Florian Horcicka

Das schmutzige Geld
der Diktatoren

www.kremayr-scheriau.at

ISBN 978-3-218-00983-6
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Typografische Gestaltung und Satz: Michael Karner, Gloggnitz
Datenkonvertierung E-Book: Nakadake, Wien

Inhalt

Geheime Geschäfte im Zentrum Europas

Am Schauplatz einer diskreten Parallelgesellschaft

Die weite Welt der dunklen Gelder

Die Gaddafi-Connection

Blutgeld in Wien

Arafat und das Geld

Die Syrer und Tunesier

Die Gelder des Suharto-Clans

Sicherer Hafen Österreich

Die Nordkorea-Geldpipeline nach Wien

Geld-Grüße aus Moskau

Der Oligarch im Gefängnis

Big Business mit dem Osten

Kaukasische Kreise

Die Ukraine und Österreich

Die Millionen aus der Steppe

Weißes Geld für Weißrussland

Fazit

Geheime Geschäfte
im Zentrum Europas

Diktatorengeld in der Europäischen Union, der Schweiz, in Liechtenstein und vor allem in Österreich? Millionenkonten von Despoten in Wien, Vaduz, Zürich? Dubiose Immobilienfinanzierungen mit kaukasischem Schurkengeld in Deutschland? Nicht erst seit den stetig verschärften Sanktionen der Europäischen Union und der Vereinigten Staaten gegen Russland und die Ukraine im Jahresverlauf 2014 richtet sich der Fokus der breiten Öffentlichkeit auf geheime Vermögen von Oligarchen, autoritären Machthabern und deren Gefolge im demokratischen Westeuropa. Seit Jahren tauchen regelmäßig schwere Vorwürfe auf, wonach Österreich, die Schweiz oder Liechtenstein durch ihre Art des Umgangs mit Millionen unbestimmter Herkunft die Finanzierung illegaler Aktivitäten begünstigen sollen. Ging es in den 1970er und 1980er Jahren noch um die mögliche Beihilfe zu blutigen terroristischen Aktivitäten (einige nahöstliche Top-Terroristen wie Abu Nidal oder der syrische Waffenschieber Monzer Al Kassar verfügten über Konten in Wien), so stand in 1990er Jahren die Begünstigung des Transfers von Milliarden aus dem vom Jelzin-Clan und seinen Freunden ausgeplünderten Russland im Zentrum der Vorwürfe. Kaukasische Mafia-Paten nützten Österreichs bisweilen grobmaschigen Umgang mit Geldwäsche-Bestimmungen damals ebenso und tun es in Teilbereichen bis heute. Ihre Werte schleusen sie durch das Land Richtung Spanien und Frankreich, wo sie in Luxusvillen residieren. Im 21. Jahrhundert wurden zwar Gesetze und Kontrollen verschärft – die richtig großen Fische schlüpften aber weiter durch das Netz der Behörden. Der libysche Ex-Diktator Gaddafi soll zuerst in der Schweiz und dann in Österreich Milliarden versteckt haben, ebenso der nordkoreanische Tyrann Kim Jong-il. Reiche Geschäftsleute aus dem Osten besitzen direkt oder über verdeckt agierende Mittelsmänner Hunderte, wenn nicht Tausende wertvolle Immobilien und sind an Firmenkonstruktionen beteiligt, deren Erträge wiederum in die undemokratischen Machtstrukturen ihrer Herkunftsländer fließen. Dort geht die Unterdrückung breiter Bevölkerungsteile dadurch weiter. Strohmänner und diskrete Investitionsvehikel von Herrschern aus dem Kaukasus und den zentralasiatischen Ex-Sowjetrepubliken, wie etwa Kasachstan, runden dieses hässliche Konglomerat ab.

Diktaturen wirken aus dem Blickwinkel eines an Demokratie und Menschenrechte gewöhnten Mitteleuropäers wie Relikte einer grausamen Vergangenheit. Der Kolonialismus ist überwunden und es scheint unvorstellbar, dass demokratische Grundprinzipien an Stellenwert verlieren. Dabei sind autokratische und faschistische Herrschaftssysteme auch in Europa noch nicht allzu lange abgeschafft. Das faschistische Franco-Regime in Spanien, die Militärdiktaturen in Portugal und Griechenland, wirkten auch nach ihrer Überwindung Ende der Siebziger- und zu Beginn der Achtzigerjahre lange nach. Auch dort ging es vorrangig um zwei Dinge: um Macht und vor allem Geld. Und in Österreich und Deutschland wird auch sieben Jahrzehnte nach dem Ende der nationalsozialistischen Schreckensherrschaft noch immer über die Restitution geraubten jüdischen Vermögens gestritten. Zu Recht. Denn eines muss klar sein. Auch den Nazis ging es bei ihrer blutigen Auslöschung von Millionen Juden neben einer verbrecherischen Rassenideologie um die Aneignung von Vermögenswerten. Raubgold, gestohlene Kunstwerke und die Arisierung von Immobilienbesitz verfolgten das Ziel einer großangelegten Vermögensverschiebung. Diese Werte wurden teilweise ins Ausland geschafft: Die Schweiz, aber auch Südamerika waren die Zielländer dieser Verschleierungshandlungen. Die unrühmliche Rolle der Eidgenossenschaft bei diesem Raubzug wurde vor allem in den Neunzigerjahren und zu Beginn des neuen Jahrtausends ausführlich dokumentiert. Die Nazis vertrauten ebenso auf das Schweizer Bankgeheimnis wie es heutige Diktatoren tun. Kein Grund also, die schmutzigen und blutigen Diktatorengelder als ein Phänomen zu betrachten, das mit Europa nichts zu tun hat. Im Gegenteil. Es sind gerade Österreich, Deutschland, die Schweiz und Liechtenstein, die aus einer unseligen Tradition heraus der Hauptanziehungspunkt für Geldwäsche und die begleitenden Tatbestände sind.

Ein Funken Hoffnung bleibt. Der »Diktatorenjäger« Reed Brody von der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch erklärte der Schweizer Zeitung »Blick« im Oktober 2011 dazu: »Die Schweiz hat sich in den letzten Jahren vom sichersten Versteck zum riskantesten Ort für Diktatorengelder gewandelt.« Das liegt laut dieser Expertenmeinung daran, dass die Schweiz sofort Kontakte zu den Nachfolgeregierungen knüpfte, während andere Länder zuwarteten: »Kaum war der tunesische Präsident Zine el-Abidine Ben Ali ins Exil geflohen, entsandte die Schweiz einen Finanzspezialisten nach Tunis. Seither hilft er dort beim Aufbau rechtlicher Strukturen. In Bern liegt bereits ein offizielles Rechtshilfegesuch für die Rückführung der 60 Millionen Franken vor, die auf Schweizer Konten eingefroren sind. Kein anderes Land hat in Tunesien so viel erreicht.« Wie sich zeigt, ist die Rückführung allerdings nicht so einfach. Die NZZ berichtete Ende Dezember 2014: »Die Schweiz kann nicht wie geplant vorzeitig rund 40 Mio. USD an Tunesien zurückerstatten. Das Bundesstrafgericht hat die Beschwerde des Schwagers des gestürzten Präsidenten Zine al-Abidine Ben Ali gegen eine entsprechende Verfügung der Bundesanwaltschaft gutgeheißen.« Schweizer Banken sperrten zudem 45 Millionen Franken aus Syrien. Auch in Ägypten klären Schweizer Rechts- und Finanzexperten die Situation. Noch sind 410 Millionen Franken eingefroren, die der Familie von Ex-Präsident Hosni Mubarak gehörten. Ein von einem ägyptischen Gericht gefällter Freispruch für Mubarak im Zusammenhang mit der blutigen Niederschlagung der Proteste gegen sein Regime hat die Schweiz aber nun in eine schwierige Lage gebracht. Ohne rechtsgültiges Urteil gegen Mubarak wird es schwierig, die angeblich illegal erworbenen Gelder einzubehalten.

Im Kleinen gibt es noch einen Beweis, dass Sanktionen und die strenge Finanzkontrolle von Diktatoren durchaus Wirkung zeigen. So hat Deutschland die Auszahlung von Siegprämien an das Rennpferd des tschetschenischen Machthabers Ramsan Kadyrow verweigert. Immerhin gewann »Zazou« 2014 stattliche Preisgelder im Großen Preis von Düsseldorf und Baden-Baden. Kadyrow gehören rund 100 Pferde in ganz Europa – solche Maßnahmen wie in Deutschland verleiden aber das teure Hobby. Das sich Kadyrow solche Extravaganzen überhaupt leisten kann, grenzt an ein Wunder. Offiziell verdient er nämlich nur 86.000 Euro jährlich – allein der Unterhalt eines Prestige-Gauls kostet aber bis zu 100.000 Euro pro Jahr. Transparency International kritisierte den Tschetschenen-Führer dafür wiederholt. Der hat aber eine simple Erklärung dafür: »Allah gibt!«, ließ er lapidar ausrichten.

Selbstverständlich kann und soll nicht jede Investition von Menschen aus diktatorisch regierten Ländern unter den Generalverdacht der Geldwäsche gestellt werden. Viele dieser meist bitterarmen Menschen, die den Großteil der dort lebenden Bevölkerung ausmachen, sind auf die Geldüberweisungen ihrer geflüchteten oder emigrierten Landsleute angewiesen. Daher gilt es klarzustellen: Nicht jeder tüchtige tadschikische Kaufmann, der in Österreich arbeitet und es vielleicht zu Wohlstand bringt, unterstützt mit seinem nach Hause geschickten Geld das dortige Regime. Selbstverständlich können und sollen Russen, Ukrainer oder Araber in Europa Immobilienbesitz erwerben dürfen. Unsere Grundrechte gelten für alle. Und die Neugier und Überwachungssystematik der europäischen Regierungen ist ohnehin schon an einem Punkt angelangt, der die Freiheit des einzelnen Bürgers arg zu beschneiden droht. Dennoch ist es wichtig, die Vermögensflüsse transparenter zu machen. Denn es gibt kein Grundrecht auf Schwarzgeld. Der Vormarsch des sogenannten Islamischen Staates (IS) zeigt deutlich, dass auch terroristische Organisationen mittlerweile nach kaufmännischen Gesichtspunkten handeln. Ihre Währung ist Angst, doch ihr Einfluss speist sich aus dubiosen Konten. Mag die unmittelbare Finanzierung auch mit dem Geld religiöser Fanatiker aus Saudi-Arabien oder durch den Drogenhandel erfolgen – ohne sichere Gelddepots im Ausland ist kein (Islamischer) Staat zu machen.

Die Osama-Verbindung nach Österreich

Damit ist auch schon der Kernpunkt der Materie erreicht, was am besten mit folgendem Beispiel zu zeigen ist. Denn sogar von Osama bin Laden, dem berüchtigten Drahtzieher der Terroranschläge des 11. September 2001 auf das World Trade Center in New York, soll eine spektakuläre Geldspur nach Österreich führen. Das Wochenmagazin »profil« berichtete wenige Wochen nach der Katastrophe in Manhattan von einem Konto der Erste Bank, dessen Inhaber die in der sudanesischen Hauptstadt Karthum registrierte Privatbank Al Shamal Islamic Bank war. Die damals für Terrorismusbekämpfung zuständige Sondereinheit EDOK ließ das Konto sofort sperren und beschlagnahmte sämtliche auf Mikrofilm gelagerten Datensätze des Kontos. Warum? Die Al Shamal Bank wird laut dem US-Geheimdienst CIA dem Terrorpaten Osama Bin Laden zugerechnet. »profil« schrieb im Oktober 2001: »Die bis heute existente Kontoverbindung legt nahe, dass Bin Ladens Organisation al-Qa’ida doch Gelder nach oder zumindest über Österreich transferiert haben dürfte.« Eine Erste-Sprecherin damals: »Wir können nur bestätigen, dass es eine Geschäftsbeziehung zur Al Shamal Bank gab. Über das Konto wurden Handelsfinanzierungen zwischen Österreich und dem Sudan abgewickelt.« Das Ausmaß und die Natur dieser »Handelsfinanzierungen« wollte in der Erste Bank niemand kennen. Gleichzeitig konnte aber nicht mehr ausgeschlossen werden, dass darüber hinaus weitere, bis dahin unentdeckte Verbindungen in der Vergangenheit bestanden hatten oder auch zum damaligen Zeitpunkt aufrecht waren. Die Österreichische Nationalbank bildete Ende 2001 mit der EDOK und dem Finanzministerium eine Task Force zur Aufklärung. Herausgekommen ist wenig – vor allem kein Geld. Der Kontostand betrug nämlich bei Entdeckung des Kontos schlichtweg Null. Im Nachhinein wollte die EDOK laut »profil« bereits im Verlauf des Oktobers 2001 zudem keine ausreichenden Verdachtsmomente gefunden haben. So ist es meistens. Wenn die Behörden reagieren, ist das Geld entweder weg oder strahlend weiß gewaschen. Die Terroristen und Kleptokraten verstehen eben, mit Geld umzugehen.

Geldflüsse und ihre schleppende Aufarbeitung

Dieses Buch will versuchen, das System der geheimen Gelddepots zu durchleuchten, und die Mechanismen und Strukturen aufzeigen, warum gerade manche westeuropäische Demokratien für den diskreten Vermögenstransfer umstrittener Machthaber so attraktiv waren und sind. Strenges Bankgeheimnis, Privatstiftungsrecht, diskrete Steuerberater und Rechtsanwälte sowie die bisweilen (un-)heimlich wohlwollende Unterstützung der Politik begünstigen die klandestinen Machenschaften. Geldwäsche, die ermöglichte Verletzung von Menschenrechten in den Herkunftsländern, Steuerhinterziehung in großem Stil und sogar einige Morde sind die tragische Folge.

Auf dem Spiel steht vor allem die Glaubwürdigkeit Österreichs und seiner Nachbarländer in der internationalen Staatengemeinschaft im Hinblick auf Achtung von Humanität, Bekämpfung des Terrorismus und Wahrung der Rechtsstaatlichkeit. Dieses Buch beschäftigt sich vorrangig mit den Geldflüssen und heimlichen Verbindungen in Österreich. Das hängt mit dem geografischen Lebensmittelpunkt des Autors, aber auch mit der Bedeutung Wiens als UNO-Stadt mit seinen vielen internationalen Organisationen zusammen – doch lassen sich die beschriebenen Systeme der Vermögensverschleierung und Geldwäsche auf die Schweiz ebenso umlegen, was mit der Heiligen Kuh der Anonymität von Konten, Bankgeheimnis und sprichwörtlicher Diskretion zu tun hat. Hinzu kommen Verbindungen zu so genannten Anstalten und Stiftungen in Liechtenstein, die bis heute völlig intransparent sind. Die wahren Eigentümer Hunderter solcher Vehikel lassen sich kaum ausforschen. Dass das genau so gewollt ist, steht außer Frage. Wie sonst könnte ein so kleines Land ohne nennenswerte Industrie oder Landwirtschaft so reich sein – außer durch Zehntausende anonyme Briefkastenfirmen und die begleitende Finanz- und Beratungsmaschinerie. Und was Deutschland betrifft, so fallen zahlreiche Immobilien russischer Oligarchen vorrangig in Düsseldorf und Umgebung auf. Ebenso die umfangreichen Aktivitäten des Gazprom-Imperiums, das gezielt die Nähe zur Politik und zum Sport, Stichwort Schalke 04, sucht. Auch arabisches Geld hat sich in Deutschland lange geradezu heimisch gefühlt. Wie in Erfahrung zu bringen ist, haben auch einige alte Stasi-Mitarbeiter hier ihr Know-how versilbert und in anderen Fällen ihre guten Kontakte zu früheren UdSSR-Behörden genutzt.

Die politische Aufarbeitung dieser Vorgänge lässt noch immer stark zu wünschen übrig. Punktuell tauchen in Österreich zwar einige Vorfälle, etwa rund um den mordverdächtigen (es gilt die Unschuldsvermutung) Ex-Botschafter von Kasachstan, Rakhat Aliyev, bei parlamentarischen Untersuchungsausschüssen oder in Anfragen von Oppositionsparteien, meist den Grünen, auf, doch Konsequenzen sind Mangelware. Darunter fällt auch die umstrittene Vergabe von österreichischen Reisepässen und Staatsbürgerschaften an reiche Geschäftsleute aus dem Osten, deren Identitäten akribisch geheimgehalten werden – Stichwort Amtsgeheimnis. Und noch eines ist wichtig: Für ausländische Einzelpersonen ist es in der Fremde üblicherweise nicht ganz so leicht, ihr Vermögen zu halten. Zu viele Mitwisser wollen ihren Anteil, und die Errichtung geeigneter Strukturen zur Vermögensverwaltung ist teuer und aufwendig. Es gibt zahlreiche Beispiele reicher Geschäftsleute oder windiger Hasardeure, die in Südamerika ihr Glück versuchen wollten und nach wenigen Jahren mit leeren Taschen dastanden. Schweigen kostet eben. Die Gelder aus dem Umfeld von Diktatoren werden allerdings meist von bereits etablierten Strukturen verwaltet – und für eben jene Strukturen und Kader bringt Österreich den Standortvorteil der Neutralität, des Bankgeheimnisses und der politischen Opportunitäts-Mentalität mit sich. Tarnen lässt sich dies wie gesagt mit der Funktion Wiens als Standort zahlreicher Einrichtungen der Vereinten Nationen, als Ausrichtungsort internationaler Konferenzen wie der OSZE, und als Headquarter vieler Unternehmen für den osteuropäischen Raum.

In der Vorbereitung des Buches wurden häufig Bedenken geäußert, dass die Durchleuchtung der Vermögensverschiebungen von Diktatoren, Oligarchen und autokratischen Regimen mit einem nicht unbeträchtlichen Sicherheitsrisiko verbunden wäre. Schließlich leben auch Dutzende Mittelsmänner, Schattenfinanziers und Strohmänner von diesem einträglichen Business. Und es geht um Geld, das etwa mit Waffenhandel und blutiger Ausbeutung erwirtschaftet wurde. Manche der heute reichen Männer aus diktatorisch geprägten Ländern kamen durch Gewalt, schiere Erpressung und sogar Mord zu ihren Vermögenswerten. Und sie wären bereit, diese notfalls auch mit Gewalt zu verteidigen. Ganz grundlos waren diese Warnungen nicht – von zwei ausführlich beschriebenen Personenkreisen kam tatsächlich zunächst ein finanzielles Angebot, um das Buch nicht erscheinen zu lassen oder zumindest die jeweiligen Rollen nicht oder freundlicher zu beleuchten. Diese Angebote waren naturgemäß von keinem Erfolg gekrönt. In weiterer Folge wurde mittels, freundlich formuliert, eindringlicher Überzeugungsarbeit Druck ausgeübt – ebenfalls ohne Erfolg. Auch rechtliche Schritte wurden angekündigt – allerdings bis zum Erscheinen des Buches nicht umgesetzt. Es wurden sogar Informanten bedroht. Einer der wichtigsten Stichwortgeber aus dem arabischen Raum fürchtete zwischenzeitlich gar um sein Leben und mahnte eindringlich die Zusicherung der Anonymität ein. Dem wird selbstverständlich Folge geleistet. Im Allgemeinen ist es nicht besonders einfach, Zugang zu Details über die wahren Ausmaße von Geschäften im Diktatoren-Umfeld zu erlangen. Auch der Zugang zu Oligarchen ist mühsam und vor allem eine Geduldsfrage. Dennoch ist es dem Autor gelungen, mit einzelnen Vertretern persönlich Kontakt zu haben. Dazu zählen etwa persönliche Interviews mit Dmytro Firtash, Dmitry Mints, Sergej Kluyev, aber auch Telefongespräche mit dem Libyer Mustafa Zarti und einigen anderen mehr. Üblicherweise werden diese Herrschaften streng abgeschirmt und fürchten stets um die persönliche Sicherheit. Allerdings haben sie meist enge persönliche Berater aus dem britischen Raum, die als Top-Manager in ihren Konzernen angestellt sind und nach langen Vorgesprächen durchaus zu Auskünften bereit sind. Hinzu kommen Gespräche mit Spitzenpolitikern wie dem früheren ukrainischen Außenminister Leonid Koshara, einigen Abgeordneten der Werchowna Rada (ukrainisches Parlament) und renommierten Journalisten in den beschriebenen Ländern. Informationen von österreichischen Behörden, Politikern, Rechtsanwälten, internationalen Geheimdienst-Experten, Wirtschaftsbossen, Bankern, Menschenrechtsaktivisten und Diplomaten runden die fundierte Recherchelage ab.

Dazu sei angemerkt, dass sich sämtliche beschriebenen Tatsachenbehauptungen mittels Dokumenten, Verträgen, teils geheimen Behördenprotokollen, Einvernahmeprotokollen, parlamentarischen Unterlagen oder hieb- und stichfesten Quellen, sowie hundert Prozent verlässlichen Zeugen belegen lassen. Das Buch erhebt allerdings bei weitem keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Alleine aus den vorhandenen Unterlagen ließen sich noch mehrere Kapitel hinzufügen, die allerdings aus persönlichen Schutzüberlegungen vorläufig hintangestellt wurden und den Umfang bei Weitem sprengen würden.

Dass solche druckvollen Maßnahmen mancher Personenkreise nicht aus der Luft gegriffen sind, beschreibt wohl die Geschichte des Schweizer Untersuchungsrichters Laurent Kasper-Ansermet am deutlichsten. Er hatte eine jahrelange Untersuchung über einen der größten Geldwäsche-Skandale Russlands geleitet, die im Umfeld des Oligarchen Roman Abramowitsch stattfand: 1998 hat der Internationale Währungsfonds (IWF) Russland 4,8 Milliarden Dollar geliehen. Aber die Summe war laut dem zuständigen russischen Finanzamt »in jenem Moment verschwunden, in dem sie überwiesen wurde«. Die mit Ermittlungen befassten Schweizer Behörden gingen davon aus, dass Russland seit 1995 ein Konglomerat aus inländischen und ausländischen Banken errichtet hatte, über das Gelder aus dem Land transferiert werden konnten. Mit Duldung der Mächtigen im Kreml. Die englische »Times« berichtete, dass Runicom, die Handelsorganisation des Abramowitsch-Unternehmens Sibneft (heute Gazpromneft), ein zentraler Puzzlestein in diesem Netzwerk war. Mangels Kooperation der russischen, aber auch der amerikanischen Behörden konnte der Milliarden-Skandal nie vollständig aufgeklärt werden. Richter Kasper-Ansermet aber, der damals zur persönlichen Investigation nach St. Petersburg reiste, wurde dort brutal niedergeschlagen und bewusstlos zurückgelassen. Ein wirksames Mahnmal gegen überbordende Neugierde.

Am Schauplatz einer
diskreten Parallelgesellschaft

Um die Geschäfte mit blutigem Diktatorengeld besser und richtig zu verstehen, muss man tief in eine Art Parallelgesellschaft eintauchen, die den meisten Bürgern völlig fremd ist. Zum Beispiel an Orte, an denen der Autor regelmäßig die Gelegenheit hatte, Informationen zu sammeln und einen Blick hinter die Kulissen der Millionen-Jongleure zu werfen. Schauplatz ist etwa ein gehobener »Italiener« in der Wiener Innenstadt. Im Restaurantbereich führen saturierte Geschäftsleute ihre Ehefrauen oder Geliebten zu Lachstartar und Branzino aus. Im Barbereich lehnen andere Geschäftsmänner scheinbar unbeteiligt herum. Sie tragen gut sitzende Anzüge, edle Manschettenknöpfe am blütenweißen Hemd, teure Uhren bekannter Schweizer Fabrikation, haben stets ein goldenes Dunhill-Feuerzeug für ihre Marlboro-Zigaretten in der Tasche und unter so manchem Sakko wölbt sich eine charakteristische Ausbuchtung. Man vertraut auf Pistolen der Marken Glock, Beretta, Walther PPK oder Makarow. Wenig Vertrauen hat man in die Abhörsicherheit von Mobiltelefonen, daher sind Wertkartenhandys beliebt. Das ist auch so eine österreichische Spezialität. In Österreich werden mehr solche anonyme Mobiltelefone angemeldet als sonstwo in Europa. Der Journalist Emil Bobi zitiert in seinem Buch »Die Schattenstadt« den früheren BVT-(Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung, eine Elite-Einheit des Innenministeriums)-Chef Gert-René Polli: »Es ist mir in meiner Amtszeit nicht gelungen, das abzustellen. Es ist offenbar ein gewaltiges Geschäft. Nach der Zahl der verkauften Wertkarten müsste jeder Österreicher zwei Wertkartenhandys besitzen.« Wichtige Sachen werden aber ohnedies von Angesicht zu Angesicht besprochen. Trotz des fortgeschrittenen Abends wird auffällig wenig Alkohol getrunken. Motto: Ginger Ale statt Wodka – sogar die involvierten Russen haben heutzutage lieber einen klaren Kopf. Neue Gäste werden beiläufig mit einem unscheinbaren Kopfnicken begrüßt. Man kennt sich. Das Publikum ist bunt gemischt. Albaner, Franzosen, Männer aus früheren Sowjet-Republiken, Businessleute aus dem Nahen Osten, ein alter Kader des früheren polnischen Geheimdienstes Sluzba Bezpieczenstwa (SB), ein vorgeblicher Agent der Central Intelligence Agency (CIA), dazwischen einige Österreicher. Man beobachtet einander. Wer spricht mit wem? In der Ecke sind zwei Herren tief über Dokumente gebeugt. Zum Telefonieren geht man nach draußen. Noch etwas: Das Service-Personal ist anscheinend im Bilde über die Vorgänge im Lokal. Doch es verzieht keine Miene und punktet mit höchster Diskretion.

Noch ein kleines, aber sehr bemerkenswertes Detail: So mancher der anwesenden Herren lässt in seine Gespräche gern hervorragende Kontakte ins österreichische Verteidigungsministerium oder zu hochrangigen Polizeibeamten einfließen. Nicht ohne Grund. Erstens wertet dies die eigene Position gehörig auf, zweitens gibt es diese Kontakte wirklich. Fraglich ist nur, wem sie nützen. Österreich, weil dadurch bessere Einblicke in undurchsichtige Geschäftspraktiken möglich sind? Oder der anderen Seite, weil sie über Ermittlungen besser informiert ist und schwer zugängliche interne Informationen erhält? Meist ist es ein Geben und Nehmen – welche Seite gerade im Vorteil ist, bleibt offen. Einen Vorteil haben die anderen aber – Geld, viel Geld. So viel Geld, wie der österreichische Staat weder seinen Beamten zahlt noch als Budget für verdeckte Aktionen zur Verfügung stellt.

Noch etwas fällt auf. Diese Parallelgesellschaft besteht nahezu ausschließlich aus Männern. Das mag auch daran liegen, dass Diktatoren nahezu ausschließlich Männer sind. Diktatorische Systeme und Länder ohne demokratische Tradition sind patriarchalisch dominiert und die Eliten rekrutieren sich daher vorrangig aus der Armee oder dem Großgrundbesitztum. Frauen spielen nur als Diktatorenwitwen eine Rolle – die berühmteste ist wohl Imelda Marcos, die mit ihrer vieltausendfachen Schuhsammlung zu zweifelhaftem Weltruhm gelangte. Zurück in die Parallelgesellschaft. Frauen werden dort meist misstrauisch beäugt und sofort als Lockvögel einer gegnerischen Partei klassifiziert. Fürs sinnliche Vergnügen wählt man in Wien lieber ein bekanntes Nobelbordell in der Innenstadt, das augenzwinkernd als Stadtheuriger bezeichnet wird.

Noch etwas verbindet die Männer: Die meisten haben eine militärische Vergangenheit und sind daher an Hierarchien gewöhnt. Jeder kennt seine Rolle genau – wer die Spielregeln missachtet, fliegt über kurz oder lang aus dem Netzwerk. Hinzu kommt ein meist technischer Background der Männer. Ingenieure, Maschinenbauer, Absolventen technischer oder naturwissenschaftlicher Schulen und Universitäten sind in der Mehrheit. Gerade die Geschäftsleute aus dem Osten sind hervorragend ausgebildet – einer der wenigen Pluspunkte des einstigen Sowjet-Regimes. Klar: Analytisches Denken hilft, den Überblick über Freund und Feind zu wahren. Und auch über die Lügengeschichten. Oft geht es bei den Geschäften um Technologietransfer im weitesten Sinne: um Erdöl, Pipelines, Infrastrukturbauten oder um Waffen. Letzteres Business bietet überhaupt die größten Gewinnspannen – vor allem wenn es um Lieferungen in Länder geht, die auf internationalen schwarzen Listen stehen.

Ähnliche Szenen spielen sich Tag für Tag, oder besser Abend für Abend, in den Bars und Lobbys der großen Nobelhotels entlang der Ringstraße ab. Der Autor hatte mehrfach die Gelegenheit, solchen Treffen und Gesprächen beizuwohnen und in zumindest einen Teil der Geheimnisse, Aufträge und Missionen dieser Geschäftsleute eingeweiht zu werden – was erst nach jahrelangem Vertrauensaufbau gelingen kann. Es sind gut gekleidete Vertreter von arabischen Erdölkonzernen, Repräsentanten von Botschaften, selbsternannte oder echte Geheimdienstler und Abgesandte diktatorischer Regierungen. Namen spielen keine Rolle – sie sind ohnedies nicht echt.

Worum geht es bei diesem bizarren Ritual? Es werden Investitionsmöglichkeiten ausgeleuchtet. Investitionsmöglichkeiten für Geld. Viel Geld. Gehandelt wird auch mit Informationen. Welcher Rechtsanwalt arbeitet für wen? Welcher Steuerberater ist in diesen oder jenen Deal verwickelt? Kann man auf politische Unterstützung in Österreich hoffen? Wenn ja, mit welchen Repräsentanten welcher Partei muss man Kontakt aufnehmen? Gibt es Parteifreunde mit finanziellen Engpässen? Welches Unternehmen ist bei Aufträgen gerade nicht besonders wählerisch? Schaut am Ende ein lukrativer Job für Freunde oder Familie heraus? Der letzte Punkt ist besonders wichtig – denn neben kurzfristigem Reibach geht es vor allem um die langfristige Absicherung des eigenen Umfelds. Gerade bei autokratischen Regimen kann man nämlich schnell in Ungnade fallen. Da gilt es, rechtzeitig vorzusorgen.

Der österreichische Verfassungsschutz ist über diese Vorgänge bestens informiert. Ob er dafür wirklich zuständig ist und ob Abwehrmaßnahmen getroffen werden, bleibt jedoch im Dunkeln. Österreich hat nämlich auch bei nicht ganz sauberen Geschäften einen Ruf zu verlieren. Den Ruf als sicherer Hafen für Geld. Neben der Schweiz und Liechtenstein genießt Österreich für seine finanzielle Diskretion nämlich Weltruhm. Nirgendwo anders lässt sich Vermögen einfacher investieren, tarnen und dann wieder außer Landes schaffen als in Wien oder Salzburg. Und es bleibt hierzulande genug hängen, um die Maschinerie aus Banken, Rechtsanwälten, Beratern, Steuerexperten und Polit-Günstlingen am Leben zu erhalten. Natürlich sind in dieser Szene auch viele Glücksritter unterwegs, die einzig und allein die Aussicht auf schnelles Geld lockt. Luftgeschäfte, der Handel mit durch Zufall erlangten kleinen Informationshappen und schlichte Erpressung sind in diesem Milieu keine Seltenheit. Allzu großspurige Versprechungen kommen allerdings nicht gut an – ihre Ausführer werden bald ausgesiebt. Diktatorische Regime und ihre Geheimdienst-Mitarbeiter haben nämlich ein untrügliches Gespür für windige Geschäftemacher. Auch in Österreich gibt es gescheiterte Existenzen im Diktatoren-Business. Der Rest lebt allerdings gut bis sehr gut.

Die diskreten Privatjets