bedeutet, das Unvorstellbare zu tun – Charlies Frau zu werden und mit ihm das Ehebett zu teilen.

Bei dem Gedanken zieht sich mein Magen heftig zusammen, aber es gibt keine andere Möglichkeit. Wenn ich mich weigere, die Zeremonie fortzusetzen, wird mein Vater Kai ermorden.

Allerdings können wir diesen Umstand auch zu unserem Vorteil nutzen.

Seit der Bastard die Bombe platzen ließ, dass er mir meine Gebärmutter hat entfernen lassen, denke ich ununterbrochen nach und ein klarer Plan beginnt, sich zu formen. Wenn ich es vermeide, über etwas zu sehr zu grübeln und mich stattdessen mit etwas anderem ablenke, habe ich immer die besten Ideen. Der Weg nach vorn kristallisiert sich nun eindeutig heraus, und ich möchte mein Vorhaben unbedingt in die Tat umsetzen.

Aber das Wichtigste zuerst: Ich muss wieder da rausgehen und meinen neuesten Feind heiraten.

Dann muss ich ihn und meinen Vater davon überzeugen, dass ich an Bord bin.

Dass Kai meiner Vergangenheit angehört.

Und stattdessen Charlie und die Elite meine Zukunft sind.

Das Infiltrieren ihrer Welt ist die einzige Möglichkeit, um meinen Plan aufgehen zu lassen.

Ich drücke die Toilettenspülung – nur wegen Maurio, der vor der Tür steht – und wasche mir sorgfältig die Hände. Lächelnd betrachte ich mich im Spiegel, während ich mir vorstelle, wie es weitergehen wird.

Wenn ich mit ihm fertig bin, wird sich mein Vater definitiv wünschen, niemals geboren worden zu sein.

 

t

 

Aufgebrachte Laute dringen aus dem burgunderfarbenen Raum in den Flur, während wir uns auf dem Rückweg befinden. Meine Mundwinkel wandern nach oben, als ich mich frage, ob die Kavallerie angekommen ist.

Ich weiß nicht, wie lange sich Kai schon in Vaters Gewalt befindet. Das Letzte, wovon ich Kenntnis habe, ist, dass er mit Jackson und Sawyer nach New York unterwegs war. Deshalb ist es durchaus vorstellbar, dass sie dabei waren, als er überfallen wurde. Ich bin sicher, dass sie versuchen werden, ihn zu befreien, immerhin sind diese drei Jungs wie Brüder. Den Geräuschen nach zu urteilen, kommt gerade Bewegung in die Runde, und ich schließe nicht aus, dass Sawyer und Jackson herbeigeilt sind, um ihn zu retten.

Mein Lächeln fällt in sich zusammen, als ich über ein anderes Szenario nachdenke. Eines, bei dem mein Vater die beiden besten Freunde von Kai verletzt oder gar getötet hat. Furchtbare Angst breitet sich in meinem Inneren aus, während mein Herz wie wild in meinem Brustkorb hämmert.

Wenn er sie verletzt, werde ich ...

»Halten Sie sich zurück, Miss Abigail«, unterbricht Maurio meine Gedanken mit seiner Warnung. Er holt seine Waffe heraus und schiebt mich mit der anderen Hand zurück. »Bleiben Sie hier, bis ich wieder bei Ihnen bin.« Ohne auf meine Antwort zu warten, rennt er zur Tür und eilt in den Raum.

Ich runzle die Stirn, als ich erstickte Geräusche und Hustenlaute höre, die in den Flur dringen. Ein Schuss ertönt, gefolgt von einem lauten Knall, und meine Herzfrequenz steigt bedenklich an. Ich stürze nach vor und stoße mit jemandem zusammen, der gerade aus dem Raum kommt. Die Kraft des Aufpralls sorgt dafür, dass ich zu Boden gehe, und einen meiner High Heels verliere, der über den polierten Hartholzboden schlittert. Bevor sich die Tür schließt, riskiere ich einen Blick in den Raum und sehe Maurio auf dem Boden liegen.

Ich stoße einen Schrei aus, als ein Mann mit einer angsteinflößenden Maske über mir auftaucht. Die Maske besteht aus schwarzem Gummi und bedeckt vollständig sein Gesicht. Die Glaslinsen, die seine Augen verbergen, sind schwarz getönt, sodass ich nicht ausmachen kann, wer sich darunter befindet. Sein Körper ist muskulös und er trägt ein schwarzes, figurbetontes Shirt, eine dunkle Cargohose und noch dunklere Stiefel. Ein Waffengürtel ist an seiner schmalen Taille festgeschnallt, in dem eine Waffe steckt.

Rückwärts rutsche ich den Flur entlang, während er seinen Arm nach mir ausstreckt. In einer schnellen Bewegung löst er die Maske und schiebt sie über seinen Kopf.

Eine Reihe von Flüchen verlässt meinen Mund, als mich Jackson mit seinem frechen Grinsen bedenkt, das mir nur allzu bekannt ist. »Entschuldigung, Süße. Ich habe vergessen, dass ich eine Maske trage.« Ein großer, schillernder Bluterguss prangt auf seiner linken Wange, seine Lippe ziert ein verkrusteter, noch recht frisch aussehender Schnitt.

Ich kicke mir meinen anderen High Heel vom Fuß und rapple mich auf. »Wenn du hier nicht auf einer Rettungsmission wärst, würde ich dir in die Eier treten, weil du mich so verdammt erschreckt hast.«

Er zieht mich in seine Arme und sein übermütiges Grinsen verschwindet. »Geht es dir gut?«

Ich winde mich aus seinem Griff. »Mit mir ist alles okay. Aber mit Kai nicht.«

Jacksons Blick wird tödlich. »Das ist mir nicht entgangen.« Er lässt seine Knöchel knacken. »Ich dachte, wir könnten deinen Vater endlich aus dem Weg räumen, aber er ist geflohen, bevor das Schlafgas seine Wirkung entfalten konnte.«

Mir treten fast die Augen aus den Höhlen, als ich über seine Schulter zur geschlossenen Tür spähe, mich fragend, was zum Teufel passiert ist. »Schlafgas?«

Jackson nickt. »Wir wollten nicht riskieren, dass du, Drew oder Kai bei einer Schießerei verletzt werden, also haben wir den Tunnel benutzt, um in das Haus zu gelangen. Wir haben Schlafgas durch die Lüftungsschlitze in den Raum injiziert«, erklärt er.

»Ich habe einen Schuss gehört. Ist jemand getötet worden?«

»Dieser Mistkerl von einem Wachmann ist mit seiner Waffe reingestürmt, die er auf uns abgefeuert hat, aber die Kugel ist in die Wand eingeschlagen. Er hatte nicht die Gelegenheit, jemanden zu verletzen, weil ihn das Schlafgas vorher ausgeschaltet hat.«

Die Tür fliegt ein zweites Mal auf und eine weitere Person verlässt das Zimmer. Auch sie trägt eine Maske und die gleiche schwarze Kleidung. Ich lege eine Hand über meinen Mund, als ich die auf dem Boden liegenden Körper zähle. Ein paar andere ebenfalls maskierte Männer durchstreifen den Raum, die Waffen schussbereit im Anschlag, und stoßen die Bewusstlosen mit ihren in Stiefeln steckenden Füßen an.

Der andere Mann streckt mir eine Maske entgegen. »Setz die auf.« Sawyer kommt zum Vorschein, nachdem er seinen eigenen Gesichtsschutz ein Stück nach oben geschoben hat. Seine Nase ist geschwollen und ein langer Bluterguss zieht sich über seinen Kiefer. »Wir müssen hier schleunigst verschwinden. Dein Vater hat die Flucht ergriffen. Auch wenn das hier mit Atticus Anderson abgesprochen war, bedeutet das nicht, dass dein Vater nicht mit Verstärkung zurückkommt, nachdem wir ihn hintergangen und den Zeitplan über den Haufen geworfen haben.«

»Moment. Wie bitte?«, hake ich nach und nehme die Maske entgegen, mache aber keine Anstalten, sie aufzusetzen. »Mein Vater wusste davon? Er hat all dem zugestimmt? Warum zur Hölle sollte er das tun, wenn es für ihn notwendig ist, dass ich Charlie heirate?« Ich bin völlig verwirrt.

Sawyer schüttelt den Kopf. »Atticus hat mit deinem Vater einen Deal ausgehandelt. Allerdings besagt er nur, Kai hier rauszuholen, was dich betrifft ...«

»Welchen Deal? Ich dachte, sie hassen einander«, frage ich und packe Sawyers Arm.

Sawyer blickt den Flur auf und ab. »Dein Vater muss diesen Konflikt mit Atticus beenden, weil er seinem Ruf schädigt. Da die Parkhurst-Abstimmung nur noch wenige Monate entfernt ist, kann er das nicht riskieren. Er hat Atticus zugesichert, ihm seine Firma, sein Eigentum und das Geld, das er ihm weggenommen hat, zurückzugeben und ihm die Rückkehr in die Elite und nach Parkhurst zu ebnen. Als Gegenleistung soll Atticus seine Klagen fallen lassen und seine Aussagen zurückziehen; außerdem muss sich Kai von dir fernhalten.«

Ich nehme meine Hand von Sawyers Arm und reibe einen angespannten Punkt zwischen meinen Brauen. »Du behauptest also, mein Vater wusste, dass ihr hier auftauchen würdet? Warum sollte er dem zustimmen?«

»Atticus hat ihm das Versprechen abgenommen, Kai bei dieser ganzen Scharade nicht zu töten. Er war nicht glücklich, dass Michael ihn benutzt hat, um dich dazu zu zwingen, seinen Heiratsplänen zu folgen, aber es war ein kleiner Preis, um seine Ziele zu erreichen.«

Ich presse die Lippen zu einem dünnen Strich zusammen und Galle kriecht meinen Hals hinauf. Atticus Anderson wirft mich viel zu gern den Haien zum Fraß vor. Kai wird durchdrehen, wenn er herausfindet, dass er mich wieder geopfert hat. Es ist ganz eindeutig, dass die Vereinbarung nur die Rettung seines Sohnes betraf und er sich nicht darum schert, was mit mir passiert.

»Michael möchte vor dem Orden nicht schwach aussehen. Er wird um jeden Preis verhindern wollen, dass sie etwas von diesem Deal erfahren. Dass wir hier einbrechen, um Kai zu retten, lässt ihn die Fassade vor den anderen Elitemitgliedern zumindest aufrechterhalten«, bestätigt Jackson. »Der einzige Grund, warum wir frei sind und hier mitspielen können, ist, dass Atticus unsere Hilfe brauchte.«

»Mein Vater hat nicht nur Kai, sondern auch euch erwischt?«, mutmaße ich.

»Sie haben auf dem privaten Flugplatz auf uns gewartet«, erklärt Sawyer. »Wir haben gegen sie gekämpft, waren jedoch zahlenmäßig unterlegen. Es dauerte nicht lang, bis sie uns überwältigt hatten. Sie nahmen Kai mit, fesselten uns und sperrten uns in einen Versandcontainer. Atticus tauchte einige Stunden später auf, erzählte uns, was er getan hatte, und bat um unsere Hilfe. Er hat auch Maverick, Joaquin und Harley zusammen mit einigen seiner Leibwächter ins Boot geholt.«

Das erklärt die anderen Männer im Raum.

Kai wird stinkwütend darüber sein, dass sein Vater seine jüngeren Brüder in die Sache involviert hat. Rick und Kai haben ihr Bestes getan, um sie vor dieser Welt zu beschützen, aber Atticus scheint entschlossen zu sein, sie hineinzuziehen.

»Wir verfolgen allerdings unseren eigenen Plan, wie du soeben mitbekommen hast«, erklärt Jackson, während Sawyer einen weiteren Blick den Flur entlangwirft. »Verdammt, als ob wir dich zurücklassen und akzeptieren würden, dass du dieses Arschloch heiraten musst.«

»Woher wusstet ihr davon?«, erkundige ich mich, lasse die Maske auf den Boden fallen und wische mir die Hände an der Vorderseite meines Kleides ab.

»Atticus hat es uns erzählt. Wir sollten mit unserem Eindringen bis nach der Zeremonie warten, und er wird nicht glücklich darüber sein, dass wir die Absichten deines Vaters durchkreuzt haben.« Jackson grinst. »Dass wir die Hochzeit unterbinden und dich mitnehmen, wird ihn ernsthaft verärgern.«

»Sind wir zu spät gekommen?«, fragt Sawyer und zieht eine Augenbraue hoch, die weggeworfene Maske auf dem Boden betrachtend.

Ich schüttle den Kopf. »Nein. Wir haben erst die Hälfte der Zeremonie hinter uns gebracht, als ich um eine Toilettenpause gebeten habe.« Ich straffe die Schultern und drücke den Rücken durch, weil ihnen nicht gefallen wird, was ich gleich verkünde. Niemand schreibt mir vor, was ich tun soll.

Ich habe jetzt das Kommando.

Ob ihnen das gefällt oder nicht.

»Ich gehe nicht mit euch.« Ich bedenke die beiden mit einem festen Blick. »Ich kann nicht. Ich bleibe hier und heirate Charlie Barron.«

 

2. Kapitel

 

»Das meinst du nicht ernst, oder?«, knurrt Jackson. »Kai wird völlig ausrasten!«

»Kai wird immer eine Zielscheibe auf seinem Rücken haben, wenn ich diese Sache nicht durchziehe«, erkläre ich ruhig, sammle meine Stilettos ein und ziehe sie wieder an. Dann richte ich mich auf. »Es gibt Dinge, über die ihr noch nicht Bescheid wisst. Dinge, in die Kai euch einweihen kann. Ich muss jetzt zurück in den Raum und mich wie alle anderen von dem Gas ausknocken lassen.« Jackson fällt die Kinnlade runter. »Und ihr müsst die Liebe meines Lebens von hier wegschaffen, bevor mein Vater zurückkehrt und euch alle aus dem Weg räumt.«

»Abby.« Jackson schüttelt seine Fassungslosigkeit ab und umfasst mein Kinn. »Ich werde dich nicht hier zurücklassen. Du kannst ihn nicht heiraten.«

»Und ob ich das kann.« Mein Blick wandert zwischen den beiden hin und her. »Denkt doch mal drüber nach. Es ist der perfekte Plan.«

Sawyer und Jackson sehen einander an, und ich kann genau den Moment ausmachen, in dem sie begreifen. Ein durchtriebenes Grinsen breitet sich auf Sawyers Gesicht aus. »Was sollen wir tun?«

Ich blicke nach oben zur Kamera über uns. »Zuallererst müsst ihr Xavier kontaktieren, damit er aus der Ferne das Sicherheitssystem hackt und alle Kameras manipuliert. Vater wird das als Teil eures Plans erwarten und keinen Verdacht schöpfen, wenn alle Geräte ausgeschaltet wurden.«

»Ist schon so gut wie erledigt«, sagt Sawyer und zieht sein Handy hervor.

»Warte!« Mir ist gerade noch ein Gedanke gekommen. »Xavier soll davor noch rasch den Kamerafeed der letzten vierundzwanzig Stunden kopieren. Hoffentlich war diese Kamera an und hat aufgezeichnet, wie mein Vater Charles Barron ermordet hat.« Das könnte lohnenswertes Erpressungsmaterial sein.

»Was zum Teufel?«, stößt Jackson aus.

Ich nicke. »Charlie hat seinem Vater verraten, was meinen Erzeuger dazu bewog, ihm vor allen Leuten eine Kugel in den Schädel zu jagen.«

»Scheiße.« Sawyer macht große Augen. »Was zur Hölle ist nur mit Charlie Barron passiert?«

»Ich habe den Eindruck, er ist durchgedreht«, gestehe ich. »Und er verliert immer mehr die Kontrolle. Er denkt, er würde bei den großen Jungs mitspielen, aber ich bin mir sicher, dass mein Vater ihn nur benutzt.«

»Das ist ein weiterer Grund, warum du mit uns von hier verschwinden und dich verdammt noch mal aus seiner Reichweite bringen musst«, wirft Jackson ein.

Ich schüttle den Kopf. »Ich werde Charlie heiraten und einen auf liebende Ehefrau machen. In angemessenem Rahmen, sonst glaubt er mir nicht. Und ...« Ich lege Jackson eine Hand auf den Mund und hindere ihn so, auch nur ein Wort zu entgegnen. »Ich werde nicht zulassen, dass er mich anfasst. Das könnt ihr Kai versichern.«

»Er wird nicht einfach danebenstehen und das zulassen«, meint Jackson. »Das weißt du. Bei dieser Aktion könnte er am Ende genauso tot enden.«

Ich pieke ihm mit dem Finger gegen die Brust. »Sag das gefälligst nicht!«, zische ich. »Wenn er von meinem Plan erfährt, wird er einsehen, dass es der einzige Weg ist. Der Weg ins Licht führt nur durch die Dunkelheit, nicht wahr?«

»Und wie sieht dein toller Plan genau aus?«, fragt Sawyer nach und bückt sich, um die Gasmaske aufzuheben.

»Das werde ich hier nicht verraten. Sobald es möglich ist, sorge ich dafür, dass sich Drew mit euch in Verbindung setzt und ein Treffen arrangiert. Haltet Kai einfach für ein paar Tage von mir fern.«

»Ich bezweifle ohnehin, dass er die nächsten Tage das Bett verlassen kann«, erwidert Sawyer. »Atticus wird so was von angepisst sein, wenn er sieht, in welchem Zustand sein Sohn ist. Ich bin sicher, dass Michael die Auflage hatte, ihn nicht zu schwer zu verletzen.«

»Der Bastard macht die Regeln selbst. Niemand sagt ihm, was er zu tun oder lassen hat. Atticus hätte es besser wissen müssen, als einen Pakt mit dem Teufel zu schließen.«

»Kai wird uns die Hölle heißmachen, wenn er erfährt, dass wir dich zurückgelassen haben.«

»Das ist mir bewusst, aber er wird mir einfach vertrauen müssen. Wenn wir das beenden wollen, wenn wir meinen Vater fertigmachen wollen, tun wir das ab jetzt auf meine Weise. Ich bin diejenige, der er alles genommen hat, und ich werde ab sofort die Regeln aufstellen.« Ich stemme die Hände in die Hüften und sehe die beiden herausfordernd an. »Genug der Worte, es ist an der Zeit für Taten. Wenn euch das nicht gefällt, dann verpisst euch zurück nach New York.«

Jackson bricht in Gelächter aus und zieht mich in seine Arme. »Können wir bitte einen Weg finden, dich zu klonen? Ich brauche eine eigene Abby nur für mich.«

»Lauder«, sagt Sawyer warnend, was Jackson veranlasst, ihm den Stinkefinger zu zeigen.

»Entspann dich, Bro. Ich meinte das im übertragenen Sinne.« Jackson drückt einen sanften Kuss auf meine Stirn und lässt mich los. »Abby gehört Kai. Das weiß ich.«

»Ihr müsst verschwinden«, dränge ich sie und sehe über meine Schulter, als sich plötzlich all die feinen Härchen in meinem Nacken aufrichten. »Ich werde nervös. Wenn ihr zu früh aufgetaucht und den Deal missachtet habt, wird Vater das nicht einfach so hinnehmen. Ich bin überrascht, dass er noch nicht wieder mit seinen Wachen hier aufgetaucht ist.«

Jackson zwinkert mir zu und tippt sich gegen die Schläfe. »Das kommt daher, dass ich nicht nur ein hübsches Gesicht habe. Es war meine Idee, auch Gas in den Mitarbeiterraum einzuleiten. Darum sind jetzt alle ausgeknockt, inklusive der Bodyguards.«

»Es gibt Wachen, die für die äußeren Bereiche des Anwesens zuständig sind«, gebe ich zu bedenken und umfasse den Türknauf.

»Um die Kerle haben wir uns ebenfalls gekümmert«, berichtet Sawyer. »Wenn überhaupt hat sich dein Vater irgendwo versteckt, um zu warten, bis das Ganze vorbei ist. Er weiß, dass wir unser eigenes Ding abziehen und ihn drankriegen wollen.«

»Das könnte sein«, stimme ich zu, da der Bastard unter keinen Umständen versuchen würde, die Eindringlinge ohne Unterstützung zu überwältigen. »Das bedeutet dennoch, dass er hier irgendwo ist. Ihr müsst Kai in Sicherheit bringen. Jetzt sofort.«

Die Jungs nicken, ehe sie wieder ihre Gasmasken zurechtrücken. Ich werfe einen letzten Blick über meine Schulter. »Sagt ihm, dass ich ihn liebe, und dass ich das hier für uns mache.«

Nachdem sie mir erneut ihre Zustimmung signalisiert haben, öffne ich die Tür zu dem Raum. Nur knapp schaffe ich es zu Charlie, ehe ich an seiner Seite bewusstlos zu Boden sinke.

 

t

 

»Diese verfickten Mistkerle sind so was von tot«, stöhnt Charlie und hält sich den Kopf. »Und wie bitte sehr ist es dazu gekommen, dass du neben mir bewusstlos wurdest?«, fragt er und beäugt mich misstrauisch.

»Auf diese Frage hätte ich auch gern eine Antwort«, wirft der Bastard ein. Kurz mache ich mir Sorgen, dass er vielleicht die Überwachungskameras im Blick hatte, während ich mit Sawyer und Jackson draußen im Flur war. Bei dem Gedanken, dass er über mein falsches Spiel im Bilde sein könnte, bricht mir kalter Schweiß aus. Doch ich schiebe diese Sorgen rasch beiseite. Vater weiß nicht, wie man sich Zugriff auf die Kameras verschafft, und er hat bisher noch nie den Securityraum betreten.

»Maurio ist in das Zimmer geeilt, als wir laute Geräusche gehört haben. Er hat mir eingeschärft, draußen zu warten, aber ich habe einen Schuss vernommen und bin in Panik geraten. Dann habe ich dich und Drew ohnmächtig auf dem Boden gesehen«, erkläre ich und halte Charlies Blick stand. »Ich hatte Angst, ihr könntet tot sein, also habe ich nicht gezögert, sondern bin zu euch gerannt. Ich wäre niemals darauf gekommen, dass es sich um Schlafgas handelt. Dann bin ich ohnmächtig geworden.«

Charlies Gesichtsausdruck verändert sich und er sieht mit einem Mal so aus, als würde er mich gleich küssen wollen.

Mein Vater hustet und ich richte meine Aufmerksamkeit wieder auf ihn. Er glaubt mir nicht so einfach. Zeit, um für eine Ablenkung zu sorgen. »Wie du dem Ganzen entgehen konntest, obwohl du im selben Raum mit uns warst, ist eigentlich noch eine bessere Frage«, sage ich, auch wenn ich damit riskiere, seine Wut zu entfachen. Die Jungs haben Kaiden in Sicherheit gebracht, und das ist alles, was zählt.

Charlie sieht meinen Vater aus zusammengekniffenen Augen an. »Sie schienen zu wissen, was vor sich ging, und haben den Raum verlassen, bevor der Rest von uns es herausfinden konnte. Wie war das möglich?«

Die Nasenflügel meines Vaters beginnen zu beben. »Du wagst es, mich zu hinterfragen?« Seine tiefe Stimme ist voll von unausgesprochenen Drohungen.

Drew schlendert zu uns herüber und reibt sich an den Schläfen, während er dem Gespräch lauscht.

»Wir haben einen Deal«, spuckt Charlie dem Bastard entgegen. »Sie sollten mir nichts vorenthalten.«

Mein herzallerliebster Vater wirft lachend den Kopf zurück, bevor er Charlie auf die Schulter klopft. »Mein Junge, du hast noch viel zu lernen.« Sämtlicher Humor verschwindet aus seinem Gesicht, als er ihn warnend fixiert. »Fordere mich nicht öffentlich heraus, mein Sohn. Das Ergebnis würde dir nicht gefallen.« Er lässt seinen Blick in einer offensichtlichen Drohung zu mir wandern, und ein Schauder kriecht über meinen Rücken.

Drew versteift sich und öffnet den Mund, um etwas zu sagen, doch ich schüttle leicht den Kopf. Er hat schon genug Probleme am Hals. Vorhin hat er mich verteidigt und Vater wird ihn dafür bezahlen lassen. Ich möchte nicht, dass er die Situation noch verschlimmert.

Charlie legt seinen Arm um meine Taille und zieht mich an seine Seite. »Bedrohen Sie nicht meine Frau.«

»Sie ist noch nicht deine Frau«, ruft Vater ihm in Erinnerung und Zorn huscht über seine Gesichtszüge. »Aber das werden wir jetzt korrigieren.« Er schnippt mit den Fingern nach dem armen Pfarrer. Der Mann sitzt mit gekreuzten Beinen auf dem Boden, umklammert seinen Bauch und sieht benommen und verwirrt aus. »Mr Wittington. Stehen Sie auf«, bellt der Bastard. »Wir müssen die Zeremonie abschließen.«

»Ich fühle mich nicht so gut, Mr Hearst«, gibt der Pfarrer zu und tupft sich mit einem Taschentuch die Schweißperlen von seiner Stirn.

Ich kann sein Befinden nachvollziehen. Ich habe mörderische Kopfschmerzen und mir ist schwindelig sowie ein wenig übel, aber das geht allen anderen Anwesenden auch so. Sylvia ist immer noch bewusstlos auf der Couch zusammengesackt, auf der sie gesessen hat. Christian und Trent sind gerade erst wieder zu sich gekommen. Der Bastard verlangt von Benjamin, seine neue Verlobte Patrice in sein Zimmer zu tragen, bis sie aufwacht. Ich habe keine Ahnung, wohin Charlies Mutter und Schwester verschwunden sind. Er hatte sie angewiesen, zu gehen, bevor Vater die Aufnahme von Kai und mir beim Analsex abspielte. Wut steigt in mir bei der Erinnerung an diese demütigende Szene auf, aber ich dränge sie schnell zurück.

Meine Gefühle sind jetzt nicht hilfreich.

»Reißen Sie sich gefälligst zusammen.« Vater sieht den Pfarrer offensichtlich angewidert an.

Mr Wittington wischt sich die Stirn ab und steckt sein Taschentuch in die Innentasche seines Jacketts. Er nickt einmal und erhebt sich, bevor er sich noch einmal bückt, um sein Buch aufzuheben. Nachdem er auf die richtige Seite geblättert hat, räuspert er sich, ehe er den Kopf hebt und einen ungeduldigen Blick in unsere Richtung wirft. Er scheint es plötzlich eilig zu haben, diesen Ort zu verlassen. Nicht, dass ich ihm das verübeln könnte. Dieses Gefühl kann ich absolut nachvollziehen.

Drew positioniert sich auf meiner anderen Seite und verschränkt seinen kleinen Finger auf eine Weise, die niemand sehen kann, mit meinem. Tränen brennen mir für einen kurzen, einsamen Moment in den Augen, bevor sich eine eisige Decke über mich legt und mich taub für alles um mich herum macht.

Charlie hält mich fest, während wir vor dem Pfarrer stehen und diese Scharade fortführen.

Meine Gedanken schweben davon, während er seine Worte spricht. Ich erinnere mich an eine glücklichere Zeit, an die Tage mit Kai zuvor, und ich weiß, dass ich mich an diese Erinnerung klammern muss, wenn ich die nächsten Wochen und Monate überstehen will.

 

t

 

»Mom, bitte«, fleht Charlie seine Mutter an, als wir neben seinem Land Rover vor dem Eingang des Anwesens der Mannings stehen. Mrs Barron hat gerade vom Tod ihres Mannes erfahren, und sie ist untröstlich.

In für ihn typischer Manier hat mein Vater Atticus die Schuld gegeben und ihr erzählt, einer seiner Männer hätte Charles getötet, weil er sie am Versuch gehindert hätte, Kai zu retten. Ich bin nicht sicher, ob sie diesen Worten Glauben schenkt oder ob die näheren Umstände für sie überhaupt von Bedeutung sind. Lil, Charlies Schwester, sitzt auf dem Rücksitz des Autos, hat ihren Kopf gegen das Fenster gelehnt und starrt ins Leere. Sie tut mir unglaublich leid. Ich weiß, wie es ist, einen Elternteil zu verlieren, davon erholt man sich nie. Man findet nur einen Weg, es zu überleben. Jeden Tag aus dem Bett aufzustehen und einen Fuß vor den anderen zu setzen, aber man vergisst es nie.

Charles Barron stand in letzter Zeit auf meiner schwarzen Liste, seinen Tod hätte ich mir dennoch nicht gewünscht. Er war ein guter Vater und Ehemann. Er hatte es nicht verdient, zu sterben. Noch weniger hat er es verdient, von seinem eigenen Sohn verraten zu werden.

Mir wird jedes Mal schlecht, wenn ich daran denke. Was ist mit dem Charlie passiert, den ich kannte und liebte? Diese neue Version von ihm ist ein erbärmlicher Ersatz.

Ein kalter Windstoß ergreift meine Haarsträhnen und weht sie mir ins Gesicht. Meine Hand fühlt sich unter dem Gewicht meines Verlobungs- und meines Eherings schwer an, während ich mir das Haar aus der Stirn streiche. Drew zieht traurig die Mundwinkel nach unten, und ein schmerzvoller Ausdruck liegt in seinen Augen, als er mich in seine Arme nimmt. »Es tut mir leid, dass ich das nicht kommen gesehen habe«, flüstert er mir ins Ohr, während er Charlie unablässig beobachtet. Dieser ist jedoch damit beschäftigt, seine todtraurige Mutter in das Auto zu bugsieren, weshalb er uns keine Aufmerksamkeit schenkt.

»Du musst ein paar Dinge für mich erledigen«, wispere ich, weil ich diese Gelegenheit auf keinen Fall ungenutzt lassen möchte. »Bitte Rick, mir ein Schlafmittel zu besorgen, vorzugsweise in flüssiger Form, und organisiere mir eine neue Handtasche mit einem Geheimfach. Xavier hat mir geholfen, meine letzte zu bestellen, daher wird er wissen, was zu tun ist. Leg ein neues Handy sowie eine kleine Waffe hinein und ruf in den nächsten Tagen bei Charlie an, um eine Gelegenheit zu schaffen, wo du sie mir übergibst. Du kannst sagen, sie wäre mein Weihnachtsgeschenk gewesen.«

»Bitte geh kein unnötiges Risiko ein«, mahnt er und fährt mit einer Hand über meinen Rücken, als mich ein Zittern durchläuft.

Ich zucke mit den Schultern. »Ich habe nichts mehr zu verlieren, Drew«, sage ich mit leiser Stimme. »Er hat mir schon alles genommen.«

»Nein.« Drew zwingt mich, ihn anzusehen. Im Hintergrund fleht Charlie seine Mom an, in den Wagen zu steigen. »Nutz diesen Gedanken, um deine Rache voranzutreiben, aber betrachte es nicht auf diese Weise.« Er küsst mich auf die Wange. »Darauf zielt er ab. Er will, dass du denkst, du hättest nichts mehr, aber es gibt noch eine Menge, wofür es sich zu leben lohnt. Vergiss das nicht, A.« Er küsst mich auf die andere Wange. »Und verlier nicht deinen Kampfgeist, den brauchen wir jetzt mehr denn je.«

Mrs Barron fällt auf die Knie und ein lautes, gequältes Schluchzen erfüllt die Nacht. Charlie sieht flehentlich zu mir herüber.

Ich schulde ihm gar nichts. Er verdient es, für die Rolle, die er in dieser ganzen Sache gespielt hat, innerlich zu sterben. Mrs Barron ist allerdings eine Unschuldige in diesem Spiel, und sie braucht meine Hilfe.

Ich löse mich aus Drews Umarmung. »Zwei Tage, D. Bitte lass mich nicht im Stich.«

Er zieht mich zurück an seine Brust und drückt mich fest an sich. »Ich habe versprochen, dass du auf mich zählen kannst, und das meinte ich auch so. Pass auf dich auf, kleine Schwester. Und ruf mich an, wenn irgendein Notfall eintritt. Ob bei Tag oder bei Nacht, ganz egal, zu welcher Uhrzeit. Und ich pfeife auf irgendwelche Konsequenzen. Wenn du mich brauchst, bin ich da.«

Ich schlinge die Arme um seinen Hals. »Ich liebe dich.«

»Ich liebe dich auch. Und ich brauche dich, also gib auf dich Acht.«

Nach diesen Abschiedsworten gebe ich ihn frei, um auf Charlie und seine Mom zuzugehen. »Elizabeth.« Ich sinke zu ihr zu Boden und ignoriere, wie sich der scharfkantige Schotter in meine Schienbeine bohrt. Ich lege meine Arme um sie und höre Charlie dankbar und erleichtert die Luft ausstoßen, als sie sich weinend gegen mich fallen lässt. »Ich kann mir kaum vorstellen, wie du dich fühlst. Dein Verlust tut mir unglaublich leid. Kannst du dennoch versuchen, dich ein wenig zusammenzunehmen? Zumindest, um deine Tochter zu trösten?« Ich streiche ihr über das Haar. »Lillian braucht dich. Sie trauert ebenfalls.« Ihr Schluchzen ebbt kurz ab, ehe es wieder lauter wird.

Charlies Blick aus seinen durchdringend grünen Augen bleibt an meinem haften, und in diesem Moment verbirgt er nichts mehr vor mir. Pein ist die vorherrschende Emotion, die darin schimmert. Ich weiß nicht, was er wegen seinem Dad empfindet, aber die Gefühle gegenüber seiner Mom sind glasklar. Es bringt ihn förmlich um, dass sie leidet, und er möchte ihren Schmerz auslöschen.

Augenblicke wie diese lassen mich innehalten und nachdenklich werden. Vielleicht ist Charlie doch nicht völlig verloren, auch wenn ich ihm niemals vergeben werde. Nicht, solange ich lebe. Es gibt nichts, was er sagen oder tun kann, das seine Taten jemals rechtfertigen könnte. Ich vermute, dass er von all dem kranken Scheiß, den er mit ansehen und in Parkhurst tun musste, einen Knacks davongetragen hat. Letzten Endes geht es jedoch darum, worauf mein Bruder vor einer Weile angespielt hat. Wo beginnt die Verantwortlichkeit einer Person, die einen Auftrag ausführt? Man kann sich nicht ewig hinter dem Bösen verstecken und nichts dagegen tun. Es kommt eine Zeit, in der man vortreten und für die eigenen Taten einstehen muss. So wie Drew es versucht. Aber bei Charlie wirkt es eher, als würde er nur noch tiefer im Morast versinken.

»Komm schon, Elizabeth.« Ich halte sie auf Armeslänge von mir weg und zwinge sie, mich anzusehen. Ihre rot umrandeten, tränenverschleierten Augen wirken halbtot, was meinem Herzen einen schmerzhaften Stich versetzt. Elizabeth und Charles Barron waren echt. Sie liebten sich wirklich. Ich schaue in das erschütterte Gesicht einer Frau, die die Hälfte ihres Herzens und ihrer Seele verloren hat. Ein stechender Schmerz durchschneidet meine Brust und ich habe Mühe, zu atmen, als ich mir vorstelle, wie es wäre, Kai zu verlieren.

Der Gedanke stärkt meine Entschlossenheit und ich ziehe sie auf die Füße und schiebe sie sanft in die Arme ihres Sohnes. Steif hält Charlie sie von hinten fest, und ich frage mich, ob er Reue empfindet, weil er ihr das angetan hat. Jedes Mal, wenn er sie für den Rest seines Lebens ansieht, wird er daran erinnert werden. Ich frage mich, ob ihm das bewusst war.

Ich wische die Tränen von Elizabeths Wangen fort und streiche ihr das Haar hinter die Ohren. »In meiner Vorstellung fühlt es sich an, als würde deine Welt untergehen, und ich hasse, was du durchmachst. Deine Tochter braucht dich jedoch.« Elizabeth dreht sich um und schaut auf den Rücksitz. Lil sieht uns mit Tränen im Gesicht an. »Sei stark für sie«, flüstere ich. »Wir helfen dir dabei, das durchzustehen.«

Sie schnieft und nickt, bevor sie die hintere Autotür öffnet und sich neben ihre Tochter setzt.

»Danke, Abby.«

Ich schließe die Tür des Wagens, drehe mich um und schaue Charlie voller Abscheu an. »Dank mir nicht dafür, dass ich dir zu Hilfe gekommen bin«, zische ich leise. Ich bezweifle, dass Elizabeth mich hören kann, weil die Fenster geschlossen sind und sie so von Trauer verzehrt ist, dass sie ihre Umgebung kaum wahrnimmt, aber man kann nie vorsichtig genug sein. »Denn ich habe es für deine Mom getan. Nicht für dich.«

»Ich wusste es nicht«, ruft er, als Drew neben uns tritt. »Ich schwöre, ich hätte niemals gedacht, dass er ihn auf eine so abscheuliche Weise töten würde«, fügt er leise hinzu.

»Sei nicht so unglaublich naiv«, knurrt Drew mit kaltem Ton. »Was zum Teufel hast du erwartet, dass unser Vater tun würde, wenn du ihm offenbarst, dass Charles ein doppeltes Spiel spielt?«

Charlie lässt den Kopf hängen, und das Ausbleiben jeglicher Entgegnungen spricht Bände. Er war vielleicht nicht in das genaue Vorhaben meines Vaters eingeweiht, aber ihm kann nicht entgangen sein, welcher Mann er ist. Und er konnte sich ausmalen, was passieren würde. Tief im Inneren wusste er, dass der Bastard seinen Vater nach diesem Verrat nicht am Leben lassen würde.

Und dennoch hat er seine Pläne weiter ausgeführt.

 

3. Kapitel

 

»Geht es ihr gut?«, vergewissert sich Charlie, mit angewinkelten Knien auf dem weichen beigefarbenen Teppich vor dem Schlafzimmer seiner Eltern sitzend, und sieht zu mir hoch.

»Natürlich geht es ihr nicht gut!«, antworte ich, nachdem ich leise hinter mir die Schlafzimmertür geschlossen habe. »Sie hat gerade die Liebe ihres Lebens verloren und ist absolut ahnungslos, was wirklich abging.« Müdigkeit überkommt mich, und ich seufze. »Sie schlafen jetzt beide. Aber du musst morgen einen Arzt anrufen und Valium oder Schlaftabletten für deine Mom verordnen lassen. Sie wird über den Vorfall nicht so einfach hinwegkommen.

Er springt auf und nickt. »Hast du Hunger?«

»Nein. Mein Magen ist immer noch etwas angeschlagen von dem Schlafgas.« Ich wende mich von ihm ab und entferne mich, ohne mich darum zu kümmern, ob er mir folgt oder nicht.

»Warum haben sie dich nicht mitgenommen?«, bohrt er nach und hält mit mir Schritt. Ich ignoriere ihn ganz bewusst und beschleunige das Tempo in Richtung meiner Räumlichkeiten. Charlie packt meinen Ellenbogen und zwingt mich, stehenzubleiben. »Mir ist klar, dass du nicht in den Plan eingeweiht warst. Du konntest nichts davon wissen, also war dein kleiner Ausflug auf die Toilette ein glücklicher Zufall. Das bedeutet aber zugleich, dass du nicht bewusstlos warst, als sie vor Ort waren.« Er drängt mich gegen die Wand und hält mich zwischen seinen muskulösen Armen gefangen. »Also frage ich dich noch einmal: Warum haben sie dich nicht mitgenommen?«

»Weil ich ihnen gesagt habe, dass sie es nicht tun sollen«, gebe ich ehrlich zu, hebe mein Kinn und lasse ihn die Aufrichtigkeit in meinen Augen sehen.

»Weshalb?« Seine Miene verrät nichts, während er mich eingehend mustert.

»Weil ich es satthabe, zu kämpfen«, lüge ich. »Er hat mir alles genommen, und ich gebe auf.« Charlie mustert mich misstrauisch; er hat allen Grund dazu, vorsichtig zu sein. »Ich liebe Kai genug, um ihn gehen zu lassen. Wenn ich bei ihm bleibe, wird ihn das irgendwann das Leben kosten. Das würde mich zerstören, also kämpfe ich nicht mehr weiter.« Ich schlüpfe unter seinem Arm hindurch und funkle ihn an. »Herzlichen Glückwunsch, Charlie. Deine Seele zu verkaufen, hat dich an dein Ziel gebracht. Du hast mich jetzt. Ich hoffe, es war den Verrat an deinem Vater und seine Ermordung wert.«

Ich stürme in mein Zimmer, knalle die Tür hinter mir zu und schließe sie ab. Zugleich erwarte ich, dass Charlie mir folgt. Dass er darauf pocht, es sei unsere Hochzeitsnacht und er schulde mir einen ehelichen Besuch. Er bleibt mir jedoch fern, und ich bin dankbar dafür. Obwohl ein Teil von mir einen Streit begrüßt hätte, um mich abzureagieren.

Ich warte ein paar Stunden, bis es mitten in der Nacht ist, bevor ich, bekleidet mit einem Morgenmantel und Hausschuhen, auf Zehenspitzen mein Zimmer verlasse. Wenn mich Charlie erwischt, werde ich lügen und vorgeben, dass ich doch hungrig war. Als ich an seinem Schlafzimmer vorbeischleiche, bemerke ich seine leicht angelehnte Tür, und lasse meinen Blick neugierig über das leere Bett schweifen. Er ist wahrscheinlich bei seiner Mom und seiner Schwester, schmollt irgendwo in dieser riesigen Villa oder ist ausgegangen.

Mit vorsichtigen Bewegungen öffne ich die Tür zum Elternschlafzimmer und sehe mich in dem Raum um, um sicherzustellen, dass er nicht dort ist.

Elizabeth und Lillian schlafen immer noch tief und fest, eng aneinander gekuschelt im Bett. Ich schleiche mich ins Bad und ziehe die Tür bestimmt, aber leise hinter mir zu. Dann nehme ich mein Wegwerfhandy aus der Tasche meines Morgenmantels und rufe Xavier an. Am liebsten würde ich einen der Jungs direkt kontaktieren, aber es ist nicht ausgeschlossen, dass mein Vater ihre Handys überwacht. Er könnte inzwischen auch Xavier auf der Spur sein, aber mein Bauchgefühl sagt mir, dass wir es bisher geschafft haben, Xavier vor ihm zu verstecken, und dass er die sicherste Option ist.

»Verdammt, Liebes. Geht es dir gut?«, fragt Xavier, sobald er rangeht, und klingt überhaupt nicht müde.

»Alles okay. Du hast es gehört?«

»Sie haben mir alles erzählt.« Seine Stimme bricht und ein starker Druck macht sich plötzlich in meiner Brust breit.

»Ich muss wissen, dass es Kai gut geht.« Ich schlucke den heftigen Kloß an Emotionen hinunter, der mir die Kehle zuschnürt. »Kannst du Sawyer anrufen und Näheres herausfinden?«

»Er wird schon wieder«, beruhigt er mich in sanfterem Tonfall. »Ich bin gerade bei ihnen. Wir sind bei Lauder zu Hause und ein befreundeter Arzt von Rick kümmert sich um Kais Verletzungen.«

»Ich dachte, du wärst über Weihnachten heimgefahren?«

»Bin ich auch. Aber ich bin zurückgekommen, als ich gehört habe, was passiert war.«

Mein Herz zieht sich zusammen. Ich glaube nicht, dass Xavier lange brauchen wird, um mir zu beweisen, dass er seinen Status als mein bester Freund absolut verdient. »Danke.«

»Du weißt, dass ich alles für dich tun würde, Abby. Ich habe dir versprochen, dass du dich auf mich verlassen kannst, und das meine ich ernst.«

»Das bedeutet mir viel.«

Plötzlich knistert und rauscht es kurz in der Leitung, dann höre ich eine vertraute Stimme. »Ist etwas passiert?«, fragt Drew, und ich verdrehe die Augen, auch wenn mir klar ist, dass er das nicht sehen kann. Offenbar hat er Xavier gerade das Handy aus der Hand entwendet und ihm nicht einmal gestattet, sich von mir zu verabschieden. »Ich wollte nur wissen, wie es Kai geht.«

»Ist es sicher, zu reden?«, fragt er besorgt.

»Es scheint, als wäre Charlie ausgegangen, und ich benutze mein Wegwerfhandy im Badezimmer seiner Mutter. Ich bezweifle, dass sich hier irgendwelche Abhörgeräte verbergen, und habe dieses Handy doppelt und dreifach nach irgendwelchen Peilsendern abgesucht, aber nichts gefunden.«

»Okay, aber benutze es sparsam.«

»Hör auf, mich wie ein kleines Kind zu behandeln, Drew.«

Eine bedeutungsschwere Pause tritt ein, ehe mein Bruder weiterspricht. »Entschuldige. Es ist schwierig, sich keine Sorgen zu machen.«

»Ich weiß, aber mir geht es gut. Und jetzt hol Rick ans Telefon.«

»Okay. Ich komme in ein paar Tagen vorbei. Sofern Vater mich nicht an einen Stuhl fesselt.«

Säure kriecht mir die Kehle hinauf. »Liefere ihm gute Erklärungen. Ich habe gesehen, wie Charlie ihm die Stirn geboten hat, und er schien das zu respektieren. Versuch das Gleiche, vielleicht funktioniert es ja.«

»Verschwende keine Energie damit, dir wegen mir den Kopf zu zerbrechen. Pass auf dich auf, A. Ich habe eine Seite an Charlie gesehen, die du nicht kennst. Er kann tödlich sein. Reiz ihn nicht bis zum Äußersten.« Ein Schauder rinnt meine Wirbelsäule hinab. Ich habe schon immer vermutet, dass diese dunklen Anteile von Charlie existieren, habe sie aber selbst noch nicht zu spüren bekommen.

»Ich werde vorsichtig sein.«

Noch mehr Knistern und Rauschen ertönt. »Hey, alles klar?«, vernehme ich Ricks Stimme.

»Ja, wie geht es deinem Bruder?«

»Er hat ein paar gebrochene Rippen, eine ausgerenkte Schulter, eine leichte Gehirnerschütterung und ein paar innere Verletzungen, aber er wird es überleben. Er wird nur eine Weile ans Bett gefesselt sein.«

Ich hasse es, dass er in diesem Zustand ist, aber so kann er immerhin nicht versuchen, Vergeltung zu üben. Darüber hinaus könnte das ein günstiger Zeitpunkt sein, um Kai und Rick mit Drews Unterstützung beizubringen, dass ihr Vater damals ihre Mutter getötet hat. »Ist er wach? Kann ich mit ihm reden?«

»Sorry, Abby, aber er ist vollgepumpt mit Medikamenten und aktuell nahezu tot für die Außenwelt.«

»Ganz schlechte Wortwahl«, schelte ich ihn. »Sag ihm, dass ich angerufen habe, und dass ich ihn liebe.«

»Ich werde es ihm ausrichten. Er wird froh sein, zu hören, dass es dir gut geht. In den paar Augenblicken, als er zu sich gekommen ist, war er wegen dir fast panisch.«

Gott, wie ich diesen Mann liebe. Er ist in einer Welt voller Schmerz gefangen, aber seine einzigen Gedanken gelten mir.

»Hat dich Drew wegen des Schlafmittels angesprochen?«, frage ich noch rasch, weil ich mich beeilen sollte, bevor Charlie mich doch noch erwischt.

»Ja, aber es gibt verschiedene Arten, also muss ich in etwa wissen, wofür du es benötigst.«

»Ich brauche etwas, mit dem ich Charlie betäuben kann, damit er zumindest für ein paar Stunden außer Gefecht gesetzt ist.«

Rick stößt einen Pfiff aus. »Wow, also ist das Eheleben gar nicht so toll, wie man immer hört?

»Sehr lustig. Kannst du mir nun helfen oder nicht?«

»Ich werde dir von Onkel Wes was organisieren. Ich besorge es dir in flüssiger Form, so wie du es wolltest, aber du musst damit vorsichtig sein.«

»Ich habe ein paar Tricks im Ärmel, um aus dem Haus zu kommen. Das ist nur eine Möglichkeit, und ich werde sie sparsam anwenden. Charlie ist verdammt clever und ich will ihn nicht mit der Nase darauf stoßen.«

»Okay, ich werde Wes jetzt gleich kontaktieren und ihn bitten, mir das Schlafmittel möglichst rasch zu besorgen. Wie dem auch sei, auf jeden Fall werde ich Drew innerhalb der nächsten Tage etwas für dich mitgeben.«

»Danke, Rick. Ich muss aufhören. Sag allen von mir Ciao.« Ohne auf eine Antwort von ihm zu warten, lege ich auf.

Ich passiere gerade den Flur zurück zu meinem Schlafzimmer, als Charlie oben an der Treppe erscheint. Er sieht mich nicht, als ich leisen Fußes auf ihn zugehe, während er meine Schlafzimmertür anstarrt. Ein Wirrwarr an Emotionen spiegelt sich auf seinem Gesicht.

Als ich näherkomme, erkenne ich all die verräterischen Zeichen. Seine Haare sind verwuschelt, ähnlich wie Kais nach einer Runde energiegeladenem Sex. Seine Lippen sind geschwollen, seine Augen glänzen und seine Kleidung ist unordentlich. Aber es sind die Kratzer, die eine Seite seines Halses bedecken, die letzten Endes keine Zweifel lassen.

Er ist zu konzentriert auf die Tür, um mich zu hören oder den Ekel auf meinem Gesicht wahrzunehmen. »Du bist ausgegangen und hattest in unserer Hochzeitsnacht mit jemand anderem Sex?«, fauche ich, was ihn erschrocken zusammenfahren lässt.