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Deutsche Erstausgabe (ePub) Februar 2018

 

Für die Originalausgabe:

© 2016 by KC Burn

Titel der amerikanischen Originalausgabe:

»Tartan Candy«

 

Originalverlag:

Published by Arrangement with Dreamspinner Press LLC, 5032 Capital Circle SW, Ste 2, PMB# 279, Tallahassee, FL 32305-7886 USA

 

Für die deutschsprachige Ausgabe:

© 2018 by Cursed Verlag

Inh. Julia Schwenk

Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das der Übersetzung,

des öffentlichen Vortrags, sowie der Übertragung

durch Rundfunk und Fernsehen, auch einzelner Teile,

Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit

Genehmigung des Verlages.

 

 

Bildrechte Umschlagillustration

vermittelt durch Shutterstock LLC; iStock

Satz & Layout: Cursed Verlag

Covergestaltung: Hannelore Nistor

 

ISBN-13: 978-3-95823-680-6

 

Besuchen Sie uns im Internet:

www.cursed-verlag.de


 

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Aus dem Englischen von Vanessa Tockner


 

Liebe Leserin, lieber Leser,

 

vielen Dank, dass Sie dieses eBook gekauft haben! Damit unterstützen Sie vor allem die Autorin des Buches und zeigen Ihre Wertschätzung gegenüber ihrer Arbeit. Außerdem schaffen Sie dadurch die Grundlage für viele weitere Romane der Autorin und aus unserem Verlag, mit denen wir Sie auch in Zukunft erfreuen möchten.

 

Vielen Dank!

Ihr Cursed-Team

 

 

 

 

Klappentext:

 

Raven ist erfolgreicher Pornodarsteller, bis ein Unfall ihm Job, Libido und Selbstvertrauen raubt. Auch wenn ihm klar war, dass seine Zeit im Business begrenzt sein würde, hat er nicht so plötzlich mit einem Ende gerechnet. Auf einem Klassentreffen spielt eine kaputte Klimaanlage in Ravens Hotelzimmer plötzlich Schicksal: Handwerker Caleb erweckt nicht nur Ravens totgeglaubte Lust wieder, sondern auch den Wunsch nach mehr. Es gibt nur ein Problem: Caleb ist nicht geoutet, weder beruflich noch privat. Doch manchmal gibt es Liebe auf den ersten Blick wirklich und die interessiert sich nicht für Hindernisse...


 

 

 

 

 

 

 

Für diejenigen, die bedingungslos lieben.

 


 

Danksagung

 

 

Vor mehreren Jahren besuchte ich die nationale Konferenz der Romance Writers of America in Orlando. Nur wenige Männer kommen auf diese Konferenz, so wenige, dass wir normalerweise die Männertoiletten in der Nähe der Konferenzräume übernehmen. In diesem Jahr schienen jedoch die meisten der (wenigen) anwesenden Männer Kilts zu tragen. Damals kannte ich Damon Suede noch nicht, aber ich bin ziemlich sicher, dass er nicht unter ihnen war. Meine Freundin Chudney und ich führten ein kleines Gespräch über diese Kilts und daraus ist diese Idee entstanden. Chudney, hier ist es! Hat eine Weile gedauert!

Abgesehen von dem Dank an mein übliches Team dafür, dass sie für mich da sind und jederzeit lektorieren – Alex, Dottie und Chudney –, muss ich auch Dolorianne danken, weil sie mir beim Brainstorming geholfen hat. Danke an meinen Buchclub, Z.A. Maxfield und Tara Lain, weil sie mir zugehört haben, als ich über dieses Buch gejammert habe, und an mein tolles Straßenteam, das einspringt, wenn ich irgendwelche Fragen für sie habe!

Besonderer Dank geht außerdem an JP Barnaby, der mir auf meine Fragen hin einige zusätzliche Informationen über Pornostars gegeben hat. Wenn ich irgendetwas vermasselt habe, ist es allein meine Schuld!

 

 


 

Kapitel 1

 

 

»Ooh, ich liebe Männer im Kilt.«

Raven lächelte den Neuankömmling an und tat so, als hätte er diesen Satz nicht schon eine Million Mal gehört, seit er den Ballsaal betreten hatte. Normalerweise störte es ihn nicht, im Zentrum der Aufmerksamkeit zu stehen, aber heute Abend kribbelte das überwältigende Interesse auf seiner Haut wie ein Schwarm Feuerameisen.

Kein Zweifel, er sah heiß aus. Sein leuchtend roter Kilt mit Plaid passte perfekt zu den breiten roten Strähnen in seinen schwarzen Haaren. Das war einer der Gründe, warum er den Kilt überhaupt vor ein paar Jahren gekauft hatte. Er hatte etwa ein Dutzend verschiedener Kilts, die zu verschiedenen Haarfarben passten, aber er mochte den klassischen roten Royal Stewart. Unglücklicherweise reichte die sexy Verpackung nicht aus, um ihn vergessen zu lassen, dass er sich nie wieder vor jemandem ausziehen würde.

Jeremy, Ravens angebliches Date, trat näher an ihn heran. Nah genug, dass Raven sich von seiner nahezu tödlichen Wolke Bodyspray bedroht fühlte.

»Jeremy, bist du das?« Der Neuankömmling war nicht der erste, der über Jeremys Veränderung seit der Highschool erstaunt war. Wie bei jedem Klassentreffen, das Raven im Fernsehen und in Filmen gesehen hatte, gab es am Eingang zum Ballsaal eine riesige Tafel mit allen Jahrbuchfotos. Als Jeremy sie angemeldet hatte, hatte Raven die Gelegenheit genutzt, um Jeremys Foto zu betrachten. Der Kerl hatte eine Menge guter Schönheitsoperationen hinter sich. Es war beinahe klischeehaft: Der nerdige Außenseiter, der es zu etwas gebracht hatte, kehrte in sein altes Revier zurück, um mit seinem neuen Reichtum und künstlich verbessertem Aussehen zu prahlen. Leider hatte Jeremy die Vergangenheit nicht hinter sich gelassen und benahm sich nahezu unerträglich.

»Rebecca? Es ist so schön, dich wiederzusehen.«

Seltsamerweise wirkte Rebecca ehrlich erfreut, Jeremy zu sehen, und brachte das erste glückliche Lächeln hervor, das Raven auf Jeremys Gesicht sah. Wenn er nicht gewusst hätte, dass Jeremy durch und durch schwul war, hätte er Rebecca für eine Ex-Freundin oder einen alten Schwarm gehalten.

Rebecca umarmte Jeremy. »Ich höre, du hast es weit gebracht. Du siehst fantastisch aus.«

Als Jeremy einen Arm um Ravens Taille legte, musste dieser sich bemühen, nicht das Gesicht zu verziehen.

»Das ist Raven.«

»Nett, dich kennenzulernen, Raven.« Rebecca wirkte nett, war ungefähr in dem Alter, in dem seine Mutter gewesen wäre, und hatte eine – vielleicht zu große – Vorliebe für pinken Glitzerstaub. Vielleicht war das nur natürlich, da ihr Namensschild sie als Anführerin der Cheerleader auswies. Raven verstand nicht, wie sie überhaupt bemerkt hatte, dass Jeremy existierte.

»Raven ist mein Date. Er ist hinreißend, oder?«

Raven knickte unter dem Druck beinahe ein, aber er schaffte es, ein freundliches Lächeln auf dem Gesicht zu behalten, während Rebecca plauderte, obwohl Jeremy ihn wie ein Stück Fleisch behandelte. Es war nicht das erste Mal, dass ein Kerl das tat, und würde auch nicht das letzte Mal sein, aber Raven hätte die Fehlbezeichnung Date gerne ausgebessert. Jeremy hatte sich Ravens Gesellschaft am Wochenende seines Highschool-Klassentreffens – ohne jeglichen Sex – für eine gewichtige Summe erkauft. Raven bot normalerweise keine Partner-Erlebnisse an. Selbst wenn er geplant hätte, jemals wieder Sex zu haben, hätte ihn alles Geld der Welt nicht dazu bringen können, mit Jeremy zu schlafen.

Jeremys großer Plan war auf eine unerwartete Art nach hinten losgegangen: Er hatte gedacht, dass die Leute beeindruckt wären, wenn er mit einem attraktiven jüngeren Mann auftauchte. Er hatte nicht erwartet, dass Raven mehr positive Aufmerksamkeit auf sich ziehen würde als sein verändertes Aussehen. Folglich behandelte er Raven, als wäre dieser ein teurer Gegenstand in seinem Besitz.

Raven löste sich aus Jeremys Umklammerung und stürzte den letzten Rest Bier in seiner Flasche hinunter.

Rebecca lächelte sie beide fröhlich an – oder vielleicht betrunken, es war noch zu früh, um das zu sagen. »Das ist er allerdings. Ich bin froh, dass du jemand Wunderbaren gefunden hast, Jeremy.«

Raven schaffte es hustend, das Bier herunterzuschlucken, ohne zu ersticken oder irgendjemanden in Verlegenheit zu bringen.

»Geht es dir gut, mein Lieber?« Rebeccas Lächeln wurde von Sorge ersetzt.

»Sehr gut, danke. Hab mich nur verschluckt.«

Jeremy schnaubte und Raven konnte sich gerade noch davon abhalten, ihm eine zu verpassen. Jeremys Gedanken gingen unter die Gürtellinie – schon wieder.

Rebecca klopfte ihm auf den Rücken und wandte sich wieder an Jeremy. »Wir sitzen beim Abendessen am selben Tisch.«

»Geh voran, Rebecca. Ich verhungere gleich, aber wenn dieser Ort so ist wie die meisten Konferenzhotels, werden wir nach unserem zähen Huhn immer noch am Verhungern sein.«

Raven verzog das Gesicht, aber Rebecca kicherte nur.

»Hey, Baby.« Rebecca küsste einen stattlichen Mann auf die Schläfe, der bereits an einem der runden Tische mit zehn Plätzen saß.

»Ich hab dir ein Glas Chardonnay geholt.« Der große, bullige Kerl war ziemlich heiß, selbst mit der deutlichen Stirnglatze. Raven sah auf sein Namensschild. Noch ein Realität gewordenes Klischee: Bret war der Quarterback der Mannschaft gewesen. Wäre Ravens eigenes Klassentreffen ebenso vorhersehbar? Nicht, dass er je daran denken würde hinzugehen – außer in seinen Albträumen.

»Bret, Schatz, du erinnerst dich an Jeremy, oder?«

»Nein«, brummte Bret und Jeremy sah aus, als hätte er eine Fliege verschluckt. Sich das ganze Wochenende lang mit Jeremys verletztem Ego herumzuschlagen und ihn irgendwie zu beruhigen, ohne ihn zu weiteren Vorstößen zu ermutigen, würde ihm das Gefühl geben, dass sein Date nie endete. Raven war noch nicht so weit, dass er die Stunden zählte, aber auch nicht mehr weit davon entfernt.

»Einen zu viel auf den Kopf bekommen, was, Bret? Ich schätze, es stimmt, was über wiederholte Gehirnerschütterung gesagt wird.« Jeremys Tonfall war fröhlich, aber Brets Gesicht lief tiefrot an.

Rebecca tätschelte den Arm ihres Mannes. »Er war es, der mir Nachhilfe im Integralrechnen gegeben hat.«

Oh. Jetzt machte ihre Bekanntschaft mit ihm Sinn.

»Ach ja. Er.« Mit diesen drei Worten ließ Bret Jeremy augenblicklich fallen, als Bedrohung und als Person. Wenn alle Jeremy damals so behandelt hatten, dann brachte Raven vielleicht einen Funken Mitgefühl auf. Einen winzigen Funken Mitgefühl. Die Highschool konnte schon eine schlimme Zeit sein.

Sie wurden vor weiteren Gesprächen gerettet, als die restlichen Gäste an ihrem Tisch sich setzten und vorstellten. Ein weiterer Footballspieler und seine Frau, ein ehemaliges Mitglied des Theaterclubs mit ihrem Mann und ein Paar, das jetzt an derselben Schule unterrichtete, an der sie ihren Abschluss gemacht hatten, nahmen die letzten der zehn Plätze ein. Die meisten waren wie Jeremy nach dem Abschluss aus Orlando weggezogen und hatten einander seitdem nicht mehr gesehen. Das Abendessen begann und währenddessen gab es einige Preise, Ankündigungen und Erinnerungsvideos, daher kamen erst richtige Gespräche auf, als der Hauptgang abgeräumt war und alle auf das Dessert warteten.

Rebeccas Wangen hatten sich nach drei Gläsern Wein rosa verfärbt und sie lächelte ihn verschwommen an. »Raven, womit verdienst du deinen Lebensunterhalt?«

»Er ist gerade in Ausbildung«, warf Jeremy ein, bevor Raven antworten konnte. Er hätte Schlimmeres sagen können, aber bei ihm hörte es sich so an, als wäre Raven noch in der Highschool.

»Äh, ja. Ich bin fast fertig mit meinem Studium in Betriebswirtschaft.« Noch ein Semester im Herbst und dann hatte er es hinter sich.

»Und wie habt ihr euch kennengelernt?«

Mit einem anzüglichen Grinsen legte Jeremy einen Arm um Ravens Schultern. »Raven hier mag es, wenn man sich um ihn kümmert. Und dafür bin ich genau der Richtige.«

Entsetzt spürte Raven, wie ihm die Kinnlade herabfiel und Hitze in seine Wangen schoss, als sich peinliches Schweigen über den Tisch senkte. Nach dieser Aussage musste jeder am Tisch denken, dass Raven entweder geldgierig war oder einen grässlichen Männergeschmack hatte. Oder beides. Es sollte ihm egal sein, was diese Leute dachten, und er erzählte anderen selten, womit er sein Geld verdiente, aber er war stolz darauf, was er aus eigener Kraft erreicht hatte.

Raven lächelte die anderen Gäste schwach an und stand von seinem Platz auf. »Ich gehe eine rauchen.«

Amanda vom Theaterclub erhob die Stimme. »Ich liebe deinen Kilt. Stammt deine Familie aus Schottland?«

»Nein. Aber er bietet wirklich guten Zugang«, antwortete Jeremy für ihn und schob die Hand unter Ravens Kilt, um ihm an den Hintern zu greifen.

Raven unterdrückte gerade noch einen überraschten Aufschrei und starrte auf Jeremy hinab.

»Was?« Jeremy weitete die Augen vor übertriebener Überraschung. »Ich musste doch testen, ob du deinen Kilt richtig trägst.«

Raven sah sich um. Von wegen peinliches Schweigen, Jeremy hatte gerade so gut wie alle am Tisch in Verlegenheit gebracht. Amanda sah genauso beschämt aus, wie Raven sich fühlte.

»Lass dir nicht zu viel Zeit, sonst verpasst du noch das Dessert«, kicherte Rebecca, die zu betrunken war, um die Spannung in der Luft zu bemerken.

»Ach, das Dessert zu überspringen wird ihm helfen, sein Gewicht zu halten.«

Amanda keuchte bei Jeremys grausamen Worten und Raven blähte die Nasenlöcher, als er darüber nachdachte, ob es das wert war, Jeremy eine zu verpassen. Dieser wirkte völlig ahnungslos.

Als sein Kiefer weniger angespannt war, sprach er wieder. »Du kannst gerne meine Portion essen. Ich bin gleich zurück.«

Er machte einen Umweg zur Bar, um sich noch ein Bier zu holen, bevor er den Saal verließ. Er war nicht der einzige, der Nachschub brauchte, und verdammt, es gab eine Schlange.

Raven hätte diesem dummen Job nie zustimmen sollen, aber es war gutes Geld. Trotz der vielen Frauen, die seine Brust berühren oder ihn einfach nur mit Blicken verschlingen wollten, wäre es erträglich gewesen, wenn Jeremy nicht so aufgeblasen, selbstherrlich und passiv-aggressiv gewesen wäre.

Die ständigen Berührungen waren etwas zu viel – überwältigend auf eine Art, wie sie es vor einem Jahr nicht gewesen wären.

Damals hatte es viele Berührungen gegeben – von allen, nicht nur von Jeremy. Für einen Ex-Pornostar sollten zwanglose Berührungen kein derartiges Problem sein, aber es war über ein Jahr her, seitdem Raven zuletzt in einem Film mitgespielt hatte. Über ein Jahr seit seinem letzten Sex. Abgesehen von Ärzten, Krankenschwestern und Physiotherapeuten war er in all der Zeit nach seinem Unfall von niemandem berührt worden.

Er hatte keine Familie, keinen Partner, nur seine Freunde aus dem Studio, aber Raven hatte sich nach dem Unfall von allen zurückgezogen und sah sie nur noch selten. Sein exotisches Aussehen hatte ihm auf dem Klassentreffen eine Menge zwangloser Berührungen von anderen eingetragen, was auch Jeremy nicht gerade begeistert hatte. Wahrscheinlich war das der Grund, warum er Raven jedes Mal als sein Eigentum markierte, sobald jemand auch nur das geringste Interesse zeigte.

Außerdem hatte Jeremy an diesem Abend bisher etwa ein Dutzend Unterwäschechecks durchgeführt. Mistkerl. Raven ballte die Hände zu Fäusten und zwang sich, einen neutralen Gesichtsausdruck beizubehalten. Fröhlichkeit war zu viel verlangt, aber Jeremys Scheck würde ihn mehr als ein paar Monate über Wasser halten und Raven konnte ihm nicht sagen, dass er sich verpissen sollte. Er konnte ihn auch nicht stehenlassen.

Endlich, endlich bekam er sein Bier und verließ den Saal.

Sein Lächeln wurde entspannter und fühlte sich weniger wie eine Grimasse an, je weiter er von Jeremy wegkam, und er ging so entschlossen, dass niemand ihn aufhielt.

Türen mit Bewegungssensor entließen ihn in den Garten hinter dem Gebäude. Stickige, feuchte Luft schlug Raven entgegen, als er in den heißen Abend in Florida hinaustrat. Beinahe sofort bildete sich Schweiß auf seiner Haut. Wenigstens war sein enges Hemd schwarz, Schweißflecken würden nicht zu sehen sein.

Seine Rettung war nahe. Er nahm einen schmalen Pfad, duckte sich unter dem hängenden Grün hindurch. Das Ressort behandelte Raucher wie Aussätzige und versteckte sie weit außer Sichtweite. Nicht, dass Raven ein großer Fan von Zigaretten war – der Rauchgestank setzte sich in seinen Haaren fest und er hatte gesehen, was sie mit der Ausdauer anstellen konnten –, aber sie waren eine fantastische Ausrede, besonders bei einem zudringlichen Klienten mit Asthma.

Er hatte vor langer Zeit herausgefunden, dass die Behauptung, Raucher zu sein, ihm eine kurze Pause bot, einen vernünftigen, glaubwürdigen Grund, sich zu verstecken, und hatte das bei mehr als einer Gelegenheit ausgenutzt. Er lehnte sich gegen einen Laternenpfahl, holte ein mitgenommenes Päckchen Zigaretten und ein Feuerzeug aus seinem Sporran und zündete sich eine an, ohne zu inhalieren.

Raven hielt die Zigarette neben der Hüfte nach unten, drehte den Kopf von dem aufsteigenden Rauch weg und genoss die Stille.

 

 

Er hatte gerade erst sein Feuerzeug weggesteckt, als ein weiterer Mann die Quarantänestation der Raucher betrat und abrupt innehielt, als er Raven bemerkte. Er hatte wohl erwartet, den Ort für sich alleine zu haben.

»Netter Kilt.« Der Fremde schien etwa im selben Alter zu sein wie Jeremys andere Klassenkameraden, aber er trug sein Hemd und die Anzughose mit einer Selbstverständlichkeit, von der Jeremy nur träumen konnte.

Raven räusperte sich. »Danke. Sind Sie zum Klassentreffen hier?«

»Ja. Go, Panthers!« Der Fremde hielt die Faust hoch, als er einen Spruch wiederholte, den Raven schon viel zu oft gehört hatte, seit Jeremy ihn in den Saal eskortiert hatte.

Mit einem reuigen Lächeln senkte der Fremde die Faust. »Leider ist die Highschool schon fünfundzwanzig Jahre her. Hast du Spaß mit uns Alten?«

Raven neigte den Kopf zur Seite und dachte darüber nach, wie klug es wäre, diesem Kerl zu erzählen, wie wenig er diese Veranstaltung genoss. Nicht, weil alle anderen älter waren – das war ihm egal. Aber nach allem, was Raven wusste, konnte dieser Kerl Jeremys lange verschollener Busenfreund oder sein Geschäftspartner oder so etwas sein.

Der Fremde kicherte. »Keine Sorge. Es ist in Ordnung, wenn du es hasst.«

Raven lachte. »Oh, gut. Denn ja, eigentlich tue ich das.«

Der andere streckte die Hand aus. »Ich bin Mick. Mick Munro.«

Raven tat es ihm gleich, wobei er merkte, dass er immer noch eine brennende Zigarette hielt, und sie schnell in die linke Hand nahm, bevor er sich vorbeugte, um Mick die Hand zu schütteln.

»Ich bin Raven.«

»Nett, dich kennenzulernen, Raven.«

Raven lehnte sich unter der Laterne zurück. Mick neigte den Kopf zur Seite. »Haben wir uns irgendwo schon einmal gesehen?«

Oh, fuck. Dieses Gespräch wollte er nicht führen. Nicht heute.

»Nein, ich denke nicht.« Vielleicht würde Mick das Thema damit fallen lassen.

»Du kommst mir bekannt vor. Das habe ich mir schon gedacht, als ich dich vorhin mit Jeremy gesehen habe.« Dann weiteten sich Micks Augen. »Raven. Natürlich. Du bist ein Idyll Fling-Model.«

Verdammt. Sie würden dieses Gespräch haben.

Glücklicherweise kamen keine lüsternen Blicke oder Ähnliches, denn Raven war nicht bereit, noch mehr Zudringlichkeiten abzuwehren, obwohl sein neuer Kumpel etwa hundertmal attraktiver war als Jeremy.

»Ja. Nun ja, ich war eins.«

Mick zupfte seltsam schüchtern an einem Ohrläppchen. »Ja, du warst toll. Meinem Ehemann und mir haben deine Videos sehr gefallen.«

Ein schneller Blick auf Micks Hand zeigte ein silbernes Band, das nur ein Ehering sein konnte. Es wäre nett gewesen, Mick schon früher getroffen zu haben.

»Danke.«

»Was, äh, ich meine, gibt es einen Grund, warum du aufgehört hast? Auf der Website war das etwas vage.«

Raven zuckte mit den Schultern. Das Studio hatte sich nicht darauf festlegen wollen, dass er nie wieder modeln würde, und war optimistisch geblieben, dass er zurückkommen würde. Außerdem hatte Raven sich nicht mit Unmengen Nachrichten herumschlagen wollen, die auf eine generelle Ankündigung, dass er in den Ruhestand ging, gefolgt wären. Natürlich hatte er nicht erwartet, ewig als Pornodarsteller zu arbeiten, aber er hatte auch nicht erwartet, dass seine Karriere so abrupt enden würde.

»Autounfall. Es war ziemlich schlimm und es gab einige Komplikationen.« Es gab keinen Grund, die grausigen Details vor einer neuen Bekanntschaft auszubreiten.

»Oh, tut mir leid, das zu hören.« Mick warf einen Blick auf seine langsam abbrennende Zigarette. »Hast du vor, die wirklich zu rauchen?«

Raven verdrehte die Augen. »Nein. Es ist eine Ausrede, um mich kurz zu verstecken.«

Mick lachte. »Deshalb bin ich hier. Ich rauche auch nicht, aber langsam habe ich mich ein wenig umzingelt gefühlt. Also, erzähl mal, wie ist ein netter schwuler Junge wie du bei einem Arschloch wie Jeremy gelandet?«

Ein netter schwuler Junge. Dafür hätte er Mick küssen können. Die Leute definierten ihn so oft über seine Pornos und diese Definition schloss nur selten das Wort nett mit ein. Seine Schultern lockerten sich, als er nicht verurteilt wurde, und Raven nahm sich einen Moment, um das ungewöhnliche Verständnis eines Mannes zu genießen, mit dem er nicht vorhatte Sex zu haben. Es war... erfreulich.

»Ich bin beruflich hier. Wie ein Escort, aber ohne Partnerspiel.«

»Also bist du jetzt ein Escort?«

Die Frage war gar nicht abwegig. Manche Pornodarsteller verdienten mehr, als sie zum Leben brauchten, indem sie beides taten, da ihre Filme ausgezeichnete Werbung für ihre Dienste als Escort waren. Manche Darsteller hatten normale Jobs neben den Filmen und andere finanzierten sich damit das Studium, wie er es getan hatte. Manche machten es, weil sie Sex mochten, und andere, weil sie das Gefühl hatten, dass sie es mussten, auf die eine oder andere Art und Weise. Raven hatte sowohl den Sex als auch den exhibitionistischen Aspekt genossen. Er war gerne beliebt. Aber dank eines betrunkenen Fahrers hatte sich alles geändert.

»Nein, kein Escort. Nur ein mehrtägiger Begleiter Schrägstrich Date. Ich verdiene nicht schlecht, aber ich bin nicht interessiert an dem privaten Austausch, den Escorts haben.«

Austausch, das war sauber formuliert. Da er nie wieder Sex haben würde, fiel Escort als Karrieremöglichkeit natürlich flach. Er hatte den Abschluss in Betriebswirtschaft schon beinahe in der Hand, aber ihm fiel kein spezieller Beruf ein, den er danach ergreifen wollte. Die meisten Möglichkeiten waren zu bieder und steif für ihn. Seit dem Unfall hing er auf unangenehme Art in der Schwebe und hatte noch nicht herausgefunden, was er dagegen tun sollte.

»Ah, ich hätte es wissen müssen. Jeremy ist so ein Arsch, er hätte nie jemanden abbekommen, der so heiß ist wie du.«

Zu seinem Erstaunen liefen Ravens Wangen rot an. Seit seinem zweiten Tag am Set war er nicht mehr errötet, aber das aufrichtige Kompliment hatte ihn erwischt. Allerdings hatte sein Aussehen keinen großen Nutzen mehr.

»Danke.« Er würde Micks Aussage auf keinen Fall widersprechen. Jeremy war ein Arsch. »Um das klarzustellen, ich bin nicht sicher, ob ich es wieder tun würde. Es ist nicht so, wie ich es erwartet hätte.« Was eine ziemliche Untertreibung war.

»Was wirst du dann mit dir anfangen? Du bist noch jung.«

Raven neigte den Kopf. »Was sind Sie, ein Berufsberater?«

Mick lachte. »Nicht ganz. Ich bin Personalmanager.«

»Ehrlich gesagt weiß ich nicht, was ich tun werde. Ich schließe gerade mein Studium in Betriebswirtschaft ab, aber der Titel ist einen Dreck wert, und ich glaube nicht, dass ich in irgendeinem Büro arbeiten könnte. Und mir Sorgen um einen Personalmanager machen.« Raven zwinkerte Mick zu, der es ihm nicht übelzunehmen schien.

»Natürlich bist du vielleicht etwas zu exotisch für ein traditionelles Unternehmen, aber das sollte dich nicht davon abhalten, einen Job zu bekommen, wenn du einen willst. Aber viel wichtiger ist die Frage, ob du das wirklich willst. Nichts hält dich davon ab, dein eigenes Unternehmen zu gründen. Etwas, das dich glücklich machen würde.«

Raven schnipste gegen seine Zigarette und sah zu, wie die Asche zu Boden flatterte. Er hatte gedacht, dass er noch so viel Zeit hatte, um diese Entscheidung zu treffen. Er hatte gedacht, dass er lange genug schauspielern würde, um Rücklagen zu bilden, sich in Ruhe zu überlegen, was er tun wollte, vielleicht sogar weiter zu studieren. Verdammt, vielleicht sogar Idyll Fling zu übernehmen. Aber selbst wenn er das Geld hätte, der momentane Besitzer, Stefan, würde nicht so bald zurücktreten oder verkaufen. Er hatte versucht, bei Idyll Fling-Filmen Regie zu führen, aber das hatte ihm nicht zugesagt, vor allem weil es ihn zu sehr daran erinnerte, was er für immer verloren hatte.

Was zum Teufel sollte er mit sich anfangen? Die Zwillingsübel Langeweile und Einsamkeit machten sein Leben ohnehin schon zur Hölle, besonders jetzt, da er die meisten Restschmerzen hinter sich hatte.

Trotz der unangenehmen Erinnerung daran, dass er nach diesem Wochenende arbeitslos sein würde und keinerlei Jobaussichten hatte, entspannte Raven sich noch mehr. Es war lange her, dass er zuletzt ein normales Gespräch mit einem Mann geführt hatte, das nicht in Sex enden würde und in dem er offenbar nicht für sein Leben verurteilt wurde. Das war einer der Gründe, warum er außerhalb der Arbeit nur wenige Leute um sich hatte.

Sie standen in angenehmem Schweigen da und lauschten den Zikaden in der stickigen Nacht, während der Rauch von Ravens glimmender Zigarette zum gelblichen Licht der Laterne aufstieg.

Dann kam der Moment, der sich nicht vermeiden ließ. Die Zigarette war heruntergebrannt. Es war Zeit.

»Ich schätze, ich sollte zurückgehen. Ich habe ja noch nicht Feierabend.« Raven grinste seine neue Bekanntschaft reumütig an. »Wir sehen uns.«

Mick nickte. »Ich komme mit meinem Mann rüber, um euch vorzustellen. Er wird ein Autogramm wollen.«

Raven lächelte. »Klar. Würde mich freuen, ihn kennenzulernen.« Wenn Mick ein Vorzeige-Date gewollt hätte, hätte Raven das kostenlos gemacht.

Die Nacht wurde noch etwas beklemmender, als er seine Beine zurück in Richtung Saal zwang.

 

 


 

Kapitel 2

 

 

Nummer 305. In diesem Moment war das die beste Nummer auf der ganzen Welt, da sie bedeutete, dass der erste Tag mit Jeremy vorbei war. Raven kramte in seinem Sporran nach seinem Zimmerschlüssel, bereit, die Tür zu öffnen und den obligatorischen beigen Teppich zu küssen.

Glücklicherweise hatte das Eröffnungsevent zu einer vernünftigen Zeit geendet, denn der nächste Tag begann für alle sehr früh. Raven war nur verpflichtet, die Programmpunkte zu besuchen, die Jeremy besuchen wollte – wenn er sich darüber hinaus unter die Leute mischen wollte, war er auf sich gestellt. Die geplanten Events am Samstag beinhalteten eine Exkursion zum Strand oder in den Vergnügungspark – Jeremy hatte sich für den Strand entschieden – und einen Highschool-Revival-Tanz später am Tag. Samstag würde ein schrecklicher Tag werden, mit der langen Fahrt zum Strand, gefolgt von mehreren Stunden Strandaktivitäten, was auch immer das bedeuten sollte. Zwischen dem Strand und dem Tanz blieb ein wenig Zeit, die im Programm als Freizeit und Gelegenheit zum Abendessen angeführt war, und Raven zählte bereits die Stunden. Es gab nichts, was Jeremy tun oder sagen konnte, das ihn davon überzeugen würde, gemeinsam zu Abend zu essen. Raven würde jede freie Minute damit verbringen, es sich in seinem Zimmer gut gehen zu lassen, und er war so verdammt froh, dass er darauf bestanden hatte, ein eigenes Zimmer im Hotel zu bekommen. Jeden Abend zurück zu seiner Wohnung zu fahren, wäre die reinste Hölle.

Mit einem breiten Lächeln schob er die Tür auf und ließ sie hinter sich zufallen, während er nach dem Lichtschalter tastete. Dann blinzelte er und sein Lächeln verschwand. Schweiß bildete sich auf seiner Haut. Die extreme Hitze in seinem Zufluchtsort war keine Nachwirkung des dritten Biers oder der unangenehmen Gesellschaft, sondern rührte daher, dass sein Thermostat auf den selten benutzten Höllenfeuer-Modus eingestellt war.

Er marschierte zu der mitgenommenen alten Klimaanlage hinüber. Die sogar noch einen Drehregler hatte. War das im ganzen Hotel so oder hatte er einfach Glück? Als er die Klimaanlage untersuchte, konnte er keinen Grund entdecken, warum sie nicht funktionieren sollte. Alle Einstellungen waren korrekt und trotzdem blies sie heiße Luft auf seine Beine. Ein schneller Schlag mit der Faust half auch nicht. Fuck.

Er hoffte für das Hotel, dass sie das in Ordnung brachten oder ihm ein neues Zimmer gaben.

Eine Stunde später trat Raven mit einem Handtuch um die Taille aus dem Badezimmer. Mit einem zweiten Handtuch rubbelte er sich über die Haare, bevor er es über eine Stuhllehne warf. Seine Haare waren nass genug, dass einzelne Tropfen über seine nackte Brust rannen, aber er ignorierte das Prickeln. Schließlich war sein Zimmer immer noch so heiß wie die Sonnenoberfläche. Auf keinen Fall würde er jetzt einen Fön benutzen.

Er war nicht gerade scharf darauf, Moskitos oder Kakerlaken hereinzulassen, aber in der stickigen Nacht musste es einfach kühler sein als hier. Eine genauere Untersuchung des Fensters verriet, dass er spezielles Werkzeug brauchen würde, um das verdammte Ding zu öffnen.

Die kalte Dusche hatte geholfen, aber wenn das Hotel nicht bald jemanden schickte, um das zu reparieren, würde er noch eine nehmen, zusammen mit einem verdammten Zusammenbruch.

Bei einem lauten Klopfen lief Raven zur Tür, hielt sich jedoch zurück, bevor er sie einfach aufriss, falls davor Jeremy stand anstatt des erwarteten Handwerkers.

»Ja?« Er würde sich nicht auf die verzerrende Linse des Türspions verlassen.

»Sie hatten wegen einer kaputten Klimaanlage angerufen?«

Oh. Raven erbebte leicht. Diese tiefe Brummstimme gehörte auf keinen Fall zu Jeremy. Natürlich konnte der Handwerker selbst nie einer Stimme gerecht werden, die so sexy klang. Allerdings hätte er als Synchronsprecher ein verdammtes Vermögen machen können.

»Hallo?«

Raven schüttelte sich. »Entschuldigen Sie, ja, das habe ich.« Nachdem er schnell aufgesperrt hatte, öffnete Raven die Tür.

Er wusste nicht, wie lange er schockiert dastand, bevor er zur Seite trat, aber es konnte nicht so lange gewesen sein, wie es sich anfühlte. Der Handwerker war tatsächlich so sexy, wie die Stimme versprochen hatte. Gerade geschnittene dunkelbraune Haare, warme braune Augen und ein Hauch Sommersprossen auf karamellfarbener Haut. Er war etwas älter als Raven, etwas kleiner als Raven und muskulös wie ein Bauarbeiter. Ein Bauarbeiter, dessen Foto in einen Kalender passen würde.

»Guten Abend. Ich bin Caleb Sanderson und ja, Sie haben ein Problem mit Ihrem Gerät.« Caleb, der das Wort Gerät nicht betonte, um irgendetwas anzudeuten, schenkte ihm ein Zahnpastalächeln, das verriet, dass seine Eltern sich Kieferorthopädie hatten leisten können.

»Äh, hallo. Bitte sagen Sie mir, dass Sie das...« Mit einiger Mühe schaffte er es, nicht Gerät zu sagen. »Bitte reparieren Sie sie.«

Caleb nickte und ging hinüber zu dem Gerät... Fuck... Raven konnte nicht einmal in Gedanken vermeiden, eine vielsagende Betonung auf das Wort zu legen.

Als Caleb niederkniete, spannte sich die verwaschene Jeans über einen so wunderbaren Hintern, dass Raven sich ein Wimmern verkneifen musste. Blut schoss in seinen Schritt und er nahm das Handtuch vom Stuhl, um seine anschwellende Erektion zu verbergen. Wo war der verdammte Ledersporran, wenn er ihn brauchte?

Sein Herzschlag beschleunigte sich und sein Magen flatterte. Er war nicht sicher, ob er eher erregt oder entsetzt war, weil er seit seinem Unfall nicht mehr vor einem anderen Mann erregt gewesen war.

Caleb sah zu ihm zurück und lächelte, was Raven in Panik stürzte. »Äh. Ähm. Ich bin in einer Minute zurück.« Er nahm eine Jeans aus seinem Koffer und floh ins Badezimmer, bevor er die Tür hinter sich zuschlug, als wäre Caleb ihm dicht auf den Fersen.

Diesmal hatte der Adrenalinrausch einen anderen Grund als bei seiner Flucht vor Jeremy. Gott. Ohne die geringste Anmut riss er das Handtuch herunter und zog seine Jeans hoch. Sein Fuß blieb stecken und er stolperte, fing sich jedoch wieder, bevor er sich den Kopf am Tisch anstieß.

Er atmete tief und zittrig ein, bevor er seine Jeans ganz hochzog und seinen immer noch steifen, ungehorsamen Mistkerl von einem Schwanz einpackte. Wie üblich achtete er darauf, sich nicht auf die dicken, glänzenden Narben zu konzentrieren, die seine Hüften und seinen Schritt bedeckten – Narben, die selbst nach einem Jahr noch leuchtend rot waren.

Er fuhr sich mit den Händen durch die feuchten Haare, in der Hoffnung, sie etwas zu bändigen, und trat hinaus. Der Unterschied war bereits deutlich spürbar. Eine kühle Brise strich über seine feuchte Haut und seine Nippel stellten sich auf. Warum hatte er nicht auch ein T-Shirt mitgenommen?

»Ihr Gerät ist repariert.« Caleb wischte sich die Hände an den Schenkeln ab und zog Ravens Blick damit unwillkürlich auf den Reißverschluss seiner Hose, aber Raven zwang ihn wieder weg, auf eine Art verlegen und aufgelöst, wie er es nicht sein sollte, egal wie sexy er den anderen Mann fand. Aber vielleicht lag darin das Problem. Es war einfacher gewesen, eine Ewigkeit ohne Sex zu akzeptieren, als er noch keine spontane Reaktion auf jemand anderen gehabt hatte. Fuck. Er wusste nicht einmal, ob Caleb schwul war. »Äh, danke. Das ging ja schnell.«

»Ich bin einfach gut«, sagte Caleb, wieder mit Worten, die so leicht zweideutig sein konnten, die er jedoch völlig unschuldig aussprach. Oder heterosexuell. Caleb nickte und ging zur Tür, wobei er einen schwachen Dufthauch nach Seife und Schweiß hinter sich herzog.

Einen Moment später fiel die Tür hinter ihm zu und Raven ließ sich auf das Bett fallen.

Zum ersten Mal in seinem Leben hatte er sich mitten in einer typischen Pornohandlung wiedergefunden, wie er sie selbst mehrmals gespielt hatte, und anstatt Caleb anzumachen, hatte er sich wie eine nervöse Jungfrau ohne soziale Kompetenz benommen. Verdammt, er war noch erbärmlicher gewesen als zu der Zeit, als er eine nervöse Jungfrau gewesen war, um Himmels willen. So fest er auch davon überzeugt war, dass es besser so gewesen war, er konnte seinem Schwanz nicht begreiflich machen, dass es eine gute Idee war, Caleb gehen zu lassen, ohne zumindest zu versuchen, Nummern auszutauschen. Er wollte so sehr, dass Caleb zurückkam. Er wollte herausfinden, wie er schmeckte. Wollte wissen, welche Laute er ausstieß, wenn er seinen Schwanz geleckt bekam.

Die Ironie dieser Situation entging ihm nicht.

 

***

 

Caleb Sanderson sank mit klopfendem Herzen gegen die Wand. Es war reines Glück, dass er seinen Werkzeugkasten noch festhielt, denn das letzte, was er wollte, war, dass der Bewohner von Zimmer 305 herauskam, um zu sehen, was der Lärm zu bedeuten hatte.

Heilige Scheiße, das passierte sonst nie. Nicht ihm.

Da seine Firma einen Vertrag mit einigen Ressorts und Unternehmen in der Nähe hatte, war er schon mehrmals in diesem Hotel gewesen. Schließlich waren die Klimaanlagen ziemlich alt und Caleb nahm an, dass das Ressort sie alle bald ersetzen würde. Bis dahin war Caleb allerdings ein häufiger Gast.

Er war schon in einigen Hotelzimmern gewesen, die meisten davon leer. In denen, die es nicht gewesen waren, hatte er allerdings mehrere Dinge gesehen, die er nicht mehr vergessen würde. Manchmal war es schwer zu glauben, dass irgendjemand kein Problem damit haben konnte, sich fremden Leuten nackt zu zeigen – live und höchstpersönlich. Ein paar Frauen hatten ihn sogar angemacht. Aber er hatte nie, nicht ein einziges Mal, länger bleiben wollen, als er für den Job brauchte. Nach einem Blick auf 305 waren Caleb schon eine Million Fragen auf der Zunge gelegen. Dunkle Haare mit roten Strähnchen, blaue Augen und blasse Haut ließen den Mann aussehen wie eine Anime-Figur.

Aber der Rest an ihm rief das überwältigende Verlangen wach, sich nicht mit Worten aufzuhalten, da er seine Zunge für sinnlichere Unternehmungen benutzen wollte. Er hatte auf das he-rvorstehende Schlüsselbein des Kerls gestarrt, dann hinunter auf die leichten Schatten eines Sixpacks bis zu der kleinen schwarzen Haarlinie. Das Verlangen war schnell über Caleb hinweggefegt und hatte ihn benommen zurückgelassen. Das Schicksal hatte wohl gelacht, als es dafür gesorgt hatte, dass er die Meldung eines Mannes annahm, der so hinreißend war, dass er Model sein musste. Oder vielleicht ein junges Schauspieltalent.

So viele Begierden und Ideen waren in Calebs Kopf herumgeschwirrt, dass es ein Wunder war, dass er überhaupt Worte herausgebracht hatte. Erstaunlicherweise hatte er sich nicht wie ein kompletter Idiot angehört, er hatte sogar Selbstbewusstsein hinbekommen. Und was noch erstaunlicher war, er hatte nichts Unangemessenes gesagt, egal wie sehr er sich danach gesehnt hatte. Schließlich war Caleb der Inbegriff von Beherrschung, obwohl 305 diese Selbstbeherrschung bis zum Limit strapaziert hatte. Aber er hatte seine niederen Instinkte zurückgehalten. Das letzte, was er brauchte, war eine Klage wegen sexueller Belästigung eines Hotelgastes. Das konnte nicht nur die leichte, stetige Einnahmequelle ruinieren, die das Ressort ihm bot, es konnte ihn auch in echte Schwierigkeiten bringen.

Die Mühe, die es kostete, sein Verlangen zu unterdrücken und sich wie ein normaler Mensch zu verhalten, anstatt wie ein wildes Tier in den Klauen ungeheuerlicher Lust, ließ Caleb schwitzend und keuchend zurück, als wäre er in den letzten paar Minuten einen kompletten Marathon gelaufen. Mit der möglicherweise größten Erektion, die er je gehabt hatte. Den Heiligen sei Dank für die neue Jeans und enge Retropants.

Seine Wangen wurden heiß und er sah an seiner üblichen Uniform herab: Jeans und Polohemd. In dem Outfit sah er nicht gerade wie ein Zuchthengst aus. Mit einem reumütigen kleinen Lachen rückte er seine schwellende Erektion zurecht.

Selbst wenn 305 schwul war, er würde sich niemals mit einem schäbigen Handwerker einlassen. Vor allem nicht mit einem, der offensichtlich älter war. Caleb war erst zweiunddreißig, aber wenn 305 auch nur einen Tag über einundzwanzig war, dann wäre Caleb ein Einhorn. Er selbst schlug sich ganz gut und wurde regelmäßig flachgelegt, wenn auch nicht so oft, wie er es gerne hätte. Ein Kerl, der so heiß war, würde sich für Caleb keine Zeit nehmen, aber er würde ganz sicher während der abendlichen Dusche in Calebs Fantasien auftauchen und das wahrscheinlich die nächsten paar Tage lang. 305, heißes Wasser, Duschgel und Calebs rechte Hand war vielleicht das beste Date seit einiger Zeit.

Ein grässliches Klingeln drang aus seiner Tasche und er nahm sein Handy und stellte den Ton aus. Sein Herz schlug etwas schneller, während er mit angehaltenem Atem wartete, nicht sicher, ob er wollte, dass 305 die Tür öffnete, oder nicht.

Dann schüttelte er sich. Wenn er selbst in einem Hotelzimmer wäre und im Gang ein Handy klingeln hörte, würde er sich bestimmt nicht die Mühe machen und die Tür öffnen. Wie dumm von ihm.

Außerdem: Wie sollte Caleb erklären, dass er sich davor herumdrückte, wenn 305 wirklich die Tür öffnete? Er ging so leise wie möglich zum Aufzug, auch wenn ihm klar war, dass er sich lächerlich benahm.

Als die Türen des Aufzugs sich öffneten, las er die Nachricht, die ihn erschreckt hatte. Anstatt in die Lobby zu fahren, drückte er auf die Zwölf. Noch eine Klimaanlage. Das Date mit seiner Hand würde noch etwas warten müssen, aber wenigstens war das Problem gemeldet worden, bevor er das Gebäude verlassen hatte. Es war schlimm, am Wochenende in Bereitschaft zu sein, besonders während einer Hitzewelle, aber er war nun mal an der Reihe und es war ja nicht so, als hätte er einen festen oder auch nur potenziellen Freund, mit dem er das Wochenende verbringen könnte.

Ein älterer Mann öffnete die Tür zu Zimmer 1218 mit einem erleichterten Seufzer, seine Frau saß auf dem Sofa und schaute fern. Das sollte schnell und schmerzlos werden. Und wenn er sich währenddessen fragte, wo 305 wohl lebte und ob er einen Freund hatte, zu dem er nach seinem Urlaub nach Hause kommen würde, nun ja, dann musste das niemand wissen.