Cover

Über dieses Buch:

Leonie Prinzessin von Altenbach weiß, was sie ihrer Familie schuldig ist. Um den Familienbesitz zu erhalten, erklärt sie sich bereit, Sebastian Graf von Kitzerow zu heiraten. Doch erst als Lucas in ihr Leben tritt, lernt Leonie die wahre Liebe kennen. Aber Lucas lebt in einer schlichten Hütte in den Schweizer Bergen und verdingt sich als Skilehrer. Leonie gerät unter den Druck ihrer Eltern und des Grafen. Als Lucas überstürzt abreist, scheint sie die Liebe ihres Lebens für immer verloren zu haben. Denn sie hat keine Ahnung, wie sie den geliebten Mann finden soll ...

Über die Autorin:

Rebecca Michéle, 1963 in Rottweil in Baden-Württemberg geboren, eroberte mit ihren historischen Liebesromanen eine große Leserschaft. Rebecca Michéle ist außerdem die Präsidentin von „DeLiA“, der Vereinigung deutschsprachiger Liebesromanautoren. In ihrer Freizeit trainiert die leidenschaftliche Turniertänzerin selbst Tänzer.

Rebecca Michéle veröffentlichte bei dotbooks bereits ihre Romane Der Fürst ihrer Sehnsucht, Rhythmus der Leidenschaft und Der Ruf des Schicksals. Weitere Romane von Rebecca Michéle sind bei dotbooks in Vorbereitung.

Die Website der Autorin: www.rebecca-michele.de

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Neuausgabe Oktober 2014

Dieses Buch erschien bereits 2004 unter dem Titel Der Zauber einer Winternacht von Sandy Devon bei Panini Verlags GmbH

Copyright © der Originalausgabe 2004 by Panini Verlags GmbH

Copyright © der Neuausgabe 2014 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: init | Kommunikationsdesign, Bad Oeynhausen

Titelbildabbildung: © Thinkstockphoto - zlatanb

ISBN 978-3- 95520-806-6

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Rebecca Michéle

Heiße Küsse im kalten Schnee

Ein Fürstenherz-Roman

dotbooks.

1. Kapitel

»Also, ich kann mir wirklich etwas Schlimmeres vorstellen, als zwei Wochen in einem Chalet in den Schweizer Bergen zu verbringen!«, rief Beatrice und klatschte begeistert in die Hände.

Gedankenverloren rührte Leonie in ihrer Teetasse, ein aromatischer Geruch nach Äpfeln und Zimt stieg auf. Er vermischte sich mit dem Duft von Tannenzweigen, in deren Mitte drei Adventskerzen brannten. Sie hob den Kopf und sah ihrer Freundin mitten ins Gesicht. »Es gibt wohl hundert Gründe, warum es mir lieber wäre, Weihnachten in aller Stille auf Schloss Altenbach verbringen zu können. Die beiden wesentlichsten sind jedoch, dass ich mir zum einen nichts aus Ski fahren mache, zum anderen nicht weiß, wie ich Sebastian täglich in meiner Nähe ertragen soll.«

Beatrice hangelte nach einem Stück Schokoladenkuchen und biss genüsslich hinein. Sie wischte sich die Krümel von den Lippen und sagte: »Ein Chalet in der. Schweiz! Mit eigenem Wellnessbereich, zwei Dutzend Bediensteten, dazu noch in einer Gegend, wo sich die Weltprominenz über die Weihnachtstage die Klinke in, die Hand gibt. Herz, was begehrst du mehr ...«

Dabei rollte Beatrice so drollig mit den Augen, dass Leonie laut auflachte. Sie wusste, dass die Freundin nur versuchte, ihr das Unweigerliche etwas schmackhafter zu machen.

»Bea, du weißt genau, dass ich einige von dieser versnobten Gesellschaft am liebsten nur von hinten sehe.«

»Wie kannst du so etwas sagen, Eleonore Margarete Eugenia Prinzessin von Altenbach, die ...«

Leonie griff lachend nach einem Stück Kuchen und hielt es wurfbereit hoch.

»Wenn du diesen Namen noch einmal erwähnst, dann werfe ich dir den Kuchen an den Kopf, Bea! Dabei ist mir dein neues weißes Sofa völlig egal!«

Beide Frauen lachten nun so sehr, dass ihnen die Tränen kamen. Seit sie sich kannten, flachsten sie miteinander herum. Obwohl sie aus völlig unterschiedlichen Gesellschaftsschichten stammten, konnte ihre Freundschaft nicht inniger sein. Leonie hatte ihre hochtrabenden Vornamen betagten Großtanten aus der weitläufigen Familie zu verdanken. Bereits als kleines Mädchen hatte sie darauf bestanden, Leonie gerufen zu werden, denn Eleonore klang viel zu ernst. Der Name passte einfach nicht zu ihrem unkomplizierten, natürlichen Wesen. Immer wenn Beatrice sie necken wollte, sprach die Freundin Leonie mit leicht näselnder Stimme mit ihrem vollen Namen und Titel an.

»Ach, ich wünschte, du könntest mitkommen!«, seufzte Leonie und schenkte Bea einen bittenden Blick. Die Freundin zuckte allerdings bedauernd mit den Schultern.

»Da ich davon ausgehe, dass Graf Sebastian seine Einladung wohl nicht auf eine unbedeutende Bürgerliche ausdehnen wird, kann ich mir unmöglich einen Aufenthalt in Davos leisten. Mein Geschäft geht zwar gut, aber ich kann beim besten Willen das Geld nicht zum Fenster rauswerfen. Außerdem arbeite ich gerade an einem sehr interessanten Auftrag: Ein Geschäftsmann hat seinem Sohn zur Hochzeit ein Penthouse geschenkt und möchte, dass es bis Anfang Januar komplett eingerichtet ist. Dann kommt das junge Paar nämlich von seinen Flitterwochen zurück«

Bea griff nach der Teekanne und schenkte sich und Leonie ein. »Ich könnte dabei noch ein paar hilfreiche Hände gebrauchen ...«

Sie ließ den Satz im Raum stehen, und Leonie verstand. Sie hatten sich vor neun Jahren kennen und schätzen gelernt. Bereits als Teenager hatte Leonie gewusst dass sie Innenarchitektin werden wollte. Aufgewachsen in einem vierhundert Jahre alten Schloss, das bis unters Dach mit Antiquitäten voll gestopft war, hatte sie ein besonderes Faible für alte Möbel entwickelt. Ganz im Gegensatz zu Beatrice, die schlichte, klare Linien in modernen Formen und Farben bevorzugte. Zwei Stilrichtungen, die man wunderbar miteinander kombinieren konnte. Bereits während ihrer Studentenzeit hatten sie kleinere Aufträge von Freunden und Bekannten erhalten. Dabei hatten sie gemerkt, wie perfekt sie sich ergänzten. Somit war es eine beschlossene Sache, dass sich Leonie und Beatrice eines Tages gemeinsam selbstständig machen würden. Vor Leonie lag die Aussicht auf eine interessante berufliche Zukunft, bis dann aber ...

»Warum fährst du eigentlich in die Schweiz, wenn dir so wenig daran liegt?«, riss sie Bea aus ihren Gedanken.

Leonie zuckte mit den Schultern.

»Meinen Eltern ist es wichtig, dass ich Sebastian näher kennen lerne. Du weißt, dass sie möchten, dass ich ihn heirate. Es wäre auch für alle Beteiligten die beste Lösung.«

Bea verließ ihren Platz auf dem Sofa und drückte sich neben Leonie in den Sessel. Dann nahm sie die Freundin in den Arm und fragte: »Liebst du ihn denn?«

Ein erneutes Schulterzucken.

»Was bedeutet denn schon Liebe? Sebastian ist für das Gut wichtig. Es würde für meine Eltern eine große Beruhigung sein, Schloss Altenbach in guten Händen zu wissen. Seit Hanno tot ist ...«

Leonie brach ab und wischte sich eine Träne aus den Augenwinkeln. Der Druck von Beatrices Armen um ihre Schultern verstärkte sich.

»Du bist nicht für den Tod deines Bruders verantwortlich, es war ein schrecklicher Unfall.«

»Aber meine Eltern haben jetzt nur noch mich! Ich muss mich einfach um die Brauerei und das Gut kümmern.«

Bis vor vier Jahren war Leonies Welt in Ordnung gewesen. Dann war ihr älterer Bruder Hanno, der künftige Erbe von Schloss Altenbach, zu einer Reise nach Norwegen aufgebrochen. Mit einem Freund zusammen wolle er zur Sommersonnenwende ans Nordkap fliegen. Sie hatten eine Cessna gechartert. Bis heute war es ungeklärt, warum der Pilot bei einer Gewitterwarnung überhaupt gestartet war. Aller Wahrscheinlichkeit nach wurde die Maschine von einem Blitz getroffen und zerschellte an einem Berg. Niemand überlebte den Absturz.

Obwohl Leonie kurz vor ihrem Studienabschluss stand, war es für sie selbstverständlich, die nächste Zeit bei ihren Eltern auf Schloss Altenbach zu bleiben. München war über zweihundert Kilometer entfernt, zudem hätte sie sich in dieser Situation nicht auf ihr Studium konzentrieren können. Sie verließ die Universität und stand ihren Eltern zur Seite. Irgendwann war dann keine Rede mehr davon gewesen, dass Leonie den Beruf einer Innenarchitektin ausüben würde. Hanno hätte das Schloss und die Brauerei übernehmen sollen und war bereits eingearbeitet. Doch nach seinem Tod gab es nur noch eine Person, in dessen Hände das Erbe gelegt werden konnte: Leonie.

Sie seufzte.

»Nun, ich werde die zwei Wochen in Davos schon überstehen. Allerdings weiß ich nicht, wie ich die Sache mit dem Skifahren hinbekommen soll. Es ist beinahe zwanzig Jahre her, als ich das letzte Mal auf der Piste war. Und damals war ich noch ein Kind.«

Beatrice grinste verstehend.

»Ich bin sicher, dass sich der Graf aufopferungsvoll um dich kümmern wird.«

Leonie sah der Freundin in die Augen. Sie runzelte die Stirn und über ihrer Nasenwurzel bildete sich eine Falte.

»Ich habe dir bereits erzählt, dass Sebastian ein ausgezeichneter Skiläufer ist. Er nimmt regelmäßig an Wettkämpfen teil und hat auch schon einige Titel gewonnen. Allerdings habe ich ihm nichts gesagt dass ich ... nun ja ... dass meine Kenntnisse etwas bescheiden sind. Im Gegenteil, ich habe gesagt, dass ich ganz gut Ski fahren kann. Ich weiß auch nicht, warum ich das getan habe, aber irgendwie habe ich immer das Gefühl, Sebastian gegenüber etwas beweisen zu müssen.«

Erneut rollte Bea ihre Augen nach oben. Die Freundin war nicht das, was man landläufig als hübsch bezeichnete. Dazu standen ihre Augen zu eng beisammen, war ihre Nase zu groß und ihre Figur an den Hüften etwas zu breit. Aber sie verfügte über eine Mimik, die Leonie selbst in den traurigsten Momenten stets ein Lächeln entlocken konnte. »Du gestehst ihm einfach am ersten Abend alles. Bestimmt ergibt sich eine passende, romantische Situation vor dem offenen Kamin. Bei einer guten Flasche Wein wird er dir sicher deine kleine Flunkerei verzeihen!«

»Romantische Situation!« Leonie lachte spöttisch. »Soviel ich gehört habe, werden wir ungefähr zwanzig Personen in dem Chalet sein. Ich denke nicht, dass bei einem solchen Menschenauflauf viel Zeit für Romantik bleibt.«

Außerdem möchte ich gar keine romantischen Augenblicke mit Sebastian erleben, dachte Leonie. Obwohl ihr Verstand sagte, dass der Graf die, richtige Wahl wäre, blieb ihr Herz unbeteiligt.

»Der Graf sieht doch unverschämt gut aus«, warf Beatrice ein. »Zudem ist er reich, verfügt über vollendete Umgangsformen und du kennst ihn seit deiner Jugend.«

Beatrice hatte Sebastian Graf von Kitzerow ein paar Mal auf den Geburtstagspartys von Leonie getroffen. Der Blaublütige hatte ihr allerdings keine Beachtung geschenkt, was mit daran lag, dass Bea optisch nicht seinem Geschmack standhielt. Außerdem trug sie keinen Adelstitel, allein das reichte, um in gewissen Kreisen mit Missachtung bedacht zu werden.

Drohend hob Leonie den Zeigefinger und sagte verschmitzt »Wenn ich nicht genau wüsste, dass du die Arroganz von Sebastian verachtest, würde ich meinen, du willst uns verkuppeln.«

Plötzlich wurde Beatrice sehr ernst. Jeglicher Schalk verschwand aus ihren Augen.

»Leonie, ich möchte in erster Linie, dass du glücklich wirst. Warst du eigentlich schon jemals verliebt? Ich meine, so richtig mit allem Drum und Dran: Schmetterlinge im Bauch, Herzflattern und Hitzewallungen?«

Wider Willen musste Leonie erneut lachen.

»Nein, auf die Hitzewallungen werde ich wohl warten müssen, bis ich in die Wechseljahre komme.«

Spielerisch gab Bea der Freundin einen Klaps auf die Schultern.

»Ach, mit dir ist einfach nicht zu reden! Aber ich bin froh, dass du deine Fröhlichkeit wiedergefunden hast.«

»Was mache ich jetzt mit dem Skifahren?«, fragte Leonie.

Grübelnd zog Bea ihre Unterlippe zwischen die Zähne, dann stand sie auf, ging in ihr Schlafzimmer, und Leonie hörte sie nach irgendetwas suchen. Wenige Minuten später kehrte Bea zurück und streckte Leonie ein Buch entgegen.

Ski fahren leicht gemacht, prangte in großen Buchstaben auf dem Cover, das eine prächtig verschneite Berglandschaft zeigte.

»Ich schenke es dir. Ich habe es mir mal gekauft, weil ich bei dem Sportfreak der Uni Eindruck schinden wollte. Leider überdauerte unsere Beziehung nicht den Sommer, so dass mir lediglich Tipps über Wasserskifahren hilfreich gewesen wären.«

Interessiert blätterte Leonie in dem Ratgeber. Tatsächlich wurde hier in anschaulichen Fotos und Skizzen erklärt, wie man Schritt für Schritt zu einem Pistenkönner wurde.

»Nun denn, ich werde es ausprobieren«, seufzte sie, schlug das Buch zu und legte es auf den Tisch. »Vielleicht kannst du es doch einrichten, wenigstens über Silvester nach Davos zu kommen. Ich verzichte an meinem Geburtstag ungern auf meine beste Freundin. Zumal ich dieses Jahr eine bedeutende Grenze überschreite.«

Leonie würde am 31. Dezember ihren dreißigsten Geburtstag feiern. Dreißig – wo war die Zeit geblieben?

»Und gehst dann mit großen Schritten auf die vierzig zu«, unkte Beatrice, die diese magische Schallgrenze bereits schon vor acht Monaten überschritten hatte. »Ich muss schon sagen, du wirst jetzt wirklich alt!«

Sie duckte sich schnell, konnte aber dem Sofakissen, das Leonie nach ihr geworfen hatte, nicht mehr ausweichen. Beatrice griff ihrerseits nach einem Kissen und bald waren die Freundinnen in eine ausgelassene Kissenschlacht vertieft, bei der gar nichts auf ihr fortgeschrittenes Alter schließen ließ.

Es war schon dunkel, als Leonie schweren Herzens die Freundin verließ. Aber sie musste vor dem Abendessen auf Schloss Altenbach sein. Besonders ihr Vater achtete streng darauf, dass die Familie die Mahlzeiten immer zusammen einnahm. Obwohl es den ganzen Tag geschneit hatte, war die Straße aus der Stadt Hollfeld hinauf zum Schloss frei und gestreut, so dass Leonie die Strecke in knapp fünfzehn Minuten bewältigte. Als sie durch den Torbogen in die kiesbestreute, aber jetzt schneebedeckte Einfahrt bog, erkannte sie im Schein der Laternen den roten Sportwagen des Grafen von Kitzerow.

»Sebastian«, murmelte Leonie. Sie parkte und ließ den Schlüssel stecken. Ein Diener würde den Kleinwagen später in die Garage fahren. Während sie die geschwungene Freitreppe hinaufstieg, befürchtete sie, dass ihr Vater den Grafen bestimmt zum Abendessen eingeladen hatte. Vorbei war es mit einem gemütlichen Fernsehabend. Eigentlich hatte sich Leonie darauf gefreut, sich nach dem Essen in ihr Zimmer zurückzuziehen und zum x-ten Male Vorn Winde verweht im Kabelprogramm anzusehen.

»Adieu, geruhsame Stunden.«

Sie fand ihre Eltern und den Grafen in dem kleinen Zimmer neben dem Speiseraum. Ihr Vater und Sebastian hielten ein Glas Whisky in den Händen, während ihre Mutter an einem goldbraunen Sherry nippte. Die Herren erhoben sich bei Leonies Eintreten, und Sebastian eilte auf sie zu und ergriff ihre Hände.

»Leonie, ich habe dich schon vermisst. Ich habe mir erlaubt, dir ein vorgezogenes Weihnachtsgeschenk zu machen. Fürstin Sophia war so freundlich mir zu verraten, dass dir ein wichtiger Bestandteil für unsere Skiferien fehlt.«

Ja, die Lust dazu, lag es Leonie auf der Zunge. Aber jahrelange Übung auf dem gesellschaftlichen Parkett hatten sie gelehrt, ihre Gesichtszüge unter Kontrolle zu halten und unverbindlich zu lächeln. Scheinbar dankbar nahm sie das große und weiche Paket entgegen, das ihr Sebastian jetzt in die Arme legte. Während sie sorgsam die Schnur aufknüpfte, sah sie aus dem Augenwinkel die erwartungsvollen Blicke von Sophia Fürstin von Altenbach. Sie war ihrer Mutter nicht böse. In den Augen der Fürstin war Graf Sebastian die weit und breit beste Partie für ihre Tochter. Außerdem war er unbestritten ein hervorragender Geschäftsmann, und schon aus diesem Grund ein würdiger Nachfolger für die Brauerei. Das fürstliche Bier mit dem klangvollen Namen Altenbacher Königsbräu war in halb Europa bekannt. Vor zwei Jahren hatte Leonies Vater, Fürst Raimund, mit Sebastians Hilfe die ersten Kontakte in die USA geknüpft, wo das königliche Gebräu inzwischen in vielen Bars ausgeschenkt wurde.

Als Leonie das Geschenk ausgepackt hatte, entfuhr ihr vor Überraschung ein kleiner Schrei.

Graf Sebastians Augen leuchteten auf.

»Ich hörte, dass dir noch ein Skianzug fehlt. Daher habe ich mir erlaubt ... Ich hoffe, ich habe deinen Geschmack und deine Größe getroffen.«

Leonie nickte schweigend, wusste nicht, was sie sagen sollte. Tatsächlich hätte sie sich noch ein passendes Outfit besorgen müssen, aber sie hätte sich bestimmt nicht für Bogner entscheiden. Das Label prangte für jeden sichtbar auf der rechten Seite auf Brusthöhe. Obwohl die fürstliche Familie über einen großen Reichtum verfügte, griff Leonie selten zu Designern, bei denen man eigentlich nur den Namen bezahlte. Sie musste aber zugeben, dass der silbergraue Skianzug mit den zartgelben und hellgrünen Paspelierungen ihrem Geschmack entsprach. Auch die Größe stimmte.

Pflichtschuldig küsste sie Sebastian zum Dank auf die Wange. Dabei roch sie sein herbes Rasierwasser und bemühte sich, nicht zurückzuzucken, als er seine Hand auf ihren Rücken legte, um sie näher an sich heranzuziehen.

Ein Dienstmädchen entspannte die Situation, als sie meldete: »Das Essen ist serviert, Durchlaucht.«

Während Leonie in dem Kalbsragout mehr herumstocherte, als etwas davon zu essen, sagte sie sich, dass es keinen plausiblen Grund gebe, Graf Sebastian nicht zu heiraten. Außer vielleicht den einen, dass sie ihn nicht liebte. Aber wann war es einer Prinzessin schon vergönnt, aus Liebe zu heiraten? Zwar las man in der Gala oder anderen Hochglanzillustrierten immer wieder von glücklichen Verbindungen von Adligen und Bürgerlichen, aber Leonie wusste, dass sie es ihren Eltern schuldig war, das Beste für Schloss Altenbach zu tun. Und das Beste war nun mal Sebastian Graf von Kitzerow.

2. Kapitel

Seit Hannos Unfall weigerten sich der Fürst und die Fürstin, ein Flugzeug zu besteigen. Darum hatte ihnen Graf Sebastian seinen Wagen samt Chauffeur für die Fahrt nach Davos zur Verfügung gestellt. Er selbst würde am Abend mit seinem Privatjet in der Schweiz eintreffen.

Anerkennend strich Fürstin Sophia über die hellen Sitze aus samtweichem Kalbsleder. Leonie verschränkte die Arme und sagte: »Ich verstehe nicht, warum wir nicht unser eigenes Auto genommen haben. Es sind nur etwas über fünfhundert Kilometer. Ich hätte durchaus selbst fahren können.«

Raimund Fürst von Altenbach lächelte nachsichtig.

»Daran zweifelt niemand, Leonie. Genieße doch einfach die Fahrt in einem Rolls-Royce. Hier, sieh her, es gibt sogar eine exquisit ausgestattete Bar. Hast du schon den Fernseher samt DVD-Player gesehen?«

Obwohl die Fürstenfamilie nicht sparen musste, stand in ihrem Fuhrpark kein englisches Luxusmodell. Bei den Autos der von Altenbachs handelte es sich allesamt um strapazierbare Fahrzeuge aus dem schwäbischen Stuttgart.

»Ich finde es protzig!«, beharrte Leonie. »Sebastian lässt nichts unversucht, um euch zu beeindrucken.«

Fürstin Sophia beugte sich nach vorne und drückte kurz Leonies Hand.

»Um dich zu beeindrucken. Tut er nicht alles, um dir zu zeigen, wie wichtig du ihm bist?«

»Dazu brauche ich keine teuren Autos, Schmuck oder ein Schweizer Chalet. Mir wäre es lieber gewesen, ich hätte meinen Skianzug selbst kaufen können, anstatt jetzt dankbar lächelnd seine ausgewählte Kreation präsentieren zu müssen.«

Fürstin Sophia schüttelte verständnislos den Kopf.

»Warum stehst du dem Grafen so ablehnend gegenüber? Er ist kultiviert, ein guter und ehrlicher Geschäftsmann und dazu noch attraktiv.«

»Du brauchst mir Sebastians Vorzüge nicht aufzuzählen, Mama«, begehrte Leonie auf. »Aber vielleicht solltest du dich fragen, warum ein solches Prachtexemplar von Mann mit seinen achtunddreißig Jahren immer noch unverheiratet ist?«

»Weil er die richtige Frau noch nicht gefunden hat, Leonie. Und weil er dich seit Jahren verehrt und darauf wartet, dass du ihn erhörst.«

»Hm ...« Leonie verzichtete auf eine Antwort, lehnte sich zurück und schlug eine Decke über die Knie, obwohl es im Wagen mollig warm war. Sie spürte, dass jedes weitere Wort Verschwendung gewesen wäre. Ihre Eltern waren der Überzeugung, dass sie und Sebastian das perfekte Ehepaar wären. Ihre Mutter ließ sich von dem weltmännischen Auftreten des Grafen blenden und übersah dabei völlig sein rechthaberisches Verhalten. Leonie wusste sehr wohl, warum es keine intelligente Frau längere Zeit an Sebastians Seite aushielt. Er wollte keine gleichberechtigte Partnerin, sondern ein gut aussehendes Püppchen, das er nach seinen Vorstellungen formen konnte. Sebastian Graf von Kitzerow brauchte in erster Linie eine repräsentative Frau, die aber ansonsten den Mund hielt. Leonie wusste, dass sie schön war, ohne besonders eitel zu sein. Aus ihrem ovalen Gesicht mit der makellosen Haut strahlten zwei grüne Augen, umgeben von einem Kranz dichter Wimpern. Die Wangenknochen waren hoch und schmal, die Nase gerade und wohlgeformt. Leonies Lippen standen in der richtigen Proportion zueinander und wenn sie lachte, bildeten sich zwei Grübchen auf den Wangen. Obwohl Leonie keine Anhängerin des Skisports war, bewegte sie sich doch regelmäßig. Sie ging joggen, spielte Tennis, und liebte Fahrradtouren. Das Letztere war jedoch für eine fürstliche Prinzessin recht außergewöhnlich, so dass Leonie leider viel zu selten dazu kam, mit dem Drahtesel durch die Landschaft zu radeln.

Nachdem sie, nach einer kurzen Fahrt durch Österreich, bei Kriessern die Schweizer Grenze passiert hatten, steuerte der Chauffeur einen Landgasthof an. Die Familie war früh aufgebrochen, jetzt ging es bereits auf die Mittagsstunde zu, und auch Leonie verspürte Hunger. Zudem wollte sie sich ein wenig die Beine vertreten. Der Gasthof war klein, aber gepflegt und rustikal eingerichtet Natürlich erregte der Rolls-Royce eine gewisse Aufmerksamkeit der Gäste, aber die von Altenbachs waren es gewohnt, im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses zu stehen. Die dralle Bedienung überschlug sich beinahe vor Freundlichkeit, hoffte sie doch auf ein dickes Trinkgeld der betuchten Gäste.